Die Frage, ob und inwieweit eine Corona-Impfung das Demenzrisiko beeinflusst, ist Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen. Verschiedene Studien liefern Hinweise auf mögliche Zusammenhänge zwischen Infektionen, Impfungen und der Entwicklung von Demenzerkrankungen. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und beleuchtet die komplexen Zusammenhänge.
Hoffnungsschimmer: Können Impfungen vor Demenz schützen?
Eine Studie aus dem Jahr 2025 deutet darauf hin, dass bestimmte Impfungen, insbesondere solche gegen Gürtelrose und das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV), das Risiko für Demenz senken könnten. Die Untersuchung von Gesundheitsakten von über 430.000 Menschen ab 60 Jahren in den USA ergab, dass geimpfte Personen in den folgenden 18 Monaten seltener eine Demenzdiagnose erhielten.
- Nach der Shingrix-Impfung (Gürtelrose) war das Risiko um 18 Prozent geringer.
- Nach der RSV-Impfung um 29 Prozent.
- Bei beiden Impfungen zusammen sank das Risiko um 37 Prozent.
Die Forscher vermuten, dass nicht der Schutz vor den Viren selbst, sondern ein gemeinsamer Zusatzstoff in beiden Impfstoffen, das Adjuvans AS01, für diesen Effekt verantwortlich sein könnte. AS01 verstärkt die Immunantwort des Körpers und könnte möglicherweise einen schützenden Effekt auf das Gehirn haben.
COVID-19 und das erhöhte Demenzrisiko
Die COVID-19-Pandemie hat die Forschung zu Demenz vor neue Herausforderungen gestellt. Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass eine SARS-CoV-2-Infektion mit einem erhöhten Risiko für kognitive Einschränkungen bis hin zur Demenz einhergehen kann.
Auswirkungen von COVID-19 auf das Gehirn
Studien zeigen, dass COVID-19-Erkrankungen verschiedene kognitive Defizite verursachen können, darunter Störungen von Konzentration und Aufmerksamkeit, Gedächtniseinbußen sowie Beeinträchtigungen der Exekutiv- und Sprachfunktionen. Insbesondere schwere COVID-19-Verläufe können mit einer Enzephalopathie einhergehen, die das Demenzrisiko erhöht. Neuroinflammatorische Effekte und mikrovaskuläre Schäden führen zu zerebraler Minderperfusion, Hypoxie und diffuser Schädigung der weißen Substanz - Mechanismen, die auch bei der Entstehung von Demenzerkrankungen eine Rolle spielen.
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Ein spezifischer Mechanismus könnte darin bestehen, dass das Virus Zellen über den Angiotensin-Converting-Enzym-2 (ACE2)-Rezeptor infiziert und dadurch dessen Bioverfügbarkeit reduziert. ACE2 spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation von Gefäßweite und Blutdruck und hat kardio-, reno- und hepatoprotektive Effekte. Ein ACE2-Mangel kann inflammatorische Effekte und eine erhöhte Zytokinausschüttung induzieren.
Risikofaktoren und präventive Maßnahmen
Ein Teil der potenziell modifizierbaren Risikofaktoren für Demenz scheint auch das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf zu erhöhen. Dazu gehören klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie, Adipositas und Diabetes mellitus.
- Diabetes: Eine gute Blutzuckereinstellung ist wichtig, um kognitive Leistungen zu erhalten. Bestimmte Antidiabetika könnten möglicherweise sowohl den COVID-19-Verlauf als auch das Demenzrisiko beeinflussen.
- Hypertonie: Eine intensive Blutdrucksenkung könnte das Demenzrisiko reduzieren, wobei das ideale Blutdruckniveau individuell angepasst werden sollte, um eine zerebrale Minderperfusion zu vermeiden.
Die Rolle von Impfungen gegen Atemwegserkrankungen
Eine regelmäßige Impfung gegen Atemwegserkrankungen wie die Grippe kann ältere Menschen in einem gewissen Maß vor Alzheimer schützen. Eine Studie verglich Grippe-Geimpfte mit Ungeimpften und fand heraus, dass die Impfung das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, für mehrere Jahre reduzieren kann. Dieser schützende Effekt verstärkte sich mit regelmäßigeren Impfungen. Auch andere Impfungen haben ähnliche Effekte gezeigt, was darauf hindeutet, dass der Schutz nicht allein von Influenza-Impfstoffen ausgeht.
