Nicht jeder wird einfach von der Muse geküsst, und selbst wenn, geschieht dies nicht ständig. Auf diesen Kuss zu warten, ist keine zuverlässige Strategie, um die eigene Kreativität langfristig zu steigern. Viele talentierte Kunstschaffende stellen sich die Frage, wie man ein erfolgreicher Künstler wird und wie man die eigene Kreativität steigern kann, um zuverlässig schöpferisch tätig zu sein und regelmäßig davon leben zu können.
Was bedeutet Kreativität?
Kreativität bedeutet Schaffenskraft. Ein kreativer Mensch ist schöpferisch tätig und erschafft etwas Neues oder Originelles. Kreativität bedeutet auch Arbeit, besonders wenn man das Ziel verfolgt, von seiner Kunst leben zu können. Wer ein erfolgreicher Künstler werden will, muss beharrlich arbeiten. Dieser schöpferische Prozess kann jedoch auch zur Erschöpfung führen. Jeder kreativ tätige Mensch kennt Phasen, in denen der Zustand im Kopf einer staubigen, verlassenen Westernstadt gleicht.
Kreativität bedeutet auch Demut. Ein aufstrebender Künstler kommt im einundzwanzigsten Jahrhundert, geprägt von Authentizität und Menschlichkeit, besser an, wenn er sich nicht über andere erhebt. Kreativität ist ein fortlaufender Prozess, der die Auseinandersetzung mit sich selbst, dem eigenen Ego, den eigenen gesellschaftlich geformten Gedankenkonstrukten und dem eigenen Schweinehund bedeutet.
Wie wird man ein erfolgreicher Künstler?
Anders als man annehmen könnte, bedeutet Kreativität nicht, dass man etwas vollkommen Neues erschafft. Rein theoretisch wäre es ein spannendes Projekt, eine Kunst zu erschaffen, die vergangene Kunst und Erkenntnisse zwingend ausschließt. Doch allein durch die Gegenüberstellung, die für den Ausschluss notwendig wäre, setzt man ja bereits indirekt an der bestehenden Kunst an. Wir dürfen wohl davon ausgehen, dass man als Künstler stets an etwas Bestehendem ansetzt. Es scheint wie ein Teppich der schöpferischen Intelligenz zu sein, welcher über die Jahrhunderte gewoben wurde, der immer neue Blüten treibt und an dem man mit seiner eigenen Idee einen weiteren Teil anknüpft. Für einen Künstler, der in die Auseinandersetzung mit sich selbst geht, stellt sich also die Frage: Wie könnte man die Schöpfung anderer talentierter und erfolgreicher Menschen für sein eigenes Werk adaptieren?
In der Dokumentation »Das kreative Gehirn« (The Creative Brain) auf Netflix geht der US-amerikanische Neurowissenschaftler und Schriftsteller Dr. David Eagleman der Frage nach, was Kreativität ausmacht und wie sie funktioniert. Er kommt zu dem Schluss, dass es keine wirkliche Originalität gibt. Weitere interessante Gedanken stammen von Kunstschaffenden wie dem Musiker Nick Cave, dem Novellisten Michael Chabon oder dem Game of Thrones-Drehbuchautor D. B. Weiss.
Lesen Sie auch: Gehirn und Kreativität
Kann man seine Kreativität steuern?
Da Kreativität zwischen dem bereits Bekannten und dem Neuen entsteht, muss ein Künstler bereit sein, seine eigenen sowie gesellschaftliche und soziale Grenzen aufzuweichen. Aus allen Möglichkeiten, die er hat, um etwas Neues zu kreieren, kann er versuchen zu erspüren, was vom Publikum angenommen werden könnte. Aus der Bandbreite aller Möglichkeiten, die sich ihm schöpferisch offenbaren, muss der Künstler sondieren und herausfinden, was für das Publikum funktionieren könnte.
Auf der anderen Seite geht es natürlich auch darum, etwas Spezielles an der eigenen Kunst herauszuarbeiten. Das Werk des Künstlers darf nicht zu langweilig sein, sonst zieht die Welt an ihm vorbei. Es darf jedoch auch nicht zu verrückt sein, sonst folgt dem Künstler niemand. Natürlich werden viele Kunstschaffende nun aufhorchen und sagen: Ich möchte meine Kunst nicht begrenzen. Ich publiziere, zeichne, komponiere das, was mir gefällt und von Herzen kommt. Der Rest ergibt sich von allein. Korrekt! Dieser Ansatzpunkt ist ein durchaus bewährter und er hat seine Existenzberechtigung. Kunst muss im Fluss geschehen und sollte sich nicht durch Beschränkungen von außen definieren lassen. Und dennoch obliegt jedem Künstler die Wahl, ob er im Laufe seines Schaffensprozesses in den imaginären Austausch mit dem Publikum gehen möchte, um zu prüfen, was von den Menschen angenommen werden könnte. Auf diese Weise lässt sich eventuell die Wahrscheinlichkeit, ein erfolgreicher Künstler zu werden, erhöhen. Doch Obacht! Der gedankliche Vorab-Diskurs mit dem Publikum sollte nicht so weit gehen, dass er den eigenen Schöpfungsprozess hemmt.
