Cannabis und seine Wirkung auf das Gehirn: Eine umfassende Analyse aktueller Studien

Ein Zug am Joint, ein paar Tropfen einer medizinischen Lösung - Cannabis hat vielfältige Wirkungen. Doch was passiert im Gehirn und Körper und welche Folgen hat der Konsum? Cannabis wirkt nicht bei jedem Menschen gleich, aber die grundlegenden Mechanismen sind identisch, egal ob es sich um medizinische oder freizeitliche Zwecke handelt. Der Hauptunterschied liegt in der Dosierung. Medizinisch wird eine möglichst niedrige Dosis angestrebt, um Beschwerden zu lindern, ohne cannabistypische Nebenwirkungen hervorzurufen. Beim Kiffen hingegen werden höhere Dosen eingenommen, um die psychoaktive Wirkung von THC (Tetrahydrocannabinol) zu erleben.

Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Prozesse, die im Gehirn und Körper ablaufen, wenn Cannabis konsumiert wird. Dabei werden sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte berücksichtigt, um ein umfassendes Bild der Thematik zu vermitteln.

Die Cannabinoide und das Endocannabinoid-System

Cannabisblüten enthalten eine Vielzahl spezifischer Inhaltsstoffe, die als Cannabinoide bezeichnet werden. THC ist das bekannteste und für die berauschende Wirkung verantwortliche Cannabinoid. CBD (Cannabidiol) ist das zweithäufigste Cannabinoid, das nicht berauschend wirkt und die Wirkung von THC sogar dämpfen kann. Studien deuten darauf hin, dass CBD bei der Behandlung verschiedener Krankheiten eingesetzt werden kann.

Die Wirkungen der Cannabinoide entstehen durch ihre Interaktion mit speziellen Rezeptoren im Nervensystem, den Cannabinoidrezeptoren. Diese Rezeptoren sind Teil des Endocannabinoid-Systems, das auch körpereigene Moleküle umfasst, die den Cannabinoiden ähneln. Die wichtigsten Endocannabinoide sind Anandamid (AEA) und 2-Arachidonylglycerol (2-AG).

Das Endocannabinoid-System (ECS) ist ein wichtiger Bestandteil des Nervensystems. Es besteht aus den Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2 sowie den Endocannabinoiden Anandamid und 2-AG. Die Bindung der Endocannabinoide an die Cannabinoidrezeptoren löst verschiedene Wirkungen im Körper aus.

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CB1-Rezeptoren finden sich hauptsächlich im Gehirn und Nervensystem, aber auch in Organen wie Nieren und Darm. Sie vermitteln die berauschenden, psychoaktiven und euphorisierenden Aspekte von THC. CB2-Rezeptoren sind vor allem auf Zellen des Immunsystems zu finden, aber auch in Organen wie Lunge, Milz, Haut, Knochen, Magen-Darm-Trakt und Fortpflanzungsorganen.

Endocannabinoide regulieren eine Vielzahl physiologischer Vorgänge, darunter Appetit, Schmerzen, Entzündungen, Temperaturregelung, Augeninnendruck, Sinnesempfindlichkeit, Muskelsteuerung, Energiegleichgewicht, Stoffwechsel, Schlafverhalten, Stressreaktionen, Belohnungszentrale, Stimmung und Gedächtnis.

Die Wirkung von Cannabis auf das Endocannabinoid-System

Die Cannabinoide im Cannabis können sich wie die körpereigenen Endocannabinoide an die Cannabinoidrezeptoren binden und so die vielfältigen Wirkungen auslösen.

THC: Wirkung und Nebenwirkungen

Die Wirkung und Verträglichkeit von Cannabis hängt von der Menge der enthaltenen Cannabinoide, ihrem Verhältnis zueinander und der konsumierten Dosis ab. Auch die Verfassung und Situation des Konsumenten spielen eine Rolle. THC wirkt nicht bei jedem Menschen gleich: Es kann Ängste lindern, aber auch auslösen; es kann Übelkeit bekämpfen, aber auch verursachen.

