Chorea Huntington, früher auch Veitstanz oder Tanzwut genannt, ist eine unheilbare, erblich bedingte Erkrankung des Gehirns. Die Huntington-Krankheit (HK) ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch eine Trias von motorischen Symptomen (vor allem Bewegungsstörungen), kognitiven Beeinträchtigungen und psychiatrischen Symptomen gekennzeichnet ist. In diesem Artikel werden die Merkmale, Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung von Chorea Huntington umfassend erläutert.
Definition und Synonyme
Chorea Huntington ist eine unheilbare, erblich bedingte Erkrankung des Gehirns. Ein typisches Symptom von Chorea Huntington sind unsteuerbare, unkontrollierte Bewegungen. Deshalb wurde die Huntington-Krankheit früher in der Umgangssprache auch als Tanzwut oder Veitstanz bezeichnet. Weitere Synonyme sind Huntingtonsche Chorea, Huntington-Krankheit, (großer) Veitstanz, Chorea major und Huntington’s disease (HD). Die Krankheit wurde nach dem Arzt George Huntington benannt, der diese 1872 als erster beschrieb. Daher wird die Krankheit auch Huntington’s Disease genannt. Die Bezeichnung Chorea Huntington geht vom griechischen Wort "chorea" = Tanz aus und bezieht sich auf die charakteristischen Bewegungsstörungen, die Teil der Krankheit sind. Daher hieß die Krankheit früher auch Veitstanz.
Häufigkeit
Die Häufigkeit von Chorea Huntington wird für Deutschland mit einer Neuerkrankungsrate von 10 Menschen je 100.000 Einwohnern angegeben. Damit ist sie insgesamt sehr selten und zählt zu den sogenannten seltenen Erkrankungen, den Orphan Diseases. Unter den neurologischen Erbkrankheiten hingegen ist Chorea Huntington eine der häufigsten. In Deutschland leben nach Angaben der Deutschen Huntington-Hilfe etwa 10.000 Menschen mit der Erkrankung. Die HK ist in allen ethnischen Gruppen endemisch, tritt aber bei Menschen europäischer Abstammung mit 17,2 Fällen pro 100.000 häufiger auf.
Ursachen und Vererbung
Ursache von Chorea Huntington ist eine Genmutation, die meistens von den Eltern an die Kinder vererbt wird. Möglicherweise entstehen die Mutationen vereinzelt auch spontan. Jedes Kind eines Elternteils, der das Huntington Gen in sich trägt, hat eine 50:50 Wahrscheinlichkeit, das mutierte Gen vererbt zu bekommen. Hat ein Kind das mutierte Gen ererbt, wird es die Krankheit irgendwann entwickeln. Dies geschieht normalerweise erst im Erwachsenenalter.
Infolge der Genmutation auf dem Chromosom 4, auch bezeichnet als Huntington-Gen, ist die Erbinformation für die Produktion des Funktionseiweißes Glutamin gestört. Dadurch reichert sich das Eiweiß (Protein) in einem Gehirnbereich an, der unter anderem für die Steuerung von Muskeln und für grundlegende Emotionen zuständig ist. Letztlich zerstört das Eiweiß Nervenzellen in den Basalganglien, dem sogenannten Putamen im Corpus Striatum.
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Der HK liegt eine Mutation des Huntingtin-Gens (HTT) zugrunde, die durch übermäßige Wiederholung („repeats“) dreier Basen (CAG) im Exon 1 auf Chromosom 4 (4p16.3) verursacht wird und u. a. zur Bildung des mutierten Huntingtin-Proteins (mHTT) führt, das für die Pathologie und Toxizität mitverantwortlich ist. Die Länge der CAG-Wiederholungen bestimmt, ob eine Person an HK erkrankt. Die Anzahl der CAGs in der Allgemeinbevölkerung liegt im Bereich von 6 bis 35 CAG-Wiederholungen, bei ≥ 40 CAG-Wiederholungen zeigt die Mutation volle Penetranz und löst einen Krankheitsprozess aus, der unvermeidlich zu den Symptomen der HK führt. Im Bereich zwischen 36 und 39 CAGs ist eine inkomplette Penetranz bekannt, d. h. die Betroffenen erkranken zu Lebzeiten nicht oder zeigen erst spät erste Symptome. CAG-Wiederholungen zwischen 27 und 35 CAGs (auch als intermediäre Allele bezeichnet) sind in der Regel nicht mit Krankheitssymptomen assoziiert, aber die Möglichkeit der Expansion der CAG-Repeats stellt ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für die Nachkommen dar. Das Vorhandensein dieser intermediären Allele ist einer der möglichen Gründe, warum Krankheitsfälle beobachtet werden, obwohl bisher niemand in der Familie erkrankt war. Es besteht eine inverse Beziehung zwischen der Zahl der CAG-Wiederholungen und dem Erkrankungsalter, d. h. eine höhere Wiederholungszahl bedingt ein früheres Auftreten von Symptomen und ein rascheres Fortschreiten der HK.