Erfolgreiche Kunst sollte die Menschen bei sich selbst abholen. Welche Ängste, Sorgen und Nöte teilen die meisten von uns? Wie lassen sich diese in der Kunst darstellen und welche gedanklichen Ansatzpunkte könnten kunstvoll offenbart Lösungen dafür anregen? Ein erfolgreicher Künstler befasst sich mit den Themen in seiner Kunst, die auch andere Menschen gedanklich beschäftigen. In der besagten Dokumentation spricht Nick Cave die Schamgrenze als eine für den Künstler interessante Grenze an. Etwas auszusprechen, bei dem man sich wirklich unwohl fühlt. Bei dem man denkt: Oh, nein, das kann ich nicht sagen! Lässt man beispielsweise seine Protagonisten jene schambehafteten Situationen durchleben, bei denen andere gedanklich schon weit vorher abbiegen würden, weil es zu peinlich wäre, könnte dies der richtige Weg hin zu einer erfolgreichen Kunst sein. Verarbeitet man in der Kunst etwas, bei dem man sich unwohl fühlt, dann kann dies eine Bestätigung dafür sein, dass man mit seinem Werk in eine neue aufregende Richtung geht.
Kreativität als Lebensfreude
Kreativität ist viel mehr als Kunst! Wir können von kreativen Menschen für die Gestaltung unseres Lebens lernen. Jeder Mensch ist kreativ! Nur wird Kreativität viel zu oft ausschließlich mit künstlerischem Schaffen gleichgesetzt. Dabei kann sich Kreativität genauso im Kochen, in Lösungsfindung oder der Gestaltung deines eigenen Lebens ausdrücken.
Die Voraussetzungen des kreativen Prozesses beim künstlerischen Schaffen ähneln dem Prozess, ein Leben zu kreieren, das dem wahren Selbst entspricht. Zur Bewältigung der Herausforderungen, vor denen sich die Menschheit sieht, braucht es jedes kreative Gehirn.
Lesen Sie auch: Einblick in das kreative Gehirn
Was wir von Anselm Pahnke lernen können
Anselm Pahnke ist Geophysiker, Ozeanograph, leidenschaftlicher Abenteurer und Filmemacher für YouTube, ARD und Netflix. Drei Jahre radelte er allein durch die Welt, davon allein in Afrika 414 Tage und 15.000 Kilometer durch 15 Länder. In dieser Zeit lernte er, das Unbekannte zu seinem Freund zu machen. Trotz vieler Entbehrungen und Rückschläge bewahrte Pahnke stets seine Zuversicht und entwickelte neue Strategien der Resilienz. In seinen Vorträgen erzählt er mit großer Leidenschaft von seinen einzigartigen Erlebnissen und macht Mut zum Umgang mit Wandel und Ungewissheit.
Pahnke begab sich nach seiner Abschlussarbeit auf eine Entdeckungsreise und fuhr drei Jahre lang alleine mit dem Fahrrad um die Welt. Während dieser Reise verbrachte er viel Zeit in völliger Einsamkeit und machte sich auf den Weg, um die tiefsten Motivationen und Grenzen des Menschen zu erkunden. Besonders in den Wüsten Afrikas sah er sich in extremen Situationen immer wieder mit seinen tiefsten Ängsten konfrontiert, und entdeckte gleichzeitig seine inneren Stärken. Die unzähligen Kilometer auf dem Fahrrad waren nicht nur eine physische Reise durch Afrika, sondern auch eine bedeutende innere Reise. Aus Angst und Unsicherheit entwickelte Pahnke eine tiefe Vertrautheit mit sich selbst sowie die Zuversicht, jedes nächste Ziel zu erreichen, ganz nach dem Motto: Mut ist wie Veränderung, nur früher.
Auch heute noch setzt sich der Abenteurer mutig ungewissen Situationen aus. Er beteiligt sich an neurowissenschaftlichen Studien, um die Gehirnaktivität und emotionale Reaktionen in extremen Veränderungsprozessen zu erforschen und Schlüsse auf menschliches Verhalten zu ziehen.