THC ist für die berauschende Wirkung und die veränderte Wahrnehmung verantwortlich. Häufige Wirkungen von THC sind:

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  • Psyche und Wahrnehmung: Sedierung, Euphorie, gesteigertes Wohlbefinden, intensivere Wahrnehmung, verlangsamte Zeitwahrnehmung, Angstzunahme oder -linderung, Halluzinationen (bei hohen Dosen)
  • Denken: Gestörtes Gedächtnis und Aufmerksamkeit, erhöhte Kreativität
  • Bewegung: Verschlechterung oder Verbesserung der Koordination, undeutliche Sprache
  • Nervensystem: Schmerzlinderung, Muskelentspannung, gesteigerter Appetit, Verminderung von Übelkeit und Erbrechen
  • Herz-Kreislauf-System: Zunahme der Herzfrequenz, Absinken des Blutdrucks (eventuell mit Schwindel)
  • Augen: Rötung der Bindehaut, weniger Tränenfluss, Absinken des Augeninnendrucks
  • Atemwege: Erweiterung der Bronchien, Mundtrockenheit
  • Magen-Darm-Trakt: Verminderte Darmbewegungen, geringere Magensäureproduktion

THC wird oft in Form von Dronabinol verordnet, einem reinen THC-Medikament. Es wird zur Behandlung von chronischen Schmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer Chemotherapie sowie zur Linderung von Spastik bei Multipler Sklerose eingesetzt.

CBD: Wirkung und Nebenwirkungen

CBD ist das zweithäufigste Cannabinoid in Cannabis und verursacht keine typischen psychischen Wirkungen oder Nebenwirkungen wie THC. Es ist nicht berauschend und erfreut sich in den letzten Jahren großer Beliebtheit zur Selbstbehandlung verschiedener Beschwerden.

CBD wird im Rahmen medizinischer Behandlungen bei Epilepsie eingesetzt. Es gibt ein CBD-haltiges Arzneimittel auf dem deutschen Markt, das für bestimmte Epilepsieformen zugelassen ist. Sehr häufige Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Schläfrigkeit, Durchfall, verminderter Appetit, Fieber und Erbrechen.

Terpene: Ätherische Öle mit Einfluss

Terpene sind ätherische Öle, die zur Gesamtwirkung von Cannabiszubereitungen beitragen, auch wenn sie oft nur in moderaten Konzentrationen vorkommen. Es gibt eine Vielzahl von Terpenen mit unterschiedlichen Zusammensetzungen und Mengenverhältnissen in verschiedenen Cannabissorten.

Freizeitkonsum von Cannabis: Risiken und Nebenwirkungen

Der Freizeitkonsum von Cannabis ist weit verbreitet. Gelegentlicher Konsum hat für die meisten Menschen keine negativen Folgen. Bei häufigerem Konsum nehmen jedoch die Nebenwirkungen zu.

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Häufige Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Stimmungsschwankungen, Schwindel, Mundtrockenheit, trockene und gerötete Augen, Muskelschwäche, gesteigerter Appetit, Herzrasen, plötzlicher Blutdruckabfall und Herzbeschwerden. Diese Folgen resultieren aus der Interaktion der Cannabinoide mit den Rezeptoren im Körper.

Für Jugendliche birgt der Cannabiskonsum größere Gefahren, da ihr Gehirn noch nicht vollständig ausgereift ist. Dies kann zu Gehirnschäden und langfristigen Schäden führen. Regelmäßiger Konsum kann auch zu Abhängigkeit führen.

Cannabis und das jugendliche Gehirn

Das junge Gehirn befindet sich in einer wichtigen Entwicklungsphase. THC stört die Reifeprozesse im Gehirn. Häufiges Kiffen kann dazu führen, dass Jugendliche sich in ihrer Persönlichkeit nicht weiterentwickeln. Der frühe Einstieg in das Kiffen steht im Zusammenhang mit Gehirnveränderungen, die das Risiko für Schizophrenie erhöhen könnten. Es besteht die Gefahr, dass Jugendliche in einem "pubertätsähnlichen Zustand" verharren.

