Delir bei Demenz: Ursachen, Behandlung und Prävention

Ältere Menschen, insbesondere ab 65 Jahren, die im Krankenhaus behandelt werden, zeigen häufig kognitive Probleme, wobei Demenz- oder Delir-Syndrome überwiegen. Das Delir ist dabei mit kurzfristigen Komplikationen verbunden und erhöht zusätzlich das Risiko für ein früheres Versterben oder eine Pflegebedürftigkeit. Umso wichtiger ist es, dass medizinisches Personal kognitive Beeinträchtigungen frühzeitig erkennt und in der weiteren Behandlung angemessen berücksichtigt.

Einführung

Das Delir, oft auch als akute Verwirrtheit bezeichnet, ist ein Zustand, der sich plötzlich entwickelt und durch Störungen des Bewusstseins, der Aufmerksamkeit, des Denkens und der Wahrnehmung gekennzeichnet ist. Es kann bei Menschen mit und ohne Demenz auftreten, stellt aber insbesondere für demenziell erkrankte Personen ein erhebliches Problem dar. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Delir bei Demenz und gibt Empfehlungen zur Prävention.

Definition und Abgrenzung

Der Begriff Delir (lateinisch: "delirare" = wahnsinnig sein) beschreibt einen Verwirrtheitszustand, der auch unter Begriffen wie "akutes organisches Psychosyndrom" oder "Durchgangssyndrom" bekannt ist. Es ist wichtig, ein Delir von einer Demenz abzugrenzen, obwohl beide Zustände gleichzeitig auftreten können. Im Gegensatz zur Demenz, die sich langsam entwickelt, tritt ein Delir plötzlich auf - oft innerhalb von Stunden - und fluktuiert im Tagesverlauf.

Formen des Delirs

Es werden verschiedene Formen des Delirs unterschieden:

  • Hyperaktives Delir: Gekennzeichnet durch Ruhelosigkeit, gesteigerte Motorik, auffälliges Verhalten und vegetative Entgleisungen sowie ungeduldige und teilweise aggressive Reaktionen.
  • Hypoaktives Delir: Äußert sich durch Verlangsamung, reduzierte Aktivität, Teilnahmslosigkeit und ein ruhiges, apathisches Erscheinungsbild. Diese Form wird oft übersehen.
  • Mischform: Eine Kombination aus hyperaktiven und hypoaktiven Symptomen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen für ein Delir können vielfältig sein und sowohl in der Person selbst liegen als auch durch äußere Ereignisse ausgelöst werden.

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Personengebundene Risikofaktoren

  • Hohes Alter
  • Vorherbestehende Kognitionsdefizite (z. B. Demenz)
  • Kardiologische Vorerkrankungen
  • Sensorische Defizite (fehlende Brille/Hörgerät)
  • Substanzentzug (Alkohol, Medikamente)
  • Schwere Erkrankungen
  • Gebrechlichkeit
  • Gleichzeitige Einnahme mehrerer Arzneimittel (Polypharmazie)
  • Niereninsuffizienz

Auslösende Faktoren

  • Verletzungen
  • Operationen/Narkose
  • Entzündungen/Infektionen
  • Medikamente (insbesondere Tranquilizer und anticholinerge Substanzen)
  • Reizüberflutung (Lärm, viele Menschen)
  • Schlafentzug
  • Akute Stoffwechselstörungen (z.B. Dehydratation, Elektrolytstörungen, Hyperkalzämie)
  • Akute metabolische Entgleisungen
  • Neue oder abgesetzte Medikamente
  • Chirurgische Eingriffe
  • Flüssigkeitsmangel
  • Akuter Schmerz
  • Katheter
  • Diagnostische Eingriffe
  • Psychosozialer Stress
  • Fixierungen
  • Raum- und Personalwechsel
  • Postoperative Verläufe mit Komplikationen
  • Jedes neue iatrogene Ereignis (neue Druckgeschwüre, Katheterkomplikationen)

Pathophysiologie

Die Pathophysiologie des Delirs ist komplex und noch nicht vollständig verstanden. Es wird angenommen, dass ein Ungleichgewicht von Neurotransmittern im Gehirn eine zentrale Rolle spielt. Insbesondere ein cholinerges Defizit und eine dopaminerge Überaktivität scheinen beteiligt zu sein. Entzündliche Prozesse und Stressreaktionen können ebenfalls zur Entstehung eines Delirs beitragen.

