Neurobiologische Grundlagen von Angstregulation und Depression im Gehirn

Angst und Depression erscheinen auf den ersten Blick als unterschiedliche Emotionen mit unterschiedlichen subjektiven Erfahrungen. Dennoch treten sie häufig gemeinsam auf, wobei sich eine Krankheit aus der anderen entwickelt. Dies deutet auf eine gewisse Verwandtschaft hin, die durch die Tatsache unterstützt wird, dass für beide Erkrankungen die gleichen Medikamente (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) eingesetzt werden. Daher stellt sich die Frage, ob es auf neurobiologischer Ebene mehr Gemeinsamkeiten gibt, als man zunächst vermuten würde.

Einführung

Dieser Artikel untersucht die neurobiologischen Prozesse, die bei Angst, Panik und Depression im Gehirn und Nervensystem ablaufen. Ziel ist es, Ähnlichkeiten und Unterschiede in den zugrunde liegenden Mechanismen aufzudecken und zu verstehen, wie diese Erkenntnisse zur Therapie und Prävention beider Erkrankungen beitragen können.

Angst und Panik - Ein neurobiologischer Überblick

Die Natur der Angst

Angst ist eine der grundlegenden Emotionen, die jeder Mensch von Natur aus in sich trägt. Sie ist allgegenwärtig und betrifft uns als Individuen und als Gesellschaft über alle Zeitalter, Sprachen und Kulturen hinweg. Der Begriff „Angst“ leitet sich vom lateinischen „angustia“ ab, was „Enge“ bedeutet - ein Symbol für die Enge in der Brust, das Druckgefühl und die zugeschnürte Kehle, die bei Angst entstehen. Angst kann sich in verschiedenen Formen äußern, wie allgemeine Ängstlichkeit, Furcht, Panikattacken oder Sorgen.

Die Fähigkeit, Angst zu empfinden, ist eine der wichtigsten menschlichen Eigenschaften, da sie uns schützt und vor Gefahren bewahrt. Angst wirkt als biosoziales Signal und trägt wesentlich zu einer risikobewussten Auseinandersetzung mit der Umwelt bei. Sie verhindert, dass wir uns unnötig in Gefahr begeben und Risiken eingehen.

Gesunde vs. krankhafte Angst

Ein gesundes Maß an Angst ist notwendig, um uns auf Gefahren aufmerksam zu machen und uns zu schützen. Sie ermöglicht es uns, uns intensiver auf Herausforderungen vorzubereiten und die bestmögliche Leistung zu erbringen. Entscheidend ist jedoch das richtige Maß an Respekt vor der Herausforderung. Ein Zuviel oder Zuwenig an Angst kann schädlich sein.

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Furcht ist ein Angstgefühl, das sich bei der Konfrontation mit einem konkreten, bedrohlichen Objekt einstellt. Sorge hingegen beschreibt ein eher subtiles und kognitives Gefühl von Angst, einen sich langsam entwickelnden, meist länger andauernden Zustand ängstlicher Erwartung. Jede Art der Angst kann jedoch überborden und in eine krankhafte Form umschlagen. Die Abgrenzung von gesunder zu krankhafter Angst kann im Einzelfall schwierig sein, da der Übergang fließend ist.

Die Alarmreaktion des Körpers

Wenn wir eine Bedrohung wahrnehmen, reagieren wir mit einer entsprechenden Alarmreaktion. In einem entwicklungsgeschichtlich tief verankerten Prozess entscheiden wir in Sekundenbruchteilen, wie wir uns in einer solchen Situation verhalten: Kampf, Flucht oder Totstellreflex (Fight, Flight, Freeze).

