Delir und Demenz: Unterschiede, Erkennung und Behandlung

Ein Delir und eine Demenz sind beides Zustände, die kognitive Beeinträchtigungen verursachen, aber sie unterscheiden sich in ihren Ursachen, ihrem Verlauf und ihrer Behandlung. Es ist wichtig, die Unterschiede zwischen Delir und Demenz zu verstehen, um eine angemessene Versorgung und Unterstützung für ältere Menschen zu gewährleisten. Dieser Artikel soll die Unterschiede aufzeigen, die Erkennung erleichtern und Behandlungsansätze erläutern.

Was ist ein Delir?

Als Delir wird eine akute, vorübergehende, meist reversible fluktuierende Störung der Aufmerksamkeit, der Kognition und des Bewusstseinsniveaus bezeichnet. Es handelt sich um ein unspezifisches, hirnorganisches Syndrom, welchem eine körperliche Ursache zugrunde liegt. Das Delir entwickelt sich akut. Früher wurde ein Delir auch als „akute Verwirrtheit“ oder „Durchgangssyndrom“ bezeichnet.

Ursachen und Risikofaktoren eines Delirs

Ein Delir kann verschiedene Ursachen haben. Es wird in der Regel durch ein zugrundeliegendes medizinisches Problem verursacht, wie z.B. Infektionen, Schmerzen, psychische und körperliche Belastungen, zum Beispiel bei Operationen. Besonders häufig sind Nebenwirkungen von Medikamenten die Ursache, insbesondere die Polypharmazie stellt in diesem Zusammenhang wegen kaum überschaubarer Interaktionen ein Risiko dar.

Weitere Risikofaktoren für ein Delir sind:

  • Hohes Alter (ab ca. 70 Jahren)
  • Schwere Erkrankung
  • Demenz
  • Gebrechlichkeit
  • Gleichzeitige Einnahme mehrerer Arzneimittel (Polypharmazie)
  • Neue oder abgesetzte Medikamente
  • Alkoholmissbrauch
  • Niereninsuffizienz
  • Chirurgische Eingriffe
  • Infektionen
  • Flüssigkeitsmangel
  • Sehstörungen
  • Schwerhörigkeit
  • Akuter Schmerz
  • Psychische Erkrankungen
  • Eingeschränkte Mobilität
  • Krankheits- bzw. Entzug (z.B. Alkohol)
  • Situations- bzw. Umgebungswechsel

Je mehr Risikofaktoren ein Mensch hat, umso weniger Auslösefaktoren braucht es, um ein Delir zu entwickeln. Nüchternheit ist beispielsweise ein Auslösefaktor, den wir ganz einfach beheben können. An Hilfsmittel wie Brille und Hörgeräte zu denken, ist essentiell in der Delir Prophylaxe und auch in der Therapie.

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Symptome eines Delirs

Die Symptome eines Delirs entwickeln sich akut, also rasch, über Stunden bzw. Tage. Die Symptome sind die direkte Folge körperlicher Störungen oder medizinischer Eingriffe (z.B. Infektion, Operation) in Kombination mit begünstigenden Faktoren (z.B. Krankenhausaufenthalt, Umgebungswechsel).

Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Akute Verwirrtheit
  • Desorientiertheit (räumlich und zeitlich)
  • Halluzinationen (Betroffene sehen Dinge, die nicht da sind, oder hören Geräusche, die nicht real sind)
  • Wahnvorstellungen
  • Verändertes Bewusstsein
  • Motorische Unruhe oder Apathie
  • Übereifrig, unruhig, aggressiv
  • Apathisch, schläfrig
  • Ablehnend oder sehr anhänglich
  • Schlaflosigkeit
  • Tag-Nacht-Rhythmus ist verschoben
  • Wahrnehmungsstörungen: Geräusche werden eine völlig andere Bedeutung zugeschrieben
  • Psychotische Symptome
  • Vegetative Entgleisung

Es ist wichtig zu beachten, dass die Symptome eines Delirs im Laufe des Tages schwanken können, mit Phasen der Klarheit, gefolgt von plötzlicher Verwirrung.

Formen des Delirs

Es gibt verschiedene Formen des Delirs:

  • Hyperaktives Delir: Gekennzeichnet durch Unruhe, Agitation, Halluzinationen und manchmal Aggressivität.
  • Hypoaktives Delir: Gekennzeichnet durch Apathie, Schläfrigkeit, verminderte Aktivität und Rückzug. Diese Form wird oft übersehen, da die Patienten nicht offensichtlich auffällig sind.
  • Mischform: Hier wechseln sich hypoaktives und hyperaktives Delir ab. Diese Form tritt bei circa 65 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Delir auf.

Diagnose eines Delirs

Die Diagnose eines Delirs wird klinisch gestellt. Dabei werden die Patient:innen mittels einfacher Aufgaben (Nachsprechen, Zahlen vorwärts oder rückwärts wiedergeben, etc.) auf ihre Aufmerksamkeit überprüft. Laut dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5th Edition (DSM-5) muss eine Störung der Aufmerksamkeit und eine kurzfristige Entwicklung oder Schwankung dieser vorliegen. Der zugrundeliegenden CAM (Confusion Assessment Method) muss des Weiteren eine Denkstörung oder Bewusstseinsveränderungen vorliegen, damit ein Delir vorliegen kann.

