Seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie ist die Frage der Impfung für Menschen mit Vorerkrankungen, einschließlich Epilepsie, von großer Bedeutung. Dieser Artikel beleuchtet die potenziellen Risiken und gibt Empfehlungen für Epilepsiepatienten im Zusammenhang mit der Corona-Impfung.
COVID-19 und neurologische Manifestationen
Die durch das SARS-CoV-2-Virus ausgelöste Erkrankung COVID-19 manifestiert sich im Regelfall als Infektion der Atemwege. Häufige Symptome sind Fieber, Husten und weitere respiratorische Symptome. Das zentrale Nervensystem (ZNS) kann ebenfalls betroffen sein. Als einziges annähernd pathognomonisches Symptom für COVID-19 wird der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns beschrieben, der bei einem Fünftel der Patienten in Deutschland beschrieben wurde. Epileptische Anfälle und Status epilepticus gehören zu den seltenen Manifestationen von COVID-19.
Neurologische Symptome und Manifestationen werden bei Patienten mit COVID-19 in unterschiedlicher Häufigkeit gefunden, je nach Studie zwischen 3,5-84 %. Die berichteten neurologischen Manifestationen umfassen Enzephalopathie, Geruchs- und Geschmacksstörung, Kopfschmerzen, zerebrovaskuläre Erkrankungen wie ischämischer Schlaganfall, intrazerebrale Blutungen und zerebrale Sinusvenenthrombosen, epileptische Anfälle, hypoxische Hirnschädigung sowie para-/postinfektiöse Syndrome wie Guillain-Barré-Syndrom, akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) und akute nekrotisierende Enzephalopathie.
Epileptische Anfälle können das Symptom einer COVID-19-Erkrankung sein, das zur Erstvorstellung der Patientinnen in einer Notaufnahme führt. In einer Untersuchung von allen über einen Zeitraum von 2 Wochen hospitalisierten COVID-19-Patientinnen im Iran, hatte in 45 von 5872 Fällen (0,8 %) ein epileptischer Anfall zur Aufnahme in das Krankenhaus geführt. Nur 9 % dieser COVID-19-Patient*innen mit epileptischen Anfällen hatten eine Anamnese von Epilepsie.
Corona-Impfung bei Epilepsie: Was ist zu beachten?
Grundsätzlich ist eine Impfung gegen das Corona-Virus für Menschen mit Epilepsie sehr sinnvoll. Der Wirkstoff ist sicher und wirksam. Aktuell gibt es keine Hinweise darauf, dass für Menschen mit Epilepsie ein besonders hohes Risiko für Nebenwirkungen bei einer Impfung zur Vorbeugung der COVID-19-Erkrankung besteht.
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Empfehlungen der STIKO
Menschen mit epileptischen Anfällen oder Epilepsie werden in der STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung nicht als besondere Risikogruppe aufgeführt. Die Datenlage zur Gefährdung von Menschen mit Epilepsie durch eine COVID-19-Erkrankung ist nicht eindeutig, ohne begleitende Erkrankungen scheint kein erhöhtes Risiko zu bestehen. Die bei Epilepsie möglicherweise auftretenden Komorbiditäten und die klinischen Manifestationen einer zugrunde liegenden Erkrankung können allerdings zu einer Priorisierung in eine höhere Stufe führen.
Mögliche Auswirkungen auf die Anfallshäufigkeit
In seltenen Fällen kann es bei Menschen mit schweren Epilepsien als Impfreaktion zu einer Anfallshäufung kommen. Deshalb werden sie vor der Impfung von einem Arzt oder einer Ärztin der Epilepsie-Spezialambulanz untersucht, die eng mit dem SIMI kooperiert und im gleichen Gebäude untergebracht ist. In Einzelfällen sollte evtl. auf eine Impfung verzichtet werden bzw.
Wie bei jeder fiebrigen Erkrankung (z.B. Bronchitis, Blasenentzündung) besteht bei einigen Menschen mit Epilepsie die Gefahr, dass Anfälle vermehrt auftreten. Deshalb sollte hohes Fieber frühzeitig medikamentös gesenkt werden, z.B. mit Paracetamol. Wenn beim einzelnen Patienten eine deutliche Anfallszunahme durch Fieber bekannt ist, sollte besonders gewissenhaft auf die Infektionsprophylaxe geachtet werden.
