Erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall durch Corona und andere Viren: Was Sie wissen sollten

Virusinfektionen sind im höheren Lebensalter keine Bagatelle und können das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Grippe und Corona gefährden nicht nur die Lunge - sie greifen auch das Herz an. Eine grossangelegte Metastudie kommt zu erstaunlichen Ergebnissen. Schon kurz nach einer Infektion steigt das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall drastisch. Das gilt besonders im Rentenalter.

Der Zusammenhang zwischen Virusinfektionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Grippeviren und Coronaviren erhöhen Forschern zufolge kurz nach der Infektion deutlich das Risiko für akute Herz-Kreislauf-Erkrankungen. So steigt das Risiko eines Herzinfarkts oder eines Schlaganfalls nach einer Infektion mit einem Grippevirus auf das Vier- bis Fünffache. Bei Sars-Cov-2 erhöht sich das Risiko eines Herzinfarkts oder eines Schlaganfalls jeweils auf etwa das Dreifache, wie ein Forschungsteam um Kosuke Kawai von der University of California in Los Angeles im Fachmagazin "Journal of the American Heart Association" in einer Überblicksstudie berichtet. Andere Viren führen zu geringeren, aber längerfristigen Risiken.

Kawai wird in einer Mitteilung der American Heart Association zitiert: "Der Zusammenhang zwischen Virusinfektionen und anderen nicht übertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist jedoch weniger gut verstanden." Die Forscher erklären das erhöhte Risiko damit, dass bei der natürlichen Reaktion des Immunsystems auf Virusinfektionen Substanzen freigesetzt werden, die Entzündungen auslösen und die Blutgerinnung fördern, was das Herz-Kreislauf-System beeinträchtigt.

Ergebnisse der Metastudie

Für ihr grossangelegtes Projekt analysierten die Forscher der University of California über 52.000 Studien aus den Jahren 1997 bis 2024. Davon genügten 155 Studien den Qualitätsstandards und wurden in die Auswertung aufgenommen. Am deutlichsten zeigte sich in der Analyse der Zusammenhang bei Infektionen mit SARS-Cov-2 und Grippe. Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, ist in den vier Wochen nach dem Beginn einer Grippe fünfmal so hoch wie bei Menschen ohne Grippe. Im selben Zeitraum ist das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, viermal so hoch. Innerhalb von vier Wochen nach einer SARS-Cov-2-Infektion ist das Herzinfarktrisiko um das 3,1-Fache und das Schlaganfallrisiko um das 2,9-Fache erhöht.

Weitere Risikofaktoren

Die Analyse ergab außerdem, dass bei einer Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV), das Aids verursacht, das Herzinfarktrisiko um 60 Prozent und das Schlaganfallrisiko um 45 Prozent erhöht ist. Die Virenkrankheit Hepatitis C steigert das Herzinfarktrisiko um 27 Prozent, das Schlaganfallrisiko um 23 Prozent. Beim Varizella-Zoster-Virus (Gürtelrose) fällt die Risikoerhöhung noch etwas geringer aus (Herzinfarkt: zwölf Prozent, Schlaganfall: 18 Prozent).

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"Die mit diesen drei Viren verbundenen Risiken sind jedoch weiterhin klinisch relevant, insbesondere weil sie über einen langen Zeitraum bestehen bleiben; darüber hinaus betrifft Gürtelrose etwa jeden dritten Menschen im Laufe seines Lebens", betonte Kawai.

Auswirkungen von COVID-19 auf das Herz-Kreislauf-System

Seit Beginn der COVID-19-Pandemie wurde aus mehreren Studien bei Menschen, die mit dem Virus in Kontakt gekommen waren, ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse berichtet und dies auch noch nach Erholung von einer akuten Infektion. Um zu eruieren, ob das erhöhte Risiko einer kardiovaskulären Erkrankung (CVD) nur schwer erkrankte Patienten oder aber weite Bevölkerungskreise mit nur leichter Manifestation der COVID-19-Infektion betrifft, haben britische Autoren die Verläufe von 17 871 Fällen der UK Biobank analysiert.

