Die Huntington-Krankheit, auch Chorea Huntington genannt, ist eine seltene, erbliche und neurodegenerative Erkrankung, die durch den fortschreitenden Verlust von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet ist. Weltweit sind etwa 5 bis 10 von 100.000 Menschen betroffen. Die Krankheit führt zu unkoordinierten Bewegungen, psychischen Veränderungen, Demenz und schließlich zum Tod. Derzeit gibt es keine Heilung, und die verfügbaren Therapien konzentrieren sich hauptsächlich auf die Linderung der Symptome. Die Forschung zur Huntington-Krankheit hat jedoch in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht und vielversprechende neue Therapieansätze hervorgebracht.
Jüngste Entdeckungen und Fortschritte
Identifizierung eines neuen Gens, das mit dem Fortschreiten der Huntington-Krankheit in Verbindung steht
Ein Team von Forschern aus Berlin und Düsseldorf hat kürzlich ein neues Gen namens CHCHD2 identifiziert, das mit dem Fortschreiten der Huntington-Krankheit in Verbindung steht. Die Studie, die in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht wurde, ergab, dass Mutationen im Huntington-Gen HTT auch CHCHD2 beeinflussen. CHCHD2 spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der normalen Funktion der Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen.
Die Forscher verwendeten Hirnorganoide, dreidimensionale, organähnliche Strukturen, die im Labor aus Stammzellen gezüchtet werden, um die Auswirkungen von Mutationen im HTT-Gen auf die frühe Gehirnentwicklung zu untersuchen. Sie stellten fest, dass das CHCHD2-Gen in den Organoiden mit mutiertem HTT unterexprimiert war, was zu einem reduzierten Stoffwechsel der neuronalen Zellen führte. Interessanterweise konnten sie die schädigende Wirkung auf die neuronalen Zellen umkehren, indem sie die Funktion des CHCHD2-Gens wiederherstellten.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass CHCHD2 ein potenzielles therapeutisches Ziel für die Behandlung der Huntington-Krankheit sein könnte. Die Erhöhung der CHCHD2-Genexpression könnte dazu beitragen, die mitochondriale Funktion wiederherzustellen und das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen.
Die Rolle der frühen Gehirnentwicklung bei der Huntington-Krankheit
Die Studie ergab auch, dass Mutationen im HTT-Gen die frühe Gehirnentwicklung beeinträchtigen können, noch bevor klinische Symptome auftreten. Dies deutet darauf hin, dass therapeutische Strategien möglicherweise zu viel früheren Zeitpunkten im Leben ansetzen müssen, um wirksam zu sein.
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Dr. Pawel Lisowski, ein Erstautor der Studie, erklärte: „Das Organoidmodell deutet darauf hin, dass HTT-Mutationen die Gehirnentwicklung noch vor dem Auftreten klinischer Symptome schädigen. Es ist also sehr wichtig, diese spät auftretende neurodegenerative Erkrankung früh zu erkennen.“
Gentherapie zeigt Anzeichen für eine Verlangsamung des Fortschreitens der Krankheit
In London wurde im September 2025 eine experimentelle Gentherapie vorgestellt, die den Verlauf der Huntington-Krankheit verlangsamen kann. Die Ergebnisse, die noch nicht unabhängig begutachtet wurden, basieren auf einer Studie mit 29 Patienten, deren gesundheitliche Entwicklung nach der Behandlung drei Jahre lang beobachtet wurde. Den Berichten zufolge war bei ihnen der Krankheitsverlauf um 75 Prozent verlangsamt, verglichen mit einer Kontrollgruppe.
Bei der Gentherapie wurden den Patienten maßgeschneiderte Viren ins Gehirn injiziert, die als „Genfähren“ dienen. Diese Viren schleusen den Bauplan für spezielle RNA-Moleküle in die Gehirnzellen ein, die sich dann mit den Vorläufern des fehlerhaften Huntingtin-Proteins verbinden und dessen Abbau fördern.
