Risperidon zur Behandlung von Demenz: Dosierung, Wirkung und Risiken

Verhaltensstörungen treten bei etwa 90 Prozent aller Demenzerkrankten im Laufe ihrer Erkrankung auf. Unruhe/Erregung, Aggression, Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus gehören zu den häufigsten Symptomen. Mit der Zulassung von Risperidon für die Indikation Verhaltensstörungen bei Demenz ist man den Forderungen der Fachgesellschaften nach einer wirksamen und verträglichen Therapie einen Schritt näher gekommen. Dieser Artikel beleuchtet die Anwendung von Risperidon bei Demenz, einschliesslich Dosierung, Nutzen, Risiken und praktischen Aspekten.

Das Demenzsyndrom und Verhaltensstörungen

Das Demenzsyndrom ist definiert als eine Einbuße kognitiver Leistungen. Störungen des Affekts und des Verhaltens sind für Patienten und Umgebung gleichwohl sehr häufig und oft weitaus belastender als Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen. Typische Symptome sind Apathie, sozialer Rückzug oder Ängstlichkeit, in fortgeschrittenen Stadien auch Wahngedanken, Irritierbarkeit, Enthemmung, ständiges Umherlaufen, Aggressivität oder Handlungsstereotypien. Insgesamt treten bei fast 90 % aller Demenzkranken im Verlauf der Erkrankung Verhaltensstörungen auf. Verschiedene Ursachen führen zur Manifestation eines Demenzsyndroms, von denen die Alzheimer-Krankheit die häufigste ist. Deutlich seltener ist die vaskuläre Enzephalopathie Ursache einer Demenz (vaskuläre Demenz).

Behandlungsbedarf

Betrachtet man die Häufigkeit der Verhaltensstörungen bei Demenz zusammen mit den Verschreibungshäufigkeiten von AP in dieser Indikation, dann kann davon ausgegangen werden, dass der Behandlungsbedarf als hoch einzuschätzen ist. Wittmann et al. (1) fanden in einer Erhebung in 30 deutschen psychiatrischen Kliniken, dass 77 % der stationär behandelten Patienten mit Demenz am Stichtag Antipsychotika erhielten, 49 % der Patienten erhielten gleichzeitig mehr als ein AP. Ambulant behandelte Demenzkranke erhalten zu 10 % AP, überwiegend atypische. Als atypische AP werden Substanzen wie Risperidon, Olazapin, Aripiprazol und Clozapin bezeichnet, die im Gegensatz zu den sog. typischen oder klassischen AP wie Haloperidol seltener extrapyramidal-motorische Störungen verursachen.

Was ist Risperidon?

Risperidon ist ein sogenanntes atypisches Neuroleptikum und wird in der Therapie von psychischen Erkrankungen, insbesondere Schizophrenien oder auch bipolaren Störungen, angewendet. Es ist ein Benzisoxazol-Derivat, das hauptsächlich über CYP2D6 zum aktiven Metaboliten 9-Hydroxy-Risperidon (Paliperidon) abgebaut wird. Letzterer wird nicht weiter metabolisiert und größtenteils renal ausgeschieden.

Wirkungsweise

Risperidon wirkt antipsychotisch, kann also psychotische Symptome wie Wahnvorstellungen und Halluzinationen lindern. Psychotische Symptome werden mit einer erhöhten Konzentration des Nervenbotenstoffes Dopamin im Gehirn in Verbindung gebracht. Risperidon blockiert die Andockstellen von Dopamin an den Nervenzellen und damit dessen Wirkung.

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Die erste Generation dieser Wirkstoffe (wie Chlorpromazin und Haloperidol) hatte jedoch ganz typische Nebenwirkungen: extrapyramidal-motorische Störungen (EPMS). Diese zeigen sich bereits bei der normalen therapeutischen Dosierung als sogenanntes Parkinsonoid - es treten Nebenwirkungen auf, die an die Symptome der Parkinson-Krankheit erinnern.

Diese schwerwiegenden Nebenwirkungen treten bei den atypischen Antipsychotika wie Risperidon in therapeutischer Dosierung nicht oder nur stark vermindert auf. Die bessere Verträglichkeit der neuen Wirkstoffe hat dazu geführt, dass sie bevorzugt eingesetzt werden.

Als hochpotentes Antipsychotikum ist die antipsychotische Potenz (also die Wirksamkeit) von Risperidon etwa um das Fünfzigfache höher als die des ersten Antipsychotikums Chlorpromazin.

