Neurologische Komplikationen bei COVID-19

COVID-19, verursacht durch das SARS-CoV-2-Virus, manifestiert sich primär als Atemwegserkrankung, kann aber auch eine Vielzahl neurologischer Komplikationen auslösen. Diese Komplikationen können sowohl während der akuten Infektionsphase als auch als Langzeitfolgen auftreten und betreffen Erwachsene und Kinder.

Häufige neurologische Symptome während der akuten COVID-19-Phase

Während der akuten Phase der COVID-19-Erkrankung treten häufig neurologische Symptome auf, die von milden bis hin zu schweren Manifestationen reichen können. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Riechstörungen (Anosmie) und Geschmacksstörungen (Ageusie): Diese Symptome treten bei einem hohen Prozentsatz der Betroffenen auf, wobei Riechstörungen sogar bei über 70 Prozent der Patienten beschrieben wurden.
  • Kopfschmerzen und Muskelschmerzen: Diese unspezifischen Schmerzen sind weit verbreitet und können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.
  • Fatigue-Syndrom: Anhaltende Erschöpfung und Abgeschlagenheit sind typische Symptome, die auch nach der akuten Phase persistieren können.
  • Bewusstseinsstörungen und Delir: Insbesondere bei schweren Krankheitsverläufen und älteren Patienten können Enzephalopathien (Störungen der Hirnfunktionen) und Delir auftreten. Ein Delir zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme kann ein Indikator für eine schlechtere Prognose sein.
  • Schlaganfälle: Schwere neurologische Komplikationen wie Schlaganfälle können in jeder Phase der Erkrankung auftreten und mit typischen Symptomen wie halbseitigen Lähmungen, Sensibilitäts- und Sehstörungen einhergehen. Störungen der Blutgerinnung, die bei COVID-19-Pneumonie häufig vorkommen, können zur Bildung von Gerinnseln führen, die ischämische Schlaganfälle oder Embolien auslösen.
  • Entzündungen des Gehirns und Rückenmarks (Enzephalomyelitis): Im Rahmen der COVID-19-Erkrankung kann es zu Entzündungen des Gehirns und seltener auch des Rückenmarks kommen, was bereits von anderen Virusinfektionen bekannt ist. Diese Entzündungen scheinen seltener direkt durch das Virus, sondern eher durch eine Reaktion des Immunsystems bedingt zu sein.
  • Guillain-Barré-Syndrom (GBS): Ähnlich immunvermittelte Erkrankungen können auch an den peripheren Nerven in Form des GBS auftreten.

Neurologische Langzeitfolgen von COVID-19 (Post-COVID-Syndrom)

Viele COVID-19-Patienten kämpfen mit neurologischen Langzeitfolgen, die als Teil des Post-COVID-Syndroms oder Long COVID auftreten können. Diese Symptome können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und eine neurologische Nachbetreuung erforderlich machen. Zu den häufigsten neurologischen Langzeitfolgen gehören:

  • Anhaltende Fatigue: Erschöpfung ist eine der häufigsten Langzeitfolgen und kann die Alltagsaktivitäten stark einschränken.
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme ("Brain Fog") und andere kognitive Defizite werden häufig berichtet und können die Arbeitsfähigkeit und soziale Interaktion beeinträchtigen.
  • Schlafstörungen: Insomnie und andere Schlafstörungen sind ebenfalls häufige Langzeitfolgen.
  • Anhaltende Schmerzen: Muskelschmerzen, Kopfschmerzen und andere chronische Schmerzen können persistieren.
  • Geruchsstörungen: Anhaltende Geruchsstörungen treten bei einem Teil der Betroffenen auf.
  • Psychische Gesundheitsprobleme: Angststörungen und Depressionen können als Folge der neurologischen Symptome oder als direkte Auswirkung der COVID-19-Erkrankung auftreten.

Studien zeigen, dass ein erheblicher Anteil der COVID-19-Patienten von neurologischen Langzeitfolgen betroffen ist. Während sich die Symptome bei vielen Betroffenen im Laufe der Zeit verbessern, gibt es auch Patienten, die bereits seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 erkrankt sind und bis heute nicht beschwerdefrei sind.

