Bluttest zur Alzheimer-Demenz-Diagnose: Ein Überblick

Die Alzheimer-Krankheit, die häufigste Ursache für Demenz, stellt eine wachsende globale Herausforderung dar. Weltweit waren im Jahr 2019 schätzungsweise 57 Millionen Menschen von Demenz betroffen, wobei prognostiziert wird, dass diese Zahl bis 2050 auf 153 Millionen ansteigen wird. In Deutschland lebten im Jahr 2021 etwa 1,7 Millionen Menschen über 64 Jahre mit Demenz, und es wird erwartet, dass diese Zahl bis 2050 um etwa 65 % auf 2,8 Millionen ansteigen wird. Angesichts dieser steigenden Prävalenz und der damit verbundenen gesamtgesellschaftlichen Kosten, die im Jahr 2020 in Deutschland 83 Milliarden Euro betrugen und weltweit im Jahr 2019 1300 Milliarden US-Dollar erreichten, ist die Notwendigkeit einer frühzeitigen und präzisen Diagnose von grösster Bedeutung.

Die Bedeutung der Früherkennung

Obwohl Alzheimer derzeit nicht heilbar ist, gibt es Möglichkeiten, den Verlauf der Krankheit positiv zu beeinflussen und die Lebensqualität der Betroffenen so lange wie möglich zu erhalten. Eine frühe Diagnose ermöglicht es, rechtzeitig gesundheitliche Massnahmen zur Verzögerung des Krankheitsverlaufs zu ergreifen und geeignete medikamentöse Therapien einzuleiten, die Symptome lindern und kognitive Fähigkeiten verbessern können. Es gibt ein "Window of Opportunity" von 10 bis 20 Jahren in der Lebensmitte, um das Risiko einer neurodegenerativen Erkrankung zu verringern oder ihre Progression zu verzögern, bevor erste Anzeichen und Symptome auftreten. Durch frühzeitige Prävention lassen sich 35% der Risikofaktoren modifizieren. Die Modifizierung von Risikofaktoren kann die Resilienz gegenüber der Alzheimer-Pathologie verbessern. Die Beeinflussung dieser Risikofaktoren ist daher ein Weg für ein personalisiertes Risikomanagement.

Herausforderungen bei der traditionellen Diagnose

Die Diagnose von Alzheimer und anderen Formen der Demenz war bisher ein aufwändiger, oft unsicherer und belastender Prozess. Aktuellen Schätzungen zufolge wird rund die Hälfte aller Demenz-Erkrankungen viel zu spät erkannt, was die Erfolgschancen adäquater Therapien und so wertvolle Lebensqualität deutlich reduziert. Um eine gesicherte Diagnose zu stellen, müssen bisher aufwendige und teure Verfahren eingesetzt werden. Dazu gehören bildgebende Verfahren wie MRT, CT oder PET-Scans, die Alzheimer-typische Ablagerungen im Gehirn sichtbar machen sollen, etwa Beta-Amyloid-Plaques - verklumpte Eiweissfragmente, die sich zwischen den Nervenzellen ansammeln und deren Funktion stören. Eine besonders präzise, aber unangenehme Methode ist die Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit mittels Lumbalpunktion, bei der der Biomarker Beta-Amyloid nachgewiesen wird. Der PET-Scan, eine weitere Möglichkeit zur Diagnosesicherung, erfordert die Injektion einer radioaktiven Substanz, die sich an Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn bindet. Doch diese Methode ist nicht nur teuer, sondern auch nur in spezialisierten Zentren verfügbar, was lange Wartezeiten mit sich bringt. All diese Faktoren führten bislang dazu, dass Alzheimer oft erst diagnostiziert wurde, wenn bereits deutliche Symptome auftraten - ein erheblicher Nachteil, da eine frühzeitige Therapie helfen kann, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität möglichst lange zu erhalten.

Die Entwicklung von Bluttests zur Alzheimer-Diagnose

Schon lange wird daher weltweit an der Entwicklung aussagekräftiger Bluttests auf Alzheimer-Demenz gearbeitet. Doch viele solcher Tests befinden sich derzeit im Entwicklungsstadium und sind noch nicht einsetzbar. Anders der sogenannte „Aß42/ß40“-Bluttest, der jetzt der weltweit erste und einzige für die Diagnostik Œ-IVD zugelassene Test ist.

Verfügbare Bluttests

Mehrere Bluttests zur Alzheimer-Diagnostik wurden entwickelt, darunter der Precivity AD-Bloodtest und der Elecsys pTau181-Test, die beide eine EU-Zulassung haben und für den Einsatz in der Praxis vorbereitet werden. Der US-amerikanische Precivity AD-Bloodtest misst beispielsweise das Verhältnis zweier unterschiedlicher Beta-Amyloid-Peptide namens Beta-Amyloid-40 und Beta-Amyloid-42 im Blut. Das Peptid Beta-Amyloid-42 kommt häufiger in den Plaques und Zusammenlagerungen vor, wodurch sich das lösliche Verhältnis der beiden Peptide bei Menschen mit Alzheimer-Demenz verändert. Dieser Test richtet sich laut Hersteller an Menschen über 55 Jahren mit Anzeichen für eine leichte kognitive Einschränkung. Der Elecsys pTau181-Test der Firma Roche in Zusammenarbeit mit Eli Lilly misst ein chemisch verändertes Tau-Protein, das sogenannte pTau181. Es gilt als Indikator für die Alzheimer-Erkrankung. Mit Hilfe des Tests kann laut Hersteller früh und einfach der Grund für die kognitiven Defizite bestimmt werden. Erhärtet sich der Verdacht durch den Test, werden weitergehende Untersuchungen durch Spezialist*innen durchgeführt. Fällt der Test negativ aus, muss nach anderen Ursachen als Alzheimer für die kognitive Einbuße gesucht werden. Der Test könnte in der Zukunft flächendeckend zum Einsatz kommen.