Anwendungsgebiete

Die Anwendungsgebiete (Indikationen) von Risperidon umfassen:

  • die Behandlung von Schizophrenie einschließlich der Erhaltungstherapie zur Prophylaxe
  • die Behandlung von mäßigen bis schweren manischen Episoden im Zusammenhang mit bipolaren Störungen
  • die kurzzeitige Behandlung von starker Aggressivität mit Eigen- und Fremdgefährdung von Patienten mit Demenz vom Alzheimer-Typ, die auf nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht ausreichend anspricht
  • die symptomatische Behandlung von anhaltender Aggression bei Verhaltensstörungen sowie anderen Störungen des Sozialverhaltens bei Kindern ab fünf Jahren mit unterdurchschnittlicher intellektueller Leistungsfähigkeit oder mentaler Retardierung ("geistiges Zurückgebliebensein") im Rahmen eines umfassenden Behandlungsprogramms, das auch psychosoziale und erzieherische Maßnahmen umfasst

Aufnahme, Abbau und Ausscheidung

Nach der Einnahme wird Risperidon aus dem Darm vollständig ins Blut aufgenommen und erreicht dort nach ein bis zwei Stunden seine maximale Konzentration. Im Körper wird es in der Leber zu Hydroxyrisperidon (= Paliperidon) verstoffwechselt, das ebenso wirksam ist.

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Der Wirkstoff und seine ebenfalls antipsychotisch-wirksamen Abbauprodukte werden innerhalb von 24 Stunden etwa zur Hälfte ausgeschieden, und zwar hauptsächlich über den Harn.

Risperidon bei Demenz: Anwendung und Dosierung

Risperidon ist in Deutschland lediglich zugelassen zur Behandlung von neuropsychiatrischen Symptomen bei Demenz bei Alzheimerkrankheit in der Indikation a) schwere chronische Aggressivität, durch die die Patienten sich selbst und andere gefährden und b) psychotische Symptome, durch die die Patienten erheblich beeinträchtigt werden.

Studien und Beobachtungen zur Wirksamkeit

Prof. Alexander Kurz (München) stellte die Daten von 4 499 dementen Patienten mit Verhaltensstörungen vor, die über acht Wochen lang in niedergelassenen Praxen mit Risperidon behandelt wurden. Bereits nach zwei Wochen zeigte sich unter Risperidon eine signifikante Besserung der dokumentierten Leitsymptome Erregung, Aggressivität, Schlaf-Wach-Rhythmus, sozialer Rückzug, krankhaftes Misstrauen und Wahn. Mehr als 90 Prozent der behandelnden Ärzte beurteilten den Zustand der Patienten unter Risperidon als deutlich besser (54 Prozent) oder besser.

Als Vormedikation wurden in der Mehrzahl Melperon, Haloperidol und Dipiperon verabreicht. Eine Umstellung auf Risperidon erfolgte vor allem bei den niederpotenten Neuroleptika Melperon und Dipiperon aufgrund von mangelnder Wirksamkeit, bei dem hochpotenten Neuroleptikum Haloperidol zusätzlich wegen extrapyramidal-motorischer Störungen und anderer unerwünschter Ereignisse. Unabhängig von der Vormedikation erwies sich eine niedrige Dosis von Risperidon in der Therapie von Verhaltensauffälligkeiten dementer Patienten als gut wirksam und gut verträglich. Die Daten der Anwendungsbeobachtungen sind konsistent mit den Ergebnissen der klinischen Zulassungsstudien.

Auswirkungen auf den Schlaf-Wach-Rhythmus

Bereits in früheren Studien konnten Effekte von Risperidon auf den Schlaf-Wach-Rhythmus festgestellt werden. Prof. Göran Hajak (Regensburg) stellte die Ergebnisse dieser Untersuchungen vor. In einer tierexperimentellen Vergleichsstudie zeigte sich, dass Risperidon in niedriger Dosierung im Gegensatz zu Haloperidol zu einer Zunahme des Tiefschlafs führt, ohne den Wachzustand zu beeinflussen. Auch in Untersuchungen mit schizophrenen Patienten konnte eine objektiv verbesserte Schlafqualität unter Risperidon dokumentiert werden.

