Die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit von Menschen mit Demenz ist ein komplexes Thema, das im Rechtsverkehr eine immer größere Rolle spielt. Insbesondere Notare stehen vor der Herausforderung, die Geschäftsfähigkeit von Beteiligten bei Beurkundungen sicherzustellen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Demenz, die Bedeutung der Geschäftsfähigkeit, die Rolle des Notars bei der Beurteilung und die rechtlichen Konsequenzen bei Geschäftsunfähigkeit.
Einführung in die Thematik
Das Grundgesetz schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit, unabhängig von geistigen oder körperlichen Fähigkeiten. Menschen mit Demenz haben das Recht, bis zuletzt ein möglichst eigenständiges und selbstbestimmtes Leben nach ihren Wünschen zu führen. Angehörige, Ärzte und Pflegekräfte tragen die Verantwortung, sie dabei zu unterstützen.
Verlust der Geschäftsfähigkeit bei Demenz
Je weiter eine Demenz fortschreitet, desto weniger sind Betroffene in der Lage, die Tragweite ihres Handelns richtig einzuordnen. Dies betrifft häufig auch die Fähigkeit, Geschäfte rechtswirksam abzuschließen. Wer die Bedeutung und Tragweite von Käufen und Verträgen auf Dauer nicht mehr einschätzen kann, gilt vor dem Gesetz als geschäftsunfähig. Grundsätzlich muss die Geschäftsunfähigkeit im Rahmen eines Gerichtsverfahrens durch einen Gutachter festgestellt und von den zuständigen Richtern bestätigt werden.
Wird eine Person als geschäftsunfähig betrachtet, sind abgeschlossene Verträge unwirksam und bedürfen der Zustimmung der gesetzlich bestellten Betreuungsperson, damit der Vertrag wirksam wird. Damit werden Menschen mit Demenz davor geschützt, durch unsinnige Rechtsgeschäfte in finanzielle Notlagen zu geraten. Betroffene Personen können zwar noch sogenannte Bagatellgeschäfte tätigen, wie zum Beispiel den Kauf von Lebensmitteln, einer Zeitschrift oder Hygieneartikeln und sollten auch dazu ermuntert werden, da gewohnte Abläufe zur Erhaltung der Selbständigkeit beitragen können. Angehörige oder Betreuer können dabei helfen, indem sie mit den Lieblingsgeschäften entsprechende Vereinbarungen treffen. Häufig wird es notwendig, das verfügbare Geld in kleine Beträgen einzuteilen, um die Ausgaben im Rahmen zu halten. Alle anderen Geschäftsabschlüsse sind aber schwebend unwirksam, solange die Betreuerin oder der Betreuer nicht zustimmt. Das gilt auch dann, wenn der Geschäfts- beziehungsweise Vertragspartner nichts von der Demenz weiß. Weder die oder der Kranke noch Ehepartner in Gütergemeinschaft oder erwachsene Kinder müssen den Vertrag erfüllen und zahlen. Ist bereits Geld geflossen, müssen die Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner es den Menschen mit Demenz zurückerstatten. Allerdings sind diese und ihre Angehörigen beziehungsweise Betreuerinnen und Betreuer in der Beweispflicht, wenn sie sich auf die Nichtigkeit des Vertrags berufen. Das heißt, die Geschäftsunfähigkeit sollte schon durch einen richterlichen Beschluss anerkannt sein.
Die Rolle des Notars bei der Beurteilung der Geschäftsfähigkeit
Notare beurkunden Rechtsvorgänge und müssen sicherstellen, dass alle Beteiligten geschäftsfähig sind. Dies bedeutet, dass die Personen in der Lage sein müssen, ihren eigenen Willen zu bilden, diesen verständlich zu äußern und die Tragweite ihrer Entscheidung zu erkennen. Bei Zweifeln aufgrund des Verhaltens oder äußerer Umstände muss der Notar diese klären. Die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit ist besonders schwierig bei bestimmten Krankheiten wie Demenz.
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Die Pflichten des Notars nach dem Beurkundungsgesetz
§ 11 Beurkundungsgesetz verpflichtet den Notar, vor der Beurkundung die Geschäftsfähigkeit der beteiligten Personen festzustellen. Fehlt einem Beteiligten nach Überzeugung des Notars die erforderliche Geschäftsfähigkeit, soll der Notar die Beurkundung ablehnen. Hat der Notar Zweifel an der erforderlichen Geschäftsfähigkeit, soll der Notar seine Zweifel in der Niederschrift feststellen. Gleiches gilt, wenn ein Beteiligter schwer krank ist. Auch dann soll der Notar diesen Umstand in der Niederschrift vermerken und angeben, welche Feststellungen er über die Geschäftsfähigkeit der Person getroffen hat.
