Boxerkrankheit: Hirnschäden durch wiederholte Schläge

Die Boxerkrankheit, auch bekannt als chronisch-traumatische Enzephalopathie (CTE), ist eine degenerative Hirnerkrankung, die durch wiederholte Schläge auf den Kopf verursacht wird. Ursprünglich als "Boxer-Syndrom" bekannt, hat die CTE in den letzten Jahren aufgrund ihrer Verbindung zu anderen Kontaktsportarten wie American Football, Eishockey und Fußball zunehmend Aufmerksamkeit erlangt.

Was ist CTE?

Die chronisch-traumatische Enzephalopathie (CTE) ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch wiederholte, auch leichtgradige, Schädeltraumen ausgelöst wird. Diese Traumata können durch Schläge und Stöße gegen den Kopf oder durch Stürze mit dem Kopf auf den Boden entstehen. Es ist wichtig zu beachten, dass es sich nicht unbedingt um Gehirnerschütterungen handeln muss.

Bei CTE kommt es zu einer zunehmenden Zerstörung von Nervenzellen und einer abnormen Anhäufung des Tau-Proteins, ähnlich wie bei Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Das Tau-Protein, das sich normalerweise in den Nervenzellen befindet, wird freigesetzt, wenn Nerven kaputt gehen.

Ursachen und Risikofaktoren

Wiederholte Schädeltraumen gelten als Hauptursache für die Entwicklung von CTE. Diese Traumata können zu mikroskopisch kleinen Verletzungen im Gehirn führen, die sich im Laufe der Zeit summieren und zu einer Anhäufung von Tau-Proteinen führen.

Sportarten wie Boxen, American Football, Eishockey und Fußball stehen aufgrund des hohen Risikos von Kopfverletzungen besonders im Fokus. Aber auch Soldaten und Kriegsflüchtlinge mit Explosionstraumen sowie Opfer häuslicher Gewalt können betroffen sein.

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Neben Kopfverletzungen könnten auch genetische Risikofaktoren eine Rolle bei der Entstehung von CTE spielen. Insbesondere das Gen Apolipoprotein E4 (ApoE4) wird in diesem Zusammenhang untersucht, da es auch das Alzheimer-Risiko erhöht.

Symptome und Verlauf

Die Symptome von CTE können vielfältig sein und treten oft erst Jahre oder Jahrzehnte nach dem Ende der aktiven Karriere auf. Es gibt kein einheitliches Muster, aber typische Anzeichen sind:

  • Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
  • Kopfschmerzen und Schwindel
  • Stimmungsschwankungen, Aggression und Depression
  • Sprachschwierigkeiten
  • Parkinsonähnliche Symptome
  • Sehstörungen

Die CTE wird in vier Phasen unterteilt, wobei die Symptome im Laufe der Zeit fortschreiten:

  • Phase 1: Leichte Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen, Kopfschmerzen und leichte depressive Verstimmungen.
  • Phase 2: Stärkere Stimmungsschwankungen, Verhaltensauffälligkeiten und schwere Depressionen.
  • Phase 3: Deutliche kognitive Einbußen wie Kurzzeitgedächtnisverlust, Planungs- und Orientierungsschwierigkeiten sowie Apathie.
  • Phase 4: Starke Demenz mit weitgehender Hilfsbedürftigkeit, Sprachstörungen, Psychosen und motorische Ausfälle.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder Betroffene alle vier Phasen durchläuft und der Verlauf der Krankheit individuell sehr unterschiedlich sein kann.

Diagnose

Die Diagnose von CTE ist eine Herausforderung, da es keinen spezifischen Biomarker gibt, der die Erkrankung zweifelsfrei nachweisen kann. Die Diagnose basiert in der Regel auf der Anamnese wiederholter Kopfverletzungen, der typischen Symptomatik und neuropsychologischen Tests.

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Eine Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit auf bestimmte Proteine kann ebenfalls einen Hinweis auf die Erkrankung geben. Die definitive Diagnose kann jedoch erst post mortem durch eine feingewebliche Untersuchung des Gehirns gestellt werden.

Behandlung

CTE ist derzeit nicht heilbar. Die Behandlung konzentriert sich auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität. Es gibt keine Medikamente, die speziell für die Behandlung von CTE zugelassen sind, aber verschiedene Medikamente können zur Behandlung von Begleiterscheinungen eingesetzt werden:

  • Alzheimer-Medikamente: Können bei kognitiven Störungen helfen.
  • Antidepressiva: Können bei Depressionen eingesetzt werden.
  • Parkinson-Medikamente: Können bei motorischen Problemen helfen.

Zusätzlich können Physio-, Ergo- und Psychotherapie eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.

