Chininsulfat bei Krämpfen: Anwendung, Wirkung und Risiken

Chinin, ein Wirkstoff, der aus der Rinde des Chinarindenbaums gewonnen wird, findet in der Medizin vielfältige Anwendungen. Besonders bekannt ist seine Rolle in der Prophylaxe und Behandlung von Krämpfen der Skelettmuskulatur, vor allem bei nächtlichen Wadenkrämpfen. Darüber hinaus wird Chinin als Malariamittel eingesetzt.

Anwendungsgebiete von Chinin

Behandlung von Muskelkrämpfen

Wadenkrämpfe sind vorwiegend unerwartete und unangenehme Ereignisse. Leiden Betroffene jedoch sehr häufig darunter oder sind die Krämpfe besonders schmerzhaft, werden sie zu einer großen Belastung. Insbesondere nächtliche Wadenkrämpfe beeinträchtigen durch den gestörten Schlaf und die daraus resultierende ständige Übermüdung die Lebensqualität vieler Patienten enorm.

Die Ursachen für die Entstehung von Krämpfen konnten Mediziner noch nicht abschließend klären. Man unterscheidet paraphysiologische Krämpfe, die einen Gesunden z. B. nach muskulärer Überlastung durch Sport treffen können, und symptomatische Krämpfe durch Grunderkrankungen wie Elektrolytstörungen oder chronische neuromuskuläre Beschwerden. Für rund ein Viertel, die sogenannten idiopathischen Krämpfe, lässt sich hingegen keine Ursache erkennen. Daher sind Therapien, die unabhängig von der Krampfursache wirken, von großer Bedeutung.

Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie empfiehlt regelmäßiges passives Dehnen, allerdings wird dessen Wirksamkeit in Studien unterschiedlich bewertet. Auch für Magnesium, das aufgrund seiner sehr guten therapeutischen Breite bei minimalem Nebenwirkungsprofil gerne verschrieben wird, lässt die Studienlage keine ausreichend gesicherte Wirkung erkennen. Erst wenn alle behandelbaren Ursachen ausgeschlossen sind und eine Magnesiumtherapie versucht wurde, soll bei häufigen und sehr schmerzhaften Krämpfen Chinin zum Einsatz kommen.

Chininsulfat kann zur Prophylaxe von Muskelkrämpfen verordnet werden, da es zu Veränderungen im Bereich der neuromuskulären Übertragung führt. Es verlängert die Refraktärzeit durch direkte Wirkung auf die Muskelfaser. Es vermindert die Erregbarkeit an der motorischen Endplatte, eine Wirkung ähnlich der von Curare. Außerdem beeinflusst es die Verteilung von Kalzium in der Muskelfaser. Über diese Mechanismen wird die Schwelle für eine Reaktion des Muskels auf einen einzelnen maximalen Reiz erhöht. Die Bereitschaft zu einer tetanischen Kontraktion nimmt ab.

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Behandlung von Malaria

Als Malariamittel findet Chinin Anwendung als orale Monotherapie oder in Verbindung mit den Antibiotika Doxycyclin oder Clindamycin für die Behandlung einfacher Malariaanfälle. Als Malariamittel wirkt Chinin, indem es den Lebenszyklus der Plasmodien im Stadium der Blutschizonten angreift. Erythrozyten werden von Blutschizonten infiltriert, wobei diese Zellen eine hohe Proteindichte in ihrem Zytoplasma aufweisen, was zu einem entsprechend hohen onkotischen Druck führt. Um sich entwickeln zu können, ist der Trophozoit darauf angewiesen, Hämoglobin zu zersetzen. Häm stellt für Plasmodien ein Risiko dar, da es Sauerstoffradikale erzeugen kann. Aus diesem Grund polymerisieren die Plasmodien Häm zu Hämazoin, das ein unlösliches Eisenpigment darstellt. Chinin sammelt sich in der sauren Vakuole der Plasmodien an und bindet an das Häm, wodurch die Polymerisation blockiert wird.

Wirkungsweise von Chinin

Chinin wirkt an unterschiedlichen Stellen im Körper. Es führt über verschiedene Mechanismen zu einer Muskelentspannung, indem es die Zeit verlängert, die Muskelfasern nach einer Anspannung benötigen, um wieder auf Nervenreize zu reagieren. Zudem hemmt der Wirkstoff die Übertragung dieser Nervenreize auf die Muskeln, wodurch diese ebenfalls vermindert reagieren. Chinin beeinflusst auch die Kalzium-Verteilung im Muskel, die für die Kontraktion wichtig ist.

Darüber hinaus kann Chinin die Effekte des Cholinesterasehemmers Physostigmin in einer mit dem Alkaloid Curare vergleichbaren Stärke hemmen. Dies führt zu einer verringerten Bereitschaft zur tetanischen Kontraktion, was auf eine Verlängerung in der einzelnen Kontraktionsphase zurückzuführen ist.

Pharmakokinetik von Chinin

Chininsulfat weist eine hohe orale Bioverfügbarkeit (> 85 %) auf und wird überwiegend im oberen Teil des Dünndarms resorbiert. Die höchsten Plasmakonzentrationen werden etwa 1-3 Stunden nach Einnahme erreicht. Die Plasmahalbwertszeit liegt bei etwa 11 Stunden. Die Plasmaeiweißbindung beträgt 70 %. Die Metaboliten von Chinin werden über den Urin ausgeschieden.