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Diese positiven Effekte niedriger Dosierungen von Risperidon auf den gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus erweisen sich insbesondere bei dementen Patienten als therapieimmanent, da dies eines der häufigsten Begleitsymptome der Demenz ist. Nächtliche Unruhe und Umherwandern der Patienten sind eine gravierende Belastung für die Pflegenden. Durch das Fehlen anticholinerger Effekte und Tagesmüdigkeit wird der intellektuelle Abbau nicht verstärkt, und Mobilität und Aktivität der älteren Menschen bleiben bestehen.

Dosierungsempfehlungen

Üblicherweise wird Risperidon als Tablette ein- bis zweimal täglich eingenommen. Die Aufnahme wird durch Nahrung nicht beeinflusst. Die Behandlung wird mit einer niedrigen Dosierung begonnen. Diese wird dann langsam gesteigert, bis die gewünschte Wirkung eingetreten ist.

Die empfohlene Anfangsdosis liegt bei diesen Patienten bei zweimal 0,25 mg am Tag. Abhängig vom individuellen Bedarf kann sie in Schritten von je 0,25 mg pro Tag erhöht werden. Zwischen den Anpassungen sollten mindestens zwei Tage liegen. Als optimale Dosis werden 0,5 mg zweimal täglich empfohlen, es können jedoch auch Dosen von bis zu 1 mg zweimal täglich hilfreich sein.

Praktisches Vorgehen

Am Beginn jeder Behandlung steht die Definition des Zielsymptoms. Die Behandlungsindikation wird gegenüber dem Patienten gestellt, nicht gegenüber Angehörigen oder professionellem Betreuungspersonal.

Es besteht eine weitgehende Übereinstimmung, dass die Pharmakotherapie bei neuropsychiatrischen Symptomen bei Demenz nicht an erster Stelle steht. Der erste Schritt muss immer eine Verhaltensanalyse sein. Das Spektrum von auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen reicht von schlechter Beleuchtung oder räumlicher Beengtheit über Harnverhalt und Schmerzen bis hin zu lange schwelenden Partnerkonflikten oder personellen Mängeln in Heimen. Bauliche oder pflegerische Mängel lassen sich nicht durch die Gabe von AP neutralisieren.

Die Definition eines Zielsymptoms ist nicht nur Voraussetzung der adäquaten Auswahl des Therapeutikums, sondern auch der effektiven Therapiekontrolle.

Die Behandlungsdauer ist zeitlich zu begrenzen, AP helfen bei Symptomen, bei denen sie wirksam sind, rasch, in der Regel innerhalb von Tagen. Wird das definierte Zielsymptom nicht behoben, wird die AP-Gabe nicht fortgesetzt. Das Nichtbeachten dieser einfachen Regel dürfte einer der Gründe sein, warum AP in vielen Fällen so anhaltend gegeben werden. Voraussetzung für die Beurteilung der Wirksamkeit im Einzelfall ist eine ausreichend hohe Dosierung. Diese liegt für die Behandlung von Demenzkranken deutlich unter denen jüngerer Erwachsener. Fast immer ist es sinnvoll und möglich, mit der niedrigsten Dosis zu beginnen und die Dosis dann langsam zu steigern. Aus pragmatischen Überlegungen heraus wird man bei fehlender Wirksamkeit des angesetzten AP einen Behandlungsversuch mit einer alternativen Substanz vornehmen. Wissenschaftlich begründete Rangfolgen von Medikamenten gibt es hier nicht.

Die Kombination mehrerer Neuroleptika zur Behandlung von neuropsychiatrischen Störungen bei Demenz lässt sich nicht begründen und macht die Abschätzung von möglichen UAW schwieriger. Durch kurze Dauer der Behandlung können die Risiken gering gehalten werden.

Risiken und Nebenwirkungen

Die geringe Wirksamkeit ist gegen das Risiko einer erhöhten Mortalität und der Zunahme von zerebrovaskulären Ereignissen abzuwägen.

Typische UAW der klassischen AP wie z. B. Haloperidol in höherer Dosierung sind extrapyramidalmotorische Bewegungsstörungen wie Akathisie, Parkinson-Syndrom sowie Dyskinesien. Atypische AP haben in deutlich geringerem Maße das Risiko von extrapyramidalmotorischen Bewegungsstörungen. Das geringste Risiko wird für Clozapin und Quetiapin angenommen. Sedierung und Müdigkeit können ein Ziel der AP-Gabe sein, sie können aber auch unerwünscht sein.