Die Herausforderung für den Notar
Notare sind Juristen und verfügen nicht über das notwendige medizinische Fachwissen, um beispielsweise das Ausmaß einer Demenzerkrankung und deren Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit einer Person zuverlässig einzuschätzen. Dieser Umstand kommt auch in § 11 Beurkundungsgesetz zum Ausdruck. Hat der Notar die Einschätzung, dass einer Person die erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt, soll er die Beurkundung ablehnen. Die Vorschrift ist als Sollvorschrift ausgestaltet und stellt es in das Ermessen des Notars, zu beurteilen, ob er beurkundet oder nicht beurkundet. Hat er Zweifel, soll er in offensichtlichen Fällen die Beurkundung ablehnen oder zumindest seine Zweifel in der Niederschrift vermerken.
Zweifel können sich daraus ergeben, dass das äußere Erscheinungsbild oder das Verhalten eines Beteiligten Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit wecken. Dazu wird der Notar sich mit den Beteiligten unterhalten, sich eventuell mit dem Hausarzt in Verbindung setzen oder sich im Beurkundungstermin ein aktuelles ärztliches Attest vorlegen lassen. Soweit er wegen seiner Zweifel zur Geschäftsfähigkeit in die Urkunde einen Vermerk aufnimmt, sind die Gerichte nicht an diese Feststellungen gebunden.
Konsequenzen bei Fehleinschätzung durch den Notar
Erkennt der Notar die Geschäftsunfähigkeit nicht, besteht das Risiko, dass die Beurkundung unwirksam ist. Für alle Beteiligten kann sich daraus eine unangenehme Situation ergeben, die gerade bei notariellen Vorgängen oft zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führt. Mit dem Begriff der Geschäftsfähigkeit sind im Beurkundungsrecht und bei der notariellen Tätigkeit eine Reihe von Fragen verbunden, die der Notar im Einzelfall berücksichtigen muss.
Was bedeutet Geschäftsfähigkeit?
Das Bürgerliche Gesetzbuch unterstellt, dass ein Mensch grundsätzlich geschäftsfähig ist. Es wird nicht im positiven Sinne definiert, wer geschäftsfähig ist. Vielmehr stellt das Gesetz umgekehrt darauf ab, wer geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Es geht also von einem Regel-Ausnahmeverhältnis aus und unterstellt, dass eine volljährige Person die für die Geschäftsfähigkeit erforderliche Reife und Verantwortung besitzt. Ist die Person minderjährig, verneint das Gesetz die Geschäftsfähigkeit, sofern diese Person bestimmte Altersstufen noch nicht erreicht hat.
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Geschäftsunfähig ist danach derjenige, der das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet (sogenannte natürliche Geisteskrankheit) und der Zustand seiner Natur nach nicht nur ein vorübergehender Zustand ist (§ 104 BGB). Ist eine Person geschäftsunfähig, ist jede Willenserklärung dieser Person nichtig (§ 105 BGB). Wurde ein Rechtsvorgang notariell beurkundet, ist die Beurkundung unwirksam.
Testierfähigkeit vs. Geschäftsfähigkeit
Will jemand ein notarielles Testament errichten oder einen Erbvertrag beurkunden, prüfen Notare die Testierfähigkeit. Testierfähigkeit bedeutet die rechtliche Fähigkeit, eine wirksame letztwillige Verfügung zu verfassen. Sie ist ein besonderer Fall der allgemeinen Geschäftsfähigkeit. Insoweit sind nur unbeschränkt geschäftsfähige Person auch unbeschränkt testierfähig.
Wer also unter einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit leidet oder wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung außerstande ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kann kein Testament errichten (§ 2229 Abs. IV BGB). Steht eine Person unter Betreuung, kann diese unabhängig von einem eventuell vom Vormundschaftsgericht angeordneten Einwilligungsvorbehalt eigenständig ein Testament errichten, sofern diese Person die erforderliche natürliche Testierfähigkeit, so wie sie in § 2229 Abs. IV BGB umschrieben ist, besitzt.
Lucida Intervalla (lichter Augenblick)
„Lucida intervalla“ bedeutet „lichter Augenblick“ und bezeichnet einen Moment, in dem eine an sich geschäftsunfähige Person vorübergehend einen lichten Augenblick erlebt und anscheinend weiß, wer sie ist und was sie tut. Wenn sich damit die Geschäftsfähigkeit begründen ließe, könnte die Person rechtsgeschäftlich wirksam handeln. Ob die Person in einem lichten Augenblick wirklich rechtsgeschäftlich rechtswirksam handeln kann oder nicht, ist in der Rechtsprechung umstritten.