Pahnke möchte mit dem Teilen seiner Erlebnisse und Erkenntnisse in Filmen und Vorträgen Menschen ermutigen. Er lädt seine Zuhörer dazu ein, Unsicherheiten anzunehmen und Tugenden wie Willensstärke und Zuversicht zu entwickeln. Mit überzeugendem und inspirierendem Auftreten verdeutlicht er, dass große Vorhaben und Projekte nicht zwangsläufig bis ins kleinste Detail durchdacht werden müssen, insbesondere in Zeiten stetiger Veränderung. Er betont, dass Ideen und Visionen nur dann Wirkung entfalten können, wenn sie in die Tat umgesetzt und erlebt werden. Besonders bei der Entscheidungsfindung ist es essenziell, unsere Emotionen zu verstehen, da unser Verhalten maßgeblich von unserer emotionalen Reaktion auf bestimmte Reize beeinflusst wird. Nach seiner Rückkehr produzierte Pahnke zusammen mit einem kleinen Team einen Film aus seinen persönlichen Aufnahmen. Dieser Film zeigt die Kraft Afrikas, die intensiven Erlebnisse und die innere Entwicklung während seiner Reise. Mit 120.000 Besuchern wurde "Anderswo. Allein in Afrika" 2020 der meistgesehene deutschsprachige Dokumentarfilm in den Kinos und erhielt den Preis als beste Dokumentation.
15 Dokumentationen auf Netflix, die Kreativität fördern
Hier sind 15 Dokumentationen auf Netflix, die sich mit Themen und Persönlichkeiten aus Design, Kunst, Fotografie, Mode, Musik und mehr beschäftigen:
Lesen Sie auch: Studien zur kreativen Gehirnhälfte
- Minimalism: A Documentary about the important things: Die Dokumentation zeigt minimalistische Lebensweisen und einen Ausbruch aus der Konsumspirale.
- Maya Angelou: And Still I Rise: Eine Biographie über die berühmte Schriftstellerin, Sängerin, Tänzerin, Redakteurin und Journalistin Maya Angelou.
- Wer ist kreativ und warum?: Der Neurowissenschaftler David Eagleman beleuchtet, wie unsere Kreativität funktioniert.
- The B-Side: Elsa Dorfman’s Portrait Photography: Die Dokumentation über die amerikanische Portrait-Fotografin Elsa Dorfman, die vor allem für ihre Polaroid-artigen Bilder im Großformat bekannt ist.
- The American Meme: Die Dokumentation beleuchtet das Influencer-Dasein der heutigen Zeit und spricht mit Social Media Stars wie Paris Hilton und DJ Khaled.
- Banksy Does New York: Die Dokumentation über den Street Artist Banksy und seine einmonatige Show Better Out Than In in New York.
- Homecoming: Beyoncés Musikfilm und Doku zu ihrem legendären Coachella-Konzert.
- Jeremy Scott: The People’s Designer: Die Dokumentation über den Creative Director von Moschino, Jeremy Scott.
- They’ll Love Me When I’m Dead: Die Dokumentation über Orson Welles' letzten Film, The Other Side Of The Wind.
- Franca: Chaos and Creation: Die Dokumentation über die frühere Vogue Italia-Chefredakteurin Franca Sozzani.
- Ein amerikanischer Maler in Polen: Die Dokumentation über den polnischen Maler und Skulpturist.
- Brené Brown: The Call to Courage: Die Doku, die sich mit dem Thema Scham und wie dieser mit Mut zusammenhängt, auseinandersetzt.
- Restless Creature: Wendy Whelan: Die Dokumentation über die Ballerina Wendy Whelan am Ende ihrer Karriere als Tänzerin und nach einer Hüftoperation.
- The Search for Life in Space: Die IMAX-Dokumentation über die Voyager Mission.
Abstract - the Art of Design
Mit “Abstract - the art of design” hat Netflix 2017 seine erste eigene Dokumentationsserie veröffentlich. Ein Muss für Designfans, denn in zwei Staffeln mit 14 Folgen erhalten wir Einblicke in die Welt einiger der kreativsten Köpfe der Design-, Architektur- und Kunstszene.
Bjarke Ingels, Architekt: Die Dokumentation über den dänischen Architekten Bjarke Ingels, der bahnbrechende Gebäude auf der ganzen Welt konzipiert und dabei außergewöhnliches Design und Ökologie kombiniert.
Ilse Crawford, Innenarchitektin: Die Dokumentation beleuchtet die besondere Herangehensweise und Auseinandersetzung mit Innenarchitektur und Design, Materialien, Haptik und Kommunikation der britischen Innenarchitektin Ilse Crawford.
