Demenz: Häufigkeitsunterschiede zwischen Männern und Frauen – Eine statistische Analyse

Demenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die mit einer Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten einhergehen. Zu den möglichen Symptomen gehören Gedächtnis- und Orientierungsprobleme, Sprachstörungen, eine Minderung des Denk- und Urteilsvermögens sowie Veränderungen der Persönlichkeit. Im fortgeschrittenen Stadium sind die betroffenen Personen auf fremde Hilfe angewiesen, da sie sich im Alltag nicht mehr alleine zurechtfinden und pflegebedürftig sind. Die Alzheimer-Krankheit ist die bekannteste und häufigste Form der Demenz und macht bis zu zwei Drittel aller Demenzerkrankungen aus. Weitere Formen sind beispielsweise die Lewy-Körperchen-Demenz, die vaskuläre Demenz und die frontotemporale Demenz.

Die vorliegende Analyse beleuchtet die Häufigkeitsunterschiede von Demenz zwischen Männern und Frauen, basierend auf aktuellen statistischen Daten und Forschungsergebnissen. Dabei werden sowohl globale als auch regionale Unterschiede berücksichtigt und mögliche Ursachen für die beobachteten Geschlechterunterschiede diskutiert.

Demenz: Eine globale Herausforderung

Weltweit stellt Demenz eine wachsende Herausforderung für die Gesundheitssysteme dar. Im Jahr 2019 lebten schätzungsweise mehr als 55 Millionen Menschen mit Demenz (im Alter ab 40 Jahren), wobei etwa 48 Millionen auf die Altersgruppe ab 65 Jahren entfielen. Prognosen zufolge könnte die Zahl der Betroffenen bis 2030 auf rund 78 Millionen und bis 2050 auf etwa 139 Millionen ansteigen.

In Europa lebten im Jahr 2018 schätzungsweise 8,9 Millionen Menschen mit Demenz (im Alter ab 30 Jahren), davon etwa 8,4 Millionen in der Altersgruppe ab 65 Jahren. Es wird erwartet, dass diese Zahlen bis 2025 auf rund 10,3 Millionen und bis 2050 auf etwa 16,3 Millionen ansteigen werden.

Demenz in Deutschland: Aktuelle Zahlen und Prognosen

In Deutschland lebten im Jahr 2023 schätzungsweise 1,8 Millionen Menschen mit Demenz (im Alter ab 40 Jahren), wobei etwa 1,7 Millionen auf die Altersgruppe ab 65 Jahren entfielen. Die Zahl der Neuerkrankungen in der Altersgruppe ab 65 Jahren wurde für das Jahr 2023 auf 364.000 bis 445.000 geschätzt.

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Es wird erwartet, dass die Anzahl der Betroffenen (im Alter ab 65 Jahren) in Deutschland bis 2030 auf bis zu 1,9 Millionen, bis 2040 auf bis zu 2,3 Millionen und bis 2050 auf bis zu 2,7 Millionen ansteigen wird.

Der Anteil von Menschen mit Demenz an der Bevölkerung unterscheidet sich zwischen den Bundesländern deutlich. Dies liegt an den Unterschieden in der Altersstruktur der Länder. Während in Hamburg und Berlin, die bundesweit den niedrigsten Altersdurchschnitt haben, weniger als 1,8 Prozent der Bevölkerung eine Demenz haben, ist der Anteil in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen prozentual mit mehr als 2,4 Prozent am höchsten.

Wirtschaftliche Auswirkungen von Demenz

Die Kosten für Demenz sind erheblich und werden in Zukunft voraussichtlich weiter steigen. Berechnungen des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) beziffern die Kosten für Demenz in Deutschland für das Jahr 2020 mit rund 83 Milliarden Euro. Prognosen zufolge könnten diese Kosten im Jahr 2040 auf rund 141 Milliarden Euro und im Jahr 2060 auf rund 195 Milliarden Euro anwachsen.

Weltweit betrugen die Kosten für Demenz im Jahr 2019 rund 1,3 Billionen US-Dollar.

Geschlechterunterschiede bei Demenz: Frauen stärker betroffen

Frauen erkranken deutlich häufiger an Alzheimer als Männer. Rund zwei Drittel der 1,84 Millionen Alzheimer-Erkrankten in Deutschland sind weiblich. Lange ging man davon aus, dass die längere Lebenserwartung von Frauen der Grund dafür ist, da das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, mit zunehmendem Alter steigt. Doch auch wenn man die höhere Lebensdauer herausrechnet, erkranken Frauen immer noch öfter an der häufigsten Form der Demenz.