Für die Steuerung und Regulation dieser Alarmreaktion sind bestimmte neuroanatomische Strukturen in unserem Gehirn verantwortlich, insbesondere die Amygdala (Mandelkern). Bei Angststörungen ist die Aktivität der Amygdala oft gesteigert, was zu einer erhöhten Sensitivität gegenüber angstauslösenden Reizen führt. Gleichzeitig ist der Hippocampus, eine Gehirnregion, die für die Kontextualisierung von Angst und die Unterscheidung zwischen realer und vermeintlicher Bedrohung zuständig ist, in seiner Funktion beeinträchtigt. Bereiche der Gehirnoberfläche, wie der präfrontale Kortex, helfen normalerweise, die emotionalen Reaktionen im Zaum zu halten. Bei krankhafter Angst ist jedoch auch dieser Mechanismus gestört, was zu überschießenden Angstreaktionen führt.

Körperlich äußern sich diese Phänomene durch einen Anstieg der Herzfrequenz, Schwitzen, Unruhe, Schwindel, Übelkeit und schnellere Atmung. Auf neurochemischer Ebene spielen die Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin eine wichtige Rolle, die bei Angststörungen häufig dysreguliert sind.

Genetische und epigenetische Einflüsse

Neben den neurobiologischen Faktoren spielen auch genetische und epigenetische Einflüsse eine bedeutende Rolle. Studien zeigen, dass Angststörungen eine genetische Komponente haben, wobei Variationen in Genen, die die Funktion von Neurotransmittern beeinflussen, die Vulnerabilität erhöhen. Umweltfaktoren, wie traumatische Erfahrungen, können diese genetische Disposition ungünstig beeinflussen. Epigenetische Mechanismen können die Genexpression verändern und so die Anfälligkeit für Angststörungen verstärken.

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Auch Substanzkonsum, etwa von Koffein, Nikotin, Alkohol, Cannabis und anderen psychoaktiven Drogen, kann unser seelisches Gleichgewicht destabilisieren und Angst entstehen lassen oder verstärken.

Formen von Angsterkrankungen

Angsterkrankungen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen. Zu den verschiedenen Formen gehören:

  • Panikstörung: Wiederholt auftretende Panikattacken, plötzliche Episoden massiver Angstgefühle ohne erkennbare externe Auslöser.
  • Generalisierte Angststörung: Übermäßige Sorgen und Ängste über viele Dinge, die schwer zu kontrollieren sind.
  • Soziale Angststörung: Übermäßige Angst davor, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und sich zu blamieren.
  • Spezifische Phobie: Unbegründete Furcht vor bestimmten Objekten oder Situationen, die zu Vermeidungsverhalten führt.
  • Selektiver Mutismus: Kinder und Jugendliche sprechen in bestimmten angstbesetzten Situationen plötzlich nicht mehr, obwohl sie ausreichende Sprachkompetenz besitzen.
  • Trennungsangststörung: Kinder und Jugendliche entwickeln exzessive und entwicklungspsychologisch inadäquate Ängste, wenn sie alleine sind.

Therapie von Angsterkrankungen

Die Therapie von Angsterkrankungen umfasst psychotherapeutische Maßnahmen, medikamentöse Ansätze und begleitende Maßnahmen. Die kognitive Verhaltenstherapie ist das am besten wissenschaftlich untersuchte und wirksamste Verfahren. Zu den wichtigsten Bausteinen zählen Psychoedukation, Expositionsbehandlung und die Veränderung dysfunktionaler Denkmuster. Medikamentös werden häufig Antidepressiva eingesetzt, insbesondere selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI). Benzodiazepine werden aufgrund ihres Abhängigkeitspotenzials nicht empfohlen.

Entspannungsverfahren, achtsamkeitsbasierte Therapieverfahren, progressive Muskelrelaxation und autogenes Training können ebenfalls hilfreich sein.

Neurobiologische Hintergründe einer Depression

Die multifaktorielle Natur der Depression

Die Depression ist eine multifaktorielle Erkrankung, die nicht von einer einzigen Ursache ausgelöst wird, sondern bei der mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Einer davon sind Veränderungen in den Vorgängen des zentralen Nervensystems. Trotz zunehmender wissenschaftlicher Aufmerksamkeit für die Erforschung der Zusammenhänge und die Therapie psychischer Erkrankungen bleiben bis heute noch einige Fragen offen. Hinzu kommt, dass verschiedene Erkenntnisse nicht unbedingt auf den Einzelfall zutreffen, da jede Depression individuell ist und einer individuellen Therapie bedarf.

