Kreativität ist ein faszinierendes und komplexes Phänomen, das uns als Menschen auszeichnet. Sie ermöglicht es uns, neue Ideen zu entwickeln, Probleme auf innovative Weise zu lösen und Kunstwerke zu schaffen, die uns inspirieren und bewegen. Doch was genau passiert in unserem Gehirn, wenn wir kreativ sind? Dieser Artikel gibt einen Einblick in die neurowissenschaftlichen Grundlagen der Kreativität und zeigt, wie verschiedene Faktoren unser kreatives Potenzial beeinflussen können.
Die Wechselwirkung zwischen Gehirn und Umwelt
Unser Gehirn ist kein statisches Organ, sondern ein dynamisches System, das sich ständig an seine Umwelt anpasst. Der international renommierte Hirnforscher Dick Swaab betont in seinem Buch, wie die Entwicklung unseres Gehirns durch unsere Umwelt beeinflusst wird. Unser Leben ist komplex: Wir arbeiten, treiben Sport, befassen uns mit Kunst und Musik und sind Teil eines großen sozialen Gefüges. Wie wir leben und was wir tun, aber auch was wir erleiden, das alles prägt unser Gehirn. Und die Art, wie sich unser Gehirn entwickelt, hat wiederum Einfluss auf unser Verhalten und unsere Entscheidungen. Swaab erklärt, wie unsere jeweilige Umgebung sowie ihre spezifischen Reize die Entwicklung unseres Gehirns bestimmen und wie unsere Umgebung zur Erkrankung - aber auch zur Gesundung unseres Gehirns beitragen kann.
Neuronale Grundlagen der Kreativität
Kreativität entsteht nicht einfach so im Gehirn, sondern ist das Ergebnis komplexer neuronaler Prozesse. Neuronen sind miteinander verbunden und üben eine der beiden Funktionen aufeinander aus: Hemmung (Inhibition) oder Erregung (Aktivierung, Verstärkung). So werden bestimmte Informationen und Prozesse verstärkt oder abgeschwächt. Für das Entstehen von Kreativität im Gehirn ist eine relativ offene, ungehemmte Aufmerksamkeit entscheidend, die aus einer Fülle von Informationen schöpfen kann. Und dennoch muss es so etwas wie einen gedanklichen Rahmen geben: Innerhalb des Rahmens (verbal z.B. Was sind Verwendungsmöglichkeiten für einen Ziegelstein?), wird gefeuert, darin kann assoziiert werden, andere Prozesse (z.B.
Die Rolle von Neurotransmittern
Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe, die für die Kommunikation zwischen den Neuronen verantwortlich sind. Einige Neurotransmitter spielen eine besonders wichtige Rolle bei der Entstehung von Kreativität:
- Dopamin: Dopamin gilt als Glückshormon und ist Teil von einer positiven Erregung und eines starken inneren Antriebs. Dopamin trägt nachweislich zu Kreativität bei. Dies wurde besonders auffällig bei Parkinson-Patienten, denen Dopamin zur Stimmungssteigerung gegeben wurde.
- Serotonin: Serotonin gilt ebenso als Glückshormon und sorgt für eine positive Grundstimmung. Auch hier gilt: mit zu wenig Serotonin sieht es düster aus. Angstzustände und Depressionen blockieren für gewöhnlich Kreativität und gehen einher mit einem Mangel an Serotonin. Findet ein Mensch aus seinen düsteren Zuständen heraus, kann jedoch dann ein besonders starker Schub an Kreativität entstehen.
- Adrenalin: Ebenso wie Depressionen und Ängste hemmt psychischer Stress die Kreativität: Unter Adrenalin erfahren wir vielleicht einen starken Schub an Aktivität, aber selten tiefgreifende Kreativität.
Gehirnwellen und Kreativität
Neuronen leiten Informationen und Reize weiter über elektrische Impulse. Das Gehirn besteht aus Milliarden Neuronen, die elektrische Impulse feuern und daraus ergeben sich Schwingungen und emergente Zustände. Je nach Rhythmus der Schwingung werden die Schwingungen in verschiedene Frequenzbänder unterteilt: Alpha, Beta, Delta, Theta, Gamma. Diese verschiedenen Frequenzbänder sind mit unterschiedlichen mentalen Zuständen verbunden und können auch die Kreativität beeinflussen:
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- Alpha-Wellen (8 - 12 Hz): Alpha-Wellen treten auf bei Entspannung bzw. entspannter Wachheit, insbesondere bei geschlossenen Augen. Entspannung ist ein wichtiger Bestandteil von tiefer Kreativität.
- Beta-Wellen (13 - 38 Hz): Beta-Wellen treten z. B. beim konstanten Anspannen eines Muskels oder bei aktiver Konzentration auf.