Bei den meisten Betroffenen tritt die Krankheit im mittleren Erwachsenenalter auf, allerdings erfolgt bei 10% der Krankheitsausbruch bereits vor dem 20. Lebensjahr (juvenile Huntington Krankheit), bei weiteren 10% nach dem 55. Lebensjahr. Männer und Frauen können das Gen gleichermaßen erben und damit die Krankheit entwickeln. In ca. 5 bis 10% der Huntington-Genträger sind Spontanmutationen für die Genveränderung verantwortlich.
Symptome
Die Symptome von Chorea Huntington zeigen sich häufig erst im Erwachsenenalter. Meist bricht die Erkrankung um das 40. Lebensjahr herum aus. In der Regel beginnt Chorea Huntington mit unruhigen und nicht steuerbaren Bewegungen der Arme oder Beine, die sich oft als Zittern äußern. Die Muskelspannung (Muskeltonus) ist zunächst deutlich verringert, später stark erhöht.
Nach einer mitunter jahrelangen Phase von unwillkürlichen heftigen Zuckungen und Krämpfen am ganzen Körper versteifen Menschen mit Chorea Huntington zusehends. Es kommt zu immer schwerer wiegenden Beeinträchtigungen durch fortschreitenden Verlust zentraler Hirnfunktionen. Depressionen, Demenz oder Wahnvorstellungen sind typische Symptome von fortgeschrittener Chorea Huntington. In den meisten Fällen sterben die Betroffenen an Lungenentzündungen (unter anderem in Folge von Schluckstörungen) oder an körperlicher Schwäche durch die fortgesetzte Belastung.
Erste Anzeichen der Huntington Krankheit können sein:
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- Überbewegungen (Hyperkinesen, Chorea) oder Bewegungsverarmung (Hypokinese) der Arme, der Beine, im Gesicht
- Gleichgewichtsstörungen
- Beeinträchtigung der Feinmotorik oder ein Zittern
- Verhaltensauffälligkeiten wie ein aggressives oder enthemmtes Verhalten
- Zurückgezogenheit, Antriebsarmut, Lustlosigkeit, emotionale Labilität, Depression
- Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen, Leistungseinschränkungen oder verminderte Belastbarkeit sowie Schlafstörungen
- Auch können psychiatrische Störungen wie Halluzinationen, Zwangsstörungen und Persönlichkeitsveränderungen auftreten.
Im Verlauf der Huntington Krankheit können die unwillkürlichen Bewegungen zu Gehunfähigkeit führen. Es kann zu Störungen der Aussprache (Dysarthrie) und Schluckbeschwerden kommen, so daß die Ernährung über einen Sonde nötig sein könnte. Manchmal entwickelt sich eine Demenz.
Die Anlageträger der Mutation im HTT-Gen, umgangssprachlich auch „Genträger“ genannt, unterscheiden sich klinisch und funktionell in den ersten Lebensjahren typischerweise nicht von Personen ohne Mutation im HTT-Gen. Erst im Laufe des Lebens entwickeln Mutationsträger kognitive Beeinträchtigungen, psychiatrische Symptome, Verhaltensauffälligkeiten und motorische Symptome (z. B. die unwillkürlichen Bewegungsstörungen (z. B. Die kognitive Beeinträchtigung beginnt sehr früh und schreitet wie die motorischen Symptome allmählich voran. Die Merkmale der kognitiven Beeinträchtigung ähneln denen anderer striatal-subkortikaler Hirnerkrankungen (z. B. Parkinson-Krankheit). HK-Patienten können Probleme mit der Aufmerksamkeit, der kognitiven Flexibilität, der Planung, dem Erkennen von Emotionen und eine psychomotorische Verlangsamung haben. Neben den kognitiven Beeinträchtigungen können psychiatrische Symptome auftreten, die sich als Ängste, Depressionen, Impulskontrollstörungen, Antriebsstörungen, Apathie, Zwänge, Unruhe und Aggressivität sowie psychotische Symptome manifestieren können.