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Beteiligte Hirnregionen

Zu den bekannten Hirnbereichen, die an der Entstehung und Aufrechterhaltung depressiver Symptome beteiligt sind, gehören:

  • Amygdala (Mandelkern): Zuständig für die Entstehung von Emotionen und das Emotionsgedächtnis.
  • Limbisches System: Wirkt auf die Stressregulation, Empfindung und Verarbeitung von Emotionen ein.
  • Hypothalamus: Wichtig für Appetit, motivationales Verhalten, Schlafrhythmus, Hormonregulation und Libido.
  • Großhirnrinde (Cortex): Insbesondere der präfrontale Cortex und andere Areale, die in höhere kognitive Leistungen involviert sind.

Für die Entstehung depressiver Symptome ist jedoch nie nur ein einziges Hirnareal verantwortlich, sondern das Zusammenspiel von Netzwerken im Gehirn ist fehlreguliert.

Veränderungen auf Ebene der Nervenzelle

Die wichtigsten in Verbindung mit Depressionen stehenden biochemischen Bestandteile sind die Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. Eine der Ursachen einer Depression kann ein zu niedriger Monoamin-Spiegel (Serotonin, Dopamin und Noradrenalin) im synaptischen Spalt sein, was zu Störungen neuronaler Schaltkreise und einer beeinträchtigten neuronalen Reizübertragung führt.

Obduktionsbefunde zeigen, dass bei depressiven Patienten eine erhöhte Dichte bestimmter Noradrenalin-Rezeptoren in der Hirnrinde (Cortex) zu finden ist. Dies lässt sich dadurch erklären, dass das System versucht hat, den Mangelzustand an Noradrenalin durch eine Erhöhung der postsynaptischen Rezeptordichte auszugleichen.

Es können jedoch unterschiedliche Formen gestörter Neurotransmitter-Aktivität vorliegen, die individuell betrachtet werden müssen. Ein Serotonin-Mangel wird beispielsweise eher mit depressiver Verstimmung, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit in Verbindung gebracht.

Veränderungen im Hormonsystem

Die hormonelle Stress-Achse (HPA-Achse) zeigt bei einer Depression ebenfalls Veränderungen. Eine chronische Aktivierung der HPA-Stress-Achse dient als Nährboden vieler Erkrankungen, vermutlich auch der Depression.

Die bedeutende Rolle des Hormonsystems bei der Entstehung einer Depression ist außerdem ersichtlich, wenn man sich die geschlechterbezogenen Prävalenzen (Auftretenswahrscheinlichkeiten) betrachtet. Frauen sind öfter betroffen durch ein erhöhtes Risiko während Hormonumschwüngen, wie bei der Menarche, Menstruation, Schwangerschaft, Geburt oder Menopause. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die postnatale Depression, bei der das Hormonungleichgewicht nach der Entbindung einer der gesicherten Auslöser der Erkrankung ist.

Folgen auf der Verhaltensebene

Wenn explorative Gefühle und Neugier durch permanente Angst oder Panikattacken verschwinden, ist die Motivation und der natürliche Drang nach draußen zu gehen, Menschen zu treffen und das Leben zu leben deutlich gemindert. Nicht selten fühlen sich Menschen mit einer Depression zusätzlich von Angst beherrscht, sind völlig energie- und antriebslos.

Neurobiologische Gemeinsamkeiten zwischen Angst, Panik und Depression

Ungeachtet dessen, welche individuellen Zusammenhänge die Erkrankung verursacht haben, entstehen sowohl bei Depression wie bei Angst und Panik biochemische Veränderungen im zentralen Nervensystem. Bei beiden psychischen Erkrankungen liegt ein Ungleichgewicht im Neurotransmitter-Haushalt vor, insbesondere ein Serotonin-Mangel.