Für die Wirksamkeit wird der Wortlaut des § 104 BGB angeführt, wonach nur derjenige geschäftsunfähig ist, dessen Zustand geistiger Störung dauerhaft ist. Gegen die Wirksamkeit wird angeführt, dass der Gesetzgeber diesbezüglich keine Regelung getroffen habe. Praktisch schwierig ist es, dass ein lichter Augenblick von der Partei bewiesen werden muss, die sich darauf beruft. Es dürfte für einen Sachverständigen ausgesprochen schwierig sein, bei einem beispielsweise unter schwerwiegender Demenz leidenden Person einen lichten Augenblick herauszustellen und zu begründen.
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Demgemäß hat beispielsweise das OLG München (Beschluss vom 1.7.2013, Az. 31 Wx 266/12) unter Verweis auf das betreffende Sachverständigengutachten entschieden, dass ein lichter Augenblick bei einer chronisch-progradienten Demenz ausgeschlossen sei. Die Entscheidung wird wiederum insoweit kritisiert, als es nach dem Bürgerliche Gesetzbuch nicht auf die Krankheit im medizinischen Sinne ankomme, sondern vielmehr auf die Fähigkeit zur Willensbildung. Diese hänge von der Tagesform ab und sei auch durch Medikation wieder herstellbar.
Auswirkungen einer Betreuung auf die Geschäftsfähigkeit
Früher wurden Volljährige entmündigt und ein Vormund bestellt, wenn sie wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche außerstande waren, rechtsgeschäftlich zu handeln. Eine Vormundschaft gibt es bei volljährigen Personen nicht mehr. Stattdessen wird vom Vormundschaftsgericht ein Betreuer bestellt, wenn die Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann.
Der Betreuer hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters, allerdings nur in dem Aufgabenkreis, für den er bestellt ist. Im Gegensatz zur früheren Vormundschaft wird durch die Betreuung die Geschäftsfähigkeit des Betreuten nicht berührt. Ein Betreuter, der noch nicht per se geschäftsunfähig ist, behält die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte abzuschließen.
Das Familiengericht kann aber ausnahmsweise anordnen, dass die betreute Person zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf. Voraussetzung für die Anordnung eines solchen Einwilligungsvorbehalts ist, dass der Vorbehalt zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist.
Ein Einwilligungsvorbehalt kommt nicht in Betracht, wenn es um höchstpersönliche Willenserklärungen der betreuten Person geht. So kann die betreute Person ungeachtet ihrer Betreuung eine Eheschließung vollziehen oder Verfügungen von Todes wegen treffen. Gleiches gilt für die Anfechtung eines Erbvertrages oder die Aufhebung eines Erbvertrages (§ 1903 BGB). Die Entscheidung, sich scheiden zu lassen, kann hingegen mit einem Einwilligungsvorbehalt verbunden werden.
Gerichtsurteile und Fallbeispiele
Urteil des OLG Hamm (13.7.2021, Az.10 U 5/20)
Das Oberlandesgericht Hamm hat in einer Entscheidung dargelegt, unter welchen Voraussetzungen ein beurkundeter Vertrag im Nachhinein wegen der Geschäftsunfähigkeit der beteiligten Person für unwirksam erklärt werden kann. Dabei ging es darum, dass der Vater mit einem seiner Söhne den Verzicht auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht beurkundet hatte. Der insoweit enterbte Sohn war später der Ansicht, dieser Vertrag sei durch einen späteren Aufhebungsvertrag gegenstandslos geworden, so dass er sehr wohl Pflichtteilsansprüche habe. Es sei zu vermuten, dass der Vater bei der Beurkundung des Aufhebungsvertrages geschäftsfähig gewesen sei. Wäre der Notar von der Geschäftsfähigkeit seines Vaters nicht überzeugt gewesen, hätte er eine Beurkundung nicht vornehmen dürfen.
Das OLG Hamm stellte klar, dass dem enterbten Bruder kein Pflichtteilsanspruch zustehe, da der Verzichtvertrag im Nachhinein nicht wirksam aufgehoben wurde. Zu diesem Zeitpunkt sei der damals bereits 86-jährige Erblasser nicht mehr geschäftsfähig gewesen. Seine Demenz sei durch ein Sachverständigengutachten klar nachgewiesen worden. Zudem habe der enterbte Sohn nicht dargelegt, auf welche Art und Weise sich der Notar vor oder bei der Beurkundung von der Geschäftsfähigkeit des Erblassers überzeugt haben soll. Insbesondere fand sich im Vertrag kein Vermerk des Notars.