Die Komplexität und Vielfalt der klinischen Symptome der HK erschließt sich nur, wenn die Gesamtheit der beteiligten Hirnareale berücksichtigt wird. Veränderungen des Gehirns sind bereits 10 bis 15 Jahre vor dem Auftreten der ersten motorischen Symptome nachweisbar und schreiten allmählich voran. Die neuronale Degeneration betrifft früh das Striatum in den Basalganglien, insbesondere die mittelgroßen dornentragenden Projektionsneurone („medium spiny neurons“, MSN), breitet sich aber auf andere Strukturen des Gehirns aus. Die Basalganglien sind an einer Vielzahl von Funktionen beteiligt, darunter willkürliche und unwillkürliche Bewegungen, prozedurales Lernen, Gewohnheitsbildung, Kognition und Emotion. Die Neurodegeneration vor allem der Pyramidenzellen des primären motorischen Kortex trägt zu den motorischen Symptomen der HK bei. Die Schädigung der Pyramidenzellen im zingulären Kortex, wo Emotionen verarbeitet werden, ist dagegen hauptsächlich mit affektiven Symptomen assoziiert. Im Hypothalamus wurden Veränderungen in verschiedenen Kernen dieser Region festgestellt, z. B. im Nucleus suprachiasmaticus, einer Schlüsselregion für die Regulation von Schlaf und zirkadianem Rhythmus. Ebenso wurde berichtet, dass die Degeneration der wichtigsten efferenten Neuronen des Kleinhirns, der Purkinje-Zellen, auch ein Merkmal der HK mit vorherrschenden motorischen Symptomen sein kann. Die psychischen Symptome der HK werden mit den Stammganglien und anderen Hirnarealen in Verbindung gebracht.
Die klinische Diagnose einer manifesten HK basiert aktuell auf dem Vorhandensein motorischer Symptome wie Chorea und Bradykinesie. Psychische Symptome und Verhaltensauffälligkeiten können jedoch schon viele Jahre zuvor auftreten. Die Prävalenz psychiatrischer Symptome liegt zwischen 33 und 76 %. Viele Symptome überschneiden sich und führen zu komplexen psychiatrischen Phänomenen, wie z. B. Apathie bei gleichzeitiger Impulskontrollstörung. Die psychiatrischen Symptome beeinträchtigen die Autonomie und Lebensqualität der Patienten erheblich, haben massive Auswirkungen auf das soziale Leben und können stationäre Behandlungen und/oder Unterbringung in Pflegeeinrichtungen notwendig machen. Es ist zu beachten, dass sich die HK im höheren Lebensalter (unabhängig von der Zahl der CAG-Wiederholungen) häufiger motorisch, seltener psychiatrisch manifestiert. Obwohl mehr als 40 % der Patienten mindestens ein psychiatrisches oder kognitives Symptom vor den motorischen Symptomen aufwiesen, wobei Depressionen am häufigsten waren, ist bei der klinischen Diagnose von jungen Menschen, die durch genetische Tests als HK-Mutationsträger identifiziert wurden, Vorsicht geboten.
Depressive Symptome zählen mit einer Prävalenz von 30-70 % zu den häufigsten Symptomen bei der HK. Sie treten in allen Stadien der HK auf und sind eng mit Suizidalität und anderen psychiatrischen Komorbiditäten verbunden. Insgesamt haben 20-30 % der Patienten mit HK Suizidgedanken und 7-10 % unternehmen einen Suizidversuch, im Vergleich zu 1-3 % in der Allgemeinbevölkerung. Suizidgedanken bleiben oft während des gesamten Krankheitsverlaufs bestehen; Depressionen, Angstzustände oder Impulskontrollstörungen erhöhen das Risiko für suizidales Verhalten, weshalb das Vorhandensein psychischer Symptome sorgfältig überwacht werden sollte und depressiven Symptomen besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist.