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Es gibt verschiedene Screening-Instrumente, die im täglichen Pflegealltag eingesetzt werden können, um einen Handlungsbedarf zur Delir-Prävention und Delir-Behandlung zu erkennen:

  • Confusion Assessment Method (CAM)
  • Nursing Delirium Screening Scale (Nu-DESC)
  • Delirium Observation Scale (DOS)

Zudem werden Labortests und üblicherweise Bildgebungsverfahren zur Ursachenklärung durchgeführt.

Behandlung eines Delirs

Die Behandlung eines Delirs zielt darauf ab, die zugrunde liegende Ursache zu identifizieren und zu behandeln. Die Therapie des Delirs erfolgt symptomorientiert. Dabei sollte zuerst der Auslöser des Delirs gesucht und behandelt werden, z.B. Flüssigkeitsmangel.

Die Behandlung besteht aus zwei Säulen, der medikamentösen und der nicht-medikamentösen Behandlung. Ein vorhandenes Delir sollte vor allem mit symptomorientierenden und nicht-medikamentösen Maßnahmen durch das multiprofessionelle Team (Pflege, Therapeut:innen, Ärzt:innen etc.) behandelt werden, um eine zügige Re-Orientierung zu ermöglichen.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen umfassen:

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  • Re-Orientierung: Hilfestellung bei der Reorientierung sowohl im Gespräch als auch durch Hilfsmittel wie Uhren, Kalender, Hör- und Sehhilfen.
  • Sicherstellung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr: Kontinuierliche Flüssigkeitszufuhr.
  • Frühe Mobilisierung: Längere Bettphasen tagsüber vermeiden. Keine Bewegungsübungen oder -spiele können hier schon eine große Wirkung zeigen!
  • Aufrechterhaltung der Kommunikation: Geben Sie den Patient:innen das Gefühl, wertvolle und gleichwertige Gesprächspartner zu sein. Nehmen Sie die Ängste der Patient:innen ernst. Delir kann Halluzinationen verursachen. Wenn der/die Patient:in sich mit seinen/ihren Ängsten alleine gelassen fühlt, kann dies seinen/ihren Zustand verschlechtern.
  • Vermitteln von Vertrautheit und Sicherheit: Einsatz geeigneter Hilfsmittel. Platzieren Sie persönliche Gegenstände wie Familienfotos oder Andenken im Zimmer der Patient:innen. Diese Erinnerungen an zu Hause können Trost spenden und helfen, Klarheit und Orientierung zu gewinnen.
  • Maßnahmen, die dem Erhalt des Schlaf-Wach-Rhythmus dienen: Versuchen Sie, den Patient:innen einen geregelten Alltag für ermöglichen. Neben dem Essen können auch Aktivitäten zu geregelten Uhrzeiten dazu beitragen, den Tagesrhythmus der Patient:innen aufrecht zu erhalten, an dem diese ihre (zeitliche) Orientierung aufrecht erhalten können.
  • Elemente basaler Stimulation
  • Einbindung der Angehörigen: An- und Zugehörige können z.B. mit vertrauten Gegenständen dazu beitragen, eine ruhige Atmosphäre zu schaffen, etwa beim Umzug in eine Pflegeeinrichtung. Sie können außerdem begleiten und unterstützen, z.B. bei den Mahlzeiten oder mit kognitiven Übungen. Auch bei der Mobilisation oder ggf. bei der Körperpflege können sie unterstützen.
  • Gezielte Aktivierung und je nach Bedarf Reizreduktion (Lärm und Licht)
  • Schaffung einer ruhigen Umgebung: Laute und störende Geräusche (wie z.B. Alarme/Wecker oder Fernseher) sollten möglichst vermieden werden, da diese als störend oder erschreckend wahrgenommen werden können. Auch Nebengespräche können von den Patient:innen negativ aufgefasst werden.

Eine weitere notwendige medikamentöse Therapie, z.B. mit niedrigdosierten Neuroleptika, kann unterstützend eingesetzt werden. Häufig werden Haloperidol oder Risperidon eingesetzt bei Eigen- und Fremdgefährdung. Ein adäquates Schmerzmanagement sollte auch hier zudem selbstverständlich sein.

Prävention eines Delirs

Um die erheblichen Kurz- und Langzeitfolgen für die betroffenen Menschen zu reduzieren, gewinnt die Prävention eines Delirs immer mehr an Bedeutung.

Wichtige Maßnahmen zur Prävention sind:

  • Frühzeitige Erkennung von Risikopatienten: Gelingen kann das durch eine sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte im Vorfeld der stationären Aufnahme.
  • Detailliert geplante Operationen mit möglichst geringer Narkosebelastung
  • Aktive Vorsorge: Delir-Prophylaxe wie das Tragen der eigenen Kleidung, Mobilisation und ausreichend Flüssigkeitszufuhr können wir einfach umsetzen.
  • Einbezug der Angehörigen: An- und Zugehörige können z.B. mit vertrauten Gegenständen dazu beitragen, eine ruhige Atmosphäre zu schaffen, etwa beim Umzug in eine Pflegeeinrichtung.
  • Einsatz geeigneter Hilfsmittel: An Hilfsmittel wie Brille und Hörgeräte zu denken, ist essentiell in der Delir Prophylaxe und auch in der Therapie.

