Das Nervensystem ist ein komplexes Netzwerk, das für die Steuerung und Koordination verschiedener Körperfunktionen verantwortlich ist. Entzündliche Prozesse in diesem System können zu einer Vielzahl von neurologischen Erkrankungen führen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen chronischer Entzündungen des Nervensystems und die verschiedenen Therapieansätze.
Einführung in die chronische Entzündung des Nervensystems
Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems nehmen in der Neurologie eine immer wichtigere Rolle ein. Diese Entzündungen können durch Krankheitserreger wie Bakterien, Pilze, Protozoen und Viren verursacht werden, aber auch durch Autoimmunprozesse, bei denen der Körper fälschlicherweise eigene Strukturen angreift.
Ursachen chronischer Entzündungen des Nervensystems
Chronische Entzündungen des Nervensystems können vielfältige Ursachen haben:
- Infektionen: Bestimmte Viren und Bakterien können Entzündungen im Nervensystem auslösen. Häufige Beispiele sind die Neuborreliose und die Gürtelrose, die durch erregerbedingte Infektionen des Gehirns verursacht werden.
- Autoimmunerkrankungen: Bei Autoimmunerkrankungen erkennt der Körper bestimmte Strukturen nicht als körpereigen an und produziert Antikörper gegen sie. Diese Antikörper können Entzündungen im Nervensystem verursachen. Ein bekanntes Beispiel ist die Multiple Sklerose (MS).
- Immunsuppressive Therapien: Bei Patienten, die immunsuppressive oder immunmodulatorische Therapien erhalten, können Infektionen des zentralen Nervensystems (ZNS) auftreten, wie z. B. die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) bei MS-Patienten.
- Alkohol: Alkohol und seine Abbauprodukte sind schädlich für Nervenzellen und können die Neurotransmitter stören, was zu einer falschen oder verfälschten Informationsübertragung führt. Chronischer Alkoholkonsum kann auch die Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts schädigen, was die Aufnahme von Vitaminen beeinträchtigen kann.
Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP)
Die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) ist eine autoimmunologisch bedingte Erkrankung des peripheren Nervensystems. Sie ist selten und betrifft etwa 4 bis 8 von 100.000 Menschen. Die Krankheit kann in jedem Alter auftreten, tritt jedoch häufiger im 6. und 7. Lebensjahrzehnt auf und betrifft häufiger Männer.
Das periphere Nervensystem umfasst Nerven, die motorische, sensible und autonome Funktionen übernehmen. Bei der klassischen Ausprägung der CIDP, die etwa 50 % der Patienten betrifft, klagen die Patienten typischerweise über eine sich im Laufe von Wochen bis Monaten entwickelnde Schwäche der Beine und Arme. Diese Schwäche tritt sowohl körperstammnah (proximal) als auch körperfern (distal) auf. Das Anheben der Füße und das Treppensteigen können erschwert sein. Es können Schwierigkeiten bei der Feinmotorik der Hände, aber auch bei Überkopfarbeiten auftreten. Darüber hinaus treten sensible Störungen in Form von Taubheitsgefühlen, Kribbelgefühlen oder Gangunsicherheit auf. Selten treten auch Brennschmerzen auf. Bei der klassischen CIDP stehen die motorischen Ausfälle im Vordergrund.
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Neben der klassischen Ausprägung kann sich eine CIDP auch in "atypischen" Varianten ausprägen. Im Gegensatz zu der altersbedingten idiopathischen Polyneuropathie, die sehr langsam über Jahre fortschreitet, entwickelt sich die Symptomatik bei allen Erscheinungsformen (klassisch und atypische Varianten) jedoch in der Regel rascher, d.h. innerhalb von Wochen und Monaten. Der Verlauf kann sowohl kontinuierlich fortschreitend, aber auch schubförmig sein.
Die CIDP gilt als Autoimmunerkrankung, die eher im späteren Erwachsenenalter auftritt. Ursächlich für die Entstehung einer Autoimmunerkrankung ist wahrscheinlich eine Kreuzreaktion (Molekulare Mimikry). Hierbei entsteht auf dem Boden einer Infektion eine Immunantwort aufgrund von gemeinsamen, kreuzreagierenden Epitopen, die ihrerseits mit Komponenten des peripheren Nervensystems reagieren. Diese können zum Beispiel gegen die Hüllschicht, also das Myelin, gerichtet sein. Es kommt zu einer Schädigung des Myelins, also zu einer sogenannten Demyelinisierung. Höchstwahrscheinlich trägt aber auch eine Vorschädigung der Nerven, durch die bestimmte Epitope freigesetzt werden können, entscheidend dazu bei.
