Die benigne Rolandische Epilepsie (RE), auch bekannt als gutartige Epilepsie mit zentrotemporalen Spikes (BECTS), ist eine häufige Form der Epilepsie bei Kindern. Sie tritt typischerweise im Alter zwischen 3 und 13 Jahren auf, wobei die ersten Schuljahre am häufigsten betroffen sind. In vielen Fällen verschwindet die RE von selbst, sobald die Jugend erreicht ist, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen.
Was ist die Rolandische Epilepsie?
Die Rolandische Epilepsie ist eine selbstlimitierende, fokale Epilepsie, die durch charakteristische nächtliche Anfälle und spezifische EEG-Muster gekennzeichnet ist. Die Bezeichnung "benigne" deutet auf den meist harmlosen Verlauf der Erkrankung hin. Mediziner verwenden verschiedene Bezeichnungen, um die Rolando-Epilepsie genauer zu beschreiben:
- Selbst-limitierend: Die Rolando-Epilepsie endet (mit dem Alter) von selbst.
- Fokal, partiell oder "Partialepilepsie": Sie geht von einem begrenzten Bereich in einer Hälfte des Gehirns aus. Von dort breitet sie sich unter Umständen aus.
- Idiopathisch: Der Auslöser - wie beispielsweise eine Verletzung oder eine andere Erkrankung - ist nicht bekannt. Wahrscheinlich verursachen Genveränderungen die Rolando-Epilepsie. Die Bezeichnung „idiopathisch“ gilt mittlerweile als unpassend.
- Mit zentro-temporalen Spikes: Im EEG (Messung der Hirnströme) erscheinen markante Formen. Gemeinsam mit der typischen Symptomatik prägen sie das Bild der Rolando-Epilepsie.
- Benigne: Es handelt sich in der Regel um eine "gutartige" Epilepsie. Bei den Kindern sind keine schweren Komplikationen bekannt.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen der Rolando-Epilepsie sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren eine Rolle spielt.
Genetische Veranlagung
Mediziner gehen von einer sogenannten genetischen Prädisposition aus. Das heißt, Betroffene haben Veränderungen (Mutationen) im Erbgut, die sie anfälliger für die Erkrankung machen. Vermutlich begünstigen dann äußere Einflussfaktoren, dass die Rolando-Epilepsie tatsächlich ausbricht.
Hinweise auf eine genetische Komponente sind:
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- Häufig neigen Familienmitglieder der Erkrankten ebenfalls zu Krampfanfällen (etwa im Rahmen von Epilepsien oder Fieberkrämpfen).
- Das EEG aller Rolando-Epileptiker zeigt eine typische Veränderung, den Rolando-Fokus. Er ist oft auch bei nicht-erkrankten, anfallsfreien Familienmitgliedern, zum Beispiel Geschwistern, zu sehen.
- Unter einigen Betroffenen findet man Veränderungen in den gleichen Genen, beispielsweise im GRIN2A-Gen. Es enthält den Bauplan für eine Andockstelle auf Nervenzellen (NMDA-Rezeptor), worüber sich u.a. die elektrische Aktivität der Zelle erhöht.
Es wird angenommen, dass bei der Rolando-Epilepsie viele Gene verändert sind (polygene Störungen). Alle Mutationen zusammen beeinträchtigten letztlich die Gehirnentwicklung (Hirnreifungsstörung). Das könnte zeitweise Fehlfunktionen des Gehirns auslösen, die den Rolando-Anfall hervorrufen.
Umweltfaktoren
Welche äußeren Einflussfaktoren die Entstehung der Rolando-Epilepsie begünstigen, ist derzeit nicht bekannt.
Symptome
Die Rolando-Epilepsie äußert sich durch epileptische Anfälle, die vor allem im Bereich des Kopfes auftreten. Die Anfälle dauern üblicherweise nicht länger als zwei bis drei Minuten (sofern sie sich nicht ausbreiten). In den meisten Fällen sind die Kinder bei Bewusstsein und bekommen den Anfall mit.
Typische Symptome
- Motorische Anzeichen: Oft beginnen die Anfälle mit klonischen (zuckenden) Bewegungen im Gesicht, die sich oft auf die Zunge oder auf eine Seite ausbreiten können.
