Die steigende Zahl älterer Patient:innen mit Demenz in Krankenhäusern stellt das Gesundheitssystem vor besondere Herausforderungen. Eng getaktete Abläufe und der Klinikalltag können Menschen mit Demenz überfordern. Daher ist es wichtig, dass Krankenhäuser demenzfreundliche Strukturen schaffen, um die bestmögliche Versorgung dieser Patientengruppe zu gewährleisten.
Nationale Demenzstrategie und ihre Bedeutung für Krankenhäuser
Die Nationale Demenzstrategie, eine Weiterentwicklung der "Allianz für Menschen mit Demenz", zielt darauf ab, die Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen in Deutschland zu verbessern. Ein besonderer Fokus liegt auf Maßnahmen, die die Alltagsgestaltung sowie die gesundheitliche und pflegerische Versorgung von Menschen mit Demenz betreffen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist ein wichtiger Gestaltungspartner dieser Strategie.
Handlungsfeld 3 der Nationalen Demenzstrategie, "Die medizinische und pflegerische Versorgung von Menschen mit Demenz weiterentwickeln", ist besonders relevant für den Krankenhausbereich. Die DKG hat im Rahmen dieser Strategie Good-Practice-Modelle erfasst, um Einblicke in die Umsetzung demenzfreundlicherer Krankenhäuser zu geben.
Initiativen und Programme zur Förderung demenzfreundlicher Strukturen
Allianz für Menschen mit Demenz
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft ist seit 2013 Gestaltungspartner der "Allianz für Menschen mit Demenz". Diese Initiative wurde von der Bundesregierung ins Leben gerufen, um die Lebenssituation betroffener Menschen und ihrer Angehörigen nachhaltig zu verbessern und die Öffentlichkeit für Demenz zu sensibilisieren. Die Allianz hat sich mit der Unterzeichnung der Agenda „Gemeinsam für Menschen mit Demenz“ 2014 zur Umsetzung konkreter Maßnahmen verpflichtet.
Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz
Ein zentrales Element der Agenda ist das Bundesmodellprogramm "Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz". Dieses Förderprogramm unterstützt die Vernetzung von Partnern in Kommunen, um durch konkrete Maßnahmen die Akzeptanz und Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu fördern. Von 2012 bis 2016 wurden 500 Projekte als Hilfenetzwerke initiiert.
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Handreichung "Demenz und Krankenhäuser"
Die Ergebnisse einer Fachkonferenz zum Thema "Demenz und Krankenhäuser" wurden in einer Handreichung zusammengefasst. Diese Broschüre bietet umfangreiche Informationen sowie Verweise und Links auf Projekte, Studien, Konzepte und Internetseiten. Sie soll sensibilisieren, informieren und zur Umsetzung demenzfreundlicher Strukturen anregen.
Informationsmaterialien für Angehörige
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat gemeinsam mit der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft einen Flyer für Angehörige von Menschen mit Demenz sowie einen Informationsbogen für Patienten mit Demenz bei der Aufnahme ins Krankenhaus entwickelt. Diese Materialien sollen die Kommunikation zwischen Angehörigen, Patienten und Krankenhauspersonal erleichtern.
Kampagne "Demenz-Partner werden"
Die Kampagne "Demenz-Partner werden" der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft e.V. ist eine bundesweite Aufklärungskampagne, die gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gestartet wurde. Demenz-Partner haben einen Kurs zum Thema Demenz besucht oder bieten solche Kurse an.
Herausforderungen und Lösungsansätze für Krankenhäuser
In Krankenhäusern wächst die Zahl älterer Patient:innen, die neben einer akuten Erkrankung auch kognitive Einschränkungen aufweisen. Etwa 20 % der über 65-Jährigen haben eine vorbestehende Demenz und etwa 30 % ein Delir. Diese Patient:innen gehören zu einer besonders vulnerablen Gruppe.
