Die Diagnose Demenz stellt nicht nur die Betroffenen selbst vor große Herausforderungen, sondern auch ihre Angehörigen. Oftmals sind diese mit einer Vielzahl von Belastungen konfrontiert, die von emotionalem Stress bis hin zu körperlicher Erschöpfung reichen können. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Auswirkungen der Demenz auf Angehörige und zeigt Möglichkeiten auf, wie diese Belastungen reduziert und bewältigt werden können.
Herausforderungen im Alltag mit Demenz
Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung, die mit einem Verlust von kognitiven Fähigkeiten wie Gedächtnis, Denkvermögen und Orientierung einhergeht. Dies führt dazu, dass Betroffene zunehmend auf die Unterstützung ihrer Angehörigen angewiesen sind, um ihren Alltag zu bewältigen. Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz erfordert viel Zeit, Geduld und Kraft, was oft zu einer starken Belastung der Angehörigen führt.
Veränderungen im Verhalten und Erleben
Neben den kognitiven Einschränkungen kommt es bei Demenzerkrankungen häufig auch zu Veränderungen im Erleben und Verhalten der Betroffenen. Dazu gehören beispielsweise:
- Wiederholtes Fragen und Handeln: Menschen mit Demenz stellen oft immer wieder dieselbe Frage oder wiederholen die gleichen Sätze oder Handlungen. Dies kann für die Betreuenden sehr anstrengend sein.
- Bewegungsdrang und Unruhe: Viele Betroffene zeigen im mittleren Stadium der Demenz einen ausgeprägten Bewegungsdrang, gepaart mit starker Unruhe.
- Verlust der Realität: Die eingeschränkte Fähigkeit, Situationen und Wahrnehmungen richtig zu deuten, führt häufig zu Erklärungsversuchen, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen.
- Aggressives Verhalten: Menschen mit Demenz können sich manchmal verbal oder körperlich aggressiv verhalten. Auslöser dafür sind oft die erschwerten Lebensbedingungen und die daraus resultierende Angst der Betroffenen.
Rollenveränderungen und Kontrollverlust
Der Verlust an Kontrolle der an Demenz erkrankten Person führt zudem auch häufig zu Rollenveränderungen im praktischen Alltag: Haushalt, Abrechnungen und Schriftverkehr müssen übernommen, Entscheidungen getroffen werden. Im emotionalen Bereich fehlt der gewohnte Austausch und die gegenseitige Stütze. In der Kommunikation senden Menschen mit Demenz häufig eine Doppelbotschaft: „Helft mir, ich verstehe die Welt nicht mehr!“ und „Nein, nein, ich kann das alles noch allein!“ Es fällt schwer, sich in die Denk- und Verhaltensweisen des Gegenübers hineinzuversetzen. Häufig werden die eigenen Emotionen und Bedürfnisse zurückgestellt um für das erkrankte Familienmitglied da zu sein. Denn trotz aller emotionalen und körperlichen Belastung, pflegen viele Angehörige bis zur eigenen Erschöpfung. Vielen fällt es schwer, Hilfe einzufordern oder anzunehmen. Wegen der Eingebundenheit in die tägliche Versorgung und aus Scham über das Verhalten der Betroffenen, ziehen sie sich häufig aus ihren sozialen Kontakten und gesellschaftlichen Unternehmungen zurück und geraten in die Isolation.
Belastungsfaktoren für Angehörige
Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz kann für Angehörige eine enorme Belastung darstellen. Zu den wichtigsten Belastungsfaktoren gehören:
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- Zeitaufwand: Die Pflege eines Menschen mit Demenz ist oft sehr zeitaufwendig. In einer Umfrage verbrachte die Hauptpflegeperson durchschnittlich 49 Stunden pro Woche mit der Pflege.
- Körperliche Anstrengung: Tätigkeiten wie Heben, Lagern und Stützen können körperlich sehr anstrengend sein.
- Psychischer Stress: Die Pflege kann zu Scham, Trauer, Stress, sozialer Isolation und Hilflosigkeit führen.
- Schlafstörungen: Viele Angehörige leiden unter Schlafstörungen, da sie nachts oft durch die Unruhe der Betroffenen geweckt werden.
- Soziale Isolation: Durch die starke Einbindung in die Pflege können soziale Kontakte und Hobbys vernachlässigt werden.
- Finanzielle Belastung: Die Kosten für Pflege und Betreuung können eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen.
- Berufliche Einschränkungen: Nicht wenige pflegende Angehörige leisten zusätzlich Erwerbsarbeit. Doch Pflegetätigkeit und Beruf zu vereinbaren, kann sehr herausfordernd sein. Mitunter wird die Erwerbstätigkeit aufgrund von Pflegeaufgaben eingeschränkt und zum Teil auch ganz aufgegeben.
Auswirkungen auf die Gesundheit der Angehörigen
Die hohe Belastung durch die Pflege von Menschen mit Demenz kann sich negativ auf die Gesundheit der Angehörigen auswirken. Insbesondere für stressbezogene Erkrankungen, wie Anpassungs- und Angststörungen, Depressionen, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Rückenleiden oder andere Schmerzbeschwerden besteht für pflegende Angehörige im Vergleich zu Nicht-Pflegenden ein erhöhtes Risiko.
