Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, von der in Deutschland rund 600.000 Menschen betroffen sind. Die Erkrankung kann sich auf unterschiedliche Weise äußern und Menschen jeden Alters betreffen. Neben den gesundheitlichen Problemen können auch psychische und soziale Herausforderungen entstehen. Dieser Artikel beleuchtet die beruflichen Möglichkeiten und Rehabilitationsmaßnahmen für Menschen mit Epilepsie.
Epilepsie und Arbeitsleben: Eine individuelle Betrachtung
Die Auswirkungen von Epilepsie auf das Arbeitsleben sind vielfältig und hängen von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören die Anfallsfrequenz, die Art der Anfälle, die Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Medikamente sowie die spezifischen Anforderungen des Berufs und des Arbeitsplatzes. Grundsätzlich gilt, dass viele Menschen mit Epilepsie bei guter Anfallskontrolle oder an risikoarmen Arbeitsplätzen ohne Einschränkungen arbeiten können.
Berufswahl und Beratung
Junge Menschen mit Epilepsie sollten sich frühzeitig über geeignete Berufe beraten lassen. Auch wenn die Erkrankung erst im Erwachsenenalter auftritt oder sich verändert, ist eine Beratung sinnvoll. Dabei sollte der Fokus nicht auf den Einschränkungen liegen, sondern auf den individuellen Neigungen, Interessen und Begabungen. Nicht immer ist der Wunschberuf realisierbar, insbesondere wenn eine Eigen- oder Fremdgefährdung besteht.
Mitteilungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber
Eine generelle Mitteilungspflicht über die Epilepsie gegenüber dem Arbeitgeber besteht nicht. Allerdings sollten Betroffene die Erkrankung ansprechen, wenn sie die Arbeit erheblich beeinträchtigt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn Anfälle während der Arbeitszeit auftreten oder Medikamente die Konzentration beeinträchtigen.
Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz
Wenn weiterhin mit Anfällen am Arbeitsplatz gerechnet werden muss, sind präzise, individuelle Aussagen zu Anfallsarten, Anfallshäufigkeit, Anfallsprognose und Fahrtauglichkeit des epilepsiekranken Beschäftigten erforderlich. Aus arbeitsmedizinischer Sicht bilden die Aussagen des Neurologen die Grundlage für eine Arbeitsplatzbegehung, bei der anfallsbedingte Selbst- und Fremdgefährdungen ermittelt werden.
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Eigen- und Fremdgefährdung
Bei der Beurteilung des Arbeitsplatzes muss berücksichtigt werden, ob eine Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt. Eine Eigengefährdung besteht beispielsweise bei der Gefahr, durch Anfälle mit gesundheitsschädlichen Stoffen in Berührung zu kommen. Eine Fremdgefährdung kann vorliegen, wenn die Aufsichtspflicht über Minderjährige oder Menschen mit Behinderungen anfallsbedingt unterbrochen wird.
DGUV Information 250-001
Die DGUV Information 250-001 "Berufliche Beurteilung bei Epilepsie und nach erstem epileptischen Anfall" des Ausschusses Arbeitsmedizin der Gesetzlichen Unfallversicherung bietet eine hilfreiche Einschätzung des Gefährdungsrisikos nach Anfallsart.
Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation
Träger der beruflichen Rehabilitation unterstützen Menschen, die behindert sind oder von Behinderung bedroht sind. Da Epilepsie eine anerkannte Schwerbehinderung sein kann, ist in diesem Fall die präventive Beteiligung des Integrationsamtes erforderlich. Das Integrationsamt beteiligt bei Bedarf den Integrationsfachdienst mit weiterer Begleitung. Ziel ist es, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen und die Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Es gibt verschiedene Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die Menschen mit Epilepsie in Anspruch nehmen können. Dazu gehören:
- Anpassung des Arbeitsplatzes: Der Arbeitsplatz kann so gestaltet werden, dass er den individuellen Bedürfnissen angepasst ist. Dies kann beispielsweise durch technische Hilfsmittel oder eine ergonomische Gestaltung erfolgen.
- Arbeitsassistenz: Arbeitsassistenz kann Menschen mit Epilepsie eine Berufstätigkeit in Anstellung oder Selbstständigkeit ermöglichen. Arbeitsassistenz bei Epilepsie setzt voraus, dass der Mensch mit Epilepsie der Kernarbeit selbst nachgehen kann und nur für Hilfsarbeiten Assistenz braucht.
- Lohnkostenzuschüsse: Wenn die Leistungsfähigkeit aufgrund der Epilepsie vermindert ist, können Lohnkostenzuschüsse im Rahmen des Budgets für Arbeit gewährt werden.
- Berufliche Qualifizierung: Bei Bedarf können Umschulungen oder Weiterbildungen finanziert werden, um neue berufliche Perspektiven zu eröffnen.
- Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche: Integrationsfachdienste und andere Beratungsstellen unterstützen bei der Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz.
Berufsbildungswerke
Besonders wenn Jugendliche neben der Epilepsie weitere Einschränkungen haben, z.B. eine Lernbehinderung, bieten die Berufsbildungswerke verschiedene Möglichkeiten. Diese Einrichtungen bilden vor allem junge Menschen mit Behinderungen aus.
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Erwerbsminderungsrente und Sozialleistungen
Wer aufgrund der Epilepsie nur noch unter 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann, gilt als teilweise erwerbsgemindert, sind es unter 3 Stunden ist es eine volle Erwerbsminderung. Dann kann ggf. eine Erwerbsminderungsrente das Arbeitseinkommen ersetzen oder ergänzen. Wird diese abgelehnt oder ist sie zu gering, helfen verschiedene Sozialleistungen.
Medizinische Rehabilitation
Nicht jeder Mensch, der an einer Epilepsie erkrankt, kann sofort erfolgreich behandelt werden; nicht jeder bewältigt problemlos die damit auf ihn zukommenden Schwierigkeiten hinsichtlich seiner zukünf-tigen sozialen und beruflichen Rehabilitation. Viele Menschen mit Epilepsie benötigen dazu unter-schiedliche Hilfen, die im Allgemeinen unter dem Begriff Rehabilitation zusammengefasst werden.
Phasenmodell der Rehabilitation
In Deutschland gibt es ein gegliedertes System der Rehabilitation, das von einer Abfolge verschiede-ner Leistungen ausgeht: Nach der medizinischen Diagnostik und Akut-Behandlung folgen die medizi-nische, berufliche und soziale Rehabilitation in einzelnen Schritten. Dieses Phasenmodell hat sich bei vielen chronischen Krankheiten bewährt, ist bei einem großen Teil der Menschen mit Epilepsie jedoch nicht geeignet.
Verzahnung von medizinischer und beruflicher Rehabilitation
Medizinische und berufliche Rehabilitation von Menschen mit Epilepsie erfordert daher - stärker als dies bei anderen chronischen Krankheiten oder Behinderungen notwendig ist - eine enge Verzahnung mit der epileptologischen Akutbehandlung.
Medizinische Rehabilitationsabteilungen
Inzwischen sind an weiteren Orten in Deutschland ähnliche Abteilungen entstanden (z.B. am Epilepsie Zentrum Berlin Brandenburg oder am Epilepsie Zentrum Freiburg/Kehl-Kork). In diesen Abteilungen kann nach Abschluss der Akutbehandlung genau das stattfinden, was bisher fehlte: Hilfen zur Verbesserung der Krankheitsbewältigung, Informationen über die eigene Erkrankung, das Erlernen eines der Epilepsie angepassten Lebensrhythmus, die Überprüfung der beruflichen Belastbarkeit und beruflicher Möglichkeiten etc. Der Übergang in eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation oder in ein Leben ohne Epilepsie (das möglicherweise durch einen epilepsiechirurgischen Eingriffe erreicht werden kann) wird hierdurch sehr erleichtert.
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Rechtliche Aspekte
Arbeitsunfall und Haftung
Kein Arbeitsunfall liegt vor, wenn Beschäftigte während der Arbeitszeit oder auf dem Weg zur oder von der Arbeit einen Anfall erleiden und der Sturz zu einer behandlungsbedürftigen Verletzung führt. Nach der Empfehlung des Ausschusses für Arbeitsmedizin der DGUV liegt ein Arbeitsunfall nur dann vor, wenn betriebliche Umstände wesentlich zum Eintritt und zur Schwere des Unfalls beigetragen haben.
Informationspflichten und Fragerecht des Arbeitgebers
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht verpflichtet, ihre Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber über ihre Erkrankung zu informieren. Sie müssen sie daher auch nicht in einem Bewerbungsschreiben erwähnen. Wenn aber das Unternehmen jedoch bei der Auswahl oder der Gestaltung des Arbeitsplatzes auf wesentliche Funktionseinschränkungen im Hinblick auf die geforderten Tätigkeiten Rücksicht nehmen muss, sind die Beschäftigten verpflichtet, ihre Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auf die Erkrankung hinzuweisen. Umgekehrt dürfen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nur dann nach einer Erkrankung fragen, wenn diese die Eignung für die Tätigkeit dauerhaft einschränkt.
Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen
Es ist wichtig, dass betriebliche Ersthelfer über die richtige Vorgehensweise bei epileptischen Anfällen informiert sind. Dazu gehört, die betroffene Person vor Verletzungen zu schützen, die Atemwege freizuhalten und gegebenenfalls einen Notarzt zu rufen.
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