Die neue Dauerausstellung „Gehirne“ im Senckenberg Museum in Frankfurt widmet sich ab dem 26. März den faszinierenden Gehirnen von Mensch und Tier. Die Ausstellung will Wissen rund um dieses komplexe Gebilde anschaulich vermitteln und die Besucher zum Staunen bringen. Im Mittelpunkt steht ein wirklichkeitsgetreues Modell des Gehirns von Eintracht-Legende und Bundesliga-Rekordspieler Karl-Heinz „Charly“ Körbel.
Charly Körbel: Vom Fußballplatz ins Museum
Karl-Heinz "Charly" Körbel hat in seinem Leben zwar so einige Wettkämpfe gewonnen, aber dass er es einmal mit Albert Einstein aufnehmen würde, hätte er nicht gedacht. Die Frage lautete: Wessen Hirn möchten Sie im Museum sehen? Dank der Frankfurter Fans war die Antwort schnell gefunden. Vor neun Jahren wählten die Bürger Frankfurts ihn aus, um sein Gehirn für die Ausstellung scannen zu lassen. Damals setzte er sich sogar gegen Albert Einstein durch. Ganze neun Jahre sind seitdem vergangen. Nun steht die Körbels Büste gleich am Eingang der Ausstellung, die am Mittwoch eröffnet.
Die Ausstellungsmacher zeigen Körbels Gehirn realitätsnah anhand von MRT-Scans nachgebildet. Von der einen Seite erblickt man das bekannte Gesicht, ergänzt um Muskeln, Adern und Nerven. Komisch sei das, sagt der 70-Jährige, das eigene Gehirn so groß vor sich zu sehen.
Körbel selbst ist sichtlich stolz darauf, es ins Museum geschafft zu haben. "Was kann ich noch mehr wollen?", fragt er. Ihm fallen dann doch noch zwei Dinge ein: "Vielleicht ein Sieg der Eintracht in der Euro League oder die deutsche Meisterschaft."
Fußball ist Kopfsache: Einblicke in Körbels Denkapparat
Eine Museumsausstellung zum Thema Gehirne - und der Fußball: Die Puzzleteile hätten sich erstaunlich gut zusammengefügt, sagt Kuratorin Adela Kutschke. Ein kleines Modell eines Fußballstadions, mit einem Bildschirm anstelle des Rasens, visualisiert dies. Wer hier den Regler verschiebt, kann zwischen verschiedenen echten Spielszenen wählen, die Körbel zeigen - ein Torschuss, jubelnde Fans, Auszug mit dem Pokal.
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Welche Hirnregionen sind beim Fußballer aktiv, wenn er auf das Tor schießt? Eine Projektion, die über dem Stadion zu sehen ist, liefert die Antwort darauf. Es blinkt und leuchtet mal hier, mal dort - je nachdem, welche Hirnregion aktiv ist. Diese Visualisierung beruht auf großen Datenmengen, die Forscher weltweit gesammelt haben, wie Kurator Maximilian Bugert erklärt.
Die Büste, das Stadion, eine große Wand mit Körbels Antlitz - an ihm und dem Fußball führt in dieser Ausstellung kein Weg vorbei.
Körbel selbst betont, wie wichtig Kopfarbeit im Fußball ist: „Ich konnte mich viel besser auf die Leute einstellen und auf meinen Gegenspieler. Habe mich immer damit beschäftigt auch im Voraus schon, was macht der, wie funktioniert das. Und mein ganzes Bundesligaleben hat das auch begleitet." Er beschreibt es als eine Maximalleistung des Gehirns, präzise Bewegungen, Emotionen und die Geräuschkulisse im Stadion zu verarbeiten.
Die Vielfalt der Gehirne: Mensch und Tier im Vergleich
Die Ausstellung beschränkt sich aber nicht nur auf das menschliche Gehirn und den Fußball. Auch die Gehirne von Tieren spielen eine Rolle. Die Kuratoren zeigen, wie das Gehirn von Ameisen funktioniert oder dass Grubenottern Wärme sehen können. Dies verdeutlicht die Vielfalt der Lösungen, die die Natur für unterschiedliche Herausforderungen gefunden hat.
