Chorea Huntington (Veitstanz): Ursachen, Symptome und Therapie

Die Chorea Huntington, auch Huntington-Krankheit oder Morbus Huntington genannt, ist eine seltene, fortschreitende, erblich bedingte Erkrankung des Gehirns. Der Begriff "Chorea" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Tanz", was sich auf die unwillkürlichen, unkoordinierten Bewegungen bezieht, die charakteristisch für diese Krankheit sind. Im Mittelalter wurde die Krankheit aufgrund dieser Bewegungen auch als Veitstanz bezeichnet.

Definition und Häufigkeit

Chorea Huntington ist eine unheilbare, genetisch bedingte Erkrankung, die durch den fortschreitenden Verlust von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet ist. In Deutschland sind schätzungsweise 10.000 Menschen von dieser Krankheit betroffen, was einer Neuerkrankungsrate von etwa 10 Menschen pro 100.000 Einwohner entspricht. Obwohl Chorea Huntington insgesamt selten ist und zu den sogenannten Orphan Diseases zählt, gehört sie zu den häufigsten neurologischen Erbkrankheiten. Es wird geschätzt, dass etwa 30.000 Menschen in Deutschland das Huntington-Gen in sich tragen.

Ursachen und Vererbung

Ursache der Chorea Huntington ist eine Mutation im Huntington-Gen auf Chromosom 4. Dieses Gen enthält die Information für das Protein Huntingtin. Bei gesunden Menschen wiederholt sich die Basenabfolge CAG (Cytosin, Adenin, Guanin) in diesem Gen etwa 10 bis 30 Mal. Bei Menschen mit Chorea Huntington ist diese CAG-Wiederholung jedoch deutlich verlängert (ab etwa 36 Wiederholungen). Diese verlängerte CAG-Sequenz führt zu einer fehlerhaften Produktion des Huntingtin-Proteins, das sich in bestimmten Hirnbereichen anreichert und dort Nervenzellen schädigt und letztendlich zerstört. Betroffen sind vor allem die Basalganglien, insbesondere das Putamen im Corpus Striatum, die eine wichtige Rolle bei der Steuerung von Bewegungen und Emotionen spielen.

Die Huntington-Krankheit wird autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, dass bereits eine Kopie des mutierten Gens ausreicht, um die Krankheit auszulösen. Kinder von Betroffenen haben somit ein 50-prozentiges Risiko, das mutierte Gen zu erben und ebenfalls an Chorea Huntington zu erkranken. In etwa 1 bis 3 % der Fälle tritt die Mutation spontan auf, ohne dass eine familiäre Vorbelastung bekannt ist. Die Anzahl der CAG-Wiederholungen kann von Generation zu Generation zunehmen, was dazu führt, dass die Krankheit in jüngeren Generationen früher ausbricht und schneller verläuft. Je mehr CAGs, umso früher bricht die Krankheit aus und umso rascher schreitet sie voran.

Symptome

Die Symptome der Chorea Huntington manifestieren sich meist im Erwachsenenalter, typischerweise zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr. Es gibt jedoch auch Fälle, bei denen die Krankheit bereits in der Kindheit (juvenile Form) oder erst im höheren Alter auftritt. Die ersten Anzeichen sind oft unspezifisch und können sich in Form von Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Problemen äußern.

Lesen Sie auch: Prominente mit Huntington-Krankheit

Psychische und kognitive Symptome

  • Wesensveränderungen: Reizbarkeit, Aggressivität, Depressionen, Angstzustände, Teilnahmslosigkeit, Enthemmung, Misstrauen, Kontrollzwang, Wutausbrüche
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme, verminderte Urteilsfähigkeit, Schwierigkeiten bei der Planung und Entscheidungsfindung, Demenz
  • Psychotische Symptome: Wahnvorstellungen, Halluzinationen (selten)
  • Erhöhtes Suizidrisiko

Motorische Symptome

  • Chorea: Unwillkürliche, ruckartige, unkoordinierte Bewegungen von Gesicht, Kopf, Armen, Beinen und Rumpf. Diese Bewegungen können anfangs subtil sein und als Unruhe erscheinen, verstärken sich aber im Laufe der Zeit.
  • Gangstörungen: Tänzelnder, unsicherer Gang aufgrund der unwillkürlichen Bewegungen und Koordinationsprobleme.
  • Dysarthrie: Sprachstörungen, undeutliche Aussprache.
  • Dysphagie: Schluckstörungen, die zu Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und einem erhöhten Risiko für Lungenentzündungen führen können.
  • Muskelsteifheit und Bewegungshemmung: Insbesondere bei der juvenilen Form der Chorea Huntington.
  • Verlust der Feinmotorik: Schwierigkeiten beim Greifen von Gegenständen, Klavierspielerartige Bewegungen der Hände.
  • Hastiges Essen: Herunterschlingen von Speisen ohne ausreichendes Kauen.

Weitere Symptome

  • Gewichtsverlust: Oftmals gravierend, Ursachen nicht vollständig geklärt.
  • Schlafstörungen
  • Kontrollverlust über Urin- und Stuhlabgang

Diagnose

Die Diagnose der Chorea Huntington basiert auf einer Kombination aus klinischer Untersuchung, Familienanamnese und genetischer Testung.

  • Anamnese: Ausführliche Befragung des Patienten und seiner Familie nach Symptomen und familiärer Vorbelastung.
  • Neurologische Untersuchung: Beurteilung der motorischen und kognitiven Funktionen, Feststellung von unwillkürlichen Bewegungen und anderen neurologischen Auffälligkeiten.
  • Psychiatrische Untersuchung: Beurteilung des psychischen Zustands, Feststellung von Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Störungen.
  • Bildgebende Verfahren: Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns, um den Abbau von Hirnbereichen darzustellen.
  • Molekulargenetische Untersuchung: Bluttest zum Nachweis der verlängerten CAG-Wiederholung im Huntington-Gen. Dieser Test kann die Diagnose bestätigen oder ausschließen.

