Die Betreuung eines an Demenz erkrankten Menschen stellt eine enorme Herausforderung dar. Oftmals übernehmen Angehörige diese Aufgabe in Eigenregie, was jedoch an die Grenzen der Belastbarkeit führen kann. Lisa Huth hat in ihrem Buch „Co-Demenz - Der Frosch im heißen Wasser“ ihre Erfahrungen mit der Pflege ihrer an Demenz erkrankten Mutter zusammengefasst und gibt Einblicke in die physischen, psychischen und seelischen Belastungen, die damit einhergehen.
Die schleichende Überforderung: Warum der Frosch im heißen Wasser nicht merkt, wann es zu spät ist
Das Gleichnis vom Frosch im heißen Wasser verdeutlicht auf eindringliche Weise, wie sich eine gefährliche Situation unbemerkt zuspitzen kann. Wird ein Frosch in einen Topf mit kaltem Wasser gesetzt, das langsam erhitzt wird, so wird er die Temperaturveränderung kaum wahrnehmen und sich an die steigende Hitze gewöhnen. Er wird so lange im Wasser bleiben, bis es zu spät ist und er stirbt.
Übertragen auf die Pflegesituation bedeutet dies, dass Angehörige, die einen demenzkranken Menschen betreuen, oft schleichend in eine Überforderung geraten. Anfangs mag die Pflege noch gut zu bewältigen sein, doch mit fortschreitender Demenz nehmen die Anforderungen stetig zu. Die Angehörigen passen sich immer wieder an die neuen Herausforderungen an und merken dabei nicht, wie sie sich selbst immer mehr verausgaben. Sie werden psychisch, physisch und seelisch am Ende sein.
Co-Demenz: Wenn Angehörige selbst erkranken
Die ständige Belastung durch die Pflege eines demenzkranken Menschen kann bei Angehörigen zu einer sogenannten Co-Demenz führen. Dabei handelt es sich um eine Reihe von Symptomen, die denen einer Demenz ähneln, wie beispielsweise Gedächtnisprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten, Erschöpfung und emotionale Instabilität.
Co-Demenz ist jedoch keine eigenständige Krankheit, sondern vielmehr ein Zustand der Erschöpfung und Überlastung, der durch die andauernde Pflegesituation hervorgerufen wird. Betroffene Angehörige vernachlässigen oft ihre eigenen Bedürfnisse und vergessen, auf ihre Gesundheit zu achten. Sie opfern sich auf und laufen Gefahr, selbst zu erkranken.
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Die Last der Verantwortung: Schuldgefühle und gesellschaftlicher Druck
Viele Angehörige, die einen demenzkranken Menschen pflegen, kämpfen mit Schuldgefühlen. Sie haben das Gefühl, ihren Eltern oder ihrem Partner etwas zurückgeben zu müssen und wollen sie nicht in ein Heim geben. Hinzu kommt der gesellschaftliche Druck, der auf pflegenden Angehörigen lastet. Es wird oft erwartet, dass sie die Pflege selbst übernehmen und sich aufopfern.
Diese Erwartungshaltung kann dazu führen, dass Angehörige ihre eigenen Grenzen überschreiten und sich in der Pflegesituation aufreiben. Sie fühlen sich gefangen und haben das Gefühl, keine andere Wahl zu haben.
Der rettende Absprung: Wann die häusliche Pflege an ihre Grenzen stößt
Lisa Huth betont in ihrem Buch, dass die häusliche Pflege von Demenzkranken ab einem gewissen Stadium der Krankheit zum Scheitern verurteilt ist. Es gibt einen Punkt, an dem die Belastung für die Angehörigen zu groß wird und die Pflege nicht mehr im häuslichen Umfeld geleistet werden kann.
Es ist wichtig, diesen Punkt zu erkennen und sich professionelle Hilfe zu suchen. Die Entscheidung, einen geliebten Menschen in ein Heim zu geben, ist oft schwer, aber sie kann die einzig richtige sein, um die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Beteiligten zu schützen.
Hilfsangebote und Unterstützungsmöglichkeiten
Es gibt zahlreiche Hilfsangebote und Unterstützungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige. Dazu gehören beispielsweise:
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- Ambulante Pflegedienste: Sie können bei der Grundpflege, der medizinischen Versorgung und der hauswirtschaftlichen Versorgung unterstützen.
- Tagespflegeeinrichtungen: Sie bieten Demenzkranken tagsüber eine Betreuung und ermöglichen den Angehörigen eine Auszeit.
- Selbsthilfegruppen: Hier können sich Angehörige austauschen und gegenseitig unterstützen.
- Beratungsstellen: Sie informieren über Hilfsangebote und unterstützen bei der Organisation der Pflege.
Es ist wichtig, sich frühzeitig über diese Angebote zu informieren und sich Hilfe zu suchen, bevor die Belastung zu groß wird.
Den Menschen auf Herzensebene begegnen: Momente der Freude und Nähe
Trotz aller Herausforderungen und Belastungen ist es wichtig, den Menschen mit Demenz auf Herzensebene zu begegnen. Demenz ist eine persönlichkeitszerstörende, schonungslose Krankheit, die den Betroffenen viel nimmt. Umso wichtiger ist es, ihnen Momente der Freude, der Fülle und der Nähe zu schenken.
Lisa Huth ermutigt dazu, Ja zu sagen zu den alltäglichen Momenten des Lebens, die mit dieser Krankheit an besonderer, unvergessener Qualität gewinnen. Es sind die kleinen Gesten, die liebevollen Worte und die gemeinsamen Erlebnisse, die den Alltag der Demenzkranken und ihrer Angehörigen bereichern.
Loslassen und Abschied nehmen: Den Winter der Seele annehmen
Katherine May beschreibt in ihrem Buch, wie wichtig es ist, das Auf und Ab des Lebens als zyklische Phasen zu begreifen. Negative Gefühle können ins Monströse wachsen, wenn man sie verdrängt. Es gilt, die Kraft zu finden, sich davon zu erholen, wie die Natur im Winter Energie für den Frühling schöpft.
Auch im Umgang mit Demenz ist es wichtig, loszulassen und Abschied zu nehmen. Die Krankheit verändert den Menschen, den man liebt, und es ist schmerzhaft, dies mitzuerleben. Doch es ist wichtig, dieRealität anzunehmen und sich auf die Momente zu konzentrieren, die noch möglich sind.
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Fazit: Den Absprung wagen und neue Wege gehen
Die Pflege eines an Demenz erkrankten Menschen ist eine große Herausforderung, die an die Grenzen der Belastbarkeit führen kann. Es ist wichtig, die eigenen Grenzen zu erkennen und sich professionelle Hilfe zu suchen, bevor die Situation unerträglich wird.
Lisa Huth ermutigt dazu, den Absprung vom Glauben zu wagen, die Pflege im Alleingang schaffen zu müssen, und sich stattdessen Unterstützung zu suchen oder den geliebten Menschen in ein Heim zu geben. Es ist keine Schande, sich einzugestehen, dass man überfordert ist. Vielmehr ist es ein Zeichen von Stärke und Verantwortungsbewusstsein.
Indem man den Absprung wagt und neue Wege geht, kann man die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden schützen und gleichzeitig dem demenzkranken Menschen eine bestmögliche Versorgung gewährleisten. Es ist wichtig, sich auf die Momente der Freude und Nähe zu konzentrieren und die gemeinsame Zeit so wertvoll wie möglich zu gestalten.