Die Versorgung von Menschen mit Demenz und Delir stellt Krankenhäuser vor große Herausforderungen, da das Personal oft nicht ausreichend auf diese komplexen Pflegesituationen vorbereitet ist. Eine demenz- und delirsensible Gestaltung von Akutkrankenhäusern kann die Symptomatik und den Verlauf kognitiver Erkrankungen positiv beeinflussen und die Selbstständigkeit und Mobilität der Betroffenen fördern. Zudem können demenz- und delirfreundliche Strukturen die Arbeitsprozesse verschiedener Berufsgruppen unterstützen und wirtschaftliche Vorteile für die Krankenhausträger bringen, beispielsweise durch kürzere Liegezeiten und weniger Sturzereignisse.
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Maßnahmen für eine demenzsensible Ausgestaltung von Krankenhäusern
Personelle Maßnahmen
- Aufklärung und Sensibilisierung des Personals: Vermittlung grundlegender Kompetenzen für das Krankheitsbild, Erlernen einfacher Verhaltensregeln, Umgang und Kontakt mit kognitiv auffälligen Patient:innen (z. B. über regelmäßige und verpflichtende Schulungsangebote).
Architektonische und räumliche Maßnahmen
- Anpassung der Umgebungsfaktoren an die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz: Förderung der Selbstständigkeit, Mobilität und Teilhabe.
- Förderung der Orientierung: Gut sichtbare Uhren, Piktogramme an den Türen, Fotos bzw. Symbole mit Biografiebezug, namentliche oder farbliche Gestaltung von Patientenschränken und -betten.
- Förderung von Aktivität und Bewegung: Einstellung entsprechender Sitzhöhe von Stühlen und Toiletten, eindeutige farbliche Kennzeichnung von Lichtschaltern sowie WC, ausreichende tagesstrukturierende Beschäftigungs- und Aktivierungsmöglichkeiten, die sich an der persönlichen Lebensgeschichte des Patienten orientieren.
- Förderung von Sicherheit, Vertrautheit, Teilhabe und Wohlbefinden: Etablierung von Sicherungssystemen (Bewegungsmelder, Sensormatte etc.) zur Vermeidung von Gefahren, gute Farb- und Beleuchtungsgestaltung von Fluren und Zimmern, wohnliche Aufenthaltsräume für gemeinsame Spiele und Mahlzeiten.
Prozessuale und strukturelle Maßnahmen
- Screening im Aufnahmegespräch: Frühzeitige Identifizierung kognitiver Beeinträchtigungen, da bei stationärer Aufnahme bei etwa zwei Drittel der Menschen mit Demenz die Diagnose fehlt. Zudem können Menschen mit einem Delir frühzeitig erkannt und präventive Maßnahmen bei vorhandenen Risikofaktoren eingeleitet werden.
- Behandlungs- und Versorgungspfad: Optimale Diagnostik und Therapie während des Krankenhausaufenthaltes.
Projektbeispiele und Good-Practice-Modelle
Zahlreiche Projekte haben sich bereits mit der Thematik auseinandergesetzt und Lösungsvorschläge erarbeitet. Einige Beispiele sind:
- HuBertDA (Handeln im Hier und Jetzt! Bereit zum Demenz- und Alterssensiblen Krankenhaus): Ein Projekt des Klinikums Stuttgart in Kooperation mit der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg und der Hochschule Esslingen.
- Menschen mit Demenz im Krankenhaus: Ein Kooperationsprojekt des Landesverband Bayern der Deutschen Alzheimer Gesellschaft mit Krankenhäusern.
- Blickwechsel Demenz: Ein Unterstützungsprogramm für Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung eigener demenzsensibler Konzepte.
- Demenzabteilung im Robert Bosch Krankenhaus Stuttgart: Station mit zehn Betten für Menschen mit einer demenziellen Vorerkrankung, einem Tagesangebot und gemeinsamen Mahlzeiten.
- Demenzstation Vergissmeinnicht im Bethesda-Krankenhaus Stuttgart: 2016 eröffnete Station mit acht Betten.