Beschluss des BGH (12.11.2015, V ZR 66/15)
In einem Rechtsstreit vor dem BGH ging es um die Frage, ob die Klägerin und spätere Erblasserin zum Zeitpunkt einer Grundstücksübertragung bereits geschäftsunfähig gewesen ist. Diese hatte mit notariellem Vertrag vom 15.03.2011 dem Beklagten, ihrem Nachbarn, ein Grundstück verkauft und am 17.03.2011 eine Vorsorgevollmacht erteilt. Nach einem Krankenhausaufenthalt im Juli 2011 wurde für die Erblasserin mit Beschluss des Betreuungsgerichts vom 31.08.2011 eine umfassende rechtliche Betreuung eingerichtet. Ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 28.08.2011 hatte der Erblasserin dann eine Betreuungsbedürftigkeit u.a. wegen fortgeschrittener Demenz bescheinigt und zugleich die Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht wegen einer seit mindestens Anfang 2011 bestehenden Geschäftsunfähigkeit festgestellt. Der Betreuer hatte dann vor dem Landgericht erfolgreich auf Grundbuchberichtigung geklagt.
Der BGH hob das Urteil auf, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Nach Auffassung der BGH Richter war die Einschätzung von Personen, die keine medizinische Ausbildung haben oder die den Betroffenen nicht gezielt auf seinen Geisteszustand untersucht haben, von Bedeutung sein kann. Vorliegend beruht die Feststellung des Sachverständigen zu der Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin auf deren Zustand bei der Begutachtung im August 2011 und fremdanamnestischen Angaben. Dem gegenüber beruft sich der Beklagte auf die Einschätzung der von ihm benannten Zeugen, nach der die Erblasserin bis zu ihrer Einlieferung in das Krankenhaus geschäftsfähig gewesen sei. Der beurkundende Notar war gemäß § § 11, 17 BeurkG verpflichtet, die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin festzustellen und sich darüber zu vergewissern, dass der Vertrag auch ihrem Willen entspricht.
Fallbeispiel aus der Praxis
In einem von einer Kanzlei begleiteten Erbrechtsstreit hatten Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament verfügt, dass eine ihrer Töchter im Wege des Vorausvermächtnisses das Familienheim erhält und die 2. Tochter, ebenfalls im Wege eines Vorausvermächtnisses, vorhandenes Geld- und Wertpapiervermögen, um einen Ausgleich zu schaffen. Kurz nachdem der Vater verstorben war wurde die Mutter dement. Diejenige Tochter, die nach dem Willen der Eltern nicht die Immobilie, sondern lediglich das Geld- und Wertpapiervermögen erhalten sollte, hatte sich dann kurzerhand von der dementen Mutter eine notarielle Vorsorgevollmacht erteilen lassen, die sie auch dazu ermächtigt hätte, über die Immobilie zu verfügen und damit das Vorausvermächtnis zu Gunsten ihrer Schwester leerlaufen zu lassen. In dieser Situation blieb als einzige rechtliche Reaktionsmöglichkeit dies (sowie weiteren unkontrollierten Vermögensabfluss) zu verhindern, die Einrichtung einer Betreuung für die Mutter beim zuständigen Betreuungsgericht anzuregen.
Das Betreuungsgericht hat dann auch, nachdem das Gericht bereits erhebliche Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Mutter hatte, und ein eingeholtes Gutachten auch eine fortgeschrittene Demenz mit krankhafter Drittbeeinflussbarkeit bestätigt hatte, eine Betreuung eingerichtet und dem Betreuer aufgegeben die erteilte Vorsorgevollmacht einzuziehen, was übrigens im Klageweg erfolgen musste, weil die Tochter die Vollmacht nicht freiwillig herausgeben wollte. Um die Geltung Ihrer Vorsorgevollmacht zu erhalten hat die Tochter drei ärztliche „Expertisen“ vorgelegt, die der Mutter volle Geschäftsfähigkeit bescheinigt hatten. Besonders kurios war dabei, dass eine Stellungnahme von einem Professor aus München mit dem Fachbereich Hals-Nasen-Ohren zur Betreuungsakte gelangte, der die Demenz als altersbedingte Schwerhörigkeit abtun wollte, so das eine professionelle Reinigung der Gehörgänge ein probates Mittel wäre, um die Geschäftsfähigkeit wieder herbeizuführen. Ebenso kurios war, dass ein am Starnberger See ansässiger Hausarzt, bei dem die Mutter zuvor nie Patientin war, ebenfalls meinte eine Expertise zur Frage der Geschäftsfähigkeit abgeben zu müssen und „seiner Patientin“ volle Geschäftsfähigkeit bescheinigt hat.
