Wenn das Gedächtnis und die Merkfähigkeit von Patienten, insbesondere im höheren Alter, nachlassen, kann ein förderndes Gedächtnistraining die Situation verbessern. Dieses Training, oft auch als Gehirnjogging oder Gedächtnisübungen bekannt, zielt darauf ab, die kognitiven Fähigkeiten zu erhalten und zu verbessern.
Was ist Gedächtnistraining?
Gedächtnistraining umfasst Übungen und Maßnahmen, die darauf abzielen, die kognitiven Fähigkeiten einer Person mit Gedächtnisproblemen aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Es trainiert sowohl das Kurzzeit- als auch das Langzeitgedächtnis. Die spielerischen Übungen sollen die Vorgänge im Gehirn anregen und die Fähigkeit fördern, Wissen und Fähigkeiten über das ganze Leben hinweg zu speichern.
Die Bedeutung von Synapsen
Die Synapsenverbindungen im Gehirn können ein Leben lang gebildet, verändert und repariert werden. Durch gezieltes Gedächtnistraining können diese Verbindungen angeregt werden. Entscheidend für die Bildung neuer Synapsen ist die Begeisterung des Patienten bei der Ausführung des Gedächtnistrainings. Die Abwechslung von Übungen ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Pflegekräfte sollten daher ständig wechselnde Gedächtnisübungen mit ihren Patienten ausprobieren.
Anwendungsbereiche des Gedächtnistrainings
Ein Gedächtnistraining wird vor allem dann durchgeführt, wenn die Gedächtnisleistung eines Patienten nachlässt, beispielsweise bei Demenz. Grundsätzlich sollte man aber im Hinterkopf behalten, dass das Training nur dann wirken kann, wenn der Patient Interesse an den Übungen zeigt. Die spielerischen Gedächtnisübungen, die die Synapsenbildung im Gehirn anregen sollen, können in der Pflege aber auch vorsorglich durchgeführt werden. Die Trainings werden im Pflegebereich meistens in größeren Gruppen mit bis zu 15 Patienten durchgeführt. Es empfiehlt sich, das Gedächtnistraining auf den Vormittag zu legen.
Ziele des Gedächtnistrainings
Gedächtnistraining verfolgt mehrere Ziele, die sich positiv auf die Lebensqualität der Patienten auswirken können:
Lesen Sie auch: Umfassende Fortbildung in neurologischer Physiotherapie
- Konzentrationstraining: Die Patienten müssen sich auf die Übungen konzentrieren, um sie ausführen zu können. Wiederholtes Training kann zu einer verbesserten Konzentrationsfähigkeit beitragen.
- Aktivierung des Langzeitgedächtnisses: Die Übungen sollen nicht nur die Bildung neuer Synapsen fördern, sondern auch bestehende Synapsen stärken. Durch spezielle Übungen für das Langzeitgedächtnis sollen die vorhandenen Erinnerungen des Senioren beibehalten werden.
- Entstehung sozialer Kontakte: Ein Gedächtnistraining findet meistens in Gruppen statt. Das gemeinsame Ausführen von Übungen kann zu neuen sozialen Kontakten führen. Durch die allgemein verbesserte Psyche des Patienten fällt es ihm leichter, bestehende Kontakte zu pflegen und neue einzugehen.
- Förderung der Sinneswahrnehmungen: Häufig werden im Rahmen eines Gedächtnistrainings auch die Sinne trainiert. Durch das Anfassen von verschiedenen Gegenständen wie Steinen oder Wolle soll beispielsweise der Tastsinn angeregt werden.
- Alltagstraining: Ein Gedächtnistraining kann sich auch positiv auf die alltäglichen Fertigkeiten eines Patienten auswirken. Hierbei ist es vor allem wichtig, diese Übungen immer wieder auszuführen, damit der Patient sie verinnerlichen kann.
- Emotionale Stabilität: Hat ein Patient während der Übungen Erfolgserlebnisse und Spaß, dann wirkt sich das Gedächtnistraining auch positiv auf die emotionale Stabilität aus. Patienten mit Demenz leiden häufig an Depressionen und Isolation.
Wichtige Aspekte für ein erfolgreiches Gedächtnistraining
Damit ein Gedächtnistraining erfolgreich ist, sollten einige wichtige Punkte beachtet werden:
- Individuelle Anpassung: Das Training sollte an den jeweiligen Patienten angepasst werden. Dafür ist es wichtig, die Übungen an die Möglichkeiten des Patienten und dessen Pflegegrad anzupassen. Für Demenzkranke können negative Folgen entstehen, wenn sie mit ihrem Unvermögen konfrontiert werden.