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Heute geht man zunehmend davon aus, dass auch geschlechtsspezifische Unterschiede, besonders im Hormonhaushalt, dazu führen, dass Frauen häufiger von Alzheimer betroffen sind. Die genauen Zusammenhänge sind allerdings noch nicht abschließend erforscht.

Mögliche Ursachen für die höhere Prävalenz bei Frauen

Mehrere Faktoren könnten zu dem erhöhten Demenzrisiko bei Frauen beitragen:

  • Hormonelle Unterschiede: Der weibliche Hormonhaushalt, insbesondere Östrogene, spielt eine wichtige Rolle für den Hirnstoffwechsel und die kognitiven Prozesse im weiblichen Gehirn. Östrogene sind wichtig für den Schutz und den Energiestoffwechsel der Nervenzellen im Gehirn. Sie regulieren die Mitochondrien, die als Kraftwerke der Zellen für die nötige Energie sorgen und die Verknüpfung zwischen den Nervenzellen fördern. Außerdem trägt der Botenstoff zum Schutz und zur besseren Durchblutung der Nervenzellen bei und verhindert, dass sich die alzheimertypischen Amyloid-Plaques ablagern. In den Wechseljahren ändert sich bei Frauen der Hormonhaushalt. Insbesondere die Östrogenproduktion ist stark rückläufig. Weil Östrogene nicht mehr ausreichend für die Energieversorgung und den Schutz der Nervenzellen sorgen, leiden manche Frauen kurzfristig unter Wechseljahresbeschwerden, die auch die Kognition betreffen können, zum Beispiel Gedächtnisprobleme, Vergesslichkeit und Verwirrtheit. Mittelfristig können diese hormonellen Veränderungen aber auch das Alzheimer-Risiko erhöhen. Studien deuten darauf hin, dass ein sinkender Estradiolspiegel vor, während und nach der Menopause das Risiko für Alzheimer erhöhen könnte. Umgekehrt könnte ein Ausgleich dieses abfallenden Hormonspiegels durch Hormonpräparate einen schützenden Effekt haben. Studien zeigen, dass die Therapie mit Estradiol-Präparaten möglicherweise auch eine vorbeugende Wirkung gegen Alzheimer haben könnte. Bei den untersuchten Frauen fanden die Forschenden weniger Tau-Fibrillen im Gehirn. Andere Studien zeigen aber auch, dass der Effekt der Therapie möglicherweise vom Zeitpunkt abhängt: So tritt der schützende Effekt auf das Alzheimer-Risiko vor allem bei Frauen auf, die während des Übergangs in die Menopause oder in der frühen Postmenopause mit der Hormontherapie beginnen. Bei Frauen, die erst später die Hormontherapie begonnen haben (späte Postmenopause), konnte entweder kein schützender Effekt oder sogar ein erhöhtes Risiko festgestellt werden. Die verschiedenen Studien machen deutlich, dass die Hormonersatztherapie zwar eine wichtige Rolle bei der Prävention von Alzheimer haben könnte, aber noch weiterer Forschungsbedarf besteht. Wie genau Estradiol und andere Hormone das Alzheimer-Risiko beeinflussen, ist noch nicht vollständig geklärt. Bekannt ist jedoch, dass Estradiol die Regulierung des Apolipoproteins E (ApoE) beeinflusst, wobei die Genvariante ApoE4 als wichtigster genetischer Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit gilt.
  • Reproduktionsphase: Die Länge der Reproduktionsphase von Frauen könnte ebenfalls eine Rolle spielen. Frauen, die 21 bis 34 Jahre fruchtbar waren, haben ein 26 Prozent höheres Demenzrisiko als Frauen mit einer Reproduktionsphase von 39 bis 44 Jahren. Das deutet darauf hin, dass ein spätes Einsetzen der Menstruation oder eine frühe Menopause das Alzheimer-Risiko erhöhen.
  • Weitere Risikofaktoren: Zum höheren Erkrankungsrisiko von Frauen tragen außerdem weitere gesundheitliche Alzheimer-Risikofaktoren bei wie Depressionen, Diabetes, Fettleibigkeit, Schädel-Hirn-Traumata, Infektionen und chronische Entzündungen. Diese Erkrankungen erhöhen zwar auch das Risiko von Männern, an Alzheimer zu erkranken, aber bei Frauen scheinen sich diese medizinischen Probleme stärker auf den kognitiven Verfall auszuwirken.
  • Geschlechtsspezifische Unterschiede in der medizinischen Versorgung: Studien zeigen, dass Frauen in der medizinischen Versorgung, zum Beispiel bei der Vergabe von Schmerzmitteln, häufig benachteiligt und Vorurteilen ausgesetzt sind. Auch die Bildungschancen unterscheiden sich in manchen Regionen noch immer deutlich zwischen Frauen und Männern. Gute Bildung im frühen Kindesalter kann vor Demenzerkrankungen schützen.