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Angststörungen treten bei bis zu 50 % der Betroffenen in allen Stadien der Krankheit auf und beginnen oft schon vor dem Auftreten motorischer Symptome. Neben Angstsymptomen, die durch die psychische Belastung durch das eigene Schicksal, aber auch durch die Erlebnisse in der Familie bedingt sind und in Form konkreter Ängste in Erscheinung treten, gibt es auch unspezifische und diffuse Ängste, insbesondere durch die Veränderungen z. B. der Amygdala, des Striatums und des präfrontalen Kortex. Bei der HK können sich Ängste als Panikattacken, generalisierte Angststörung, isolierte Phobien und soziale Phobien manifestieren. Zudem kann die Selbstwahrnehmung von Symptomen Ängste auslösen.
Antriebstörung sowie Apathie äußern sich in einem Mangel an Interesse und/oder Motivation für Aktivitäten, die früher Spaß gemacht haben, sowie für das tägliche Leben und soziale Interaktionen. Es handelt sich um ein sehr häufiges neuropsychiatrisches Symptom der HK, mit zunehmender Prävalenz im Krankheitsverlauf. Als Ursache der Apathie werden kognitive, emotionale und autoaktivierende Defizite diskutiert, die mit verschiedenen Veränderungen frontokortikaler Trakte der weißen Substanz einhergehen. Die Apathie kann sich bereits im Prodromalstadium der HK, korrelierend mit einer Volumenminderung im Putamen und Kaudatum, manifestieren. Bei der HK muss die Apathie von den Symptomen einer Depression unterschieden werden, was klinisch in der Regel gut möglich ist, und eine gezielte Behandlung der Symptome ermöglicht. Die Apathie korreliert direkt mit der Krankheitsprogression bei HK und ist ein Zeichen für die kortikostriatale Beeinträchtigung.
Mit dem Fortschreiten der HK können zwangsähnliche Verhaltensmuster auftreten, die Ausdruck einer zunehmenden orbitofrontalen und striatalen Dysfunktion sind. Eine Differenzierung zwischen Zwangsstörungen (mit Zwängen) und Perseveration (das „Haftenbleiben“ an Gedanken, aber auch „repetitives“ Verhalten), die auf Veränderungen der exekutiven Funktionen zurückzuführen sind, ist klinisch wichtig. Perseveration lässt sich wahrscheinlich am besten von Zwangsstörungen unterscheiden, da sie auftritt, ohne dass sich der Betroffene der Problematik bewusst ist und sie meist nicht als störend empfindet. Perseverationen stellen eine Herausforderung für die Familie und das Pflegepersonal dar, da der Betroffene das gleiche Verhalten (z. B. Wiederholung von Fragen, auf die Toilette gehen, rauchen, etwas trinken wollen) viele Male hintereinander, manchmal über Stunden, wiederholt.
Es wird angenommen, dass Reizbarkeit, Impulsivität und Aggressivität bei der HK aus der komplexen Beziehung zwischen den neurobiologischen Veränderungen, die im Krankheitsverlauf auftreten, und den psychischen Reaktionen auf die subjektiv von den Betroffenen wahrgenommenen Veränderungen resultieren. Impulsivität als Handeln ohne Voraussicht oder Rücksicht auf mögliche Konsequenzen und Reizbarkeit als Zustand der Ungeduld und Intoleranz treten bei der HK häufig gemeinsam auf. Angehörige, Betreuer und Pflegepersonal sind in der Regel am meisten von diesen Verhaltensmustern betroffen, da sie in engem Kontakt mit den Betroffenen stehen und sie im Alltag betreuen. Aggressive Episoden können durch die geringste Provokation ausgelöst werden und zu wütendem oder im Extremfall gewalttätigem Verhalten führen, das stundenlang anhalten kann. Manche Erkrankte zeigen nach diesen Ausbrüchen Einsicht, sind über das Ausmaß überrascht und fühlen sich schuldig.