Die erheblichen Vorteile atypischer AP gegenüber den klassischen AP wurden infrage gestellt als eine erhöhte Mortalität aufgrund vermehrter zerebrovaskulärer Nebenwirkungen einschließlich Schlaganfällen bekannt wurde. Banerjee (6) hat die Datenlage sehr anschaulich zusammengefasst:

Wenn 1000 Patienten mit Verhaltensstörungen bei Demenz mit atypischen Neuroleptika behandelt werden, führt das dazu, dass

  • 91 bis 200 eine signifikante Besserung erfahren
  • 10 zusätzliche Todesfälle eintreten
  • 18 zusätzliche zerebrovaskuläre Nebenwirkungen eintreten, von denen die Hälfte schwer sein kann.

Diese Schätzungen gelten für eine Behandlungsdauer von bis zu zwölf Wochen. Bei einer AP-Gabe von mehr als zwei Jahren sind 167 zusätzliche Todesfälle wahrscheinlich und damit eine sehr erhebliche Risikosteigerung (7;8). Das Mortalitätsrisiko ist für Haloperidol am höchsten (NNH 26), gefolgt von Risperidon (NNH 27), Olanzapin (NNH 40) und Quetiapin (NNH 50). Die genannten AP erhöhen die Mortalität um 3,5 % bei höherer Dosierung (9).

Weitere mögliche Nebenwirkungen

Sehr häufig (bei mehr als jedem zehnten Behandelten) treten als Nebenwirkungen Parkinson-Symptome, Schläfrigkeit, Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen auf.

Weitere Nebenwirkungen bei jedem zehnten bis hundertsten Patienten sind Infektionen der Atemwege, der Ohren und der Harnwege, ein Anstieg des Hormons Prolaktin im Blut, Gewichtszunahme, Schlafstörungen, Depressionen, Schwindel, Bindehautentzündung, Herzrasen, Bluthochdruck, Atemnot, Husten, Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen, Hautausschlag, Muskelkrämpfe und -schmerzen sowie Harninkontinenz.

Gegenanzeigen

Risperidon darf nicht eingesetzt werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der anderen Bestandteile des Medikaments (z.B. bestimmte künstliche Farbstoffe)
  • Demente Patienten mit Parkinsonsymptomen
  • Demente Patienten mit wahrscheinlicher Diagnose einer Lewy-Körperchen-Demenz

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Risperidon wird wie viele andere Arzneistoffe in der Leber verstoffwechselt. Es nimmt dabei kaum Einfluss auf den Abbau anderer Arzneistoffe. Allerdings sollte Risperidon nicht mit Arzneimitteln kombiniert werden, welche die Reizweiterleitung im Herzen beeinflussen (das heißt, eine sogenannte Verlängerung des QT-Intervalls bewirken).

Risperidon kann die beruhigende (sedierende) Wirkung von anderen zentral wirksamen Arzneistoffen und von Alkohol verstärken. Umgekehrt schwächt Risperidon als Dopamin-Antagonist die Wirkung von Dopamin-Agonisten ab.

Weitere Wechselwirkungen sind mit Substanzen zu erwarten, die das Enzym CYP3A4 oder das P-Glykoprotein (ein Transportprotein in Zellmembranen) entweder hemmen oder die Bildung eines dieser Eiweiße steigern.

Informieren Sie Ihren Arzt oder Apotheker, wenn Sie neben Risperidon noch andere Arzneimittel einnehmen (möchten) - auch wenn es sich um rezeptfreie oder pflanzliche Präparate handelt. Dann können mögliche Wechselwirkungen individuell angeklärt werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Risperidon sollte nicht in der Schwangerschaft angewendet werden, außer der Arzt hält es für unbedingt notwendig.

Vor einer Anwendung in der Stillzeit sind Nutzen und Risiken der Behandlung sorgfältig vom Arzt gegeneinander abzuwägen. Das Stillen bei Monotherapie (Behandlung allein mit Risperidon und keinem anderen Medikament) und guter Beobachtung des Kindes ist Experten zufolge unter Vorbehalt akzeptabel, da bei den bisher untersuchten Kindern keine Nebenwirkungen beobachtet wurden.

Fazit

Risperidon kann bei Verhaltensstörungen im Rahmen einer Demenzerkrankung eine wirksame Option sein, insbesondere wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen ausgeschöpft sind. Die Dosierung sollte niedrig gehalten und die Behandlung zeitlich begrenzt werden, um das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren. Eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung und eine individuelle Anpassung der Therapie sind entscheidend.

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