Prädiktive Diagnostik

Auch für gesunde Menschen mit einem erhöhten Risiko für Chorea Huntington (z.B. aufgrund eines erkrankten Elternteils) besteht die Möglichkeit einer prädiktiven genetischen Untersuchung. Diese Untersuchung kann feststellen, ob die Person das mutierte Gen trägt und somit im Laufe ihres Lebens an Chorea Huntington erkranken wird. Aufgrund der psychischen Belastung, die mit einem solchen Ergebnis verbunden sein kann, ist eine ausführliche Beratung und Bedenkzeit vor der Durchführung des Tests erforderlich. In Deutschland ist eine prädiktive Diagnostik bei Minderjährigen nicht zulässig.

Therapie

Chorea Huntington ist derzeit nicht heilbar. Die Behandlung konzentriert sich daher auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen.

Medikamentöse Therapie

  • Bewegungsstörungen:
    • Dopamin-Antagonisten (z.B. Tiaprid, Sulpirid): Reduzieren die unwillkürlichen Bewegungen (Chorea).
    • Tetrabenazin: Seit 2007 zugelassen zur Behandlung von Spätdyskinesien bei Chorea Huntington.
    • Atypische Neuroleptika (Antipsychotika): Können ebenfalls zur Reduktion der Chorea eingesetzt werden.
  • Psychische Symptome:
    • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) (z.B. Fluoxetin, Paroxetin, Duloxetin): Zur Behandlung von Depressionen.
    • Atypische Neuroleptika (z.B. Risperidon, Clozapin, Quetiapin): Zur Behandlung von psychotischen Symptomen, Reizbarkeit und Aggressivität.
    • Benzodiazepine: Können bei Angstzuständen und Schlafstörungen eingesetzt werden.
  • Kognitive Symptome:
    • Memantin: In einigen Studien wurde eine Verlangsamung des geistigen Abbaus beobachtet.

Nicht-medikamentöse Therapie

  • Physiotherapie: Regelmäßiges körperliches Training zur Verbesserung der Koordination, des Gleichgewichts und der Muskelkraft.
  • Ergotherapie: Training von Alltagsaktivitäten, um die Selbstständigkeit der Betroffenen möglichst lange zu erhalten.
  • Logopädie: Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen.
  • Psychotherapie: Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung und Bewältigung psychischer Probleme.
  • Ernährungstherapie: Hochkalorische Ernährung zur Vorbeugung von Gewichtsverlust und Mangelernährung. Andicken der Nahrung bei Schluckstörungen. In manchen Fällen ist eine Ernährungssonde (PEG-Sonde) erforderlich.
  • Selbsthilfegruppen: Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen, Unterstützung und Informationen.

Forschung

Es gibt intensive Bemühungen, neue Therapieansätze zur Behandlung der Chorea Huntington zu entwickeln, die den Krankheitsverlauf verlangsamen oder aufhalten können. Zu den vielversprechenden Forschungsbereichen gehören:

  • Gen-Therapie: Ansätze zur Korrektur des defekten Huntington-Gens.
  • Stammzelltherapie: Transplantation von Stammzellen ins Gehirn, um die geschädigten Nervenzellen zu ersetzen.
  • Tiefe Hirnstimulation: Experimentelle Implantation eines Hirnschrittmachers zur Beeinflussung der Hirnaktivität.
  • Neuroprotektive Medikamente: Substanzen, die die Nervenzellen vor Schäden schützen sollen. (Bislang aber konnten verlässliche Effekte nicht zuverlässig nachgewiesen werden).

Verlauf und Prognose

Chorea Huntington ist eine fortschreitende Erkrankung, die in der Regel über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren nach Auftreten der ersten Symptome zum Tod führt. Der Verlauf der juvenilen Form ist oft schneller, mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 10 bis 15 Jahren nach Symptombeginn. Die Prognose hängt vom Fortschreiten der Krankheit und dem Management der Symptome ab. Häufige Todesursachen sind Lungenentzündungen (infolge von Schluckstörungen) oder körperliche Schwäche durch die fortgesetzte Belastung.

Lesen Sie auch: Symptome und Diagnose von Chorea Huntington

Leben mit Chorea Huntington

Das Leben mit Chorea Huntington stellt sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Angehörigen eine große Herausforderung dar. Neben den körperlichen und psychischen Symptomen können auch soziale und finanzielle Probleme auftreten. Es ist wichtig, dass Betroffene und ihre Familien frühzeitig Unterstützung suchen und sich über die verschiedenen Hilfsangebote informieren.

Hilfsangebote

  • Huntington-Zentren und Kliniken: Spezialisierte Einrichtungen, die eine umfassende Betreuung und Behandlung anbieten.
  • Deutsche Huntington-Hilfe e.V.: Selbsthilfegruppe, die Informationen, Beratung und Unterstützung für Betroffene und Angehörige bietet.
  • European Huntington’s Disease Network (EHDN): Europäisches Netzwerk zur Förderung der Forschung und Verbesserung der Versorgung von Huntington-Patienten.
  • Ambulante Sprechstunden: Für Patienten mit Chorea Huntington.
  • Sozialdienste: Beratung und Unterstützung bei finanziellen und sozialen Fragen.
  • Pflegedienste: Unterstützung bei der häuslichen Pflege.

Lesen Sie auch: Fortschritte und Herausforderungen der Gendiagnostik bei Chorea Huntington

tags: #Chorea #Huntington #Veitstanz #Ursachen #Symptome #Therapie