Folgen eines unbehandelten Delirs

Wenn keine Maßnahmen gegen ein Delir getroffen werden, dann verschlechtert sich die Situation für die Betroffenen. Untersuchungen gehen davon aus, dass die Ein-Jahres-Überlebensrate je Delirtag um zehn Prozent sinkt. Wird ein Delir nicht umgehend behandelt, verschlechtert sich der Allgemeinzustand und die Gefahr von Komplikationen, zum Beispiel Sturz, steigt. Gegebenenfalls müssen Betroffene sogar in einer Langzeit-Pflegeeinrichtung untergebracht werden, da sie sich zu Hause nicht mehr selbst versorgen können.

Was ist Demenz?

Die Demenz betrifft vor allem das Gedächtnis und kognitive Funktionen und wird durch anatomische Veränderungen im Gehirn ausgelöst. Eine Demenz schreitet meist langsam voran und ist irreversibel. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz. Sie ist gekennzeichnet durch eine langsame Abnahme des Gedächtnisses, des Urteilsvermögens und der Denkfähigkeit.

Ursachen und Risikofaktoren einer Demenz

Bei der Erkrankung kommt es zu einer allmählichen und oft dauerhaften Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten. Zu den häufigsten Formen gehören die Alzheimer-Krankheit, vaskuläre Demenz, Demenz mit Lewy-Körperchen und frontotemporale Demenz.

Risikofaktoren zur Entwicklung einer Demenz sind:

  • Hohes Alter
  • Genetische Veranlagung
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Diabetes
  • Depressionen
  • Unzureichende geistige Aktivität

Symptome einer Demenz

Zu den Symptomen gehören häufig Gedächtnisverlust, Kommunikationsschwierigkeiten und Persönlichkeitsveränderungen. Betroffene leiden unter langfristigem Gedächtnisverlust. Es kommt häufig auch zu einer Veränderung der Persönlichkeit und sie sind zunehmend nicht mehr urteilsfähig. Die Symptome einer Demenz entwickeln sich langsam und fortschreitend.

Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Gedächtnisverlust
  • Sprachprobleme (Wortfindungsstörungen)
  • Schwierigkeiten bei der Planung und Organisation
  • Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens
  • Probleme bei der Orientierung
  • Beeinträchtigung des Urteilsvermögens

Diagnose einer Demenz

Die Diagnose einer Demenz wird in der Regel durch eine Kombination aus Anamnese, neurologischer Untersuchung, neuropsychologischen Tests und bildgebenden Verfahren gestellt.

Behandlung einer Demenz

Es gibt keine Heilung für Demenz, aber es gibt Behandlungen, die helfen können, die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.

Die Behandlung umfasst:

  • Medikamente zur Verbesserung der kognitiven Funktion
  • Therapien zur Verbesserung der Lebensqualität (z.B. Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie)
  • Unterstützung für die Angehörigen

Delir vs. Demenz: Die wichtigsten Unterschiede

Obwohl sich beide Erkrankungen ähnlich äußern können, hilft das Wissen um die wichtigsten Unterschiede den Pflegekräften, angemessen zu handeln und sicherzustellen, dass die Patienten die beste Behandlung erhalten.

Hier ist eine Tabelle, die die wichtigsten Unterschiede zwischen Delir und Demenz zusammenfasst:

MerkmalDelirDemenz
BeginnPlötzlich, klarer AnfangspunktLangsam, undefinierter Anfangspunkt
UrsacheAndere Störung oder Infektion, aber auch Folgen durch z.B. OperationenChronische Erkrankung des Gehirns
VerlaufBis zu mehreren Monaten, allerdings auch länger möglichIrreversible, langsam fortschreitend
ReversibilitätIm Normalfall reversibelIrreversibel
AufmerksamkeitVon Beginn an stark beeinträchtigtErst bei schwerer(er) Demenz beeinträchtigt
BewusstseinVariiert, oft aber stark beeinträchtigtErst bei schwerer(er) Demenz beeinträchtigt
SpracheLangsam und inkohärentWortfindungsstörungen
Dringlichkeit eines ArztesBeschleunigt den GenesungsprozessVerlangsamt den Verlauf, kann die Krankheit aber nicht aufhalten
ArztbesuchDringend erforderlichEmpfehlenswert, da der Fortschritt der Krankheit verlangsamt wird
Weitere MerkmaleSymptome können im Laufe des Tages schwanken, Halluzinationen und Wahnvorstellungen sind häufigGedächtnisverlust ist das Hauptsymptom, Persönlichkeitsveränderungen sind häufig

Es ist wichtig zu beachten, dass ein Delir bei Menschen mit Demenz auftreten kann (DSD - "delir superimposed on dementia", demenzüberlagerndes Delir). Laut MSD tritt dies bei bis zu 49% der Patient:innen auf.

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