Zudem ist die Gefahr einer Überdosierung gestiegen, da Cannabis-Züchtungen aus Indoor-Anlagen in Europa immer mehr THC enthalten. Künstliche (synthetische) Cannabinoide, die viel stärker als pflanzliche wirken, sind ebenfalls im Umlauf.

Kiffen führt im Alltag zu Konzentrationsstörungen, was in Schule und Ausbildung zu Problemen führen kann.

Auswirkungen auf Gedächtnis und kognitive Fähigkeiten

Trotz intensiver Forschung ist noch immer nicht vollständig geklärt, wie stark und wie lange sich Kiffen auf das Gehirn und das Gedächtnis auswirkt. Studien zeigen jedoch, dass Cannabiskonsum die Gedächtniskapazität unterdrückt, wobei die Beeinträchtigung nachlässt, wenn der Konsum gestoppt wird.

Eine Studie mit Jugendlichen ergab, dass Abstinenzler eine signifikante Verbesserung des verbalen Lernens und des Gedächtnisses aufwiesen. Die Fähigkeit, neue Informationen zu erlernen und sie sich einzuprägen, verbesserte sich nach nur einem Monat.

Chronischer Cannabiskonsum kann die Zahl der Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn reduzieren. Eine Studie mit starken Cannabiskonsumenten zeigte, dass diese im Schnitt 20 Prozent weniger Cannabinoid-Rezeptoren aufwiesen als Nicht-Konsumenten. Je länger die Konsumenten kifften, desto weniger Cannabinoid-Rezeptoren konnten in ihrem Gehirn nachgewiesen werden. Diese Auswirkungen können sich jedoch bei Konsumabstinenz wieder abschwächen.

Cannabis im Alter: Potenzielle therapeutische Effekte

Während Cannabis bei Jugendlichen schädliche Auswirkungen haben kann, gibt es Hinweise darauf, dass es bei älteren Menschen positive Effekte haben könnte. Studien mit Mäusen haben gezeigt, dass eine geringe Menge an THC die kognitive Leistungsfähigkeit im Alter wiederherstellen kann.

Die Forscher fanden heraus, dass das Gehirn viel schneller altert, wenn Mäuse keinen funktionsfähigen Rezeptor für THC besitzen. Mit steigendem Alter verringert sich die Menge der im Gehirn natürlich gebildeten Cannabinoide. Die THC-Behandlung kehrte den Leistungsverlust der alten Tiere wieder komplett um. Die molekulare Signatur entsprach nicht mehr der von alten Tieren, sondern war vielmehr jungen Tieren sehr ähnlich. Auch die Zahl der Verknüpfungen der Nervenzellen im Gehirn nahm wieder zu.

Die Forscher wollen nun in einer klinischen Studie untersuchen, ob THC auch beim Menschen Alterungsprozesse des Gehirns umkehren und die kognitive Leistungsfähigkeit wieder steigern kann.

THC und das Endocannabinoid-System: Eine detaillierte Betrachtung

Um die Wirkung von THC im Gehirn zu verstehen, ist es wichtig, das Endocannabinoid-System (ECS) zu betrachten. THC dockt an die CB1-Rezeptoren an, die vor allem im Gehirn vorkommen und an der Regulation kognitiver Prozesse sowie der Wahrnehmung beteiligt sind. THC kann zentrale Hirnregionen wie den Hippocampus (Gedächtnis), den präfrontalen Kortex (Impulskontrolle) und das Belohnungssystem beeinflussen.

Langfristiger Konsum, vor allem in jungen Jahren, kann strukturelle Veränderungen im Gehirn begünstigen. Die Großhirnrinde könnte sich ausdünnen, der Hippocampus an Volumen verlieren.

THC kann im Gehirn ein Enzym aktivieren, das normalerweise bei Entzündungen eine Rolle spielt - COX-2. Wenn COX-2 aktiv ist, verändert sich die Struktur der Verbindungen zwischen den Nervenzellen, vor allem im Hippocampus. In Tierversuchen führte das dazu, dass weniger wichtige Signalstoffe vorhanden waren und sich die Zahl der Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen verringerte. Sobald COX-2 gehemmt wurde, verschwanden diese negativen Effekte.