- Sensible Symptome: Kribbeln, Taubheit oder Verspannungen im Gesichtsbereich. Meistens beginnen die Anfälle am Mundwinkel.
- Sprachschwierigkeiten: Unfähigkeit zu sprechen (Anarthrie) oder verwaschene Sprache (Dysarthrie) während und kurz nach dem Anfall.
- Vermehrter Speichelfluss: Begleitet von Würgen und Lallen.
Symptome, wenn sich der Anfall ausbreitet
Manchmal geht ein Rolando-Anfall von einem einzelnen Brennpunkt des Gehirns auf weitere Areale über. Dann kann auf der gleichen Seite der Arm (seltener das Bein) betroffen sein und schließlich auch die gesamte Körperhälfte. Nach dem Anfall sind die betreffenden Körperareale möglicherweise vorübergehend gelähmt (Todd´sche Parese).
Bisweilen erfassen Rolando-Anfälle auch die andere Gehirnhälfte. Dann treten Krämpfe am ganzen Körper auf. Ein solcher bilateral (=beidseitig) tonisch-klonischer Anfall entwickelt sich oft sehr schnell aus einem fokalen Anfall. Mediziner sprechen in diesem Fall auch von einem generalisierten rolandischen Anfall. Da er aus dem fokalen entsteht, handelt es sich um einen sekundär generalisierten Anfall. Er tritt überwiegend nachts auf.
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Selten entsteht bei der Rolando-Epilepsie ein sogenannter Status epilepticus. Davon ist die Rede, wenn ein fokaler Anfall länger als dreißig oder ein generalisierter Anfall mehr als fünf Minuten anhält.
Wann und wie oft treten Rolando-Anfälle auf?
Bei der Rolando-Epilepsie setzen Anfälle bei der Mehrzahl der Kinder ausschließlich im Schlaf ein. Besonders häufig entstehen sie abends, kurz nach dem Einschlafen, oder früh morgens, vor dem Aufwachen. Deutlich seltener haben Betroffene die Anfälle nur tagsüber oder sowohl nachts als auch am Tag.
Am häufigsten beginnen die Symptome der Rolando-Epilepsie bei Kindern im Grundschulalter und enden mit der Pubertät. Vor allem jüngere Kinder sind von länger anhaltenden Anfällen mit Ausbreitung auf beide Gehirnhälften betroffen.
Manche Kinder durchlaufen innerhalb einiger Tage gehäuft Anfälle und danach monatelang keine mehr. Andere haben insgesamt nur einen. Bei den meisten bleibt die Gesamtzahl der Anfälle unter zehn.
Die Häufigkeit der Anfälle bei Rolando-Epilepsie variiert. Einige Kinder erleben sie nur gelegentlich, andere sind wiederholt betroffen. Die Frequenz kann auch im Verlauf der Erkrankung schwanken. Manche Kinder haben Phasen, in denen die Anfälle häufiger auftreten, gefolgt von Phasen, in denen sie seltener werden oder sogar zeitweise aussetzen.
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Diagnose
Die Diagnose der Rolando-Epilepsie stellen Fachärzte der kindlichen Nervenheilkunde (pädiatrische Neurologen). Sie beruht auf den Schilderungen der Patienten und Eltern. Außerdem messen Ärzte die Hirnströme (EEG, Elektroenzephalografie), wo sich ein Rolando-typisches Muster zeigt. Sie überprüfen auch den neurologischen Allgemeinzustand des Kindes.
Anamnese
Zunächst fragt der Arzt Kind und Eltern genau nach den Symptomen. Meist deuten sie bereits auf die Rolando-Epilepsie hin. Anhand der Schilderung kann der Arzt oft örtlich begrenzte (fokale) von ausgedehnten (bilateralen) Anfällen unterscheiden und den Schweregrad einschätzen.
Außerdem erkundigt sich der Arzt nach den Begleitumständen eines Anfalls. Der Arzt erkundigt sich auch nach Krampfanfällen oder Epilepsien in der Familie. Informationen zu Vorerkrankungen des Kindes oder zu eingenommenen Medikamenten können ebenfalls hilfreich sein. Zudem fragt er, wie sich das Kind bislang entwickelt hat und ob es sich auffällig verhält.