Zudem sind die Aktivität und manchmal sogar das Volumen bestimmter Hirnareale verändert, was die Schaltkreise und Netzwerke des Gehirns in ihrer normalen Funktion beeinträchtigt.

Außerdem liegt bei Angst und Depression eine veränderte synaptische Plastizität vor. Zu einem höheren Risiko für Depression und Angsterkrankungen führt laut aktueller Studien eine relativ häufige Veränderung im Gen für die Synthese des Proteins BDNF (brain-derived neurotrophic factor), welches neuronales Wachstum fördert. Eine veränderte neuronale Plastizität bedeutet, dass weniger Neuronen gebildet werden, weniger Synapsen als neue Verknüpfung entstehen und Neuronen über dendritische Verästelungen weniger stark verbunden sind.

Zuletzt ist die Überaktivierung der HPA-Achse und die damit verbundene übermäßige Ausschüttung von Cortisol bei Angsterkrankungen und Depressionen ähnlich vorhanden. Wobei schwierig zu beurteilen ist, ob die Übererregung der Stress-Achse die Angst oder Depression ausgelöst hat oder umgekehrt. Generell gilt: Eine veränderte Biochemie kann sowohl Ursache wie Wirkung der Erkrankung sein. Sie kann einerseits, etwa angeborenermaßen, die Krankheit (mit)verursachen, sie kann andererseits eine erst durch die Erkrankung eingetretene Folge sein.

Was man auf Basis dieser Erkenntnisse tun kann

Für die Therapie beider Erkrankungen und die Prävention einer entstehenden Komorbidität, also das zusätzliche Auftreten von Depressionen oder Angst bei einer Grunderkrankung, ist die HPA-Achse ein guter globaler Ansatzpunkt zur Selbsthilfe. Stressbewältigung, Entspannungsmethoden, Bewegung, Achtsamkeit und alles, was einem guttut, können hier helfen, positiv Einfluss zu nehmen und langfristig etwas für die Gesundheit zu tun.

Die Rolle von Neurotransmittern im Detail

Serotonin

Serotonin ist eines der bekanntesten Glückshormone und spielt eine zentrale Rolle in der Regulierung unserer Stimmung, unseres Schlaf-Wach-Rhythmus und unserer Appetitkontrolle. Niedrige Serotoninspiegel werden oft mit Depressionen und Angststörungen in Verbindung gebracht. Serotonin unterstützt auch die soziale Interaktion und trägt wesentlich zu unserem emotionalen Gleichgewicht bei.

Dopamin

Dopamin ist ein weiteres zentrales Glückshormon, das unsere Motivation und unser Verhalten steuert. Es wird in Momenten freigesetzt, in denen wir eine Belohnung erwarten oder erhalten, und verstärkt das Gefühl der Zufriedenheit. Ein gesunder Dopaminspiegel führt dazu, dass wir uns energiegeladen und motiviert fühlen. Dopamin ist auch stark mit Suchtverhalten verbunden, da es das Belohnungssystem des Gehirns direkt beeinflusst.

Endorphine

Endorphine sind körpereigene Chemikalien, die als natürliche Schmerzmittel wirken. Sie werden insbesondere in Situationen freigesetzt, die unser Wohlbefinden gefährden könnten, wie zum Beispiel bei körperlicher Anstrengung, Stress oder Verletzungen. Endorphine blockieren die Schmerzrezeptoren im Gehirn und reduzieren so das Schmerzempfinden.

Oxytocin

Oxytocin wird oft als „Bindungshormon“ bezeichnet, da es eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung von engen zwischenmenschlichen Beziehungen spielt. Es wird freigesetzt, wenn wir körperliche Nähe zu anderen Menschen erleben und fördert Vertrauen und Bindung.

Wie man die Glückshormone beeinflussen kann

Unsere Lebensgewohnheiten haben einen direkten Einfluss auf die Produktion und Regulation der Glückshormone.

  • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung kann die Produktion von Glückshormonen erheblich beeinflussen. Bestimmte Nährstoffe wie Tryptophan, das in Lebensmitteln wie Nüssen, Samen und Bananen enthalten ist, sind Vorläufer von Serotonin und können dessen Produktion unterstützen.
  • Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität ist einer der effektivsten Wege, um die Produktion von Endorphinen und Dopamin zu steigern.
  • Schlaf: Ausreichender und qualitativ hochwertiger Schlaf ist für die Regulation der Glückshormone unerlässlich.
  • Achtsamkeit und Meditation: Praktiken wie Meditation und Achtsamkeitstraining haben nachweislich positive Effekte auf die Hormonproduktion, insbesondere auf Serotonin und Endorphine.
  • Soziale Interaktionen: Der Kontakt zu anderen Menschen, insbesondere zu engen Freund*innen und Familienmitgliedern, fördert die Freisetzung von Oxytocin, was das Gefühl von Verbundenheit und Sicherheit stärkt.

In manchen Fällen reicht eine gesunde Lebensweise allein nicht aus, um ein hormonelles Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Eine Therapie kann helfen, die Hormonbalance wiederherzustellen.

Die Bedeutung von GABA

Gamma-Aminobuttersäure (GABA) gehört zu den wichtigsten Neurotransmittern im Zentralen Nervensystem. Sie hat eine hemmende Funktion, das heißt, sie bremst Nervenzellen darin, auf Reize zu reagieren oder diese weiterzugeben. GABA wirkt beispielsweise im Mandelkern an der Regulation von Angst- und Stressreaktionen mit und beeinflusst im Schlafzentrum des Gehirns den Schlaf-Wach-Rhythmus.

Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen mit Schlafstörungen, Angststörungen, Epilepsie oder Depressionen einen niedrigen GABA-Spiegel aufweisen. Es ist jedoch nicht klar, ob der niedrige GABA-Spiegel die Erkrankungen auslöst oder ob er eher als Folge davon auftritt.

GABA ist von Natur aus in geringen Mengen in einigen Lebensmitteln enthalten, wie fermentierte Produkte, pflanzliche Nahrungsmittel und grüner, schwarzer und Oolong-Tee. Die Theorie, dass man GABA über die Ernährung oder über Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt und dadurch Angst oder Stress reduziert, ist als Idee durchaus zulässig, allerdings fehlen dafür bislang eindeutige Beweise.

Medikamente wie Benzodiazepine können die Blut-Hirn-Schranke passieren, an die GABA-Rezeptoren binden und diese aktivieren, sodass das bereits vorhandene GABA im Gehirn besser wirkt.

Die Stressreaktion und das Gehirn

Unser Körper ist darauf eingerichtet, uns so gut wie möglich vor Gefahren zu schützen. Das Gehirn spielt dabei eine maßgebliche Rolle, indem es verschiedene Regionen aktiviert, die zusammenarbeiten, um uns für Kampf oder Flucht fit zu machen.

Die Amygdala

Die Amygdala ist eine sehr wichtige Hirnregion für unsere Erleben von Stress und Angst. Sie steuert unsere psychischen und körperlichen Reaktionen auf stress- und angstauslösende Situationen. Treffen bei ihr Signale ein, die höhere Aufmerksamkeit erfordern, dann feuern ihre Nervenzellen. Wir werden wacher und aufmerksamer. Ab einer bestimmten Schwelle der Nervenaktivität setzt die Amygdala die Stressreaktion in Gang und aktiviert so die Kampf- und Flucht-Reaktion.

Zwei Wege der Stressreaktion

Um die Kampf- und Fluchtreaktion auszulösen, nutzt die Amygdala zwei Wege:

  • Der schnelle Weg: Über das sympathische Nervensystem, das den Körper auf Aktivität einstimmt und die Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin bewirkt.
  • Der "langsame" Weg: Über den Hypothalamus, der eine Kaskade von Hormonen in Gang setzt, darunter Corticotropin-releasing-Hormon und Kortisol.

