Frontotemporale Demenz (FTD): Ursachen, Symptome und Behandlung

Vor einem Jahr beendete Schauspieler Bruce Willis krankheitsbedingt seine Karriere. Damals hieß es, Willis leide an einer Sprachstörung mit dem Fachnamen Aphasie. Nun hat seine Familie die niederschmetternde Diagnose veröffentlicht: Willis habe frontotemporale Demenz (FTD). Demenz, wie so ziemlich jede Erkrankung, macht weder Halt vor Erfolg, Alter, Kontostand noch Berufen. Doch was genau ist diese Form der Demenz?

Was ist frontotemporale Demenz (FTD)?

Demenz assoziieren wir meist mit Menschen im Seniorenalter, dabei kann es einen Menschen jedes Alters treffen. Demenz ist ein Überbegriff für eine Erkrankung des Gehirns, bei der Nervenzellen zerstört werden. Dadurch entsteht eine allmähliche Abnahme der geistigen Fähigkeiten. Die Gedächtnisleistung ist da nur ein minimaler Aspekt und bei Schauspieler Bruce Willis wurde nun eine besonders seltene Art der Demenz festgestellt. Die frontotemporale Demenz beginnt meist schon zwischen dem 45. und 60. Lebensjahr und somit früher als bei Alzheimer-Patient*innen.

Laut der Association for Frontotemporal Degeneration steht FTD für eine Gruppe von Erkrankungen, die mit der Rückbildung des Frontal- und/oder Temporallappens des Gehirns einhergehen. Bei der Frontotemporalen Demenz sterben Nervenzellen im Frontallappen (Stirnlappen) und Temporallappen (Schläfenlappen) im Gehirn ab. Diese Hirnregionen steuern Gefühle, Sozialverhalten und Sprache. In den betroffenen Nervenzellen lagern sich häufig krankhafte Proteine ab, die die Zellfunktion stören. Solche Ablagerungen wurden erstmals vom Prager Neurologen Arnold Pick beschrieben und heißen deshalb "Pick'sche Körper". Früher wurde die FTD auch als Morbus Pick bezeichnet.

Ursachen der FTD

Was genau diese Veränderungen auslöst, ist noch nicht abschließend geklärt. Hervorgerufen wird die FTD durch Vererbung oder unbekannte Gründe, die ebenfalls noch nicht ausreichend erforscht wurden. Bei etwa 20 bis 30 Prozent der Menschen, die FTD entwickeln, liegt eine familiäre oder genetische Ursache vor.

Ja - Frontotemporale Demenz kann eine Erbkrankheit sein, muss es aber nicht. In rund 60 Prozent der Fälle tritt die Erkrankung ohne erkennbare Vorbelastung auf. In diesen Fällen spricht man von sporadischer FTD. In rund 40 Prozent der Fälle zeigt sich eine familiäre Häufung: In den betroffenen Familien treten FTD selbst oder ähnliche Erkrankungen auf, zum Beispiel andere Demenzformen, die Nervenkrankheit ALS oder psychische Erkrankungen wie Depressionen. Ein Teil dieser familären FTD-Fälle ist tatsächlich durch eine Mutation in einem Gen bedingt. Meist handelt es sich um Mutationen in den Genen C9orf72, GRN oder MAPT.

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Bei etwa 10 bis 15 Prozent aller Menschen mit FTD lässt sich solch eine genetische Veränderung nachweisen, die die Erkrankung auslöst. Wird diese genetische Veränderung von einem Elternteil vererbt, hat das Kind eine 50 prozentige Wahrscheinlichkeit, auch an FTD zu erkranken.

Wer sich Sorgen um das eigene Risiko macht - zum Beispiel weil es FTD oder ähnliche Erkrankungen in der Familie gibt - kann eine genetische Beratung in Anspruch nehmen.

Symptome der FTD

Diese Form von Demenz hat zuerst Auswirkungen auf das Sprachvermögen und später auch auf das Verhalten. Frontotemporale Demenz zeichnet sich dadurch aus, dass sie das Sprachzentrum angreift. Wie bei allen Demenzformen kommt es auch bei dieser Form zu krankhaften Eiweißablagerungen, die zum Absterben von Nervenzellen führen - in diesem Fall passiert das vor allem in den Spracharealen. Dann fällt es schwer, Sätze zu formulieren. Irgendwann werden aus Sätzen nur noch Worte, bis auch diese Fähigkeit verschwindet. Anders als im Vergleich zu Alzheimer-Patient*innen, ist die Gedächtnisleistung erst später im Krankheitsverlauf beeinträchtigt.

