Das Gehirn ist ein komplexes Netzwerk aus Nervenzellen, die ständig aktiv sind und elektrische Ströme zwischen verschiedenen Hirnbereichen hin- und herleiten. Nach einer Aktion wird der elektrische Befehl normalerweise unterbrochen oder zumindest eingedämmt. Epileptische Anfälle entstehen durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen vieler Nervenzellen. Ein einzelner Anfall bedeutet jedoch noch nicht, dass eine behandlungsbedürftige Epilepsie vorliegt.
Was ist Epilepsie?
Das Wort "Epilepsie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "ergriffen" oder "überwältigt werden". Dies beschreibt den Zustand der "Entrücktheit", ein Verhalten der sinnlichen Abwesenheit, das Starren in die Leere und die Unbeantwortung von Ansprachen. Betroffene können dabei Urin verlieren oder anfangen zu speicheln. Die Pupillen sind erweitert und die Augen weit geöffnet. Diese Anzeichen deuten auf eine Erregungskonzentration in einem abgrenzbaren Teil des Gehirns hin, der Aufmerksamkeit, Konzentration und vegetative Prozesse steuert.
Arten von epileptischen Anfällen
Epileptische Anfälle können sich auf unterschiedliche Weise äußern. Aktiviert die elektrische Erregung ein Areal, das für die Kontrolle von Muskelbewegungen verantwortlich ist, kann es zu Zuckungen einzelner Muskeln des Gesichts oder der Gliedmaßen kommen. Breitet sich die Erregung ungebremst über das ganze Gehirn aus, kommt es zu einem generalisierten Anfall. Der gesamte Körper zeigt ungebremste Muskelaktivität, die sich entweder tonisch (fest gespannte Muskelaktivität) oder klonisch (rhythmische Zuckungen aller Gliedmaßen, des Kopfes und der Gesichtsmuskulatur) darstellt. Betroffene sind nicht bei Bewusstsein und bekommen weder von ihrer Umgebung noch von ihrem Anfall etwas mit. In der Regel werden Urin und Kot abgesetzt, und die Betroffenen speicheln stark.
Ein epileptischer Anfall folgt meistens einer gewissen Dramaturgie. Bevor die Nervenzellen sich so massiv entladen, dass ein Anfall ausgelöst wird, kommt es bereits zu Störungen der normalen Hirnfunktion, die von den Betroffenen bemerkt werden. Sie können nervös sein, die Nähe des Besitzers suchen, ängstlich sein und gewohntes Verhalten verändern.
Blindheit nach epileptischem Anfall
Nach einem Anfall kann eines oder mehrere Gehirnareale ausgeschaltet werden. Dies äußert sich in Desorientiertheit, Abwesenheit, ja sogar in Blindheit und gelähmten Gliedmaßen. Es ist wichtig, Betroffenen nach einem Anfall Zeit zur Erholung zu geben. Viele reagieren aggressiv, entweder während oder nach einem Anfall.
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Status epilepticus
Unter einem "Status epilepticus" versteht man Anfallsaktivität, die nicht wie üblich von selbst aufhört. Ohne tierärztliche Hilfe ist dies ein lebensbedrohlicher Zustand. Die ständige Muskelkontraktion führt zu einer Überbelastung des Körpers. Die Abfallprodukte des Muskelstoffwechsels können die Niere schädigen. Ein massiver Ausstoß von Adrenalin steigert zunächst den Blutdruck und führt zu erhöhter Herzaktivität, was schließlich in einem Überlastungs-Herzstillstand münden kann.
Ursachen von Epilepsie
Ein epileptischer Anfall entsteht, wenn das Gleichgewicht zwischen elektrischer Erregung und Eindämmung dieser Erregung verschoben wird. Dieses Ungleichgewicht kann durch Ursachen im Gehirn oder außerhalb des Gehirns verursacht werden.
Innere Ursachen
Innere Ursachen liegen in Erkrankungen anderer Organe des Körpers, die zu Störungen im Stoffwechsel führen. Lebererkrankungen und Gefäßmissbildungen der Leber (sog. portosystemischer Shunt) können zu einer Überflutung des Gehirns mit körpereigenen Giftstoffen (Ammoniak) führen, die sonst in der Leber abgebaut würden. Abweichungen des Blutspiegels von Körpersalzen wie Kalzium und Kalium, die sich bei Nieren- oder Nebennierenerkrankungen sowie bei Erkrankungen der Nebenschilddrüse einstellen, können ebenfalls zu Krampfanfällen führen.
Äußere Ursachen
In der unmittelbaren Umwelt finden sich eine Fülle von Giften, die das Gleichgewicht der Nervenfunktion stören und Anfälle auslösen können. Von Zahnpasta und Kaugummis über Frostschutzmittel bis hin zu Pflanzenschutzmitteln auf Feldern oder im Schneckenkorn und Insektenvertilgungsmittel aus dem eigenen Garten können Anfälle hervorrufen.
