Delir bei Demenz: Symptome, Ursachen, Behandlung

Ein Delir ist eine akute Verwirrtheit, die insbesondere bei älteren Menschen mit Demenz auftreten kann. Es handelt sich um eine ernstzunehmende Komplikation, die schnell erkannt und behandelt werden muss, um langfristige Folgen zu minimieren.

Was ist ein Delir?

Definition

Ein Delir ist eine akute organische Störung des Gehirns, die sich durch Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizite sowie Gedächtnis- und Wahrnehmungsstörungen äußert. Die Symptome treten plötzlich auf und können im Tagesverlauf stark schwanken. Oftmals liegt eine körperliche Ursache oder ein Auslöser zugrunde.

Delir vs. Demenz

Es ist wichtig, ein Delir von einer Demenz zu unterscheiden:

  • Delir: Plötzlicher Beginn, schwankender Verlauf, vorübergehende Störung
  • Demenz: Langsamer, fortschreitender Verlust kognitiver Fähigkeiten, dauerhafte Beeinträchtigung

Ein Delir kann jedoch bei Menschen mit Demenz auftreten (Delirium superimposed on dementia, DSD) und die Symptome der Demenz verschlimmern.

Symptome eines Delirs

Die Symptome eines Delirs sind vielfältig und können sich im Tagesverlauf verändern. Typische Anzeichen sind:

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  • Verwirrtheit: Desorientiertheit bezüglich Ort, Zeit und Person
  • Aufmerksamkeitsstörungen: Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit zu fokussieren oder aufrechtzuerhalten
  • Gedächtnisprobleme: Vor allem das Kurzzeitgedächtnis ist betroffen
  • Wahrnehmungsstörungen: Halluzinationen (Sehen, Hören, Riechen von Dingen, die nicht da sind), Illusionen (Fehlinterpretationen realer Reize)
  • Psychomotorische Veränderungen: Unruhe, Agitation, Nesteln (hyperaktives Delir) oder Apathie, verlangsamte Reaktionen (hypoaktives Delir)
  • Stimmungsschwankungen: Angst, Reizbarkeit, Depression
  • Schlafstörungen: Gestörter Tag-Nacht-Rhythmus, Schlaflosigkeit, Alpträume
  • Sprachstörungen: Zerstreute, sprunghafte Gesprächsführung, Schwierigkeiten, sich auszudrücken

Ursachen und Risikofaktoren

Ein Delir kann durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden. Oftmals wirken mehrere Ursachen zusammen.

Häufige Ursachen

  • Medikamente: Insbesondere Schmerzmittel (Opioide), Beruhigungsmittel, Narkosemittel, Psychopharmaka und Polypharmazie (gleichzeitige Einnahme mehrerer Medikamente)
  • Infektionen: Lungenentzündung, Harnwegsinfekt, Sepsis
  • Stoffwechselstörungen: Dehydration, niedriger Blutzucker, Elektrolytstörungen
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Herzinfarkt, Schlaganfall
  • Neurologische Erkrankungen: Demenz, Schlaganfall, Tumoren oder Metastasen im Gehirn
  • Operationen: Insbesondere bei älteren Menschen
  • Entzugssyndrom: Plötzliches Absetzen von Alkohol, Beruhigungsmitteln oder Opioiden

Risikofaktoren

  • Hohes Alter: Insbesondere ab 80 Jahren
  • Demenz: Vorbestehende kognitive Einschränkungen
  • Schwere körperliche Erkrankungen: Krebs, Organversagen
  • Reduzierter Allgemeinzustand: Unterernährung, Gebrechlichkeit
  • Suchterkrankungen: Alkoholmissbrauch
  • Hör- oder Sehstörungen
  • Veränderte Umgebung: Krankenhausaufenthalt, Umzug, neue Bezugspersonen
  • Schlafstörungen
  • Schmerzen
  • Eingeschränkte Mobilität: Verlust der Mobilität, Fixierungen

Diagnose

Die Diagnose eines Delirs basiert in erster Linie auf der Erhebung der Symptome und der Anamnese. Wichtig ist die Abgrenzung zu anderen Erkrankungen wie Demenz oder Depression.

Untersuchungen

  • Körperliche Untersuchung: Um mögliche körperliche Ursachen zu identifizieren
  • Neurologische Untersuchung: Zur Beurteilung der Hirnfunktion
  • Psychiatrische Untersuchung: Um andere psychische Erkrankungen auszuschließen
  • Laboruntersuchungen: Blutbild, Elektrolyte, Blutzucker, Entzündungswerte, Leber- und Nierenwerte, Urinanalyse
  • EKG: Zum Ausschluss von Herzrhythmusstörungen
  • Bildgebende Verfahren: CT oder MRT des Gehirns (in bestimmten Fällen)

Screening-Instrumente

Zur frühzeitigen Erkennung eines Delirs werden verschiedene Screening-Instrumente eingesetzt, wie z.B.:

  • Confusion Assessment Method (CAM)
  • 3D-CAM
  • Delirium Observation Scale (DOS)
  • 4AT-Tool (assessment test for delirium & cognitive impairment)
  • Richmond Agitation Sedation Scale (RASS)

Behandlung

Die Behandlung eines Delirs zielt darauf ab, die zugrunde liegende Ursache zu beseitigen, die Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

Nicht-medikamentöse Maßnahmen spielen eine zentrale Rolle in der Delirbehandlung, insbesondere bei Menschen mit Demenz.