Die Auswirkungen der Hormone

Die Hormone und das sympathische Nervensystem sorgen dafür, dass unser Körper mehr Sauerstoff und Energie bekommt, um schnell zu handeln. Dies äußert sich in verschiedenen körperlichen Reaktionen, wie beschleunigter Atmung,Anstieg von Puls und Blutdruck, erhöhter Blutzuckerproduktion, erhöhter Muskelspannung und schnellerer Blutgerinnung.

Stress und Gedächtnis

Die Amygdala veranlasst auch den Hippocampus, sich die stressauslösende Situation gut zu merken. Auf diese Weise lernen wir, uns vor dem Stressor in Acht zu nehmen. Chronischer Stress kann jedoch die Zellfortsätze im Hippocampus schädigen und sich negativ auf das Gedächtnis auswirken.

Denken und Stress

Die Amygdala ist eng mit dem "denkenden" Teil des Gehirns verbunden, dem Stirnlappen (präfrontaler Cortex). Mit seiner Hilfe können wir durch logische Analyse und Denken unsere Emotionen beeinflussen. Chronischer Stress kann jedoch den präfrontalen Cortex verändern, so dass es schwieriger wird, sinnvolle Entscheidungen zu treffen.

Eingebaute Stressbremse

Wenn das Stresshormon Kortisol in ausreichendem Maß im Blut vorhanden ist, stoppt die Nebennierenrinde die Produktion von weiterem Kortisol. Das parasympathische Nervensystem wird aktiv und wir werden wieder ruhiger und entspannen uns.

Wenn die Hormone aus dem Ruder laufen

Wenn das Zusammenspiel der Hormone nicht optimal funktioniert, kann die Achse aus Hypothalamus, Hirnanhangdrüse und Nebenniere zu aktiv werden und zu viel Kortisol produzieren. Dies kann zu Denkstörungen, Gewebeschwund im Hirn und zu Störungen des Immunsystems führen. Auch die Entstehung von Depressionen wird auf diesen Einfluss zurückgeführt.

Frühe traumatische Erfahrungen

Intensiver Stress in der frühen Kindheit kann die Arbeitsweise von Genen, die an der Stressreaktion beteiligt sind, so beeinflussen, dass Stresshormone schneller und intensiver ausgeschüttet werden. Dieser Effekt bleibt lebenslang bestehen.

Die Bedeutung von Noradrenalin

Noradrenalin, auch Arterenol oder Norepinephrin genannt, ist ein wichtiger anregender Botenstoff unseres Nervensystems. Es nimmt Einfluss auf zahlreiche lebenswichtige Funktionen des menschlichen Körpers, wie zum Beispiel den Blutdruck, die Atmung und den Stoffwechsel. Noradrenalin ist dafür zuständig, den Körper bei psychischen und physischen Belastungen entsprechend zu aktivieren und Körperfunktionen anzupassen.

Bei dauerhafter Stressbelastung ist der Noradrenalin-Wert langfristig erhöht. Dieses Level bzw. das gesteigerte Noradrenalin-Adrenalin-Verhältnis kann auf Dauer nicht gehalten werden. So sinkt der Noradrenalin-Wert bei zunehmender Erschöpfung des Körpers durch Stress signifikant.

Noradrenalin steht in Zusammenhang mit Krankheiten wie ADHS und Depressionen. Weil Noradrenalin unter anderem für die Regulation von Emotionen verantwortlich ist, wirkt sich eine Verringerung der Konzentration negativ auf unseren Körper und unsere Seele aus.

Neurobiologisches Wissen als Hilfe bei Angst und Panik

Wissen ist Macht. Und Macht über eine Emotion zu gewinnen, die es vermag, einem in jeder Situation den Boden unter den Füßen wegzuziehen, wird einem Mut und Selbstvertrauen zurückgeben. Deshalb kann es interessant und vor allem hilfreich sein, dem entsetzlichen emotionalen Phänomen einer Panikattacke oder eines starken Angstzustandes eine Struktur zu geben, es einzugrenzen und herunterzubrechen auf seine neurobiologischen Komponenten und Mechanismen.

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