Nach jeder Impfung kann es zu Fieber kommen, dies kann bei einigen Patienten mit Epilepsie anfallsauslösend wirken. Dieser anfallsprovozierende Faktor ist in der Regel bei den betroffenen Patienten durch vorherige fieberhafte Infekte oder Grippeschutzimpfungen bekannt. Auch die Impfstoffe zur Vorbeugung der COVID-19-Erkrankung können zu einer leichten Entzündungsreaktion mit Auftreten von Fieber führen. Hierauf wäre also nach einer Impfung zu achten, insbesondere wenn in der Vergangenheit in zeitlichem Zusammenhang mit Impfungen oder mit vorhergehenden Infekten epileptische Anfälle aufgetreten sind. Gegebenenfalls könnten fiebersenkende Mittel, die auch sonst von dem Patienten vertragen werden, z. B. Ibuprofen oder Paracetamol, eingesetzt werden. Alternativ könnte vorübergehend die Dosis der Antiepileptika erhöht werden, oder es kann passager der Einsatz von Benzodiazepinen, wie z. B.
Medikamentöse Behandlung und Wechselwirkungen
Die Wirksamkeit der Impfung kann möglicherweise bei einer bestehenden Immunschwäche oder bei einer Behandlung, die die Immunantwort vermindert, beeinträchtigt sein. Hierzu zählen insbesondere Kortikosteroide (z. B. Prednisolon), Azathioprin oder auch monoklonale Antikörper wie Rituximab, die bei akut-symptomatischen Anfällen bei Autoimmunenzephalitis sowie autoimmun assoziierten Epilepsien eingesetzt werden können. Dies gilt auch für den mTOR-Inhibitor Everolimus, der zur Zusatzbehandlung von epileptischen Anfällen im Zusammenhang mit tuberöser Sklerose eingesetzt werden kann. In den genannten Fällen kann die Immunreaktion auf die Impfung möglicherweise beeinträchtigt und deshalb weniger wirksam sein. Patienten, die immunsuppressiv behandelt werden, sollten das Ansprechen auf die Impfung und die Nutzen-Risiko-Abwägung mit dem behandelnden Arzt vor der Impfung erörtern. Im Idealfall sollten Impfungen 6 Wochen vor Beginn einer immunmodulierenden Behandlung durchgeführt werden.
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Wegen möglicher Arzneimittel-Wechselwirkungen (verschiedene Medikamente beeinflussen sich gegenseitig) muss Ihre Medikation den Behandlern bekannt sein. Haben Sie am besten immer einen Medikamentenplan und - falls vorhanden - einen Arztbericht zur Hand.
Es wurde auf das mögliche Potenzial von pharmakokinetischen Interaktionen zwischen Anfallsmedikamenten und COVID-19-Therapien hingewiesen. Beispielsweise können hepatische Enzyminduktoren wie Carbamazepin und Phenytoin die Konzentration von Remdesivir, das häufig in der Behandlung von schwer kranken COVID-19-Patient*innen eingesetzt wird, signifikant reduzieren.
Allergische Reaktionen
Die Fachinformationen der Impfstoffe sind zu beachten, insbesondere können Impfstoffe zur Vorbeugung der COVID-19-Erkrankung Inhaltsstoffe enthalten, gegen die eine Allergie bestehen kann.
Was tun bei Anfallshäufung oder anderen Problemen?
Wenn bei Ihnen trotz regelmäßiger Medikamenteneinnahme gelegentlich Anfälle auftreten, vermeiden Sie, dass Sie unnötigerweise in die Notfallaufnahme eines Krankenhauses gebracht werden, wenn Sie einen üblichen Anfall ohne Verletzung und mit für Sie normal rascher Erholung gehabt haben. Vermeiden Sie Aufenthalte in der Öffentlichkeit ohne eine informierte Begleitperson, die Augenzeugen oder Rettungssanitäter über Ihre Epilepsie informieren könnte. Falls vorhanden, nehmen sie Ihren Epilepsie-Ausweis mit.
Bei dringendem Behandlungsbedarf (z.B. Anfallshäufung) nehmen Sie telefonisch Kontakt zu Ihrem Arzt auf. Viele Kliniken bieten auch eine Video-Sprechstunde an.
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Fallbeispiele und Studien
Ein Fallbeispiel einer 19-Jährigen, die nach einer Corona-Impfung Gelenkschmerzen, Ausschlag, eine Sinusvenenthrombose und in der Folge Epilepsie entwickelte, zeigt, dass Impfschäden Einzelfälle sein können, die aber für die Betroffenen gravierende Folgen haben können. Ihr Fall liegt nun beim zuständigen Sozialgericht. Sie will auch von BioNTech Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Eine Studie aus Oxford analysierte elektronische Krankenakten und fand heraus, dass im Anschluss an COVID-19 häufiger Krampfanfälle oder eine Epilepsie auftreten als nach einer Grippe. Kinder waren häufiger betroffen als Erwachsene und ambulante Patienten häufiger als hospitalisierte Patienten.