Gendermedizin: Geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigen

Seit einigen Jahren setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass in der Medizin zu einseitig Männer als Maßstab gesetzt wurden. Bei den meisten Studien waren die Probanden überwiegend männlich und die Ergebnisse wurden einfach auf Frauen übertragen. Das hat zur Folge, dass viele Therapien bei Frauen nicht so gut wirken oder stärkere Nebenwirkungen verursachen als bei Männern. Seit einigen Jahren bezieht die sogenannte Gendermedizin diese geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Entstehung und Behandlung von Krankheiten mit ein.

Auch in der klinischen Forschung wurden geschlechtsspezifische Unterschiede oft nicht berücksichtigt, obwohl seit langem bekannt ist, dass Alzheimer bei Frauen und Männern unterschiedlich verläuft.

Ein aktuelles Beispiel ist das Alzheimer-Medikament Leqembi (Wirkstoff Lecanemab). Es bekämpft die für Alzheimer typischen Ablagerungen im Gehirn. Studien haben jedoch gezeigt, dass es bei Männern und Frauen nicht gleich wirkt: Bei Frauen verlangsamte sich der geistige Abbau deutlich weniger als bei Männern. Außerdem wurde gezeigt, dass Menschen mit der ApoE4-Genvariante deutlich weniger von der Behandlung mit Leqembi profitierten. Insbesondere Frauen mit diesem Gen, die ohnehin das höchste Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken, könnten in Zukunft weniger von dieser Therapie profitieren.

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Prävention und Risikofaktoren

Bislang sind 14 Risikofaktoren für Demenz bekannt, die prinzipiell modifizierbar sind und durch medizinische Vorsorge und gesunde Lebensgewohnheiten zum Teil persönlich beeinflusst werden können. Dazu gehören unter anderem Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Schwerhörigkeit, Luftverschmutzung, geringe Bildung und soziale Isolation. Demnach wären bei Beseitigung dieser 14 Risiken rund 45 Prozent aller Demenzerkrankungen vermeidbar oder könnten hinausgezögert werden - theoretisch. Denn Fachleute sind der Ansicht, dass eine Reduzierung in dieser Größenordnung in der Praxis nicht realistisch ist.

Die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems spielt eine wichtige Rolle, wenn es um das Risiko für verschiedene Krankheiten geht - auch für Alzheimer. Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck und ein hoher LDL-Cholesterinspiegel erhöhen ebenfalls das Demenzrisiko. Nach der Menopause haben Frauen ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, was auch ihr Alzheimer-Risiko erhöht.

Todesursache Demenz: Anstieg der Fallzahlen

Die Zahl der Menschen, die in Deutschland an Demenz sterben, steigt weiter an. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, wurden im vergangenen Jahr 61.927 Sterbefälle durch eine Demenzerkrankung registriert. Das waren 4,4 Prozent mehr als im Vorjahr 2023 und 23,2 Prozent mehr als im zehnjährigen Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2024.

Demenz gehört laut Bundesamt seit Jahren zu den häufigsten Todesursachen bei Frauen - doch auch bei Männern steigen die Zahlen stetig. So lag die Zahl der an Demenz verstorbenen Männer im Jahr 2024 mit 21.247 um 27,9 Prozent höher als im Zehnjahresdurchschnitt, wie das Bundesamt mitteilte. Insgesamt 40.680 Frauen starben an Demenz, das waren 20,8 Prozent mehr als im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2024. Im Jahr 2024 waren knapp 90 Prozent der an Demenz Verstorbenen 80 Jahre oder älter. In dieser Altersgruppe stieg die Zahl der Todesfälle durch Demenz gegenüber dem Vorjahr um 4,6 Prozent. Im Vergleich zum Zehnjahresdurchschnitt war der Anstieg bei Männern ab 80 Jahren mit knapp 33 Prozent deutlich stärker als bei Frauen (plus 22,2 Prozent).

Im Allgemeinen ist es also nicht der geistige Abbau, der unmittelbar zum Tode führt, sondern gesundheitliche Komplikationen, die mit Demenz einhergehen. Viele Menschen mit Demenz versterben daher an einer Lungenentzündung.

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