Jeder als COVID-Fall gelistete Patient wurde mit 2 in allen wesentlichen Charakteristika wie Alter, Geschlecht, BMI, Ethnizität, Raucherstatus, Blutdruck- und Cholesterinwerten ähnlichen Personen gematcht, sodass den 17 871 positiv getesteten Studienteilnehmern eine aus 35 741 Personen bestehende Vergleichsgruppe ohne COVID-19-Diagnose gegenüberstand. Von den COVID-19-Patienten waren 3 567 (20,0 %) stationär behandelt worden.

Ergebnisse der UK Biobank Analyse

Zu wenigstens einem kardiovaskulären Ereignis kam es zwischen März 2020 und März 2021 bei 9,0 % der Patienten in der COVID-19-Gruppe und bei 0,7 % der Probanden in der Kontrollgruppe. Todesfälle gab es während dieser 12 Monate bei 7,3 % (COVID) und 0,2 % (Kontrollgruppe). Die hospitalisierten Patienten hatten bezüglich aller erfassten CVD ein signifikant erhöhtes Risiko. Dieses war am ausgeprägtesten für eine venöse Thromboembolie (VTE) mit einer Hazard Ratio (HR) von 27,6 ([95-%-Konfidenzintervall] [14,5; 52,3]), für Herzinsuffizienz (HR: 21,6 [10,9; 42,9]) und Schlaganfall (HR; 17,5 [5,3; 57,9]). Deutlich erhöht waren auch die Risiken für Kammerflimmern (um fast das 15-Fache), Perikarditis (fast das 14-Fache) und Herzinfarkt (fast das 10-Fache). Das Todesrisiko für alle Ursachen war in der COVID-19-Gruppe mit einer HR von 118,0 [73,32; 190,0] exorbitant erhöht, das Risiko eines kardiovaskulären Todes war ebenfalls um das fast 9-Fache höher als in der Kontrollgruppe. Ambulante COVID-19-Patienten hatten immer noch ein erhöhtes Todesrisiko mit HR = 10,2 [7,63; 13,7]. Unter den CVD war in dieser Gruppe indes nur das Risiko einer VTE mit einer HR von 2,74 ([1,38; 5,45]) statistisch signifikant erhöht.

Schlussfolgerung der Studie

In dieser ersten prospektiven Studie zum Risiko des Herz-Kreislauf-Todes nach COVID-19 ist das Sterblichkeitsrisiko besonders deutlich bei Patienten erhöht, die primär wegen der Infektion stationär behandelt wurden. Erhöht war das Risiko durch COVID-19 aber auch, wenn die Patienten wegen anderer Erkrankungen in eine Klinik aufgenommen worden waren. Die meisten kardiovaskulären Ereignisse treten in der frühen postinfektiösen Phase (≤ 30 Tage) auf, doch die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses bleibt auch in den folgenden Monaten erhöht. Es müsse nun eruiert werden, wie lange ein solch erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bestehe.

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Schutzmassnahmen und Vorbeugung

Die Studienautoren plädieren dafür, vermehrt gegen Viren zu impfen, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen können. "Prävention ist besonders wichtig für Erwachsene, die bereits an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden", sagte Kawai.

Impfungen

Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen üblicherweise die Kosten für alle von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen. Zu diesen Vorsorgeimpfungen zählen Grippe, Corona und Gürtelrose. Gerade Menschen über 60 sollten diese Angebote nutzen. Die Studien zeigen, besonders Seniorinnen und Senioren profitieren von Grippe- und Corona-Impfungen.

Eine Grippeimpfung sorgte demnach für ein um 34 Prozent geringeres Risiko, eine schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erleiden.

Weitere Schutzmassnahmen

  • Händehygiene: Vor dem Anziehen der Maske gründlich die Hände waschen.
  • Maskentragen: Die Maske möglichst nicht an der Innenseite berühren. Die Maske immer mit über die Nase ziehen, nicht nur über den Mund. Die Maske sollte vor allem an der Nase, aber auch insgesamt eng anliegen. Die Maske nach Durchfeuchtung bzw.
  • Mund-Nasen-Schutz: Es hängt u.a. von den aktuellen Inzidenzwerten ab, in welchen Bereichen ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden muss, z.B. in Geschäften oder öffentlichen Verkehrsmitteln. In der Regel ist damit ein medizinischer Mund-Nasenschutz oder eine FFP2-Maske gemeint.