Symptome und Diagnose

Die Diagnose eines Delirs basiert auf der Symptomatik. Zu den Kardinalsymptomen gehören:

  • Kognitive Störung
  • Orientierungsstörung (örtlich, zeitlich, situativ)
  • Aufmerksamkeitsstörung
  • Bewusstseinsstörung
  • Fluktuierender Verlauf (die Symptome variieren im Tagesverlauf)
  • Akuter Beginn (Entwicklung über Stunden oder Tage)
  • Wahrnehmungsstörungen (Halluzinationen, Illusionen)
  • Gestörter Tag-Nacht-Rhythmus
  • Psychomotorische Störungen (Unruhe oder Verlangsamung)

Diagnostische Instrumente

Zur Diagnose eines Delirs stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, darunter:

  • Confusion Assessment Method (CAM): Ein weit verbreitetes Screening-Instrument mit hoher Sensitivität und Spezifität.
  • CAM-ICU: Eine Version der CAM, die speziell für die Intensivmedizin entwickelt wurde.
  • Delirium Observation Scale (DOS): Basiert auf den Kriterien des DSM-5.
  • 4AT-Tool: Ein Instrument zur Beurteilung von Wachheit, Orientierung, Aufmerksamkeit und fluktuierender Symptomatik.
  • Richmond Agitation Sedation Scale (RASS): Eine Skala zur Beurteilung der Sedierung, des Bewusstseins und der Erregung.
  • Mini-Mental-Status Examination (MMSE) und Uhrentest: Diese psychometrischen Tests haben zwar in der Diagnostik des Delirs keinen direkten Stellenwert, erlauben aber eine ergänzende Aussage über die Schwere der kognitiven Ausfälle.

Differenzialdiagnose

Es ist wichtig, ein Delir von anderen Erkrankungen abzugrenzen, insbesondere von Demenz, Depression und psychischen Störungen. Vor allem bei älteren Menschen können Mischbilder von Delir und Demenz auftreten, was die Diagnose erschwert.

Behandlung

Die Behandlung eines Delirs umfasst sowohl nicht-pharmakologische als auch pharmakologische Maßnahmen.

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Nicht-pharmakologische Maßnahmen

Nicht-pharmakologische Maßnahmen sind die Basis der Delirbehandlung und zielen darauf ab, die Ursachen zu beseitigen, die Symptome zu lindern und die Orientierung und Sicherheit des Patienten zu fördern.

  • Behandlung der Grunderkrankung: Identifizierung und Behandlung der auslösenden Ursache (z. B. Infektion, Stoffwechselstörung).
  • Optimierung der Umgebung:
    • Sicherstellung einer ruhigen und reizarmen Umgebung
    • Gute Beleuchtung, um die Orientierung zu erleichtern
    • Vertraute Gegenstände und Fotos
    • Uhr und Kalender zur Realitätsorientierung
    • Reduktion von Lärm und unnötigen Störungen
  • Förderung der Orientierung:
    • Regelmäßige Ansprache und Erklärung der Situation
    • Klare und einfache Kommunikation
    • Förderung des Tag-Nacht-Rhythmus
  • Kognitive Stimulation:
    • Gespräche über aktuelle Ereignisse oder persönliche Erinnerungen
    • Vorlesen oder gemeinsames Betrachten von Fotos
    • Beschäftigung mit einfachen Spielen oder Rätseln
  • Frühmobilisation:
    • Förderung der körperlichen Aktivität, um die Durchblutung und den Stoffwechsel anzuregen
    • Vermeidung von Bettlägerigkeit
  • Schmerzmanagement:
    • Angemessene Schmerzlinderung, um Unruhe und Verwirrtheit zu reduzieren
  • Ernährung und Flüssigkeitszufuhr:
    • Sicherstellung einer ausreichenden und ausgewogenen Ernährung
    • Regelmäßige Flüssigkeitszufuhr, um Dehydration zu vermeiden
  • Schlafhygiene:
    • Förderung eines gesunden Schlafs durch feste Schlafenszeiten und eine ruhige Schlafumgebung
  • Einbeziehung von Angehörigen:
    • Angehörige können eine wichtige Rolle bei der Re-Orientierung und Beruhigung des Patienten spielen
    • Sie können vertraute Informationen und Erinnerungen einbringen
    • Rooming-in (Unterbringung im Patientenzimmer) kann die Sicherheit und das Wohlbefinden des Patienten erhöhen
  • Sehhilfen aufsetzen und/oder Hörhilfen einsetzen
  • Aromatherapie
  • Beruhigende Musik
  • Lichtanpassung
  • Lärmreduktion

Pharmakologische Maßnahmen

Pharmakologische Maßnahmen sollten nur in Ausnahmefällen und unter strenger Indikationsstellung eingesetzt werden, wenn nicht-pharmakologische Maßnahmen nicht ausreichend wirksam sind oder eine akute Gefährdung besteht.