Kurator Maximilian Bugert schwärmt von der Wüstenameise, die mit ihrem Minigehirn nach Hause findet, weil sie Schritte zählt und Vektornavigation beherrscht: „Können die Ameisen wie nichts.“
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Ausgestellt sind fünf Themenfelder unter anderem zum Aufbau des menschlichen Gehirns mit Größenvergleichen (Neandertaler hatten größere!), Darstellungen von Neuronen und Hirnzellen, bizarr, oder Stäbchen und Zapfen, schön bunt. Die Grubenotter sieht den Menschen als Wärmebild - und der Mensch sich selbst ausnahmsweise auch. Tolle Selfies gibt das.
Interaktive Erlebnisse und wissenschaftliche Erkenntnisse
Die Ausstellung bietet die Möglichkeit, komplexe Prozesse im Gehirn spielerisch und interaktiv zu entdecken. Besucher können in einem virtuellen Stadion in die Rolle von Charly Körbel schlüpfen und mit einem Avatar des Fußballspielers auf dem Spielfeld agieren. Sie können auch zentrale Funktionen des Gehirns mithilfe von „Augmented Reality“ erleben.
Die Dauerausstellung vermittelt auf verständliche Weise Wissen aus den Neurowissenschaften. Sie erklärt, wie das Gehirn aufgebaut ist, welche Funktionen es übernimmt und wie es sich im Laufe eines Lebens verändert. Anschauliche Modelle und Animationen vertiefen das Verständnis für das Zusammenspiel der verschiedenen Gehirnbereiche. So erklären Darstellungen und Exponate, wie die Großhirnhälften unsere einzigartigen kognitiven Fähigkeiten wie Sprache und Kreativität steuern, während das Kleinhirn für die Motorik und das Gleichgewicht zuständig ist.
Die Hertie-Stiftung: Förderer der Hirnforschung
Entstanden ist die Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, die eigenen Angaben zufolge einer der größten privaten Förderer der Hirnforschung in Deutschland ist. Sie finanziert die Dauerausstellung „Gehirne“ mit einer Million Euro.
Dr. Astrid Proksch, Geschäftsführerin des Bereichs „Gehirn erforschen“ der Hertie-Stiftung erklärt: „Die Hirnforschung ist eine tragende Säule unseres Engagements. Unser Ziel ist es, die komplexen Prozesse im Gehirn zu verstehen, neurologische Erkrankungen wirksam zu bekämpfen und gezielte Präventionsmaßnahmen zu entwickeln."
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Kunst und Gehirn: Eine kreative Verbindung
Auch der Kreativität, einer weiteren erstaunlichen Leistung des Gehirns, wollten die Macher in der Ausstellung Raum geben. Der zeitgenössische Medienkünstler Tim Berresheim konzipierte dafür ein ungewöhnliches Ausstellungs-Display als Raumskulptur und erweitert diese um Augmented-Reality Exponate. Er hat nicht nur die Skulptur von Charly Körbel entworfen, sondern auch die vier Meter hohen Wände an beiden Seiten des Ausstellungsraums gestaltet. Eine davon greift die Büste bildlich noch einmal auf, die andere zeigt Erinnerungsstücke aus dem Leben des Eintracht-Rekordspielers. Der Blick von Körbels Büste ist auf diese Wand voller Erinnerungen gerichtet. Erinnern - eine weitere faszinierende Fähigkeit des Gehirns.
„Durch den gestalterischen Ansatz wird die Komplexität des Themas „Gehirne“ in einen vertrauten Kontext gesetzt", so die Verantwortlichen.
Appell an die Jugend: Achtsamkeit und Lebenswandel
Körbel selbst hofft, dass er mit seinem Beitrag in der Ausstellung gerade junge Menschen dazu anregen kann, über ihren Lebenswandel nachzudenken und achtsam mit ihrem Gehirn umzugehen. „Ich würde gern junge Menschen darauf aufmerksam machen, dass man achtsam mit sich und vor allem mit seinem Gehirn umgeht. Nicht immer nur mit dem Handy rumlaufen, nicht nur Zucker essen und anstatt Alkohol auf seinen Lebenswandel achten."