PD Dr. Patrick Weydt, Vorsitzender des Europäischen Huntington Netzwerks (EHDN), kommentierte die Ergebnisse als „überraschend gute Zwischenergebnisse eines sehr vielversprechenden Therapieansatzes. Sicher die besten Nachrichten seit Jahren auf diesem Gebiet.“
Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Forschung 2025
Prof. Dr. Anastasia Khvorova wurde mit dem Else Kröner Fresenius Preis für Medizinische Forschung 2025 für ihre wegweisende Forschung zu RNA-basierten Therapien ausgezeichnet. Khvorova will das Preisgeld nutzen, um neue RNA-Therapien gegen genetische und neurodegenerative Krankheiten wie Chorea Huntington zu entwickeln.
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Khvorovas Forschung hat es ermöglicht, dass RNA-Medikamente nicht mehr nur in der Leber verfügbar sind, sondern auch andere Organe wie das Gehirn, das Herz oder die Muskulatur erreichen können. Ziel ihrer Arbeit ist es, die zugrundeliegenden Veränderungen im Erbgut zu verhindern und damit die Produktion der krankmachenden Proteine zu hemmen. Das würde erstmals einen gezielten Therapieansatz gegen die Huntington-Krankheit ermöglichen.
Weitere vielversprechende Forschungsansätze
Neben den oben genannten Fortschritten gibt es eine Reihe weiterer vielversprechender Forschungsansätze zur Behandlung der Huntington-Krankheit:
- Genomeditierung: Die CRISPR-Cas9-Geneditierungstechnik wird eingesetzt, um die CAG-Wiederholungen im HTT-Gen zu entfernen oder zu korrigieren.
- Huntingtin-Senkung: Verschiedene Pharmaunternehmen entwickeln Wirkstoffe, die die Menge des Huntingtin-Proteins im Gehirn reduzieren können.
- DNA-Reparatur: Neue Studien identifizieren kleine Moleküle, die auf eine DNA-Reparaturmaschine abzielen, was einen potenziellen Weg eröffnet, den Ausbruch der Huntington-Krankheit zu verzögern.
Bedeutung von Studien und Teilnahme
Studien sind von entscheidender Bedeutung, um innovative Wirkstoffe am Menschen zu untersuchen und Erkenntnisse für Folgestudien zu gewinnen. Die Deutsche Huntington-Hilfe e.V. bietet einen Überblick über die in Deutschland aktuell laufenden Studien und informiert über den Ablauf von Studien und die mögliche Teilnahme.
Das Europäische Huntington-Netzwerk (EHDN)
Das Europäische Huntington-Netzwerk (EHDN) ist ein gemeinnütziges Forschungsnetzwerk, das die Forschung an der Huntington-Krankheit fördert und die Durchführung von klinischen Studien erleichtert. Das EHDN veranstaltet alle zwei Jahre eine wissenschaftliche Konferenz, um die neuesten Forschungserkenntnisse zu diskutieren, Experten an einen Tisch zu bringen und Betroffenen eine Plattform zu geben.
Die Zukunft der Huntington-Forschung
Die Huntington-Forschung hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, und es gibt eine Reihe vielversprechender neuer Therapieansätze in der Entwicklung. Die Identifizierung des CHCHD2-Gens als potenzielles therapeutisches Ziel, die Entwicklung von Gentherapien und die Erforschung von RNA-basierten Therapien sind nur einige Beispiele für die aufregenden Entwicklungen in diesem Bereich.
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Es bleibt zu hoffen, dass diese Forschungsanstrengungen in Zukunft zu wirksamen Behandlungen führen werden, die das Fortschreiten der Huntington-Krankheit verlangsamen oder sogar aufhalten können.
Die Rolle von Hirnorganoiden in der Huntington-Forschung
Hirnorganoide, dreidimensionale Zellverbände, die menschlichen Gehirnen in einem frühen Entwicklungsstadium ähneln, spielen eine zunehmend wichtige Rolle in der Huntington-Forschung. Sie ermöglichen es Forschern, die komplexen Mechanismen der Krankheit in einem humanrelevanten Modellsystem zu untersuchen.
Vorteile von Hirnorganoiden
- Humanrelevanz: Hirnorganoide werden aus menschlichen Stammzellen gezüchtet und ahmen die Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns besser nach als herkömmliche Tiermodelle.
- Komplexität: Hirnorganoide enthalten verschiedene Zelltypen und ermöglichen die Untersuchung der Interaktion zwischen diesen Zellen.
- Individualisierung: Hirnorganoide können aus Zellen von Patienten mit Huntington-Krankheit gezüchtet werden, um individuelle Krankheitsverläufe zu untersuchen und personalisierte Therapien zu entwickeln.