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Ein weiterer Bluttest, der von Prof. Dr. Gerwert und seinem Team der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit dem Forscher Prof. Dr. Scheltens von der Universität Amsterdam entwickelt wurde, misst mit Hilfe des Immuno-Infrarot-Sensor die für Alzheimer charakteristische Fehlfaltung des Peptids Beta-Amyloid, die der Bildung von Plaques vorausgeht und bereits vor dem Auftreten von Symptomen messbar ist.

Der Nutzen von Bluttests

Blutbasierte Biomarker sind einfach, minimal-invasiv und seriell messbar. Darüber hinaus haben Bluttests das Potenzial, zu einer schnelleren Diagnose beizutragen, indem Wartezeiten bei Spezialist:innen zur weiteren diagnostischen Abklärung verkürzt werden. Patient:innen mit bestätigter Alzheimer-Diagnose könnten früher einer Therapie zugeführt werden. Letztlich könnten blutbasierte Biomarker in Zukunft auch bei der Verlaufsprädiktion, der Auswahl der geeigneten Therapie und der Therapiekontrolle eine relevante Rolle spielen. Der grösste Vorteil von Alzheimer-Bluttests ist ihre einfache und kostengünstige Durchführung.

Einschränkungen und Herausforderungen

Es ist wichtig zu beachten, dass Bluttests die etablierten Diagnoseverfahren bislang noch nicht ersetzen können. Die Testergebnisse sind als Ergänzung zu weiteren Untersuchungen gedacht, um den Verdacht einer Alzheimer-Erkrankung zu erhärten oder zu entkräften. Für die Diagnose einer Alzheimer-Erkrankung sind also zusätzliche Untersuchungen erforderlich, insbesondere ein Gedächtnistest.

Eine Herausforderung war die extrem niedrige Konzentration beider Marker im Blut. Die breite klinische Implementierung in Europa wird zudem davon abhängen, ob eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen erfolgt und ob weitere klinische Validierungsstudien positive Ergebnisse liefern.

Die Rolle von Biomarkern

Biomarker spielen eine wesentliche Rolle bei der Frühdiagnose der Alzheimer-Krankheit. Die Liquor-Biomarker β-Amyloid (1-42) (Aβ(1-42)), phosphoryliertes Tau (pTau) und Gesamt-Tau (tTau) werden seit über 20 Jahren in der Forschung verwendet. Seit 2018 werden sie vom National Institute on Aging (NIA), einer Division der US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) und von der die Alzheimer's Association (NIA-AA) als Hauptbiomarker für die Diagnose von leichten kognitiven Störungen (LKS) und der Alzheimer-Krankheit untersucht. Die beiden Hauptanzeichen der Alzheimer-Krankheit sind die Akkumulation von Plaques aus dem 42-Aminosäuren langen Peptid β-Amyloid (1-42) und Tangles des Tau-Proteins im Gehirn. Diese Einlagerungen beginnen bereits Jahrzehnte vor dem Auftreten erster klinischer Symptome. Biomarker im Liquor ermöglichen eine frühzeitige und präzise Diagnose von leichten kognitiven Störungen und der Alzheimer-Krankheit, da sie frühe Messgrössen für die spezifische pathologische Einlagerung von Amyloid-Plaques und Tau-Tangles im Gehirn sind.

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Die Zukunft der Alzheimer-Diagnostik

Die Diagnostik von Demenzerkrankungen wie Alzheimer entwickelt sich rapide weiter. Verschiedene Forschungsteams haben Bluttests zu entwickelt, mit denen Alzheimer zuverlässig erkannt werden kann. Es befinden sich auch Bluttests in der Entwicklung, die den Erkrankungsbeginn bei symptomfreien Menschen mit Alzheimer über mehr als zehn Jahre vorhersagen können. Bluttests, vor allem mit prognostischer Qualität, können eine wichtige Rolle bei der Erforschung neuer Wirkstoffe in klinischen Studien spielen. Zum einen könnten so leichter Probandinnen und Probanden im symptomfreien Stadium gefunden werden.

Die Zukunft der Alzheimer-Diagnostik wird voraussichtlich multimodal und vernetzt sein. Digitale Verfahren wie sprachbasierte Analysen, kognitive Tests per Smartphone oder sensorgestützte Bewegungsprofile haben den Vorteil, dass sie kontinuierlich, nicht-invasiv und im Alltag anwendbar sind. Sie liefern wertvolle Hinweise auf funktionelle Veränderungen - oft bevor klassische Symptome auftreten. Molekulare Bluttests hingegen erfassen biologische Veränderungen auf Zellebene, etwa in Form von Amyloid, Tau oder regulatorischen RNAs. Sie liefern objektive Messwerte, die eine biologische Subtypisierung ermöglichen - was besonders für zukünftige gezielte Therapien wichtig ist. Langfristig wird die Stärke darin liegen, diese beiden Welten zu integrieren: also biologische, kognitive und digitale Daten gemeinsam auszuwerten - idealerweise mithilfe von künstlicher Intelligenz. So könnten wir ein individuelles Risikoprofil erstellen und den Krankheitsverlauf viel früher und präziser erkennen als heute.

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