Die COVID-19-Impfung hat sich als ein entscheidender Schritt im Kampf gegen die Pandemie erwiesen. Doch wie bei jeder medizinischen Intervention gibt es auch hier potenzielle Nebenwirkungen. In seltenen Fällen können neurologische Komplikationen auftreten, die Anlass zur Besorgnis geben. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Erkenntnisse über mögliche Auswirkungen der Corona-Impfung auf das Gehirn, einschließlich seltener Nebenwirkungen wie Long COVID, Multisystemisches Entzündungssyndrom (MIS-C) und zerebrovaskuläre Ereignisse. Dabei werden sowohl Fallberichte als auch Forschungsergebnisse berücksichtigt, um ein umfassendes Bild der Thematik zu vermitteln.
Seltene neurologische Nebenwirkungen nach COVID-19-Impfung
Obwohl die COVID-19-Impfung im Allgemeinen als sicher gilt, wurden in seltenen Fällen unerwünschte Ereignisse beobachtet, die das Nervensystem betreffen. Zu diesen gehören:
- Multisystemisches Entzündungssyndrom (MIS-C): Auch bekannt als PIMS (Paediatric Inflammatory Multisystem Syndrome), tritt dieses Syndrom vor allem bei Kindern und Jugendlichen auf. Einige Experten sprechen im Zusammenhang mit Impfungen auch von Post-Vac. Es zeichnet sich ab, dass PIMS auch aufgrund einer Impfung auftreten kann, allerdings seltener als nach einer SARS-CoV-2-Infektion. In Deutschland wurden der DGPI (Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie) bis zum 2. Mai 2022 23 PIMS-Fälle gemeldet, die trotz oder wegen einer Impfung aufgetreten sind.
- Long COVID (Post-Vac): Einige Experten vermuten, dass Long COVID oder ein chronisches Fatigue-Syndrom (CFS) auch nach einer COVID-19-Impfung auftreten kann. Die Symptome ähneln denen von Long COVID. Allerdings deuten Fallberichte darauf hin, dass das Risiko deutlich geringer ist als nach einer Infektion.
- Weitere seltene unerwünschte Reaktionen: Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) listet im Sicherheitsreport sehr seltene unerwünschte Reaktionen, wie etwa Myokarditis und Perikarditis, das Guillain-Barré-Syndrom sowie das Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom auf.
Forschungsansätze zu Post-Vac und Long COVID nach Impfung
Die Ursachen des Post-Vac-Syndroms sind noch weitgehend unbekannt. Es wird spekuliert, dass eine Reaktivierung von Epstein-Barr-Virus-(EBV-)Infektionen oder Autoantikörper eine Rolle spielen könnten. An der Universität Erlangen forscht Prof. Dr. med Mardin zur Therapie von Long COVID. Obwohl das Forschungsteam primär Personen untersucht, die eine Infektion durchgemacht haben, sehen sie Menschen ohne stattgehabte Infektion. „Wir hatten bisher 3 Fälle, in denen Menschen genau die Autoantikörper aufwiesen, die wir sonst bei Personen mit Long COVID sehen,“ erklärte Mardin. Dazu zählten neben Autoantikörpern gegen Angiotensin-konvertierendes Enzym 2 (ACE2), an das auch das Spike-Protein des Coronavirus andockt, auch Antikörper gegen Beta2-Glykoprotein.
Deutschlandweit gibt es bisher 2 Anlaufstellen für Erwachsene mit Verdacht auf Post-Vac: Eine Spezialambulanz für Post-Vac-Fälle am Universitätsklinikum Marburg sowie die neurologische Post-COVID-19-Sprechstunde an der Klinik für Neurologie, Charité Universitätsmedizin Berlin. Hier werden Post-Vac-Betroffene im Gegensatz zur Marburger Ambulanz allerdings nur bei primär neurologischer Manifestation betreut.
Das Spike-Protein und seine Auswirkungen auf das Gehirn
Neuere Forschungen deuten darauf hin, dass das Spike-Protein des Coronavirus SARS-CoV-2 nach einer Infektion im Gehirn verbleiben kann. Forschende von Helmholtz Munich und der Ludwig-Maximilians-Universität München konnten bisher nicht feststellbare Ablagerungen des Spike-Proteins in Gewebeproben von Menschen und Mäusen nachweisen. Dazu nutzten sie eine neuartige, KI-gestützte Bildgebungstechnik. Die Forschenden konnten im Knochenmark des Schädels und in den Hirnhäuten statistisch eindeutig (signifikant) erhöhte Konzentrationen des Spike-Proteins nachweisen - sogar noch Jahre nach der Infektion.
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Die Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass diese Ansammlungen des Spike-Proteins zu den langfristigen Effekten von COVID-19 auf das Nervensystem und Long COVID beitragen können. Die Forschenden stellten außerdem fest, dass der mRNA-basierte Corona-Impfstoff von BioNTech/Pfizer die Anreicherung des Spike-Proteins im Gehirn deutlich reduzieren konnte.
Zerebrovaskuläre Ereignisse und Impfungen
Eine in Deutschland durchgeführte Studie unter der Projektleitung der Klinik für Neurologie an der Uniklinik RWTH Aachen beschreibt das Auftreten von zerebrovaskulären Ereignissen, insbesondere Sinus- und Hirnvenenthrombosen im Gehirn, nach Impfung gegen SARS-CoV-2. Die DGN-Studie „Cerebral venous thrombosis associated with vaccination against COVID-19“ zeigt, dass es nach Impfung mit dem SARS-CoV-2-AstraZeneca-Impfstoff zu signifikant mehr zerebralen Sinus- und Hirnvenenthrombosen (CVT) kam als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen.
Die Rate der aufgetretenen CVT-Ereignisse war nach einer Erstimpfung mit Vakzinierung mit ChAdOx1 um mehr als neunmal höher als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen. Es wurden keine Ereignisse nach Gabe des Impfstoffs mRNA-1273 von Moderna beobachtet.
Fallbeispiel: Familie Klöckner und die Folgen eines Impfschadens
Ein tragisches Beispiel für schwere Nebenwirkungen nach einer Corona-Impfung ist der Fall von Familie Klöckner in Trier. Mandy Klöckner erlitt nach einer Impfung mit dem Impfstoff von Astrazeneca eine Sinusvenenthrombose im Gehirn. Ihr Impfschaden ist offiziell anerkannt. Sie ist rund um die Uhr auf fremde Hilfe angewiesen. Ihr Mann und ihr Sohn kümmern sich um die heute 49-Jährige. „Das Leben ist komplett auf den Kopf gestellt. Es dreht sich alles nur um Therapie und Organisation.“ Sie kann nie mehr arbeiten gehen, nie mehr Autofahren oder ihren gewohnten Tagesabläufen nachkommen.
Meldung von Verdachtsfällen und Anlaufstellen für Betroffene
Viele Menschen wissen nicht, dass sie Verdachtsfälle von Nebenwirkungen als Patient selbst melden können. Wenn Sie nach einer Impfung Symptome feststellen, die über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehen, können Sie diese als Verdachtsfall einer Nebenwirkung melden. Sie können Ihren Verdacht per Telefon melden.
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