Pferde werden, wie Menschen und Hunde, älter. Mit zunehmendem Alter können auch bei Pferden altersbedingte Veränderungen auftreten. Eine davon ist Demenz, auch bekannt als kognitives Dysfunktionssyndrom (CDS). Obwohl die Forschung zu Demenz bei Pferden noch in den Kinderschuhen steckt, gibt es Hinweise darauf, dass diese Erkrankung bei älteren Pferden vorkommen kann. Es ist wichtig, Demenz von der natürlich auftretenden Altersschwäche bei Pferden abzugrenzen. So ist es für alte Pferde normal, tagsüber mehr zu ruhen und weniger zu fressen.
Was ist Demenz bei Pferden?
Ähnlich wie beim Menschen sterben bei Pferden mit Demenz Nervenzellen im Gehirn ab. Sie werden zunehmend vergesslich, verwirrt und orientierungslos. Die senile Demenz ist eine unheilbare Erkrankung des Nervensystems. Sie tritt bei Hunden, Menschen und anderen Haustieren wie Katzen auf. Demenz geht mit Veränderungen von Gehirnstrukturen einher. Sie verkümmern (degenerieren), indem sich verschiedene Eiweiße ablagern. Zu diesen zählen insbesondere die ß-Amyloid-Plaques und das Alterspigment Lipofuszin. Bisher ist nicht klar, warum sich diese Stoffe in den Nervenzellen ablagern.
Ursachen
Die genauen Ursachen für Demenz bei Pferden sind noch nicht vollständig geklärt. Wissenschaftler und Tierärzte gehen derzeit davon aus, dass die Nervenerkrankung von verschiedenen Faktoren abhängt. Ähnlich wie bei der Alzheimer-Erkrankung des Menschen lagern sich Lipofuszine und Amyloid-Plaques im Gehirn ab und führen zu kognitiven Verlusten durch Einschränkung der nervalen Zellfunktion, da diese nicht mehr ausreichend mit Energie und Sauerstoff versorgt werden können. Folge sind u.a. ein fortschreitendes Absterben von Nervenzellen und die ausbleibende internervale Signalübertragung. Die Dichte der Plaques korreliert mit dem fortschreiten der Erkrankung. Trotzdem gibt es einige pathogenetische Unterschiede zum Morbus Alzheimer und die Krankheit ist nicht 1:1 gleichzusetzen. Genaue Ursachen sind bislang ungeklärt und Gegenstand weiterer Forschung. Zu den beeinflussenden Faktoren gehören neben dem Alter auch Genetik, Ernährung sowie weitere Umweltfaktoren.
Symptome
Die Symptome von Demenz bei Pferden können vielfältig sein und sich im Laufe der Zeit verschlimmern. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Symptome auch auf andere Erkrankungen hindeuten können, daher ist eine gründliche tierärztliche Untersuchung unerlässlich.
Einige häufige Symptome sind:
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- Desorientiertheit: Das Pferd wirkt verwirrt, findet sich in vertrauter Umgebung nicht mehr zurecht, bleibt in Ecken stehen oder starrt in die Leere. Kunden berichten ihr etwa, dass ihre Senior-Pferde plötzlich Schwierigkeiten haben, ihrer Routine zu folgen. Sie lassen sich etwa jahrelang problemlos am Putzplatz anbinden, dann jedoch wollen sie dort nicht mehr hin. Andere Tiere starren apathisch in die Ferne und wirken wie verloren.
- Verändertes Verhalten: Das Pferd zeigt Veränderungen im Sozialverhalten, erkennt vertraute Personen oder Artgenossen nicht mehr oder reagiert aggressiv. Manche Pferde begrüßen ihre Freunde nicht mehr. Ein anderes Pferd verhielt sich plötzlich aggressiv, als es in die Box geführt werden sollte.
- Veränderungen im Schlaf-Wach-Rhythmus: Das Pferd ist nachts unruhig, wandert umher oder zeigt einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus. So schlafen sie tagsüber häufiger und haben nachts mehr Wachphasen.
- Verlust von erlernten Fähigkeiten: Das Pferd vergisst erlernte Kommandos oder Verhaltensweisen. Offenbar hatte er schlichtweg vergessen, was ein Futtereimer bedeutet.
- Verändertes Aktivitätsniveau: Das Pferd ist entweder apathisch und teilnahmslos oder zeigtHyperaktivität und Unruhe.
- Erhöhte Ängstlichkeit: Das Pferd reagiert ängstlich oder panisch auf Situationen, die es früher nicht gestört haben.
Diagnose
Die Diagnose von Demenz bei Pferden kann schwierig sein, da es keinen spezifischen Test gibt. Tierärzte stützen sich in der Regel auf eine Kombination aus Verhaltensbeobachtungen,Anamnese und dem Ausschluss anderer möglicher Ursachen für die Symptome.