Neurologische Folgeerscheinungen nach COVID-19: Eine Langzeitstudie
Eine große Beobachtungsstudie untersuchte neurologische und psychiatrische Diagnosen über einen Zeitraum von 24 Monaten nach einer SARS-CoV-2-Infektion. Die Ergebnisse zeigten, dass das Risiko für Demenz, Psychosen oder Krampfleiden bis zu zwei Jahre nach der Infektion erhöht bleibt. Im Gegensatz dazu normalisierte sich das Risiko für Angststörungen und Depressionen bereits nach ein bis zwei Monaten.
Ergebnisse nach Altersgruppen
- 18- bis 64-Jährige: Erhöhtes Risiko für kognitive Störungen und Bewusstseinstrübung.
- Ab 65 Jahren: Deutlich mehr Störungen wie Bewusstseinstrübung, Demenz und Psychosen.
- Kinder: Seltener betroffen, aber erhöhtes Risiko für kognitive Defizite, Schlaflosigkeit, intrakranielle Blutungen, ischämische Schlaganfälle, Nerven-, Nervenwurzel- und Plexusstörungen, psychotische Störungen, Krampfanfälle und Epilepsie.
Auswirkungen der Virusvarianten
Mit dem Erscheinen der Delta-Variante stieg das Risiko für ischämische Schlaganfälle, Epilepsie, kognitive Defizite, Schlaflosigkeit und Angststörungen. Die Omikron-Variante barg ein ähnliches Risiko für neurologische und psychiatrische Folgeerscheinungen wie die Delta-Mutation.
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Interpretation der Ergebnisse
Einige Experten betonen, dass eine latente Demenz häufig durch ein schwerwiegendes Ereignis wie eine COVID-19-Erkrankung manifest wird, ohne dass ein direkter ursächlicher Zusammenhang besteht. Andere sehen potenzielle biologische Mechanismen, die eine kausale Beziehung erklären würden, wie beispielsweise eine maladaptive Immunantwort, die zu nachhaltigen neurologischen Schädigungen führen kann.
Weitere Forschungsergebnisse und Erkenntnisse
Mikroglia und virale Moleküle
Forschungen an Gehirnen von an COVID-19 Verstorbenen haben vermehrt Mikroglia-Ansammlungen (Knötchen) im Hirnstamm identifiziert, was auf pathologische Veränderungen im Gehirn hindeutet. Virale Moleküle, insbesondere die Spike-Proteine der Corona-Viren und reaktivierte endogene Retroviren, könnten die Ausbreitung von Alzheimer-typischen Proteinaggregaten zwischen Zellen fördern und so neurodegenerative Erkrankungen beschleunigen.
Long-COVID und neurologische Symptome
Long-COVID kann neurologische und psychiatrische Symptome wie Aufmerksamkeitsstörungen oder Gedächtnisschwierigkeiten verursachen. Studien haben einen Abbau des Gewebes in Hirnregionen nachgewiesen, die für Gedächtnis und Kognition relevant sind.
Die Rolle von Medin bei Alzheimer
Forschende haben entdeckt, dass sich in den Blutgefäßen des Gehirns von Alzheimer-Patienten zusammen mit dem Protein Amyloid-β auch das Protein Medin ablagert. Diese Co-Aggregation verstärkt krankhafte Veränderungen der Blutgefäße. Medin könnte ein therapeutisches Ziel sein, um vaskuläre Schäden und kognitive Verschlechterungen zu verhindern.
Die Bedeutung der Impfung
Angesichts der potenziellen Risiken, die mit einer COVID-19-Erkrankung verbunden sind, bleibt die Impfung eine der wichtigsten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Studien haben gezeigt, dass mRNA-Impfstoffe (BioNTech/Pfizer und Moderna) vor allem lokale Nebenwirkungen nach der ersten Impfung verursachen, während systemische Nebenwirkungen bei dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca häufiger und schwerer waren. Nach der zweiten Dosis nahm die Häufigkeit systemischer Nebenwirkungen bei AstraZeneca jedoch ab.
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Masken und soziale Kommunikation
Das Tragen von Gesichtsmasken, eine weitere wichtige Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie, kann die Wahrnehmung und Zuordnung von Gesichtern und Gesichtsausdrücken erschweren. Studien haben gezeigt, dass Masken das Erkennen von Emotionen beeinflussen und die soziale Interaktion erschweren können.
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