Bei Malaria-Patienten ist die Exposition gegenüber Chinin höher als bei gesunden Patienten bzw. Patienten, die Chinin im Rahmen der Indikation des Wirkstoffs gegen Muskelkrämpfe einnehmen. Patienten mit Malaria weisen eine längere Zeit bis zum Erreichen der maximalen Plasmakonzentration, eine erhöhte Proteinbindung sowie eine höhere maximale Konzentration im Blut auf.

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Die durchschnittliche Plasmakonzentration bei langfristiger Gabe einer täglichen Dosis von 1 g liegt bei ca.

Dosierung und Anwendung

Die Behandlung mit Chininsulfat beginnt mit 200 mg nach dem Abendessen. Der Behandlungserfolg kann etwa nach 4 Wochen beurteilt werden. Bei Bedarf kann die Dosis auf 400 mg gesteigert werden. Insbesondere zu Beginn der Therapie sollten die Betroffenen die Häufigkeit und die Intensität der Muskelkrämpfe dokumentieren, um die Wirksamkeit besser abschätzen zu können.

Für die per orale Behandlung der Malaria wird Chinin höher dosiert. Die empfohlene Menge Chinin liegt hier bei 10 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht, jedoch nicht mehr als sieben Tabletten täglich. Gegebenenfalls wird Chinin zur besseren Wirksamkeit mit weiteren Arzneistoffen wie Doxycyclin oder Clindamycin kombiniert.

Risiken und Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen werden zusammengefasst als Cinchonismus bezeichnet und treten bei langfristiger oder hoch dosierter Gabe relativ häufig auf. Sie umfassen Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen, Ohrgeräusche (Tinnitus), Sehstörungen, Hautausschläge, Herzrhythmusstörungen, Blutdruckabfall, Nierenschäden, Blutbildungsstörungen und Überempfindlichkeitsreaktionen. Der Großteil der Nebenwirkungen ist dosisabhängig und verschwindet nach dem Absetzen der Chinin-Therapie wieder.

Bei einer hohen Dosierung oder Überdosierung kann sich das Bild des Cinchonismus entwickeln. Es kommt zu funktionalen Störungen einschließlich Gehörverlust, Störungen des Gleichgewichtssinns, Sehproblemen sowie Magen-Darm-Symptomen. Des Weiteren können kardiovaskuläre und zentralnervöse Effekte auftreten, wie z. B. Fieber, Wahrnehmungsstörungen und Verwirrtheitszustände, die Atmung kann beeinträchtigt sein und es kann zu einer Unterzuckerung und einem niedrigen Kaliumspiegel kommen.

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Kontraindikationen

Chinin darf nicht eingenommen werden bei:

  • Bekannter Überempfindlichkeit oder Allergie gegenüber Chinin oder Chinin-haltigen Getränken
  • Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (angeborener Enzymmangel)
  • Myasthenia gravis (erblich bedingte Muskelkrankheit)
  • Tinnitus
  • Vorschädigung des Sehnervs
  • Hypokaliämie (zu niedriger Kalium-Blutspiegel)
  • Bradykardie (verlangsamter Herzschlag) oder andere Herzrhythmusstörungen
  • Schwerer Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Angeborener oder erworbener QT-Intervall-Verlängerung
  • Gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln, die das QT-Intervall verlängern können
  • Schwangerschaft und Stillzeit

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Eine gegenseitige Verstärkung der Wirkungen ist möglich bei gleichzeitiger Einnahme von Cinchona-Alkaloide und Chinidin. Bei Kombination mit Chinin ist besondere Vorsicht geboten, da sich das Risiko für Herzrhythmusstörungen erhöhen kann, wenn Medikamente eingenommen werden, die das QT-Intervall verlängern. Arzneimittel, die signifikant das QT-Intervall verlängern, stellen eine Kontraindikation dar.

Chinin kann die Effekte von Digitalis-Präparaten, Muskelrelaxanzien und Antikoagulanzien verstärken. Bei gleichzeitiger Einnahme mit Phenobarbital und Carbamazepin kann deren Konzentration im Blut steigen. Die gleichzeitige Einnahme von magnesium- oder aluminiumhaltigen Mitteln gegen eine Magenübersäuerung kann die Aufnahme von Chinin beeinträchtigen.

Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung

Zu Beginn der Therapie mit Chinin können allergische Reaktionen auftreten. Bei Anzeichen einer Thrombozytopenie muss die Einnahme von Chinin sofort gestoppt werden. Personen, die bereits eine durch Chinin ausgelöste Thrombozytopenie hatten, sollten zukünftig keine chininhaltigen Produkte mehr konsumieren. Bei Chinin besteht ein dosisabhängiges Risiko der QT-Verlängerung. Patienten mit einem vorbestehenden QT-Intervall von über 450 ms oder einem QTc-Intervall von über 500 ms sollten von der Behandlung ausgeschlossen werden.

Alternativen zu Chinin

Es gibt verschiedene Alternativen zur Behandlung von Muskelkrämpfen, die je nach Ursache und Schweregrad der Krämpfe in Betracht gezogen werden können. Dazu gehören:

  • Nicht-medikamentöse Maßnahmen: Regelmäßiges Dehnen der betroffenen Muskeln, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Elektrolytausgleich.
  • Magnesium: Obwohl die Studienlage zur Wirksamkeit von Magnesium bei Muskelkrämpfen nicht eindeutig ist, berichten viele Patienten von einer Linderung der Beschwerden durch die Einnahme von Magnesiumpräparaten.
  • Andere Medikamente: In einigen Fällen können auch andere Medikamente wie Muskelrelaxanzien oder Antikonvulsiva zur Behandlung von Muskelkrämpfen eingesetzt werden.

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