Psychotische Symptome (Wahnvorstellungen, Halluzinationen) werden in der Literatur zur HK meist mit einer Prävalenz von ca. 10 % angegeben, wobei Wahnvorstellungen häufiger als Halluzinationen zu beobachten sind. Bei den Halluzinationen überwiegen akustische Halluzinationen. Psychotische Symptome treten häufiger bei manifest erkrankten Personen auf. Die Wahnvorstellungen können Verfolgungswahn, Eifersuchtswahn, überwertige, aber auch nihilistische Gedanken beinhalten. Psychotische Symptome betreffen aber auch alle anderen möglichen Inhalte wie Zönästhesien wie z. B. „Kribbeln und Jucken“ als Ausdruck von „Parasitenbefall“, bis hin zu „Folie à deux“, bei der Wahnvorstellungen einer anderen Person übernommen werden. Mit Zunahme der kognitiven Einschränkungen lässt die Intensität der psychotischen Symptomatik häufig nach. Psychotische Symptome sind manchmal schwer zu behandeln und sind dann ein häufiger Grund für stationäre Behandlungen und ggf.
Diagnose
Ein Krankheitsbild mit choreatischen Bewegungsstörungen, kognitivem Abbau und psychiatrischen Störungen sowie (falls erfragbar) einer positiven Familienanamnese impliziert klinisch die Verdachtsdiagnose einer HK. Sie ist die häufigste Ursache „choreatischer Bewegungsstörungen“ und wird bei ca. 90 % der Betroffenen durch einen Gentest bestätigt. Differenzialdiagnostisch sind andere seltene neurologische Erkrankungen in Erwägung zu ziehen, die der HK ähneln und auch als „HK-Phänokopien“ bezeichnet werden. Eine genaue Anamnese mit vollständiger Familienanamnese ist unerlässlich, um den Krankheitsverlauf zu beschreiben und den autosomal-dominanten Erbgang zu erkennen. Die klinische Beurteilung sollte die Erhebung des psychopathologischen Befundes, die neurologische und internistische Untersuchung sowie die Erfassung von Komorbiditäten umfassen. Standardisierte klinische Bewertungsskalen (wie die Unified Huntington’s Disease Rating Scale [UHDRS]) sollten angewendet werden, da sie alle von der HK betroffenen Bereiche (motorisch, psychiatrisch und kognitiv) erfassen und zur Beurteilung des Funktionsniveaus und der Aktivitäten des t…
Die Diagnosestellung der Morbus Huntington erfolgt mit Hilfe eine Gentests, der aus 5ml Blut des Patienten durchgeführt wird. Manchmal liegen zwar eindeutige Symptome der Erkrankung vor, der Gentest zeigt jedoch nicht die erwartete Mutation. Die Liste weiterer Krankheiten mit choreatiformen Störungen beinhaltet andere genetische Krankheiten wie z.B. die Kupferspeicherkrankheit Morbus Wilson, die spinocerebelläre Ataxie Typ 1, 2, 3, 17, Friedrich Ataxie, Huntingon’s disease like-Erkrankungen, Neuroakanthozytose. Weitere Erkrankungen mit Chorea können entstehen u.a. infolge von Schlaganfällen, Schilddrüsenstörungen oder durch Einnahme von Medikamenten, die den Dopaminstoffwechsel beeinflussen.
Ob eine Person ein verändertes Huntington-Gen besitzt, wird mit einer sogenannten molekulargenetischen Diagnostik untersucht. Dafür ist eine Blutentnahme nötig. Von der molekulargenetischen Diagnostik ist die klinische Diagnose zu unterscheiden. Hierfür ist eine neurologische Untersuchung von einem erfahrenen Arzt oder Ärztin nötig, um festzustellen, ob die Person Symptome der Huntington-Krankheit zeigt. Hierzu gehören eine körperliche Untersuchung und eine ausführliche Erhebung der Vorerkrankungen und Familiengeschichte.
Therapie
Eine ursächliche Behandlung von Chorea Huntington ist nicht möglich. Die Symptome lassen sich durch Medikamente mitunter lindern. Der Erfolg ist aber individuell sehr unterschiedlich. Der Wirkstoff Riluzol beispielsweise soll den Krankheitsverlauf verlangsamen, indem er die Glutamat-Ausschüttung hemmt.
Gegen die Muskelzuckungen und Krämpfe werden etwa sogenannte Dopamin-Antagonisten wie Tiaprid oder Sulpirid angewendet. Auch das Benzochinolizin-Derivat Tetrabenazin ist seit 2007 für die Behandlung von späten Bewegungsstörungen (Spätdyskinesien) bei Chorea Huntington zugelassen.