Cannabis vs. Alkohol: Ein Vergleich der Auswirkungen auf das Gehirn

Alkohol beschleunigt den Abbau der grauen Substanz und beeinträchtigt die Entwicklung der weißen Substanz, die für Denken, Lernen und Kommunikation zwischen Nervenzellen wichtig ist. Cannabis verändert ebenfalls die Hirnstruktur, vor allem im Hippocampus und der Großhirnrinde. Die Veränderungen sind jedoch meist weniger stark ausgeprägt, und manche Effekte können sich nach längerer Abstinenz zurückbilden.

Medizinische Anwendung von Cannabinoiden

Während der Freizeitkonsum mit Risiken einhergeht, können Cannabinoide im medizinischen Kontext ihr therapeutisches Potenzial entfalten. THC wird unter anderem bei chronischen Schmerzen, Multipler Sklerose oder Übelkeit infolge einer Chemotherapie eingesetzt. Die Forschung zu COX-2 eröffnet neue Perspektiven für die gezieltere Steuerung der Cannabis-Wirkung.

CBD: Eine Alternative zu THC?

CBD wirkt im Gehirn anders als THC - beruhigend, ausgleichend und ohne berauschende Effekte. Es beeinflusst Hirnregionen, die für Emotionen, Stressverarbeitung, Impulskontrolle und Gedächtnis zuständig sind. CBD verbessert die Kommunikation zwischen Frontalhirn und tieferliegenden Strukturen wie dem Striatum oder dem limbischen System. Es gibt Hinweise darauf, dass CBD auch entzündungshemmende Effekte im Gehirn haben und die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe beeinflussen könnte.

Cannabis und die Entwicklung des Gehirns: Eine Langzeitstudie

Eine Studie hat gezeigt, dass sich das Gehirn von Cannabis-Konsumenten deutlich verändert. Die betroffenen Jugendlichen waren impulsiver und konnten sich schlechter konzentrieren. Bei den Cannabis-Konsumenten zeigten die MRT-Aufnahmen eine dünnere Hirnrinde als bei der Vergleichsgruppe. Die Veränderungen zeigten sich in einem wichtigen Bereich des präfrontalen Kortex, der für Impulskontrolle, Problemlösung und Handlungsplanung zuständig ist. Je mehr Cannabis die jungen Probanden zu sich nahmen, desto ausgeprägter waren die Folgen.

Cannabis und Anti-Aging: Neue Forschungsergebnisse

Eine niedrigdosierte Langzeitgabe von Cannabis kann nicht nur Alterungsprozesse im Gehirn umkehren, sondern hat auch eine Anti-Aging-Wirkung. Dies konnten Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn mit einem Team der Hebrew University (Israel) jetzt bei Mäusen zeigen. Den Schlüssel dafür fanden sie in dem Proteinschalter mTOR, dessen Signalstärke Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit und Stoffwechselprozesse im gesamten Organismus hat.

Die THC-Behandlung führte im Gehirn zu einem vorübergehenden Anstieg der mTOR-Aktivität und des Gehalts an Zwischenprodukten, die an der Energieproduktion und an Aminosäuren beteiligt sind. Andererseits fanden die Bonner Forschenden eine ähnlich starke Verringerung der mTOR-Aktivität von Mäusen im Fettgewebe und des Gehalts an Aminosäuren und Kohlenhydratmetaboliten im Blutplasma wie nach einer kalorienarmen Diät oder nach intensiven körperlichen Aktivitäten.

Die Rolle von Neurotransmittern

THC beeinflusst die Freisetzung zahlreicher Neurotransmitter, insbesondere Dopamin, das für Motivation und Belohnung verantwortlich ist. Dies erklärt den "High"-Effekt, birgt jedoch auch Suchtgefahr. Auch GABA und Glutamat, zwei wichtige Botenstoffe für Hemmung und Erregung im Gehirn, werden moduliert.

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