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  • Behandlung der Grunderkrankung: Infektionen behandeln, Stoffwechselstörungen ausgleichen, Medikamente überprüfen und anpassen
  • Optimierung der Umgebung:
    • Sicherstellen einer ruhigen, reizarmen Umgebung
    • Gute Beleuchtung, um die Orientierung zu erleichtern
    • Vertraute Gegenstände (Fotos, Decke)
    • Kalender und Uhr zur Orientierung
    • Vermeidung von Ortswechseln
  • Förderung der Orientierung:
    • Regelmäßige Ansprache mit Namen
    • Erklärung der Situation und des Ablaufs
    • Klare und einfache Kommunikation
    • Vermeidung von Fachjargon
  • Sicherstellung der Grundbedürfnisse:
    • Ausreichende Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr
    • Regelmäßige Toilettengänge
    • Schmerztherapie
    • Gute Schlafhygiene (feste Schlafzeiten, ruhige Schlafumgebung)
  • Mobilisierung: Förderung der körperlichen Aktivität, um die Durchblutung zu verbessern und Komplikationen vorzubeugen
  • Einbeziehung von Angehörigen:
    • Informationen über das Krankheitsbild und delirpräventive Maßnahmen
    • Emotionale Unterstützung und Beruhigung
    • Praktische Hilfe bei der Orientierung und Versorgung

Medikamentöse Behandlung

Eine medikamentöse Behandlung ist in der Regel nur bei starken Unruhezuständen, Agitation oder Halluzinationen erforderlich.

  • Neuroleptika: Z.B. Haloperidol (niedrig dosiert) zur Beruhigung undReduktion von Halluzinationen
  • Benzodiazepine: Nur in Ausnahmefällen, da sie das Delir verschlimmern können

Die Medikamente sollten nur kurzzeitig und in möglichst niedriger Dosierung eingesetzt werden, um Nebenwirkungen zu vermeiden.

Prävention

Besonders bei älteren Menschen und Demenzkranken ist die Vorbeugung eines Delirs von großer Bedeutung.

Allgemeine Maßnahmen

  • Frühzeitige Erkennung und Behandlung von Risikofaktoren: Infektionen, Stoffwechselstörungen, Medikamentenwirkungen
  • Optimierung der Medikamenteneinnahme: Vermeidung von Polypharmazie, Überprüfung der Notwendigkeit und Dosierung von Medikamenten
  • Sicherstellung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr: 1,5 bis 2 Liter pro Tag
  • Gesunde Ernährung: Reich an Vitaminen und Mineralstoffen
  • Regelmäßige körperliche Aktivität: Mindestens 150 Minuten moderate Aktivität pro Woche
  • Gute Schlafhygiene: Feste Schlafzeiten, ruhige Schlafumgebung
  • Kognitive Stimulation: Lesen, Rätsel lösen, Gedächtnistraining
  • Soziale Kontakte: Treffen mit Familie und Freunden, Teilnahme an Gruppenaktivitäten
  • Regelmäßige medizinische Check-ups: Frühzeitige Erkennung und Behandlung von Erkrankungen

Spezielle Maßnahmen im Krankenhaus

  • Delirpräventionsprogramme: Z.B. das Hospital Elder Life Program (HELP)
  • Standardisiertes Delirscreening: Bei allen Patienten über 70 Jahren bei Aufnahme
  • Schulung des Personals: Sensibilisierung für die Symptome und Risikofaktoren eines Delirs
  • Multiprofessionelle Zusammenarbeit: Ärzte, Pflegekräfte, Therapeuten, Angehörige

Delirium Superimposed on Dementia (DSD)

Ein Delir, das bei Menschen mit Demenz auftritt, wird als Delirium superimposed on dementia (DSD) bezeichnet. Es stellt eine besondere Herausforderung dar, da die Symptome der Demenz die Erkennung eines Delirs erschweren können.

Diagnostik

Zur Diagnose von DSD werden die gleichen Instrumente wie bei einem Delir ohne Demenz eingesetzt. Zusätzlich ist eine sorgfältige Anamnese und Beobachtung des Patienten erforderlich, um Veränderungen im Verhalten und im kognitiven Zustand festzustellen.

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Therapie

Die Therapie von DSD umfasst die gleichen Maßnahmen wie bei einem Delir ohne Demenz. Zusätzlich ist es wichtig, die Demenz zu berücksichtigen und die Behandlung entsprechend anzupassen.

Langzeitfolgen

Ein Delir kann schwerwiegende Folgen haben, insbesondere bei älteren Menschen und Demenzkranken.

  • Erhöhte Morbidität und Mortalität
  • Längere Krankenhausaufenthalte
  • Erhöhter Pflegebedarf
  • Beschleunigter kognitiver Abbau
  • Erhöhtes Risiko für Demenz
  • Psychische Belastung für Patienten und Angehörige

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