Urteil des Oberlandesgerichts Hamm
Alte Menschen, die wegen einer fortgeschrittenen Demenz die Tragweite ihrer Erklärungen nicht mehr einschätzen können, können auch in Gegenwart eines Notars kein wirksames Testament mehr erklären. Das Oberlandesgericht gab der Adoptiv-Enkelin recht, da die Frau auch 2007 und 2008 bereits "testier- und geschäftsunfähig gewesen" sei. Zur Begründung verwiesen die Richter auf die Einschätzung von Experten. So habe ein erster Gutachter bereits 2006 einen "die freie Willensbildung ausschließenden Zustand der Geistestätigkeit " festgestellt. Ähnlich hätten sich auch Ärzte anlässlich eines Klinikaufenthalts bereits 2003 und 2004 geäußert. Denn hier sei zu berücksichtigen, "dass Demenzerkrankte auch im fortgeschrittenen Stadium für einen Laien noch geistig klar und orientiert wirken und eine nach außen intakte Fassade aufweisen können", heißt es in dem bereits rechtskräftigen Urteil.
Urteil des Landgerichts Aschaffenburg
Eine Demenzerkrankung kann weitreichende Folgen haben, wie ein Fall vor dem Landgericht Aschaffenburg zeigt. Dort wurde der Verkauf zweier Grundstücke für ungültig erklärt, da die Verkäuferin zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses geschäftsunfähig war. Das Gericht stützte sich auf das Gutachten eines Sachverständigen, der feststellte, dass die Erblasserin aufgrund ihrer Demenzerkrankung absolut geschäftsunfähig war. Das Urteil stellt klar, dass Immobilienübertragungen bei fortgeschrittener Demenz rechtlich unwirksam sind, auch wenn ein notarieller Kaufvertrag vorliegt. Entscheidend für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit sind dabei nicht kurze Gespräche oder Momentaufnahmen, sondern die medizinische Gesamtsituation, insbesondere die Einschätzung der behandelnden Ärzte.
FAQs zur Geschäftsfähigkeit bei Demenz
Ab welchem Stadium einer Demenzerkrankung liegt rechtlich eine Geschäftsunfähigkeit vor?
Eine Demenzdiagnose allein führt nicht automatisch zur Geschäftsunfähigkeit. Die rechtliche Beurteilung richtet sich nach § 104 Abs. Die Geschäftsunfähigkeit tritt ein, wenn die betroffene Person die Bedeutung und Tragweite von Käufen und Verträgen auf Dauer nicht mehr einschätzen kann.
Welche Beweise werden vor Gericht für die Feststellung der Geschäftsfähigkeit benötigt?
Die Feststellung der Geschäftsfähigkeit vor Gericht erfordert zwingend ein medizinisches Sachverständigengutachten. Die Beweislast trägt grundsätzlich derjenige, der sich auf die Geschäftsunfähigkeit beruft. Ärztliche Atteste können als ergänzende Beweise dienen, reichen aber allein nicht aus.
Was sind die rechtlichen Folgen einer nichtigen Auflassung für alle Beteiligten?
Eine nichtige Auflassung führt dazu, dass das Eigentum am Grundstück nicht wirksam übertragen wurde. Der ursprüngliche Eigentümer bleibt der wahre Eigentümer des Grundstücks und kann einen Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB geltend machen. Der im Grundbuch eingetragene Erwerber wird trotz Eintragung nicht Eigentümer des Grundstücks.
Welche Fristen müssen bei der Anfechtung einer Auflassung wegen Geschäftsunfähigkeit beachtet werden?
Bei einer Auflassung, die von einer geschäftsunfähigen Person vorgenommen wurde, ist diese von Anfang an nichtig gemäß § 105 Abs. 1 BGB. Da die Nichtigkeit der Auflassung von Anfang an besteht, gibt es keine Anfechtungsfristen zu beachten. Die Nichtigkeit kann zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden.
Wie können sich Käufer vor dem Risiko einer nichtigen Auflassung schützen?
Eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch bietet den wichtigsten Schutz für Immobilienkäufer. Der Kaufvertrag muss vollständig und wahrheitsgemäß alle Vereinbarungen zwischen den Parteien enthalten. Bei der notariellen Beurkundung ist auf die exakte Dokumentation aller Absprachen zu achten. Die Kaufpreiszahlung sollte über ein Notaranderkonto erfolgen.
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