Die Verhaltensvariante der Frontotemporalen Demenz (bvFTD) zeigt sich durch tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit. Die erkrankte Person wirkt „anders“, obwohl das Gedächtnis oft noch gut funktioniert. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:

  • Enthemmung: Unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Ladendiebstahl oder Berührungen von Fremden. Dieses Verhalten wird oft als pervers missverstanden.
  • Apathie: Früher Rückzug aus sozialen und beruflichen Aktivitäten, Verlust von Interesse an Beziehungen oder Hobbys, häufig verwechselt mit einer Depression.
  • Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust: Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen nahestehender Personen, fehlende Anteilnahme oder Einfühlungsvermögen, was für Angehörige besonders schmerzhaft sein kann.
  • Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten: Wiederholte Handlungen wie das fünfmalige Klatschen zur Begrüßung, Horten von Gegenständen oder das tägliche Aufsuchen bestimmter Orte.
  • Verändertes Essverhalten: Zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel, wie ausschließlich Schokolade, oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol.
  • Fehlende Einsicht: Menschen mit bvFTD sehen häufig nicht ein, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist. Sie tun Dinge, die soziale Normen verletzen, ohne diese als falsch wahrzunehmen. Zum Beispiel verlassen Sie das Restaurant ohne zu bezahlen - nicht, weil sie es vergessen, sondern weil sie es einfach nicht machen.
  • Neuropsychologisches Profil: Defizite bei der Planung und Organisation des täglichen Lebens, während Gedächtnis- und visuell-räumliche Fähigkeiten oft intakt bleiben. Betroffene erzielen im Mini-Mental-Status-Test (MMST) häufig volle Punktzahlen.

Diese Symptome führen nicht selten zu Fehldiagnosen, da sie psychischen Erkrankungen ähneln können.

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Die Primär Progressive Aphasie (PPA) zeigt sich in drei verschiedenen Formen, je nachdem, welche sprachlichen Fähigkeiten am stärksten eingeschränkt sind:

  • Semantischer Typ: Menschen mit dieser Form verlieren nach und nach das Verständnis für Wörter. Sie können Dinge oft nicht mehr benennen oder genau beschreiben, selbst wenn sie wissen, was sie sind. Ein Beispiel: Wenn sie das Wort „Kreuzfahrtschiff“ hören, können sie vielleicht „Schiff“ verstehen und Bilder von Schiffen erkennen, wissen aber nicht mehr, was „Kreuz“ bedeutet.
  • Unflüssiger/agrammatischer Typ: Das Sprechen wird mit der Zeit immer schwieriger. Die Wörter kommen langsamer über die Lippen und das Sprechen klingt oft angestrengt. Schließlich kann die Sprache ganz versagen, während jedoch andere Fähigkeiten durchaus intakt bleiben. So können manche Menschen beispielsweise noch problemlos ihr Haus renovieren oder sich um ihre Familie kümmern. Häufig treten aber auch Schluckbeschwerden oder parkinsonähnliche Symptome auf.
  • Logopenischer Typ: Bei dieser Form fällt es den Betroffenen schwer, die richtigen Worte zu finden. Das Sprechen wird langsam und zögerlich, und sie beschreiben Begriffe umständlich, wenn ihnen die passenden Worte fehlen. Im Gegensatz zu den anderen Formen gehört der logopenische Typ nicht zur Frontotemporalen Demenz, sondern zur Alzheimer-Krankheit.

Verlauf der FTD

Wie die meisten Demenzerkrankungen hat auch die frontotemporale Demenz einen schleichenden Verlauf.

  1. Zu Beginn unterscheiden sich Menschen mit Frontotemporaler Demenz sowohl deutlich von Menschen mit anderen Demenzen als auch untereinander, je nach Subtyp.
    • Verhaltensvariante (bvFTD): Veränderungen in Persönlichkeit und Verhalten stehen im Vordergrund, wie Enthemmung, Apathie oder Verlust von Einfühlungsvermögen. Viele erkennen ihr eigenes Verhalten nicht als problematisch und haben keine Krankheitseinsicht.
    • Sprachliche Variante (PPA): Schwierigkeiten beim Sprechen, Verstehen, Lesen oder Schreiben stehen im Vordergrund.
  2. Im späten Stadium gleichen sich die Symptome von FTD und anderen Demenzerkrankungen an.
    • Sprache und Verhalten sind stark beeinträchtigt, und es treten zusätzlich Gedächtnisprobleme auf, die an Alzheimer erinnern.
    • Körperliche Symptome wie Bewegungsstörungen, Muskelsteifheit oder Schwierigkeiten beim Schlucken können hinzukommen.
  3. Im Endstadium benötigen die Erkrankten rund um die Uhr Pflege. Die häufigste Todesursache ist eine Lungenentzündung, die durch eine Schwächung des Immunsystems oder Schluckprobleme verursacht werden kann.