Prävention

Da es keine Heilung für CTE gibt, ist die Prävention von entscheidender Bedeutung. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:

  • Vermeidung von Kopfverletzungen: Bei Sport- und Freizeitaktivitäten mit erhöhtem Sturzrisiko sollte ein Helm getragen werden.
  • Konsequente Schonung nach Kopfverletzungen: Nach einer Gehirnerschütterung sollte auf sportliche Aktivitäten verzichtet werden, bis die Verletzung vollständig ausgeheilt ist.
  • Aufklärung: Athleten, Trainer, Verbände und Eltern sollten über die Risiken von Kopfverletzungen und deren mögliche langfristige Folgen informiert werden.
  • Regeländerungen: In Kontaktsportarten sollten Regeln eingeführt werden, die das Risiko von Kopfverletzungen verringern.

Boxen und Hirnschäden: Eine genauere Betrachtung

Boxen ist eine Sportart, die aufgrund der direkten Schläge auf den Kopf ein besonders hohes Risiko für Hirnschäden birgt. Studien haben gezeigt, dass Profiboxer häufiger an neuropsychiatrischen Folgeerkrankungen wie Gedächtnisstörungen, Sprachstörungen und Demenz leiden.

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Die wiederholten K.o.-Schläge, die im Boxen angestrebt werden, führen zu akuten stumpfen Schädel-Hirn-Traumata, die Stauchungen, Zerrungen und funktionelle Hirnverletzungen verursachen können. Die hohe Aufprallgeschwindigkeit der Faust kann zu einer Translationsbeschleunigung des Kopfes von mehr als 50 g führen.

Heidelberger Boxerstudie

Eine Studie der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg untersuchte mit Hilfe hochauflösender Kernspintomographie (MRT) die Gehirne von Amateurboxern und einer nicht-boxenden Vergleichsgruppe. Dabei wurden bei drei der 42 Boxer winzige Punktblutungen gefunden, während in der Vergleichsgruppe keine derartigen Veränderungen vorlagen. Der Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant.

Die Studie deutete darauf hin, dass selbst Amateurboxen möglicherweise mit einem erhöhten Risiko für Hirnveränderungen verbunden ist, auch wenn abschließende Aussagen zur Gefährdung noch nicht möglich sind.

Schutzmaßnahmen im Boxen

Um das Risiko von Hirnschäden im Boxen zu minimieren, gibt es verschiedene Schutzmaßnahmen:

  • Kopfschutz: Das Tragen eines Kopfschutzes kann vor Kopfstößen und Platzwunden schützen.
  • Mundschutz: Ein Mundschutz schützt die Zähne vor möglichen Schäden.
  • Gute Deckung: Eine gute Doppeldeckung kann direkte Treffer vermeiden.
  • Verbesserung von Reaktion und Reflexen: Durch das Training von Reaktion und Reflexen können Schläge zum Kopf vermieden werden.
  • Verbesserung der Beinarbeit: Eine gute Beinarbeit ermöglicht es, sich aus der Reichweite des Gegners zu bewegen.
  • Auswahl des richtigen Trainingspartners: Beim Sparring sollte ein erfahrener Partner gewählt werden, der nicht jede Situation ausnutzt, um einen K.o. zu erzielen.
  • Bedingtes Sparring: Beim bedingten Sparring werden Aufgaben verteilt, um die Anzahl der Kopftreffer zu minimieren.
  • Ausreichend Ausdauer: Müdigkeit kann zu Konzentrationsverlust und einer erhöhten Anfälligkeit für Schläge führen.
  • Weniger ist mehr: Es ist nicht notwendig, alle zwei Tage Sparring zu machen. Ein bis zwei Sparringeinheiten pro Woche können ausreichend sein.

Fazit zum Boxen

Boxkämpfe können gesundheitsschädlich sein, aber Boxtraining an sich muss nicht schädlich sein. Im Gegenteil, es kann sich sogar positiv auf das Gehirn auswirken, da es die Reflexe, die Hand-Fuß-Koordination und die Bildung von Synapsen fördert.

Die Entscheidung, an Wettkämpfen teilzunehmen, sollte jedoch gut überlegt sein, da dabei das Risiko von Kopfverletzungen und möglichen bleibenden Schäden besteht.

Forschung und aktuelle Entwicklungen

Die Forschung zu CTE hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, aber es gibt noch viele offene Fragen. Wissenschaftler arbeiten daran, die Ursachen, den Verlauf und die Risikofaktoren der Erkrankung besser zu verstehen, um neue Diagnose- und Behandlungsmethoden zu entwickeln.

Auch in Deutschland beschäftigen sich mittlerweile Ärzte, Psychologen und Wissenschaftler explizit mit der Thematik. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) fördert Forschungsprojekte zu leichten Schädel-Hirn-Traumen im Sport.

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