  • Neuroleptika: Können zur Beruhigung bei starker Unruhe und Agitation eingesetzt werden. Allerdings ist Vorsicht geboten, da sie Nebenwirkungen wie Sedierung, extrapyramidale Symptome und ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle haben können.
  • Melatonin: Kann bei Schlafstörungen hilfreich sein.
  • Andere Medikamente: In bestimmten Fällen können andere Medikamente erforderlich sein, z. B. Antibiotika bei Infektionen oder Antikonvulsiva bei epileptischen Anfällen.

Multimodale Programme

Aufgrund der vielfältigen Ursachen und Symptome des Delirs haben sich multimodale Programme bewährt, die verschiedene Ansätze kombinieren. Diese Programme umfassen in der Regel:

  • Ein systematisches Screening auf Risikofaktoren und frühe Anzeichen eines Delirs
  • Individuelle Anpassung der Behandlung an die Bedürfnisse des Patienten
  • Schulung des medizinischen Personals im Umgang mit Delirpatienten
  • Einbeziehung von Angehörigen und anderen Bezugspersonen

Prävention

Die Prävention eines Delirs ist von großer Bedeutung, insbesondere bei Risikopatienten.

Allgemeine Präventionsmaßnahmen

  • Regelmäßige medizinische Check-ups: Frühzeitige Erkennung und Behandlung von Erkrankungen.
  • Überprüfung der Medikamentenliste: Vermeidung von Polypharmazie und delirogenen Medikamenten.
  • Angemessene Flüssigkeitszufuhr: Vermeidung von Dehydration.
  • Ausgewogene Ernährung: Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen.
  • Kognitive Stimulation: Förderung der geistigen Aktivität.
  • Körperliche Aktivität: Verbesserung der Durchblutung und des Stoffwechsels.
  • Gesunder Schlaf-Wach-Rhythmus: Feste Schlafenszeiten und eine ruhige Schlafumgebung.
  • Soziale Kontakte: Teilnahme an Gruppenaktivitäten oder ehrenamtliches Engagement.
  • Vermeidung von Alkoholmissbrauch:

Spezielle Maßnahmen für Risikopatienten

  • Delir-Screening bei Krankenhausaufnahme: Identifizierung von Risikopatienten, insbesondere älteren Menschen.
  • Individuelle Anpassung der Behandlung: Berücksichtigung der Risikofaktoren und Vorerkrankungen des Patienten.
  • Schulung des Personals: Sensibilisierung für die Problematik des Delirs und Vermittlung von Kompetenzen im Umgang mit Delirpatienten.

Empfehlungen der Fachgesellschaften

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und weitere Fachgesellschaften haben Empfehlungen für ein systematisches Demenz- und Delir-Screening sowie das Delir-Management in Krankenhäusern erarbeitet. Diese Empfehlungen umfassen:

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  • Ein strukturiertes Vorgehen zur Erkennung von Risikoprofilen im Alter, kognitiven Störungen und Delirs
  • Konzepte zur Delir-Prävention und zum Delir-Management
  • Eine umfassende Übersicht verschiedener Instrumente für Screenings

Kosten des Delirs

Das Delir ist nicht nur eine Belastung für die Betroffenen und ihre Angehörigen, sondern auch ein erheblicher Kostenfaktor im Gesundheitswesen. Delirpatienten verursachen höhere Kosten durch längere Krankenhausaufenthalte, intensivere Betreuung und erhöhte Komplikationsraten.

Fazit

Das Delir ist eine häufige und schwerwiegende Komplikation bei älteren Menschen, insbesondere bei Demenzkranken. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um die negativen Folgen zu minimieren. Die Behandlung umfasst sowohl nicht-pharmakologische als auch pharmakologische Maßnahmen, wobei der Schwerpunkt auf der Beseitigung der Ursachen, der Linderung der Symptome und der Förderung der Orientierung und Sicherheit des Patienten liegt. Die Prävention eines Delirs ist von großer Bedeutung, insbesondere bei Risikopatienten. Durch die Umsetzung geeigneter Maßnahmen können das Risiko eines Delirs reduziert und die Lebensqualität der Betroffenen verbessert werden.

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