Der Grad der Erkrankung kann leicht, mittelschwer oder schwer sein. Die Art und Weise, wie die Krankheit fortschreitet, ist von Person zu Person unterschiedlich und kann sich über sieben bis 13 Jahre hinziehen. Es sind jedoch Fälle bekannt, bei denen die Krankheit in nur zwei Jahren oder in 20 Jahren fortgeschritten ist. Menschen können FTD im Alter von 20 Jahren bis zu ihren 80ern entwickeln. Die meisten Diagnosen werden zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr gestellt.

Leichte Beeinträchtigungen betreffen alltägliche Dinge wie die Erledigung von Korrespondenzen und Finanzen, öffentliche Verkehrsmittel, die Fähigkeit, aufzustehen und einer Arbeit nachzugehen. Sobald jemand in das mittlere Stadium gelangt, sehen wir mehr Abhängigkeit bei den grundlegenden Aktivitäten des täglichen Lebens: Duschen, Anziehen, Toilettengang und Schwierigkeiten beim Essen. Wenn jemand dann in fast allen Bereichen sehr abhängig ist, spricht man von einer schweren Form.

Diagnose der FTD

Eine frontotemporale Demenz zu diagnostizieren, kann schwierig sein. Häufig werden die Veränderungen der Persönlichkeit mit psychischen Störungen wie Burn-out oder Depressionen verwechselt. Die Frontotemporale Demenz wird häufig nicht sofort erkannt. Besonders bei der Verhaltensvariante ähneln die Symptome oft einer psychischen Erkrankung, etwa einer Depression, Manie oder Schizophrenie.

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Da es derzeit kein einzelnes Verfahren gibt, das FTD eindeutig nachweisen kann, erfolgt die Diagnose in mehreren Schritten. Dabei ist es wichtig, andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen:

  • Anamnese: Die Ärztin oder der Arzt erhebt die Krankengeschichte und prüft grundlegende kognitive Fähigkeiten, zum Beispiel das Gedächtnis.
  • Befragung der Angehörigen: Besonders bei der Verhaltensvariante sind Einschätzungen aus dem Umfeld entscheidend. Denn Erkrankte zeigen oft keine Einsicht in ihre Verhaltensänderungen.
  • Bildgebende Verfahren: Mithilfe von MRT, CT oder FDG-PET können Veränderungen in den Stirn- und Schläfenlappen sichtbar gemacht werden. Die FDG-PET wird jedoch nicht immer von den Krankenkassen übernommen.
  • Neuropsychologische Tests: Diese erfassen spezifische Beeinträchtigungen in Planung, Urteilsvermögen, Sprache oder sozialem Verhalten, die für FTD typisch sind.
  • Genetische Untersuchungen: Liegen in der Familie weitere Fälle von FTD vor, kann ein Gentest helfen, eine vererbbare Form festzustellen. Die genetische Beratung erfolgt durch Fachärztinnen und Fachärzte in humangenetischen Zentren.

In Fällen ohne nachweisbare Genmutation kann eine sichere Diagnose oft erst nach dem Tod gestellt werden.

Behandlung der FTD

Bislang gibt es keine gezielten Möglichkeiten zur Therapie, da die Vorgänge, die zum Nervenzelluntergang führen, nicht bekannt seien. Daher werden Betroffene nur insofern behandelt, um ihre Symptome zu lindern. Mit Medikamenten, kreativen Therapien oder körperlicher Aktivierung wird versucht, die auftretenden Verhaltensauffälligkeiten zu mildern. Frontotemporale Demenz ist bisher nicht heilbar. Auch Medikamente, die den Krankheitsverlauf aufhalten oder verlangsamen gibt es leider nicht. Weltweit wird dazu jedoch intensiv geforscht.

In ihrem Statement sagte die Familie Willis, dass es keine Behandlungen für die Krankheit gibt. Ärzte arbeiten mit den Patienten abhängig von deren Symptomen. Sie würden einen Patienten mit Sprach- und kognitiven Therapeuten zusammenbringen, um seine Kommunikation zu fördern, und in einigen Fällen, wenn nötig, Medikamente wie Antipsychotika für Menschen in schwerer Notlage verschreiben.