The World’s Most Extraordinary Homes
Pierce Taylor, Architekt, und Caroline Quentin, Schauspielerin, besuchen einzigartige Immobilien auf der ganzen Welt. Die BBC Serie umfasst vier Staffeln und zeigt beeindruckende Architektur in zahlreichen Ländern, die Hintergründe ihrer Entstehung und die Symbiose mit den Menschen, die diese Häuser bewohnen.
Landhaus aus Metall von RCR Architects in Nordspanien: 11 hohe Stahlkisten in Hanglage sind miteinander verbunden durch einen Korridor, der durch Bepflanzung von außen nicht sichtbar ist und so mit der Landschaft verschmilzt.
Hemeroscopium-Haus von Ensamble Studio bei Madrid: Das Wohnhaus wurde aus sieben Stahl- und Betongräbern konzipiert, die sich gegenseitig spiralförmig stützen.
Solo House 2 von Office KGDVS: Das Ferienhaus im Nordosten des Landes liegt abgelegen auf einem Berg wie eine Festung.
Haus der drei Schwestern von Blancafort-Reus Architecture: In dem Gemeinschaftsanwesen in der kargen Landschaft Süd-Ost-Spaniens leben drei Schwestern mit ihren Familien.
Weitere interessante Dokumentationen
Minimalismus: Weniger ist Jetzt: Die Doku beleuchtet die Philosophie des Minimalismus und ist ein Appell an die moderne Gesellschaft, ihr Konsumverhalten zu überdenken.
Das kreative Gehirn: Die Doku zeigt, in wie vielen Bereichen Kreativität auftritt und begleitet kreative Köpfe der heutigen Zeit. Sie zeigt, dass die Fähigkeit, sich die Dinge vorzustellen, wie sie sein könnten, die Menschen zu den unglaublichsten Ideen führt. Kreativität ist das Ergebnis eines ständigen Austausches Billionen von Sinneseindrücken, die das Gehirn in jeder Sekunde des Lebens verarbeitet und immer wieder neu miteinander verknüpft.
Kann man Kreativität lernen?
Kreativität ist genau das, was uns als Menschen ausmacht und uns von Tieren unterscheidet. Wir können unsere Instinkte überwinden und die Optionen durchdenken, bevor wir etwas tun. Wir haben die Kraft, uns die Welt vorzustellen, wie sie bisher noch nicht ist. Genau das ist der Motor, der dazu geführt hat, dass sich die Welt der Menschen über die Jahre so stark verändert hat.
Kreativität entsteht nie aus einem Vakuum heraus, sondern ist immer das Ergebnis des Brechens, Biegens und Mischens von bereits Bekanntem. Wer kreativ werden will, sollte also tunlichst nicht auf einen Geistesblitz oder den Kuss der Muse warten, sondern in die Welt hinausgehen und sich mit so viel Input umgeben wie möglich. Das heißt: sich mit dem, was schon da ist, auseinandersetzen. Anstatt das Konventionelle abzulehnen, sollte man damit spielen - erst dadurch entstehen Ideen, bei denen man aus etwas Gewöhnlichem etwas Außergewöhnliches schafft.
Es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass der kreative Teil unserer Existenz einen wesentlichen Einfluss darauf hat, wie zufrieden wir uns fühlen. Melancholie, Depression, Unwohlsein: Der Ursprung dessen liegt bei vielen Menschen auch im Mangel an kreativen Ausdrucksmöglichkeiten. Doch wenn es stimmt, dass Kreativität uns glücklicher macht, sollten wir schleunigst daran arbeiten, so kreativ zu werden wie möglich.
Drei einfache Tipps, um kreativer zu werden
- Etwas Neues ausprobieren: Unser Gehirn ist auf Effizienz ausgerichtet. Sobald es mit einem Problem konfrontiert wird, sucht es reflexartig nach der leichtesten und offensichtlichsten Lösung. Es greift auf bereits erlernte Verhaltensmuster zurück und geht den Weg des geringsten Widerstands. Kreativität entsteht nicht, indem man bereits Gelerntes adaptiert, sondern indem man sich mit neuen Gegebenheiten konfrontiert und bewusst seine Komfortzone verlässt.
- Grenzen überschreiten: Um eine Idee zu entwickeln, der andere Menschen folgen, muss man erstmal die Bandbreite seiner Möglichkeiten sondieren und dafür Grenzen überschreiten, die einem den Weg ans Ziel versperren.
- Versagen in Kauf nehmen: Sobald wir Angst davor haben, Fehler zu machen, sind wir gehemmt und blockieren damit die Kreativität. Dabei ist es doch so, dass den meisten großen Erfolgen vorher unzählige gescheiterte Versuche vorangingen.