- Gamma-Wellen (39 - 70 Hz): Von allen Gehirnfrequenzen ist Gamma die höchste und wird auch mit Höchstleistungen des Gehirns in Verbindung gebracht, in denen Menschen Erfahrungen von starker Konzentration und Transzendenz machen. So haben z.B. Mönche in Meditation einen hohen Anteil an Gamma.
- Delta-Wellen (0,5 - 4 Hz): Vor allem im traumlosen Tiefschlaf treten Delta-Wellen auf und werden deswegen mit Regeneration und körpereigenen Heilungsprozessen in Verbindung gebracht.
- Theta-Wellen (4 - 8 Hz): Theta-Wellen treten an den Übergängen zwischen Schlaf und Wachen auf, oft mit starken visuellen traumartigen Reizen. Z.B. Albert Einstein und Thomas Edison waren berühmt dafür, dass die Tagträume und Kurzschlaf kultivierten. Diese Wach-Schlaf-Übergänge sind sehr ähnlich zu Trance- und Hypnose-Zuständen als Schnittstelle zwischen Unbewusstem und Bewusstsein, an der besonders wertvolle kreative Impulse entstehen können.
Das Default Mode Network (DMN) und Kreativität
Das Default Mode Network (DMN) ist ein Netzwerk von Hirnregionen, das vor allem dann aktiv ist, wenn wir nicht aktiv über etwas nachdenken, sondern uns im Ruhezustand befinden, tagträumen oder meditieren. Bartoli und ihre Kollegen baten für ihre Studie 13 Patienten mit implantierten Elektroden, kreative neue Einsatzmöglichkeiten für Alltagsgegenstände wie einen Stuhl oder eine Tasse zu benennen. Bei ihren Hirnstrom-Beobachtungen fokussierte sich das Team auf das sogenannte Ruhezustandsnetzwerk (Default Mode Network, DMN). Dieses Netzwerk verbindet verschiedene Nervenzellen in unterschiedlichen Arealen der Hirnrinde und ist unter anderem beim Nichtstun, Meditieren und Tagträumen aktiv, während unser Gehirn keine spezifische Aufgabe zu lösen hat. „Wir konnten sehen, was innerhalb der ersten Millisekunden passiert, wenn wir versuchen, kreativ zu denken“, berichtet Shofty. Tatsächlich war bei den Patienten zuallererst das DMN aktiv, während sie die Kreativitäts-Aufgabe erfüllten, wie die Aufnahmen enthüllten. Um die Vorgänge im Default Mode Network genauer zu untersuchen, dämpften Bartoli und ihre Kollegin über die Elektroden während einem der Tests vorübergehend gezielt einzelne Teile dieses Netzwerks. Tatsächlich präsentierten die Testpersonen daraufhin weniger originelle Einsatzmöglichkeiten für die Alltagsgegenstände, verloren sich aber aber unverändert in Tagträumen. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die kausale Rolle des DMN beim kreativen Denken“, sagt Bartoli. Bei ähnlichen, ungerichteten Denkprozessen wie dem Tagträumen ist das Netzwerk demnach ebenfalls aktiv, aber die im Test manipulierten Regionen sind nicht essenziell für diese Prozesse. Die Ergebnisse könnten künftig möglicherweise dazu beitragen, das kreative Denken gezielt anzukurbeln. Zudem könnten sie Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen helfen, bei denen diese Regionen des Gehirns übermäßig aktiv sind, wie das Team berichtet. Das Default-Mode-Netzwerk besser zu verstehen, könnte demnach helfen, bessere Behandlungen zu entwickeln.
Der kreative Sprung und das Aha-Erlebnis
Kreatives Denken setzt einen „kreativen Sprung“ voraus. Wir müssen den gewohnten und bequemen Weg des bisherigen Denkens verlassen. Dieser meist völlig unlogische, ungewohnte und oft leicht verrückte Denksprung führt uns zunächst ins Ungewisse und auf unbekanntes Terrain. Wenn wir dann wieder den „(An)Schluss“ zum bisherigen Gedankenfluss vollziehen, ist der kreative Sprung abgeschlossen. Dieser plötzlichen Heureka-Einsicht geht eine ebenso plötzliche Hirnaktivität voraus. Wissenschaftler haben festgestellt, dass es 300 Millisekunden vor dem Aha-Erlebnis zu einem plötzlichen Anstieg der Gammawellenaktivität im Gehirn kommt. Man vermutet, dass dieser erhöhte Rhythmus der Gammawellen durch Synapsenbildung entsteht! Vor allem im vorderen Schläfenlappen des Gehirns scheint es darüber hinaus eine entsprechende Reaktion der Nervenzellen zu geben. Die neuronalen Schaltkreise werden plötzlich sehr intensiv aktiviert. Dabei führt eine Woge elektrischer Impulse zu einer verstärkten Blutzufuhr.
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