Statine sind Medikamente, die hauptsächlich zur Senkung des LDL-Cholesterins (Low Density Lipoprotein-Cholesterin) im Blut eingesetzt werden. LDL-Cholesterin kann sich in den Blutgefäßen ablagern und zu Atherosklerose führen, was das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht. Obwohl Statine hauptsächlich auf die Leber wirken, um die Cholesterinproduktion zu hemmen, gibt es Bedenken hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkungen auf das Gehirn. Dieser Artikel untersucht die potenziellen Nebenwirkungen von Cholesterinsenkern, insbesondere Statinen, auf das Gehirn und berücksichtigt sowohl Forschungsergebnisse als auch klinische Beobachtungen.
Die Wirkungsweise von Statinen und ihre Bedeutung
Statine hemmen ein Enzym namens HMG-CoA-Reduktase in der Leber, das für die Cholesterinproduktion verantwortlich ist. Dadurch produziert die Leber weniger Cholesterin und erhöht gleichzeitig die Anzahl der Rezeptoren für LDL-Cholesterin, um mehr davon aus dem Blut zu entfernen. Dies führt zu einer Senkung des LDL-Cholesterinspiegels im Blut, wodurch das Risiko von Ablagerungen in den Gefäßwänden und damit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringert wird. Die Statin-Therapie gilt als eine der am besten untersuchten medikamentösen Therapien in der Medizin, und zahlreiche Studien haben gezeigt, dass sie das Herz-Kreislauf-Risiko senken kann.
Cholesterin und seine Rolle im Gehirn
Cholesterin ist ein essentieller Bestandteil der Zellmembranen und spielt eine wichtige Rolle für die normale Funktion des Gehirns. Es ist an der Produktion von Neurotransmittern, der Signalübertragung zwischen Nervenzellen und dem Schutz vor toxischen Einflüssen beteiligt. Im Gehirn wird Cholesterin hauptsächlich von den Astrozyten produziert, da Cholesterin aus dem Blut aufgrund der Blut-Hirn-Schranke nur schwer ins Gehirn gelangen kann.
Forschungsergebnisse zu Statinen und Alzheimer-Krankheit
Neuere Studien deuten darauf hin, dass Patienten, die aufgrund hoher Cholesterinwerte mit Statinen behandelt werden, ein geringeres Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken. Es wurde gezeigt, dass Statine den Cholesteringehalt im zentralen Nervensystem verringern und die Verteilung des Cholesterins in den neuronalen Membranen verändern können. Da Cholesterin für die Funktion der Zellmembranen unerlässlich ist, kommt dieser Beobachtung eine besondere Bedeutung zu. Darüber hinaus scheint membrangebundenes Cholesterin an der Produktion des neurotoxischen β-Amyloid-Proteins im Gehirn von Alzheimer-Patienten beteiligt zu sein.
Eine Studie der Universität Frankfurt untersuchte die Auswirkungen von Statinen auf den Cholesteringehalt und die Membranfunktion im Gehirn von Mäusen. Die Forscher fanden heraus, dass Statine, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden können, den Cholesteringehalt im Gehirn senken und die Verteilung des Cholesterins innerhalb der Plasmamembranen verändern können. Interessanterweise erhöhten Statine trotz ihrer cholesterinsenkenden Eigenschaften nicht die Anfälligkeit von Hirnmembranen gegenüber β-Amyloid.
Lesen Sie auch: Der Zusammenhang: Cholesterin und Demenz
Wissenschaftler der Universität Bonn haben ebenfalls festgestellt, dass der Cholesterinstoffwechsel im Gehirn das Risiko für Alzheimer beeinflusst. Sie fanden heraus, dass die Konzentrationen bestimmter Vorstufen des Cholesterins sowie seines Abbauprodukts 24S-Hydroxycholesterin im Liquor sinken, wenn Patienten mit Statinen behandelt werden. Dies deutet darauf hin, dass Statine die Cholesterinbildung und den Cholesterinabbau im Gehirn reduzieren könnten. Darüber hinaus konnten die Forscher zeigen, dass Statine auch die Liquor-Konzentration von β-Amyloid reduzieren können, einem Protein, das für die Entstehung von Alzheimer entscheidende Bedeutung hat.
Mögliche negative Auswirkungen von Statinen auf die Gehirnfunktion
Trotz der potenziellen Vorteile von Statinen bei der Vorbeugung von Alzheimer gibt es auch Bedenken hinsichtlich ihrer möglichen negativen Auswirkungen auf die Gehirnfunktion. Einige Studien haben gezeigt, dass Statine die Neurotransmitter-Ausschüttung beeinträchtigen und die Gedächtnisleistung reduzieren können.