Gegen die psychotischen Symptome werden vor allem atypische Neuroleptika wie die Wirkstoffe Risperidon, Clozapin und Quetiapin eingesetzt. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Fluoxetin, Paroxetin oder Duloxetin sowie Benzodiazepine sind weitere Optionen in der medikamentösen Therapie der Symptome von Chorea Huntington.
Ansätze für eine nervenschützende (neuroprotektive) medikamentöse Behandlung sorgen wiederholt für Hoffnung bei Erkrankten und Angehörigen. Bislang aber konnten verlässliche Effekte für Substanzen wie Gabapentin nicht zuverlässig nachgewiesen werden.
Patienten werden symptomatisch behandelt, d.h. man versucht die einzelnen Symptome zu lindern:
- Überbewegungen werden mit Dopaminrezeptorantagonisten (Tiaprid), Dopamin-entspeicherern (Tetrabenazin) oder atypischen Antipsychotika behandelt.
- Minderbewegungen können mit Parkinson-Medikamenten behandelt werden.
- Die Depression kann mit beispielsweise Serotoninwiederaufnahmehemmern oder Dopamin-Rezeptorantagonisten behandelt werden.
- Vermehrte Reizbarkeit, Aggressivität oder Psychosen können mit atypischen Neuroleptika häufig gut kontrolliert werden.
- Gegen einen drohenden Gewichtsverlust wird eine hochkalorische Ernährung mit bis zu 6 bis 8 Mahlzeiten pro Tag empfohlen.
- Wichtig sind regelmäßige Anwendungen mittels Physiotherapie, Logopädie oder Ergotherapie.
Da derzeit keine neuroprotektiven Wirkstoffe zur Behandlung der Huntington-Erkrankung zur Verfügung stehen, kommt es im Verlauf der Erkrankung unweigerlich zu einem zunehmenden Verlust der Nervenzellen im Striatum, aber auch im Cortex und im Hirnstamm. Man versucht, diesen Zellverlust über Transplantation von Stammzellen in das Gehirn hinein auszugleichen. Ein weiterer Ansatz ist die Tiefe Hirnstimulation mit experimenteller Implantation eines Hirnschrittmachers.
Die medikamentöse Therapie erfolgt in Abhängigkeit der jeweils vorliegenden Symptome. So können gegen Bewegungsstörungen (insbesondere die Überbewegungen) Neuroleptika (Antipsychotika) verschrieben werden. Diese Therapien zur Linderung von Huntington-Symptomen umfassen körperliches Training und Krankengymnastik (Physiotherapie). Es ist wichtig, dass diese regelmäßig durchgeführt werden. Man kann damit gar nicht früh genug beginnen.
Psychologische und psychosoziale Maßnahmen sind notwendig. Weiter gibt es Selbsthilfegruppen wie z.B. die Deutsche Huntington Hilfe. Patienten und Angehörige können sich in das Europäische Huntington-Netzwerk einschließen lassen. Dies kann über unsere Ambulanz für Bewegungsstörungen gemacht werden.
Prognose
Chorea Huntington ist nicht heilbar. Die Entdeckung des die Huntington-Krankheit (HK) verursachenden Gens im Jahr 1993 und die damit verbundene Möglichkeit, gezielt nach innovativen Therapien zu suchen, haben in den letzten Jahren zu einer Reihe klinischer Studien geführt, die jedoch bisher keinen krankheitsmodifizierenden Therapieansatz hervorgebracht haben. Neben den motorischen und kognitiven Symptomen der HK führen vor allem psychische Symptome und Verhaltensänderungen zu Leistungseinbußen im Alltag und schränken die Lebensqualität der Betroffenen erheblich ein.
Mit fortschreitendem Verlust von Nervenzellen im Gehirn gehen auch geistige Fähigkeiten verloren, wobei sich dies individuell verschieden äußern kann, etwa durch Interessensverlust, Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit. Die Urteilsfähigkeit schwindet, das Lernen und Planen fällt zunehmend schwer.