EEG bei der Rolando-Epilepsie
Vermutet der Arzt eine Rolando-Epilepsie, wird er immer auch die Hirnströme messen: Er veranlasst eine sogenannte Elektroenzephalografie (EEG). Dabei zeichnet ein Gerät die elektrische Aktivität von Nervenzellen in einer bestimmten Hirnregion auf.
Bei Rolando-Epileptikern zeigt das EEG ein typisches Muster. Es bildet sich aus sogenannten „Spikes“ (dt. Spitzen), „Sharp Waves“ (dt. scharfe Wellen) oder „Sharp-and-slow-waves“ (dt. scharfe und langsame Wellen). Sie tragen ihre Namen aufgrund des Bildes, das im EEG zu sehen ist. Es tritt auf, wenn mehrere Nervenzellen kurz gleichzeitig viele elektrische Signale aussenden.
Kennzeichnend ist der sogenannte Rolando-Fokus. Er heißt so, weil er bei der Rolando-Epilepsie im EEG gewöhnlich nur in bestimmten Regionen (fokal) zu sehen ist. Besonders deutlich tritt er zentrotemporal in Erscheinung. Also im Messbereich der Elektroden, die mittig und seitlich am Kopf angebracht sind (EEG-Bild: zentrotemporale Spikes).
Abgesehen davon ist das EEG für gewöhnlich normal. Die Veränderungen treten sowohl während eines Anfalls als auch manchmal in anfallsfreien Phasen auf. Schlaf und Müdigkeit begünstigen die Anfälle. Daher empfiehlt der Arzt ein Schlaf-EEG, das zur Kontrolle später wiederholt wird.
Auch ein Langzeit-EEG mit Videoaufnahme ist möglich. Wenn das Kind gerade häufiger Anfälle hat, kann der Arzt auf diese Weise den Verlauf eines Anfalls aufzeichnen und beurteilen. Allerdings treten Anfälle oft selten und zufällig auf und fallen nicht mit dem Zeitpunkt der Aufnahme zusammen. Deshalb sieht man meist von dieser Methode ab.
Neuropsychologische Untersuchung
Epilepsien bei Kindern kann die ordnungsgemäße Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen. Daher raten Ärzte Rolando-Epileptikern zu einer neuropsychologischen Überwachung. Dabei testet man mehrfach bestimmte Hirnfunktionen des Kindes, wie:
- Wahrnehmung
- Konzentration
- Aufmerksamkeit
- Lernen
- Gedächtnis
Außerdem behält man die Entwicklung der sprachlichen Fähigkeiten des Kindes sowie das Verhalten im Auge.
Weitere diagnostische Maßnahmen
Manche Betroffene haben viele Anfälle auf einmal oder Komplikationen wie einen Status epilepticus. Dann führt der Arzt womöglich noch weitere Untersuchungen wie ein Kernspin (MRT) durch. Es ist auch dann sinnvoll, wenn Medikamente nicht ausreichend gegen die Epilepsie wirken.
Ausschluss anderer ähnlicher Epilepsien
Die Rolando-Epilepsie ähnelt manchmal anderen Epilepsien des Kindesalters, zum Beispiel dem Lennox-Gastaut-Syndrom oder der Absence-Epilepsie des Schulkindalters. Der Arzt grenzt sie durch die gezielten Untersuchungen von der Rolando-Epilepsie ab.
Zudem gibt es das sogenannte Pseudo-Lennox-Syndrom. In der Literatur spricht man stellenweise auch von der atypischen benignen fokalen Epilepsie des Kindesalters oder der atypischen Rolando-Epilepsie.
Anfälle verlaufen hier oft wie bei der Rolando-Epilepsie. Daneben sind Symptome möglich, die für gewöhnlich bei anderen Epilepsien auftreten, zum Beispiel die Absence (geistige Abwesenheit). Im EEG erkennen Mediziner ebenfalls zusätzliche Veränderungen.
Die Erkrankung beginnt meist bereits im Alter von drei bis vier Jahren und die Behandlung gestaltet sich schwierig. Die kognitive Entwicklung ist stark beeinträchtigt. Bereits Erlerntes geht oftmals im Rahmen der Erkrankung wieder verloren. Auch die atypische Verlaufsform endet spontan, kognitive Schwächen bleiben aber häufig bestehen.