- Weder Über- noch Unterforderung: Es sollte vorab bedacht werden, welche Übungen der Patient in der Lage ist auszuführen. Wichtig ist, dass er das Training mit Erfolgserlebnissen verbindet, um den Spaß an den Übungen zu erhalten und die volle Wirkung zu erzielen. Das Gedächtnistraining soll zwar Erfolgserlebnisse ermöglichen, aber auch keine Unterforderung darstellen. Gerade wenn nur eine leichte Beeinträchtigung des Gedächtnisses vorliegt, können auch schwierigere Übungen ausgewählt werden.
- Orientierung an den Lebenserfahrungen: Bei der Wahl der geeigneten Übungen sollte man sich an der Biografie des Patienten orientieren. Es ist hilfreich, so viel wie möglich über sein Leben und seinen Alltag in Erfahrung zu bringen. Hat ein Patient beispielsweise häufig gebacken, kann durch das Rühren eines Teiges eine Erinnerung an frühere Zeiten hervorgerufen werden. Auch die Arbeit des Patienten kann als Anknüpfungspunkt dienen.
- Spielerischer Ansatz ohne Leistungsdruck: Die Übungen sollten spielerisch ausgeführt werden, ohne Leistungsdruck oder falsche Antworten. Demenzpatienten leiden oft an einem geringen Selbstwertgefühl und sollten aufgebaut werden.
- Rituale und Gewohnheiten: Um es den Patienten so leicht wie möglich zu machen, sollte man auf Rituale achten. Durch Wiederholungen fällt es dem Gehirn leichter, sich Dinge einzuprägen. Rituale geben den Patienten außerdem Sicherheit. Es kann auch helfen, die Übungen thematisch zu gliedern. Gerade bei der Wortfindung kann es helfen, ein spezifisches Thema zu fokussieren.
- Einbeziehung von Körper und Sinnen: Eine Themenstellung kann geschickt genutzt werden, indem man andere Sinne miteinbezieht. Ist das Thema der Übungen beispielsweise der Herbst, können Blätter, Kastanien und Eicheln in die Hände gegeben werden, um den Tastsinn zu wecken. Abgesehen von den Sinnen sollte auch die Motorik angesprochen werden, um die Durchblutung zu verbessern und dem Gehirn mehr Sauerstoff zuzuführen. Musik kann ebenfalls genutzt werden, um zum Mitsingen und zu Bewegungen anzuregen.
- Vermeidung von Bewertungen: Bewertungen wie „Das ist eine leichte Übung“ sollten vermieden werden.
- Angemessene Dauer: Bei der Auswahl der Übungen sollte auch auf die Dauer des Gedächtnistrainings geachtet werden. Patienten mit Demenz haben häufig eine veränderte Wahrnehmung von Zeit. Ein 30-minütiges Training kann ihnen viel länger erscheinen und sollte daher nicht überschritten werden.
- Akzeptanz der Entscheidung des Patienten: Wenn ein Patient kein Interesse an einem Gedächtnistraining hat, sollte dies akzeptiert werden. Ein Gedächtnistraining unter Zwang wird ohnehin keinen Erfolg haben.
- Erfolgserlebnisse ermöglichen: Es ist wichtig, den Menschen mit Demenz Erfolge und eine Bestätigung ihres Selbstbewusstseins zu ermöglichen. Eine Überforderung sollte vermieden werden, aber auch keine Unterforderung stattfinden.
- Kein Richtig oder Falsch: Beim Gedächtnistraining gibt es kein Richtig oder Falsch.
Übungen für das Gedächtnistraining
Es gibt viele verschiedene Übungen, die im Gedächtnistraining eingesetzt werden können. Sie sprechen unterschiedliche Fähigkeiten und Interessen an.