Die Huntington-Krankheit ist eine fortschreitende Erkrankung. Als prämanifestes Stadium bezeichnet man die Phase, bevor Symptome auftreten. Wenn erste leichte Symptome auftreten, spricht man von der prodromalen Phase, ein „Vorläuferstadium“. Die meisten Patienten mit der Huntington-Krankheit erkranken zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Wie schnell der Krankheitsverlauf voranschreitet, ist von Person zu Person sehr unterschiedlich.
Neuronale Korrelate und klinische Prädiktoren für Dysphagie
Nahezu 100% der Patienten mit der Huntington-Erkrankung (HD) entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eine Schluckstörung (Dysphagie). Unter anderem durch die unwillkürlichen choreatischen Bewegungen kommt es zu Funktionsstörungen der am Schlucken beteiligten oropharyngealen Strukturen, was zu einem erhöhten Aspirationsrisiko führt. Sekundärkomplikationen wie z.B. Malnutrition, Dehydratation oder Aspirationspneumonien können die Folge sein. Trotz der hohen Prävalenz gibt es bisher nur wenige Studien, die sich mit Schluckstörungen bei dieser neurodegenerativen Erkrankung befassen. Entsprechend fehlt es an evidenzbasierten Empfehlungen zu diagnostischen und therapeutischen Ansätzen. Um bessere Entscheidungshilfen im klinischen Alltag zu schaffen, ist es zunächst wichtig, Risikofaktoren und Merkmale der Dysphagie bei Patienten in unterschiedlichen Krankheitsstadien systematisch und anhand aussagekräftiger Untersuchungsverfahren zu evaluieren.
Ziel dieser prospektiven Beobachtungsstudie ist es, klinische Prädiktoren für dysphagiologische Symptome erstmals anhand einer größeren Patientengruppe zu identifizieren und die zugrunde liegende Pathophysiologie zu ermitteln. Dies erfolgt anhand der beiden als Goldstandard der instrumentellen Dysphagiediagnostik geltenden Verfahren Videofluoroskopie (VFS) und der fiberendoskopischen Schluckuntersuchung (FEES). Neben dem Vergleich mit motorischen und kognitiven Funktionen werden zudem neuronale Imaging-Marker mittels struktureller und funktioneller Magnetresonanztomographie erhoben.
Forschung und Ausblick
Die Medizin kennt noch immer kein Heilmittel für diese rein erbliche Form einer neurodegenerativen Erkrankung. Daher ist es wichtig, dass wir verstehen, was bei Trägern des Huntington-Gens im Laufe des gesamten Lebens im Gehirn passiert, besonders auch, um möglichst früh wirksame Behandlungen einsetzen zu können.
DZNE-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigen sich intensiv damit, die Mechanismen zu verstehen, die dazu führen, dass eine verlängerte CAG-Region zu fehlerhaftem Huntingtin führen.
Mithilfe verschiedener, hochauflösender Magnetresonanztomographie (MRT) Verfahren untersuchen wir erkrankungs-relevante und besonders frühzeitig auftretende Veränderungen in der Hirnstruktur und Hirnfunktion bei Betroffenen im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen. Hierzu gehören unter anderem die Erfassung regionaler Volumenminderungen im Gehirn sowie die Untersuchung von Veränderungen in Hirnnetzwerken (sog. Konnektivitätsanalysen). Klinische Eigenschaften verschiedener Krankheitsverläufe werden dabei mit spezifischen Änderungsmustern im Gehirn verglichen. Diese Erkenntnisse können zukünftig helfen eine Präzisierung von individuellen Erkrankungsrisiken und Krankheitsverläufen zu erreichen und neue krankheitsspezifische „Biomarker“ für eine frühzeitige Diagnose und Vorhersage des weiteren Krankheitsverlaufs zu gewinnen. Darüberhinaus werden innovative Bildgebungstechniken (Natrium MRT, Phosphor Magnetresonanzspektroskopie) eingesetzt, um Stoffwechselveränderungen in besonders frühen Stadien der Erkrankung zu untersuchen. Ein besseres Verständnis solcher metabolischen Fehlfunktionen insbesondere in vorklinischen Stadien der Erkrankung soll helfen den pathobiologischen Verlauf der Huntington Erkrankung besser zu beurteilen, und langfristig ein Fenster zur frühzeitigen Therapie öffnen, bevor irreversible Hirnschäden stattfinden.
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