Therapie
Nicht jedes Kind mit Rolando-Epilepsie benötigt Medikamente. Wenn die nächtlichen Anfälle nur selten vorkommen und das Kind nicht darunter leidet, ist eine medikamentöse Behandlung unnötig. Diese Entscheidung sollte jedoch in Absprache mit dem behandelnden Arzt und den Eltern getroffen werden. Dabei ist es wichtig, auch das Kind selbst zu befragen, um zu erfahren, wie es selbst die Anfälle wahrnimmt und es Angst vor ihnen hat.
Sinnvoll ist dagegen immer eine intensive Förderung und spezielle Unterstützung der betroffenen Kinder, um Entwicklungsauffälligkeiten (= Teilbereichsstörung) rechtzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Z. B. kann ein Epilepsie-Hund Sicherheit und Hilfe bieten.
Verlauf und Prognose
Zum Glück hat die Rolando-Epilepsie oft eine positive Prognose. Viele Kinder hören auf, Anfälle zu haben, wenn sie in die Pubertät kommen. Meist ohne abweichende Hirn-Entwicklungen oder Gehirnschäden. Kinder mit Rolando-Epilepsie können zwar Teilleistungsstörungen (Lese-Rechtschreib-Schwäche, Koordinationsprobleme, Aufmerksamkeitsprobleme) aufweisen, doch diese Symptome lassen i. d. R. im Laufe der Zeit nach.
Die Rolando-Epilepsie verläuft meist "gutartig": In der Regel treten nur wenige Anfälle auf, die verglichen… Die Rolando-Epilepsie (RE) ist die häufigste Epilepsie-Form im Kindesalter. Sie tritt zwischen dem 3. und 13. Lebensjahr auf, am häufigsten in den ersten Schuljahren. Diese Form der (gutartigen) benignen Epilepsie im Kindesalter wächst sich normalerweise, ohne bleibende Schäden aus, sobald die Jugend erreicht ist.
Leben mit Rolando-Epilepsie: Herausforderungen und Unterstützung
Eltern von Kindern mit Rolando-Epilepsie stehen vor erheblichen Herausforderungen, trotz der guten Prognose. Die konstante Wachsamkeit, die nötig ist, um jederzeit bei Anfällen reagieren zu können, bedeutet oft große psychische und physische Belastungen. Schlafmangel ist nicht selten, da viele Anfälle in der Nacht auftreten. Darüber hinaus erfordert es viel Kraft und Geduld, die Kinder in ihren Entwicklungsphasen zu unterstützen, vor allem wenn zusätzliche Schwierigkeiten wie Sprachentwicklungsverzögerungen oder Verhaltensauffälligkeiten auftreten. Auch wenn mit dem Heranwachsen die Anfälle irgendwann ganz verschwinden, ist der Alltag für diese Familien geprägt von einer intensiven Fürsorge und viel Stress.
Forschung und neue Therapieansätze
Ein Forschungsteam der Universität und des Universitätsklinikums Tübingen hat festgestellt, dass durch im Schlaf vorgespielte kurze Laute die für die Epilepsie charakteristischen, in der Hirnaktivität messbaren Ausschläge teilweise unterdrückt werden können. Diese Erkenntnisse könnten die Grundlage für künftige Forschungen an Therapien für diese Epilepsieform bilden. Zwar nimmt die Rolando-Epilepsie in der Regel einen milden Verlauf und bleibt oft unbehandelt. Doch ließen sich zum Teil mit der Erkrankung in Verbindung gebrachte Auffälligkeiten in der kognitiven Entwicklung durch eine solche Therapie möglicherweise beeinflussen.
Begleiterkrankungen
Laut Fachmedizin liegt bei Epilepsie-Kindern häufig auch eine ADHS vor. Die genauen Gründe dafür sind nicht geklärt, vermutlich haben beide Störungen eine gemeinsame genetische Basis. Ca. 10-40 % der Menschen mit ASS (Autismus-Spektrums-Störung) haben - abhängig von der ASS-Form - auch Epilepsie. Und Menschen mit Epilepsie haben wiederum ein höheres Risiko, Autismus zu entwickeln.
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