Hirnveränderungen
Veränderungen der normalen Struktur des Gehirns und seiner funktionellen Komponenten können epileptische Anfälle hervorrufen. Je nach Alter kommen unterschiedliche Hirnveränderungen in Frage. Jungtiere haben oftmals eine Missbildung des Gehirns. Virusinfektionen und andere bakterielle oder parasitäre Erreger können das Gehirn befallen. Junge, ausgewachsene Tiere können Gehirnentzündungen ausbilden, die ohne eine Infektion durch Überreaktionen des Immunsystems entstehen (immunvermittelte Enzephalitiden). Blutungen und Hirninfarkte rufen bei älteren Tieren Anfälle hervor. Seltene, in der Regel angeborene Stoffwechselstörungen der Gehirnzellen können zur Degeneration von Neuronen führen.
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Idiopathische Epilepsie
Sind alle Ursachen für eine sekundäre oder reaktive Epilepsie ausgeschlossen, kommt man zu der Diagnose "primäre" oder "idiopathische Epilepsie". Hierbei geht man von einer Schädigung einzelner Nervenzellen aus, die auf die normalen Signale einer Eindämmung der elektrischen Aktivität nicht reagieren oder selbstständig aktiv sind und eigenständig elektrische Impulse auslösen und verbreiten.
Diagnose von Epilepsie
Die Diagnose von Epilepsie ist komplex und erfordert eine sorgfältige Anamnese, neurologische Untersuchung und verschiedene diagnostische Tests.
Anamnese
Durch ein intensives Gespräch muss geklärt werden, wie sich die epileptischen Anfälle klinisch darstellen, in welchen Abständen sie auftreten und wie lange sie dauern. Auslösende Faktoren in der Vergangenheit oder der Gegenwart müssen systematisch erkundet werden. Nicht zuletzt muss sicher sein, dass es sich überhaupt um einen epileptischen Anfall handelt und nicht um eine Störung des Gleichgewichts oder der Herztätigkeit oder eine andere Erkrankung.
Neurologische Untersuchung
Liegt der auslösende Faktor für die Epilepsie im Gehirn selbst, ist häufig auch die Funktion anderer Systeme des Nervensystems geschädigt.
Blutuntersuchung
Eine Blutuntersuchung kann die wichtigsten Hinweise auf einen Organschaden und andere Störungen des Körperstoffwechsels liefern. Neben den Standardtests muss die Funktion der Leber (Ammoniaktest) aus einer Blutprobe umgehend nach Entnahme überprüft werden.
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Weitere diagnostische Tests
Leider gibt es keinen Test, um eine Epilepsie zu beweisen, sondern man muss die möglichen Ursachen, die einen Anfall auslösen können, Schritt für Schritt ausschließen.
Therapie von Epilepsie
Die Therapie von Epilepsie zielt darauf ab, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren oder idealerweise Anfallsfreiheit zu erreichen.
Behandlung der Grunderkrankung
Bei sekundären Epilepsien muss die auslösende Grundursache beseitigt werden. Entfernt man einen Hirntumor, so tritt die Epilepsie danach in der Regel nicht mehr auf.
Medikamentöse Therapie
Ist die Epilepsie primär, müssen Medikamente die elektrische Aktivität im Gehirn dämpfen. Diese müssen lebenslang eingenommen werden und dürfen nicht eigenständig abgesetzt werden! Genau wie bei Menschen ist das Ziel einer antiepileptischen Therapie, dass die Betroffenen nicht häufiger als einmal im Monat einen Anfall bekommen. Rund 75 % sprechen hervorragend auf ein antiepileptisches Medikament an und können ein relativ uneingeschränktes, normales Leben führen. Bei einem geringen Prozentsatz kann es schon zu Beginn oder im Laufe der Behandlung zu einer Therapieresistenz kommen, d. h. trotz optimaler Therapie hat das Tier viele Anfälle.
Alternative Therapien
Für Patienten, bei denen die medikamentöse Therapie nicht ausreichend wirksam ist, kommen weitere Therapiemöglichkeiten in Betracht, wie z. B. die Vagusnervstimulation oder operative Verfahren.
Epilepsie im Alter
Epilepsie ist die dritthäufigste neurologische Erkrankung im höheren Alter. In Deutschland sind etwa 150.000 Menschen über 60 Jahren betroffen. Das Krampfleiden ist meist schwierig zu erkennen oder wird gar fehldiagnostiziert. Epileptische Anfälle sind im Alter meist fokal. Sie gehen von einem Ursprungsort aus, und die neuronalen Entladungen bleiben auf einen umschriebenen Bereich des Gehirns beschränkt. Wie sich der Anfall äußert, hängt vom Ort der Störung ab. So kann es zu rhythmischen Zuckungen einer Extremität kommen oder zu Missempfindungen. Während das Bewusstsein bei einfachen fokalen Anfällen erhalten bleibt, ist es bei den komplex-fokalen immer gestört. Ein fokaler Anfall dauert in der Regel ein bis zwei Minuten. Die Zeit danach (postiktual) kann jedoch bis zu 24 Stunden, bei älteren Patienten sogar Tage andauern und mit neurologischen Ausfällen einhergehen.
Aufgrund der oft wenig typischen Symptome besteht die Gefahr, dass ein epileptischer Anfall bei einem älteren Menschen nicht erkannt wird. Oftmals werden Anfälle als unklare mentale Veränderungen, Verwirrtheit, Synkopen, Gedächtnisstörungen oder als Schwindel fehlgedeutet.