Mögliche Ursachen neurologischer Komplikationen

Die Ursachen für die neurologischen Komplikationen bei COVID-19 sind vielfältig und noch nicht vollständig geklärt. Es gibt mehrere Hypothesen:

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  • Direkte Virusinfektion des Nervensystems: Obwohl SARS-CoV-2 nicht zu den Viren gehört, die bevorzugt Nervenzellen befallen, wird vermutet, dass das Virus über den Riechnerven oder infizierte Blutzellen ins Gehirn gelangen kann. Studien konnten zwar das Erbgut des Coronavirus im Gehirn nachweisen, aber keine SARS-CoV-2-infizierten Nervenzellen.
  • Indirekte Auswirkungen der Immunreaktion: Eine weit verbreitete Theorie besagt, dass die neurologischen Symptome eher eine Folge der starken Immunreaktion des Körpers auf das Virus sind. Die Immunantwort setzt massenhaft entzündliche Botenstoffe frei, die ins Gehirn gelangen und dort "Kollateralschäden" auslösen können. Studien haben entzündliche Reaktionen im Gehirn von COVID-19-Patienten nachgewiesen, selbst wenn das Virus nicht im zentralen Nervensystem nachweisbar ist.
  • Entzündungsreaktionen im Hirnstamm: Eine Studie der Charité - Universitätsmedizin Berlin liefert Belege dafür, dass die Entzündung im Rest des Körpers die Nervenzellen im Hirnstamm aktivieren kann, insbesondere die Kerne des Vagusnervs. Diese Aktivierung könnte neurologische Beschwerden wie Fatigue verursachen.
  • Zytokinsturm: Bei schweren COVID-19-Verläufen kann es zu einem Zytokinsturm kommen, einer explosionsartigen Freisetzung entzündungsfördernder Immunmediatoren, die das Nervensystem beeinträchtigen können.
  • Verstärkung von Autoimmunerkrankungen: Es ist unklar, ob COVID-19 die Krankheitsaktivität von Autoimmunerkrankungen verstärkt oder ob Patienten mit neuroimmunologischen Krankheiten besonders empfänglich für eine COVID-19-Infektion sind.

Neurologische Komplikationen bei Kindern

Infektionen mit SARS-CoV-2 verlaufen bei Kindern in der Regel milder als bei Erwachsenen. Wenn es jedoch zu schweren Erkrankungen kommt, die eine Hospitalisierung erforderlich machen, sind neurologische Komplikationen keine Seltenheit. Auch das "Multisystemische Entzündungssyndrom bei Kindern" (MIS-C), eine seltene, aber schwerwiegende Komplikation nach einer COVID-19-Infektion, kann mit neurologischen Symptomen einhergehen.

Eine Studie aus Oxford zeigte, dass Kinder nach einer COVID-19-Infektion ein erhöhtes Risiko für bestimmte neurologische Erkrankungen haben können, darunter kognitive Defizite, Schlaflosigkeit, intrakranielle Blutungen, ischämische Schlaganfälle, Nerven-, Nervenwurzel- und Plexuserkrankungen, psychotische Störungen und Epilepsie oder Krampfanfälle. Allerdings war der Risiko-Horizont für kognitive Defizite bei Kindern finit und die Inzidenz erreichte nach einiger Zeit wieder das Niveau der Vergleichsgruppe.

Auswirkungen der Virusvarianten auf neurologische Komplikationen

Studien deuten darauf hin, dass die verschiedenen Varianten von SARS-CoV-2 unterschiedliche Auswirkungen auf das Risiko neurologischer Komplikationen haben können. So wurden kurz nach dem Aufkommen der Delta-Variante erhöhte Risiken für ischämische Schlaganfälle, Epilepsie oder Krampfanfälle, kognitive Defizite, Schlafstörungen und Angststörungen beobachtet. In der Omikron-Welle blieben die Risiken für neurologische und psychiatrische Erkrankungen jedoch gleich, obwohl die Sterberate niedriger war.

Diagnose und Behandlung

Die Diagnose neurologischer Komplikationen bei COVID-19 erfordert eine sorgfältige klinische Untersuchung, neurologische Tests und gegebenenfalls bildgebende Verfahren wie MRT oder CT des Gehirns. Die Behandlung richtet sich nach der spezifischen Komplikation und kann Medikamente zur Linderung der Symptome, Immuntherapien oder rehabilitative Maßnahmen umfassen.

Forschung und offene Fragen

Viele Fragen zu den neurologischen Komplikationen bei COVID-19 sind noch offen und Gegenstand aktueller Forschung. Dazu gehören:

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  • Die genauen Mechanismen, die zu den neurologischen Symptomen führen.
  • Die langfristigen Auswirkungen der neurologischen Komplikationen auf die Lebensqualität und die kognitive Funktion.
  • Die Wirksamkeit verschiedener Behandlungsansätze.
  • Die Rolle von Impfungen bei der Prävention neurologischer Komplikationen.

Um diese Fragen zu beantworten, sind weitere Studien erforderlich, die sowohl den akuten Krankheitsverlauf als auch die Langzeitfolgen untersuchen. Die Etablierung von Arbeitsgruppen wie der Arbeitsgruppe Neurologie im Nationalen Pandemie Kohorten Netz (NAPKON) ist ein wichtiger Schritt, um die Forschung in diesem Bereich voranzutreiben.

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