Um andere Ursachen für die Symptome auszuschließen, führt der Tierarzt eine körperliche Untersuchung bei Ihrem Hund durch. Tierärztin Tina Wassing geht per Ausschlussverfahren vor und spricht intensiv mit den Besitzern. Sie checkt etwa folgende Fragen: Hört und sieht das Pferd noch gut? Wie läuft es? Fühlt das Pferd sich in der Herde wohl? Legt es sich noch hin? Hat es Zahnschmerzen? Das alles gibt Hinweise auf Erkrankungen.
Für eine Diagnose könnte man die Hirnströme mit Sensoren am Kopf messen. Oder die Gehirnaktivität per Magnetresonanztomographie (MRT) feststellen. Das Problem: Es fehlen Normwerte beim Pferd. So lässt sich nur schwer einschätzen, ob es bei einem Pferd Abweichungen im Gehirn gibt - oder nicht. Zudem müssten die Pferde fürs MRT in Narkose gelegt werden. "Das ist bei alten Pferden riskant. Kaum ein Besitzer möchte das seinem Senior zumuten. Zumal es bei einer Diagnose nicht einmal ein Medikament gäbe, das Demenz heilt", weiß Tina Wassing.
Behandlung
Es gibt derzeit keine Heilung für Demenz bei Pferden, aber es gibt Möglichkeiten, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität des Pferdes zu verbessern. Die Behandlung zielt darauf ab, den kognitiven Abbau zu verlangsamen und das Wohlbefinden des Pferdes zu fördern.
Einige Behandlungsansätze sind:
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- Anpassung der Haltung: Schaffen Sie eine sichere und stressfreie Umgebung für das Pferd. Vermeiden Sie unnötige Veränderungen in der Herde oder im Stall. Routinen können helfen: etwa täglich zur gleichen Zeit die gleiche Spazierrunde einlegen, Striegeln und Fütterungszeiten einhalten. Außerdem sollte man Wechsel in der Herde vermeiden. Denn das bringt dem Pferd zusätzlichen Stress.
- Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung, die reich an Antioxidantien und Omega-3-Fettsäuren ist, kann die Gehirnfunktion unterstützen. Bestimmte Stoffe können das Nervensystem unterstützen. Dazu zählen beispielsweise Antioxidantien, welche sogenannte freie Radikale (aggressive und sauerstoffhaltige Verbindungen) im Gehirn fangen. Die Wahl eines geeigneten Diätfuttermittels kann die natürlichen Körperfunktionen Ihres Hundes unterstützen. Bitte beachten Sie aber, dass Diätfuttermittel Krankheiten weder heilen noch verhindern können. Die richtige Ernährung Ihres Hundes sollten Sie außerdem immer mit Ihrem Tierarzt absprechen.
- Kognitives Training: Fördern Sie die geistige Aktivität des Pferdes durch spielerische Übungen,wie zum Beispiel das Erlernen neuer Tricks oder das Lösen von Aufgaben. Lerntraining fördert die Fitness im Kopf. Auch Pferde profitieren von Lerntraining und Bewegung. "Neuronale Bahnen im Gehirn sind wie Straßen: Je öfter das Pferd sie benutzt, desto breiter werden sie. Training fürs Köpfchen spricht solche neuronalen Bahnen an", erklärt Pferdewissenschaftlerin Dr. Vivian Gabor, die das Institut für Verhalten und Kommunikation in Greene leitet.
- Bewegung: Regelmäßige Bewegung hält das Gehirn fit und fördert die Durchblutung. Bewegung und ein aktives Leben halten das Gehirn fit. Training mit Bändern fördert die Körperwahrnehmung. Auch motorische Aufgabe sind wichtig fürs Köpfchen: Alte Pferde können noch über Stangen gehen, durch ein Stangen-Labyrinth laufen oder ins Gelände gehen.
- Medikamente: In einigen Fällen kann der Tierarzt Medikamente verschreiben, um die Symptome zu lindern oder den kognitiven Abbau zu verlangsamen. Das Kognitive Dysfunktionssyndrom (CDS) kann mittels Selegilin und Propentofyllin in Form von Tabletten behandelt werden. Besitzer beobachteten auch, dass es manchen Pferden im Winter besser ging als im Sommer. Woran lag das? "Der einzige Unterschied war die Decke", sagt die Tierärztin. Tatsächlich machte sie gute Erfahrungen damit, wenn demente Pferde eingedeckt werden.
Vorbeugung
Obwohl es keine Garantie dafür gibt, dass ein Pferd nicht an Demenz erkrankt, gibt es einige Maßnahmen, die ergriffen werden können, um das Risiko zu verringern:
- Förderung der geistigen und körperlichen Aktivität: Sorgen Sie für ausreichend Bewegung und geistige Anregung im Leben des Pferdes.
- Ausgewogene Ernährung: Füttern Sie das Pferd mit einer hochwertigen und ausgewogenen Ernährung.
- Regelmäßige tierärztliche Kontrollen: Lassen Sie das Pferd regelmäßig von einem Tierarzt untersuchen, um mögliche gesundheitliche Probleme frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
- Stress vermeiden: Minimieren Sie Stressfaktoren im Leben des Pferdes.
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