Die Diagnose wird auf der Grundlage der typischen klinischen Präsentation, dem Ausschluss aller anderen in Frage kommenden Ursachen für eine demyelinisierende Polyneuropathie sowie dem Nachweis einer Demyelinisierung in der elektrophysiologischen Untersuchung gestellt.
Einschlusskriterien:
- Typische CIDP und erloschener oder generell abgeschwächter Reflexstatus
- Atypische CIDP (rein sensibel, MADSAM, DADS, rein motorisch, fokal) sowie abgeschwächte/erloschenen Reflexe in betroffenen Regionen
Ausschlusskriterien:
- Borrelieninfektion, Diphtherie, Drogen (Alkohol) oder Gifte
- Vererbte Neuropathie (Hereditäre sensomotorische demyelinisierende Neuropathie)
- Im Vordergrund stehende Blasen- und Mastdarmstörungen
- Diagnose anderweitiger Immunneuropathie
- IgM monoklonale Gammopathie mit anti-MAG-Antikörpern
- Andere Gründe für demyelinisierende Polyneuropathie
Diagnosekriterien:
Die Diagnose CIDP wird anhand verschiedener elektrophysiologischer Kriterien gestellt, die auf eine Demyelinisierung hinweisen. Dazu gehören verlängerte distal-motorische Latenzen, reduzierte motorische Leitgeschwindigkeit, verlängerte F-Wellen-Latenzen, Abwesenheit von F-Wellen, partieller motorischer Leitungsblock und abnormale zeitliche Dispersion.
Unterstützend für die Diagnose ist die Untersuchung des Nervenwassers, die bei 70 - 90 % aller Patienten mit CIDP eine typische Eiweißerhöhung ohne sonstige entzündliche Veränderungen zeigt. Zudem zeigen ca. 50 % aller CIDP-Patienten in der MR-tomographischen Darstellung entzündliche Veränderungen im Nervenplexus bzw. den -wurzeln. Auch in der ultrasonographischen Darstellung können multiple Nervenschwellungen als typischer Hinweis dargestellt werden.
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Neben der klassischen Form kann die CIDP auch in Zusammenhang mit anderen, meist entzündlichen Erkrankungen auftreten. Hierzu zählen neben Infektionen auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen, entzündlich rheumatische Erkrankungen, Sarkoidose sowie metabolische Erkrankungen, wie z.B. Diabetes mellitus. Auch eine Assoziation mit malignen Erkrankungen wurde vereinzelt beobachtet. Eine Assoziation mit einer monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) liegt häufiger vor.
Multiple Sklerose (MS)
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. Dabei greift das körpereigene Immunsystem die Myelinschicht an, die die Nervenfasern umgibt. Dies führt zu Entzündungsherden in Gehirn und Rückenmark und beeinträchtigt die Signalweiterleitung. Die Symptome der MS sind vielfältig und können Sehstörungen, Taubheitsgefühle, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit, Sprechstörungen, Koordinationsschwierigkeiten, Spastik, Blasenstörungen, Sexualfunktionsstörungen, Sprachstörungen und Schluckstörungen umfassen.
Symptome chronischer Entzündungen des Nervensystems
Die Symptome einer chronischen Entzündung des Nervensystems können je nach betroffenem Bereich und Ausmaß derEntzündung variieren. Typische Symptome sind:
- Schmerzen: Nervenschmerzen, die als stechend, brennend oder elektrisierend beschrieben werden können.
- Gefühlsstörungen: Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Missempfindungen.
- Muskelschwäche: Schwäche in den betroffenen Bereichen, die zu Einschränkungen in der Feinmotorik und Lähmungserscheinungen führen kann.
- ** vegetative Störungen:** Durchblutungsstörungen und Schweißausbrüche.
- Sehstörungen: Verschlechterung des Sehens.
- Kognitive Beeinträchtigungen: Konzentrationsstörungen und Gedächtnisprobleme.
Diagnose chronischer Entzündungen des Nervensystems
Die Diagnose einer chronischen Entzündung des Nervensystems erfordert eine umfassende neurologische Untersuchung und verschiedene diagnostische Verfahren:
- Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte des Patienten, einschließlich der Art, Dauer und Lokalisation der Beschwerden.
- Neurologische Untersuchung: Der Arzt überprüft Sinneswahrnehmungen, Mimik, Augenbewegung, motorische Fähigkeiten und sonstige Körperfunktionen.
- Blutuntersuchungen: Das Blut wird auf Erreger einer Infektion und Entzündungsmarker untersucht.