Warnzeichen für Überlastung
Es ist wichtig, Überlastung frühzeitig zu erkennen, um Gesundheitsproblemen vorzubeugen. Warnzeichen können sein:
- Körperliche Anzeichen: Muskelverspannungen, Kopf-, Rücken-, Nacken-, Kiefer- oder Schulterschmerzen, Hautprobleme, Anfälligkeit für Infekte, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Gewichtsschwankungen, Magen- und Verdauungsprobleme, Schlafstörungen oder ungewöhnliche Müdigkeit.
- Psychische Anzeichen: Nervosität, Unruhe oder Reizbarkeit, Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten, Antriebs- oder Rastlosigkeit, Stimmungsschwankungen, Hilflosigkeit, Niedergeschlagenheit, Einsamkeit, Angst, Wut, Trauer, Gedanken, wertlos zu sein, übermäßiger Gebrauch von Medikamenten, Tabak, Alkohol und anderen Drogen.
Strategien zur Entlastung von Angehörigen
Um die Belastung für Angehörige zu reduzieren, ist es wichtig, frühzeitig Unterstützung zu suchen und geeignete Entlastungsstrategien zu entwickeln.
Informationen und Schulungen
Eine gute Informationsgrundlage über die Erkrankung Demenz und den Umgang mit Betroffenen ist essenziell. Schulungen und Kurse für pflegende Angehörige können helfen, das Verständnis für die Erkrankung zu vertiefen und praktische Tipps für den Alltag zu erhalten.
Selbstfürsorge
Als Angehöriger ist es sehr wichtig, auch auf sich selbst zu achten und selbstfürsorglich dafür zu sorgen, nicht in so eine Überbeanspruchung zu geraten. Ansonsten kann die Pflege langfristig nicht geleistet werden, weil die eigene Gesundheit darunter leidet. Das bedeutet: Holen Sie sich Hilfe, allein können Sie das nicht schaffen. Bauen Sie genügend Pausen und Erholungsphasen ein, entpflichten Sie sich von bestimmten Aufgaben. Planen Sie systematisch: Wer kann wo unterstützen - familiär sowie professionell?
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Perspektivwechsel
Insbesondere wenn Sie bei der Pflege des Öfteren ungeduldig, gereizt oder gar wütend reagieren, kann es helfen, die Perspektive der oder des Pflegebedürftigen einzunehmen. Mit einem solchen Perspektivwechsel wächst das Verständnis für das Gegenüber. Dadurch kann sich der Umgang miteinander verbessern.
Soziale Kontakte pflegen
Freundschaften sind wertvolle Ressourcen. Sprechen Sie mit vertrauten Menschen über Ihre Sorgen und Probleme, aber auch über Dinge, die Sie mit Freude erfüllen. Es kann guttun, die Schwierigkeiten für eine Zeit zu vergessen.
Entspannung und Bewegung
Regelmäßige Bewegung und Entspannungstechniken können helfen, Stress abzubauen und die psychische und körperliche Gesundheit zu stärken.
Professionelle Hilfe
Bei Bedarf kann es sinnvoll sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Psychologische Beratung oder Psychotherapie können helfen, mit den Belastungen umzugehen und neue Perspektiven zu entwickeln.
Entlastungsangebote nutzen
Es gibt eine Vielzahl von Entlastungsangeboten für pflegende Angehörige, die in Anspruch genommen werden können:
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- Ambulante Pflegedienste: Sie leisten einen oft unverzichtbaren Beitrag dazu, dass die Erkrankten weiterhin zu Hause leben können.
- Betreuungsgruppen: Alzheimer-Gesellschaften in den verschiedenen Regionen sowie unterschiedliche Wohlfahrtsverbände bieten Betreuungsgruppen zur Entlastung pflegender Angehöriger als niedrigschwelliges ambulantes Angebot an.
- Helferinnenkreise: Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer betreuen für einige Stunden in der Woche vor allem Demenzerkrankte, die mit ihren Angehörigen oder alleine zu Hause leben.
- Tagespflegeeinrichtungen: Die Tagespflege dient der Aktivierung und Rehabilitation durch therapeutische und pflegerische Angebote sowie durch soziale Einbindung und einen strukturierten Tagesablauf.
- Kurzzeitpflege: Für maximal 28 Tage im Jahr kann der erkrankte Angehörige dort in Obhut gegeben werden, sodass die Pflegeperson in diesem Zeitraum zum Beispiel einen Erholungsurlaub in Anspruch nehmen kann.
- Verhinderungspflege: Ebenfalls für maximal 28 Tage pro Jahr ist es möglich, die erkrankte Person zum Beispiel durch einen P…
Austausch mit anderen Betroffenen
Angehörigen- bzw. Selbsthilfegruppen bieten die Möglichkeit, mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen, die sich in einer ähnlichen Pflegesituation befinden wie man selbst. Viele Angehörige nutzen das Angebot, um über ihre Sorgen, Ängste und Verzweiflung zu sprechen, aber auch, um sich gegenseitig Unterstützung, Anregungen und Tipps zu geben und die Energiespeicher wieder aufzufüllen.
Finanzielle Unterstützung
Im Laufe der Erkrankung stellen sich für die erkrankte Person und ihre Angehörigen häufig auch finanzielle Fragen, insbesondere aufgrund der zunehmenden Pflegebedürftigkeit der betroffenen Person. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung, wie beispielsweise Pflegegeld, Pflegesachleistungen oder Entlastungsleistungen. Eine Beratung durch die Pflegekasse oder einen Pflegestützpunkt kann helfen, die individuellen Ansprüche zu klären.
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