Umgang mit Sorgen und Ängsten

Besorgte Schlaganfall-Patienten und Angehörige fragen sich, was die Pandemie für sie bedeutet. Grundsätzlich gilt: Die meisten Menschen, die vom Corona-Virus (COVID-19) infiziert sind, erholen sich schnell. Aber einige Menschen können schwerere Symptome ausbilden, zum Beispiel eine Lungenentzündung. Ein Schlaganfall an sich birgt zunächst kein höheres Risiko für Sie. Aber viele Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben, gehören einer Risikogruppe an.

Informationen und Ressourcen

Im Internet finden Sie eine Fülle von Informationen zu Covid-19, leider nicht immer gute. Deutschland hat eines der leistungsfähigsten Gesundheitssysteme der Welt. Wir verfügen über mehr als 330 zertifizierte Stroke Units (Schlaganfall-Spezialstationen) und die meisten Intensivbetten in Europa. Darüber hinaus haben wir hochqualifizierte Ärztinnen und Ärzte, Pflegende und Therapeuten. Alle Krankenhäuser in Deutschland verfügen über Notfallpläne und haben sich in den vergangenen Wochen gewissenhaft auf die Situation vorbereitet.

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Corona-Patienten werden isoliert, Kliniken schaffen hierfür gesonderte Bereiche. Im Normalfall werden Sie als Schlaganfall-Patient in der Klinik also nicht mit Corona-Patienten in Kontakt kommen. Die akute Schlaganfall-Versorgung war in der ersten Phase der Pandemie nicht in Gefahr.

Ärztliche Beratung und Telemedizin

Ich möchte aus Vorsicht Arztbesuche so weit wie möglich vermeiden. Für niedergelassene Ärzte gibt es aufgrund der derzeitigen Pandemie zahlreiche Sonderregelungen, die allerdings jeweils nur begrenzt gültig sind. Aktuell gilt derzeit unter anderem (bis Ende Dezember 2021):

  • Eine telefonische Beratung ist bei bereits bekannten Patienten in vielen Fällen möglich.
  • Eine Krankschreibung ist für Patientinnen und Patienten mit leichten Atemwegserkrankungen ggf. telefonisch für bis zu sieben Kalendertage möglich.
  • Folgeverordnungen sind nach telefonischer Rücksprache möglich. Diese werden per Post zugestellt.
  • Video-Sprechstunden können - vor allem bei chronisch erkrankten Menschen - helfen, Kontakte zu vermeiden.
  • Verordnungen von Heilmitteln verlieren nicht ihre Gültigkeit, wenn die Behandlung länger als 14 Tage unterbrochen wird.

Die aktuellen Regelungen sind bundesweit gültig.

Medikamente und Corona-Verlauf

Derzeit sind Gerüchte im Umlauf, wonach bestimmte Medikamente beziehungsweise Wirkstoffe für einen schwereren Verlauf einer Corona-Infektion verantwortlich sein sollen. Derzeit gibt es keine wissenschaftlichen Beweise, die diese Behauptungen stützen. Die Forschung nach Medikamenten gegen das Corona-Virus läuft weltweit auf Hochtouren. Die Mediziner haben in den vergangenen Monaten immer mehr Erfahrung mit der Behandlung des Virus gesammelt und die Behandlungsmethoden weiter verbessert. Auch einige deutsche Kliniken beteiligen sich an entsprechenden Studien.

Kinder und Corona

Bei Kindern verläuft eine Corona-Infektion meist harmlos. Das Risiko für Kinder, durch das Corona-Risiko schwer zu erkranken, ist sehr gering - daran ändern auch eventuelle Schlaganfall-Folgen wie eine halbseitige Lähmung nichts. Es gibt allerdings individuelle Ausnahmen. Da eine Lungenentzündung auch das Herz belastet, können unter anderem Kinder mit Herzerkrankungen oder Herzfehlern ein erhöhtes Risiko haben. Das gilt auch für Kinder, die bestimmte Medikamente einnehmen, die die Abwehrkräfte schwäche, zum Beispiel Kortison.

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