- Liquoruntersuchung: In seltenen Fällen wird Liquor (Gehirn- beziehungsweise Rückenmarksflüssigkeit) über eine Lumbalpunktion entnommen und im Labor überprüft.
- Bildgebende Verfahren: Eine Magnetresonanztomographie (MRT) kann Entzündungsherde im zentralen Nervensystem zeigen.
- Elektrophysiologische Untersuchungen: Die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit via Elektroneurographie kann Nervenschädigungen aufdecken. Das EMG (Elektromyographie) misst die elektrische Muskelaktivität und kann bei der Ursachenforschung helfen.
Therapie chronischer Entzündungen des Nervensystems
Die Therapie chronischer Entzündungen des Nervensystems richtet sich nach der Ursache und dem Ausmaß der Entzündung. Es gibt verschiedene Therapieansätze, die darauf abzielen, die Entzündung zu reduzieren, die Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
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- Immuntherapie: Bei Autoimmunerkrankungen wie MS und CIDP werden Immuntherapien eingesetzt, um das Immunsystem zu modulieren und die Entzündungsreaktion zu unterdrücken. Dazu gehören intravenöse Immunglobuline (IVIG), Glukokortikosteroide (GS) und Plasmaaustauschverfahren. Bei Versagen dieser Therapien kommen auch immunsuppressive Medikamente wie Azathioprin, Methotrexat, Mycophenolat Mofetil und Ciclosporin A in Betracht. Unter Umständen kommen auch therapeutische Antikörper, wie z.B. Rituximab, zum Einsatz.
- Antivirale und antibiotische Therapie: Bei Entzündungen, die durch Viren oder Bakterien verursacht werden, werden antivirale oder antibiotische Medikamente eingesetzt, um die Erreger zu bekämpfen.
- Schmerztherapie: Zur Linderung von Nervenschmerzen können Schmerzmittel wie Antidepressiva, Opioide und Lokalanästhetika eingesetzt werden.
- Chirurgische Eingriffe: Bei mechanischer Kompression von Nerven, wie beim Karpaltunnelsyndrom oder Bandscheibenvorfällen, kann ein chirurgischer Eingriff erforderlich sein, um den Druck auf den Nerv zu beseitigen.
- Physiotherapie und Ergotherapie: Physiotherapie und Ergotherapie können dazu beitragen, dieFunktion der betroffenen Muskeln und Nerven zu verbessern und dieUnabhängigkeit des Patienten im Alltag zu fördern.
- Alternative Heilmethoden: Ergänzend zur schulmedizinischen Behandlung können auch alternative Heilmethoden wie Homöopathie angewendet werden, jedoch immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt.
- Lebensstiländerungen: Eine gesunde Lebensweise mit ausreichend Bewegung, ausgewogener Ernährung, Stressmanagement und dem Verzicht auf Alkohol und Nikotin kann dazu beitragen, das Risiko von Nervenentzündungen zu reduzieren.
Therapie der CIDP
Bei der gesicherten CIDP sind wirksame Therapien die immunmodulatorische Therapie mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG), Glukokortikosteroiden (GS) und Plasmaaustauschverfahren, die in prospektiven und kontrollierten Studien Ansprechraten von ca. 50 - 75 % aufweisen konnten. Die Wahl der geeigneten Therapie hängt in erster Linie von der Gesamtsituation des Patienten ab.
Therapie der MS
Die gängigen Behandlungen der MS zielen in erster Linie auf eine Modulation des Immunsystems ab, um weitere Schübe zu verhindern bzw. zu reduzieren.
Prävention chronischer Entzündungen des Nervensystems
Obwohl sich eine Nervenentzündung nicht mit Sicherheit verhindern lässt, gibt es Möglichkeiten, das Risiko von Nervenschmerzen durch eine gesunde Lebensweise zu reduzieren:
- Einschränkung des Alkoholkonsums: Solange Erwachsene eine bestimmte Menge an Alkohol nicht überschreiten, gilt dieser Konsum als risikoarm.
- Vitaminreiche Ernährung: Rohkost, Obst sowie Milchprodukte und wenig Fleisch gelten als besonders gut, um einem Vitaminmangel vorzubeugen.
- Stressvermeidung: Achten Sie darauf, Stress - ob im Job oder in der Freizeit - zu vermeiden und gönnen Sie Ihren Nerven ausreichend Erholung, Ruhe und Schlaf. Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Yoga helfen Ihnen dabei.
- Regelmäßiger Sport: Regelmäßiger Sport dient ebenfalls dazu, Stress abzubauen.
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