Manche Symptome - etwa starke Unruhe, Aggression oder zwanghaftes Verhalten - lassen sich mit bestimmten Medikamenten lindern. Durch nicht-medikamentöse Therapieformen, wie sie auch bei Menschen mit Alzheimer-Demenz angewandt werden können einige Symptome der Patienten und Patientinnen gemildert werden. Eine der größten Herausforderungen im Umgang mit FTD ist jedoch, dass viele Erkrankte keine Einsicht in die eigene Erkrankung haben. In solchen Momenten ist es wichtig zu wissen: Man kann eine an FTD erkrankte Person nicht vom eigenen Fehlverhalten überzeugen, weil ihr schlicht der innere Maßstab fehlt.

Neben therapeutischen Maßnahmen gibt es viele kleine Dinge, die dazu beitragen können, dass Menschen mit Frontotemporaler Demenz länger körperlich und geistig aktiv bleiben. Vieles lässt sich unkompliziert in den Alltag integrieren:

  • Sport: Hat nachgewiesene positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit, Fitness und Stimmung von Erkrankten. Bewegung kann Ängste abbauen, Unruhe mildern und beim Ein- und Durchschlafen helfen. Am besten eignet sich tägliche moderate Bewegung (Walking, Tanzen, Gymnastik etc.), bei der Atmung und Herzfrequenz erhöht sind, aber noch ein Gespräch möglich ist. Auch weniger fitte Menschen können in Bewegung bleiben: bei Gartenarbeiten, Wäscheaufhängen oder beim Spaziergang mit dem Hund.
  • Aktivitäten, die das Gehirn anregen: Wirken sich ebenfalls positiv auf den Verlauf von Demenzerkrankungen aus. Gut für die geistige Fitness sind zum Beispiel Brettspiele, Puzzles, Handarbeiten oder Basteln. Wichtig ist: Es soll Freude machen und nicht überfordern. Finden Sie gemeinsam heraus, was gut gelingt und Spaß macht.
  • Soziale Kontakte erhalten: Gute Gespräche, gemeinsame Erlebnisse oder einfach Nähe - soziale Kontakte geben Halt und tun dem Gehirn gut. Ein Treffen mit Freunden, Familie oder Nachbarn kann ebenso bereichernd sein wie der Besuch einer Tagespflege oder eines Demenzcafés.

Herausforderungen im Umgang mit FTD

Ist ein Mensch an Frontotemporaler Demenz erkrankt, ist ein Auskommen mit ihm meist extrem schwierig. Angehörige sehen sich unangenehmen Wesenszügen wie Aggression, Unberechenbarkeit und fehlende Empathie ausgesetzt. Der Mangel an Forschungsergebnissen ist eine Folge des mangelnden Bewusstseins für diese Krankheit. Nicht viele Menschen wissen davon, obwohl es sich um die häufigste Form der Demenz unter 60 handelt. Und die Betroffenen sind oft nicht in der Lage, für sich selbst einzutreten.

Der Neurologe wünscht sich insbesondere mehr Forschung über den biologischen Mechanismus der Krankheit. Es ist wichtig zu wissen, dass bei etwa 20 bis 30 Prozent der Menschen, die FTP entwickeln, eine familiäre oder genetische Ursache vorliegt. Der Mangel an Forschungsergebnissen erklärt, warum die Diagnose bei vielen Patienten oft spät gestellt wird - nämlich erst drei Jahre nach Ausbruch der Krankheit. Oft leiden die Patienten bereits unter leichten Verhaltensstörungen, wenn die Ärzte die Krankheit durch klinische Tests feststellen.

Frontotemporale Demenz vs. Alzheimer

Für viele Menschen ist Demenz gleichbedeutend mit Alzheimer. Die Alzheimer-Krankheit ist zwar die am häufigsten vorkommende Form der Demenz, doch es gibt auch viele seltenere Demenzformen, die oft nicht mit Symptomen wie Vergesslichkeit und Orientierungsstörungen beginnen. Davon Betroffene haben stattdessen am Anfang der Erkrankung meist Schwierigkeiten, sich in ihrem Alltag zurechtzufinden.

Anders als bei Alzheimer sterben bei FTD im Frontal- und Temporallappen des Gehirns nach und nach die Nervenzellen ab. Darunter leidet zunächst nicht das Gedächtnis oder der Orientierungssinn. Es leidet die Persönlichkeit. Das Sozialverhalten ändert sich. Entscheidungsfindung wird zur Qual. Das Beurteilungsvermögen schwindet. Das Ich stirbt ab. Und das alles sehr individuell.

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