- Pantomime: Pantomime oder Bewegungen zu erraten, soll alltägliche Handlungen trainieren. Man kann mit einer Handlung beginnen, die für alle zum Alltag gehört, wie z. B. sich das Gesicht zu waschen. Die Gruppe wird gebeten, die Bewegung nachzumachen. Der Teilnehmer, der rechts oder links von einem sitzt, denkt sich eine Tätigkeit aus. Jeder Teilnehmer darf sich der Reihe nach etwas ausdenken und den anderen vormachen. Wenn einem Teilnehmer nichts einfällt, kann man ihm leise einen Vorschlag machen. Geeignete Tätigkeiten könnten z. B. sein: Zähne putzen, Haare kämmen, Schuhe zubinden usw. Aus dieser Übung ergeben sich gleich mehrere Vorteile für die Gruppe. Zunächst werden ihnen alltägliche Handlungen noch einmal bewusst gemacht, dadurch, dass die Patienten sich entscheiden, welche Bewegung sie vormachen und wie sie dies tun. Jeder Teilnehmer darf sich für eine Bewegung entscheiden und bestimmt somit, was die anderen Teilnehmer ihm nachmachen sollen. Beim Benennen der Handlung wird die Wortfindung trainiert. Da die Bewegung nachgeahmt werden soll, müssen die Teilnehmer darauf achten, welche Handlung vorgeführt wird und wie diese wiederholt werden soll.
- Tagesstruktur: Mit dieser Übung kann man den Patienten helfen, sich mit der Tagesstruktur zu beschäftigen. Wenn sie wissen, welche Tätigkeit zu welcher Uhrzeit gehört, in welchem Monat sie sich befinden, dann sind sie Herr über ihre Zeit. Bei diesem Training arbeitet man mit Schaumstoffwürfeln. Die Würfel werden in die Mitte geworfen, die Patienten müssen sich nach vorn beugen und diese wiederaufrichten. Die Würfel werden an den rechten oder linken Sitznachbarn weitergeben und ihn auffordern, diese in die Mitte zu werfen. Wenn die Monate vorgeschlagen wurden, kann man mit der Gruppe überlegen, um welchen Monat es sich handelt. Dann überlegt man gemeinsam mit der Gruppe, wer in diesem Monat Geburtstag hat, um welche Jahreszeit es sich handelt, welche Pflanzen wachsen, welche speziellen Feste gefeiert werden und welche Aktivitäten möglich sind (wandern, schwimmen, Rad fahren, auf die Kirmes gehen, in Urlaub fahren etc.). Diese Übung kann auch mit einer Einzelperson durchgeführt werden.
- Zwillingswörter: Wenn man mit seinen Patienten Zwillingswörter sucht, trainiert man ihre Konzentration. Konzentration bedeutet geistige Sammlung, gezielte Lenkung auf bestimmte Erlebnisinhalte wie z. B. auf die Wahrnehmung, Gedanken und Handlungen. Konzentration ist die Voraussetzung für die Merkfähigkeit. Außerdem wird die Fähigkeit zur Wortfindung trainiert. All diese Fähigkeiten sind im Zusammenleben mit Menschen wichtig. Das Trainieren dieser Fähigkeiten erleichtert den Pflege- und Betreuungsalltag. Bei dieser Übung ergänzen der oder die Teilnehmer des Gedächtnistrainings Zwillingswörter, die man beginnt, wie z. B. "Sack und …", "Land auf, Land …".
- Ganzheitliches Gedächtnistraining: Bei einem ganzheitlichen Gedächtnistraining wird eine eigene Meinung über Sachverhalte, Ereignisse und Personen gebildet. Eine Entscheidung wird getroffen, nachdem das Für und Wider beurteilt wurde. Durch diese Übung kann man auch einen Menschen mit Demenz unterstützen, sich als selbstbestimmten Menschen wahrzunehmen. Wichtig bei der nachfolgenden Übung ist nicht, dass die Antworten faktisch richtig beantwortet werden. Das Ziel ist, dass die Teilnehmer sich überhaupt für eine Antwort entscheiden. Die Teilnehmer lassen ihre Antworten ins Plenum rufen. Eine Beispielfrage könnte sein: „Welches bekannte Bauwerk steht in Berlin?". Hier kann man dann fragen, wer schon einmal am Brandenburger Tor war und die Patienten von den Erlebnissen dort erzählen lassen. Zudem kann man dies auch schön mit einem Lied ergänzen. Für Berlin eignet sich z. B. "Ich hab noch einen Koffer in Berlin".