Anwendung von Hirnorganoiden in der Huntington-Forschung
- Untersuchung der Krankheitsmechanismen: Hirnorganoide werden eingesetzt, um die molekularen und zellulären Mechanismen zu untersuchen, die der Huntington-Krankheit zugrunde liegen, wie z. B. die Rolle des mutierten Huntingtin-Proteins und die Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung.
- Identifizierung von therapeutischen Zielen: Hirnorganoide werden verwendet, um neue therapeutische Ziele für die Behandlung der Huntington-Krankheit zu identifizieren, wie z. B. das CHCHD2-Gen.
- Testen von Wirkstoffen: Hirnorganoide werden eingesetzt, um die Wirksamkeit und Sicherheit von neuen Wirkstoffen zur Behandlung der Huntington-Krankheit zu testen.
Die Bedeutung der Grundlagenforschung
Die Fortschritte in der Huntington-Forschung sind eng mit der Grundlagenforschung verbunden. Die Entschlüsselung der molekularen und zellulären Mechanismen der Krankheit ist entscheidend für die Entwicklung neuer Therapien.
Bereiche der Grundlagenforschung
- Genetik: Identifizierung von Genen, die mit der Huntington-Krankheit in Verbindung stehen, und Untersuchung ihrer Funktion.
- Proteinforschung: Untersuchung der Struktur und Funktion des Huntingtin-Proteins und seiner mutierten Form.
- Zellbiologie: Untersuchung der Auswirkungen des mutierten Huntingtin-Proteins auf die Funktion von Nervenzellen.
- Neurobiologie: Untersuchung der Auswirkungen der Huntington-Krankheit auf die Gehirnstruktur und -funktion.
Herausforderungen und zukünftige Richtungen
Trotz der Fortschritte in der Huntington-Forschung gibt es noch viele Herausforderungen zu bewältigen.
Herausforderungen
- Komplexität der Krankheit: Die Huntington-Krankheit ist eine komplexe Erkrankung, die viele verschiedene Gehirnbereiche und Zelltypen betrifft.
- Mangel an Tiermodellen: Es gibt keine perfekten Tiermodelle für die Huntington-Krankheit, die alle Aspekte der menschlichen Erkrankung widerspiegeln.
- Entwicklung von Therapien: Die Entwicklung von Therapien, die das Fortschreiten der Huntington-Krankheit verlangsamen oder aufhalten können, ist eine große Herausforderung.
Zukünftige Richtungen
- Weitere Grundlagenforschung: Weitere Forschung ist erforderlich, um die komplexen Mechanismen der Huntington-Krankheit besser zu verstehen.
- Entwicklung von besseren Tiermodellen: Die Entwicklung von besseren Tiermodellen, die die menschliche Erkrankung besser widerspiegeln, ist wichtig für die Entwicklung neuer Therapien.
- Klinische Studien: Klinische Studien sind erforderlich, um die Wirksamkeit und Sicherheit von neuen Therapien zur Behandlung der Huntington-Krankheit zu testen.
- Personalisierte Medizin: Die Entwicklung von personalisierten Therapien, die auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten sind, ist ein vielversprechender Ansatz.
Unterstützung für Betroffene und Angehörige
Die Huntington-Krankheit ist eine belastende Erkrankung, die nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihre Familien und Angehörigen betrifft. Es gibt eine Reihe von Organisationen, die Unterstützung und Informationen für Betroffene und Angehörige anbieten.
Organisationen
- Deutsche Huntington-Hilfe e.V.: Bietet Informationen, Beratung und Unterstützung für Betroffene und Angehörige.
- Europäisches Huntington-Netzwerk (EHDN): Fördert die Forschung an der Huntington-Krankheit und erleichtert die Durchführung von klinischen Studien.
Angebote
- Beratung: Bietet individuelle Beratung für Betroffene und Angehörige.
- Selbsthilfegruppen: Bietet die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen auszutauschen.
- Informationen: Bietet Informationen über die Huntington-Krankheit, ihre Symptome, Diagnose und Behandlung.
- Veranstaltungen: Bietet Veranstaltungen für Betroffene und Angehörige, wie z. B. Seminare und Konferenzen.
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