US-Wissenschaftler fanden heraus, dass Statine die Cholesterolsynthese im Gehirn reduzieren und sich negativ auf die Ausschüttung von Neurotransmittern auswirken können, was die Gedächtnisleistung beeinträchtigen könnte. In Experimenten wurde festgestellt, dass die Proteinfunktion in Gehirnzellen, denen Cholesterin zur Verfügung stand, fünfmal höher war als in Zellen ohne Cholesterin.
Im deutschen Spontanerfassungssystem wurden einige Fälle aufgeführt, in denen eine Statin-Einnahme zu Gedächtnisstörungen geführt hat. Es wird vermutet, dass lipophile Statine wie Atorvastatin und Simvastatin eher zu diesen Nebenwirkungen führen könnten, da sie die Blut-Hirn-Schranke besser überwinden können als hydrophile Statine wie Pravastatin.
Eine Studie in JAMA Internal Medicine (2015) ergab, dass akute Gedächtnisstörungen in den ersten 30 Tagen einer Statintherapie vier Mal häufiger auftraten als bei Nichtanwendern von Statinen. Die Autoren hielten einen kausalen Zusammenhang jedoch für unwahrscheinlich, da die Nebenwirkung in gleicher Häufigkeit auch nach der Einnahme anderer Lipidsenker beobachtet wurde.
Lesen Sie auch: Schlaganfall und Cholesterin
Studienergebnisse zu Gedächtnisstörungen und Statinen
Brian Strom von der Rutgers University in Newark/New Jersey und Mitarbeiter werteten das „Health Improvement Network“ aus, das die Daten britischer Hausärzte speichert. Die Epidemiologen verglichen die Daten von 482.543 Patienten, denen zwischen 1987 und 2013 Statine verordnet wurden, mit einer gleich großen Anzahl von Patienten, die keine Lipidsenker erhalten hatten.
Die Ergebnisse zeigten, dass bei 3,03 Prozent der Anwender im Verlauf der Therapie unterschiedliche Störungen des Gedächtnisses auftraten, verglichen mit 2,31 Prozent der Nichtanwender. Dies entspricht einer adjustierten Odds Ratio von 1,23, was auf einen leichten Anstieg von Gedächtnisstörungen hinweist. Deutlicher war die Assoziation in den ersten 30 Tagen der Therapie, wo 0,08 Prozent der Statin-Anwender gegenüber 0,02 Prozent der Nicht-Anwender über Gedächtnisstörungen klagten.
In einer zweiten Untersuchung verglichen die Epidemiologen 26.484 Statin-Nutzer mit der gleichen Anzahl von Patienten, denen andere Lipidsenker verordnet worden waren. Der Einsatz dieser Mittel war ebenfalls mit Gedächtnisstörungen assoziiert.
Diese Ergebnisse lassen zwei Interpretationen zu: Entweder erhöhen alle Lipidsenker, unabhängig von der Wirkstoffgruppe, das Risiko von akuten Gedächtnisstörungen, oder es gibt einen „detection bias“, bei dem Patienten, die ein neues Medikament erhalten, ihre Ärzte häufiger besuchen und Beschwerden angeben, die bei anderen Patienten nicht erfasst werden.
Langzeitwirkungen von Statinen auf das Gehirn
Eine Übersichtsarbeit, für die Forscher mehrere Studien auswerteten, an denen insgesamt mehr als 23.000 Patienten teilnahmen, ergab, dass die kurzfristige Einnahme von Statinen dem Gehirn nicht zu schaden scheint. Länger als ein Jahr genommen könnten die Cholesterolsenker sogar das Demenzrisiko reduzieren. Die Einnahme über mehrere Jahre konnte das Demenzrisiko um 29 Prozent senken.
Lesen Sie auch: Corona und das Gehirn: Was wir wissen
Klinische Beobachtungen und Empfehlungen
Viele Patienten sind durch Berichte in den Medien über angebliche schwerwiegende Nebenwirkungen verunsichert. Es entsteht eine verzerrte Wahrnehmung über die Risiken und den Nutzen der Behandlung mit Statinen, was dazu führen kann, dass Betroffene ihre Statine eigenmächtig absetzen. Es ist wichtig, dass Patienten, die Bedenken hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen haben, mit ihrem Arzt sprechen, um die Vor- und Nachteile der Statin-Therapie abzuwägen und gegebenenfalls alternative Behandlungsoptionen zu besprechen.
Wenn eine Behandlung mit Statinen eigenmächtig beendet wird, steigt das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Wer meint, Nebenwirkungen durch Statine an sich zu beobachten, sollte daher zunächst mit seinem Arzt sprechen.
tags: #cholesterinsenker #nebenwirkungen #gehirn