- Spiele: Neben dem Ausführen der oben genannten Übungen können auch Spiele einen positiven Einfluss auf die Gedächtnisleistung haben. Durch das Legen und Bewegen der Steine oder Karten werden zum einen die manuellen Fähigkeiten verbessert. Zum anderen werden Denk- und Logikprozesse im Gehirn angeregt und damit die geistige Leistungsfähigkeit trainiert. Domino eignet sich besonders gut für Demenzpatienten. Vor allem die Varianten, bei denen Wörter und Zeichnungen einander zugeordnet werden, fördern den Wortschatz. Mensch ärgere dich nicht zählt eher zu den einfacheren Spielen und ist vor allem gut, um Erfolgserlebnisse und Spaß zu haben. Ein Puzzle trainiert gleichzeitig das Gedächtnis, die Wahrnehmung und die Vorstellungskraft eines Patienten.
Die Rolle von Schokolade
Es gibt einige Hinweise darauf, dass Schokolade das Gehirn schützen kann.
- Antioxidantien: Schokolade, insbesondere dunkle Schokolade mit einem hohen Kakaoanteil, enthält eine hohe Konzentration an Antioxidantien wie Flavonoiden. Antioxidantien schützen das Gehirn vor oxidativem Stress, der durch freie Radikale verursacht wird und zur Alterung und degenerativen Erkrankungen wie Alzheimer beitragen kann.
- Verbesserung der Durchblutung: Schokolade enthält auch Flavonoide, die zur Erweiterung der Blutgefäße beitragen können.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Schokolade auch einen hohen Fett- und Zuckeranteil hat, der bei übermäßigem Konsum ungesund sein kann.
Fort- und Weiterbildungen im Bereich Gedächtnistraining Demenz
Um ein effektives Gedächtnistraining für Menschen mit Demenz anbieten zu können, ist eine fundierte Aus- und Fortbildung unerlässlich. Es gibt zahlreiche Angebote, die sich an Betreuungskräfte, Pflegepersonal und Angehörige richten.
Lesen Sie auch: Konzepte der Basalen Stimulation in der Demenzpflege
Inhalte und Ziele von Fortbildungen
Fortbildungen zum Thema Gedächtnistraining und Demenz vermitteln praxisnahe Methoden und kreative Impulse für ein Gedächtnistraining, das weit über klassische Sprichwörter und Quizfragen hinausgeht. Sie lernen, wie Sie individuelle Ressourcen stärken, Freude und Motivation fördern und dabei alle Sinne ansprechen können.
Die Fortbildungen umfassen auch die Reflexion der beruflichen Praxis und die Aktualisierung von vermitteltem Wissen nach §§43b, 53b SGB XI zur Qualifikation und zu den Aufgaben von zusätzlichen Betreuungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen.
Themenbereiche von Fortbildungen
- Grundlagen des Gedächtnistrainings
- Demenz verstehen: Ursachen, Symptome und Verlauf
- Methoden und Übungen für das Gedächtnistraining mit Menschen mit Demenz
- Der Einbezug aller Sinne beim Gedächtnistraining
- Förderung von Kreativität und Spiel
- Individuelle Anpassung des Gedächtnistrainings an die Bedürfnisse der Teilnehmer
- Umgang mit schwierigen Situationen im Gedächtnistraining
- Rechtliche Aspekte
Anbieter von Fortbildungen
- Bundesverband Gedächtnistraining e.V. (BVGT): Der BVGT bietet eine umfassende Ausbildung zum Ganzheitlichen Gedächtnistrainer sowie zahlreiche Fortbildungen und Module zu verschiedenen Themenbereichen des Gedächtnistrainings, darunter auch Demenz.
- Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands (CJD): Das CJD bietet Seminare und Fortbildungsveranstaltungen im Bereich der Altenpflege und Betreuung an, die auch Themen des Gedächtnistrainings und der Demenz behandeln.
- Weitere Anbieter: Es gibt zahlreiche weitere Anbieter von Fortbildungen im Bereich Gedächtnistraining Demenz, wie z.B. private Bildungsinstitute, Volkshochschulen und Fachschulen für Altenpflege.
Online-Fortbildungen
Viele Anbieter bieten mittlerweile auch Online-Fortbildungen an, die eine flexible Teilnahme ermöglichen. Bei der Auswahl einer Online-Fortbildung sollte darauf geachtet werden, dass sie ein "echtes" Fortbildungserlebnis schafft und die Teilnehmenden aktiv einbezieht, z.B. durch Gruppenarbeit in Breakout-Rooms, kleine Videos, Aufgabenstellungen abseits des Computers und sinnliches Erleben durch zuvor verschickte Materialien.
Lesen Sie auch: Aromatherapie in der Demenzpflege
tags: #fortbildung #gedächtnistraining #demenz #inhalte