- Menschen mit Demenz im Krankenhaus: das Projekt GISAD: Die Geriatrisch-Internistische Station für akut erkrankte Demenzpatienten wurde 2004 am Bethanien-Krankenhaus Heidelberg gegründet.
- Station DAVID: Ein geschützter Ort für Patienten mit Demenz in Hamburg.
- Begleitservice: Ehrenamtliche begleiten Menschen mit Demenz im Krankenhaus und entlasten so Angehörige und Pflegepersonal. Beispiele sind der Klinikverbund Südwest/Kreis Böblingen, die Oberschwabenklinik Ravensburg und die Uniklinik Mannheim.
- Demenzkompetenz im Krankenhaus: Modellprojekt in Rheinland-Pfalz 2013 - 2015.
- Dem-i-K (Demenz im Krankenhaus): Modellprojekt von fünf saarländischen Krankenhäusern für eine bessere Versorgung von Patienten mit Demenz.
- Doppelt hilft besser bei Demenz: Projekt Neue Wege bei der Betreuung von Patienten mit Demenz im Krankenhaus Lübbecke.
Das Demenzkonzept im Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg
Das Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg hat ein gesamthausweites Demenzkonzept implementiert, das auf folgenden Zielen basiert:
- Krankheitsbilder Demenz und Delir (er-)kennen und ein Bewusstsein für diese Erkrankungen bei allen Mitarbeitenden schaffen.
- Früherkennung von kognitiven Defiziten und Risikopatient:innen mit Erkennung der notwendigen Einleitung von Prophylaxen.
- (Re-)Orientierung fördern und Desorientierung vermeiden.
- Interdisziplinäre Maßnahmen in allen Fachbereichen anwenden mit dem Fokus auf nicht-medikamentöse Maßnahmen.
- Komplikationen während des Krankenhausaufenthaltes vermeiden und reduzieren.
- Mitarbeitende entlasten und Sicherheit im Umgang mit Betroffenen erlangen.
- Blickwinkel wechseln und Sichtweisen ändern, sich auf alternative Möglichkeiten einlassen und neue Wege testen.
- Neue Routinen schaffen, um Sicherheit und das Wohl von kognitiv eingeschränkten Menschen zu erhöhen.
Das Projekt „demenzsensibles Krankenhaus“ ist dem Gesamthaus angegliedert, da geriatrische Patient:innen mit und ohne Demenz, sowie mit Delirrisiko in allen Fachbereichen aufgenommen werden. Auf den Stationen der Alterstraumatologie, der Geriatrie und der Stroke Unit konnten bislang die erfolgreichsten Umsetzungen des Konzeptes festgestellt werden.
Durch die zentrale Demenz- und Delirbeauftragte gibt es eine feste Ansprechpartnerin für alle Berufsgruppen und Fachbereiche. Die rund 80 dezentralen Demenz- und Delirbeauftragten sind interdisziplinär in allen Fachbereichen benannt und dienen der Weitergabe von Informationen und Wissen, sowie der aktiven Umsetzung des Konzeptes am Patientenbett.
Tipps für Angehörige von Menschen mit Demenz im Krankenhaus
- Weisen Sie das Krankenhauspersonal explizit darauf hin, dass Probleme aufgrund einer Demenzerkrankung auftreten können. Nutzen Sie hierfür den "Informationsbogen für Patienten mit einer Demenz bei Aufnahme ins Krankenhaus".
- Wechseln Sie sich mit anderen Familienmitgliedern und vertrauten Personen ab.
- Fragen Sie nach der Möglichkeit zum Rooming-in.
- Fragen Sie bei den zuständigen Ärzt:innen nach, falls Sie den Eindruck haben, dass es der erkrankten Person plötzlich schlechter geht oder sie evtl. sedierende Medikamente erhält.
- Wenn Sie eine Vollmacht haben oder vom Gericht als Betreuer:in bestellt worden sind, haben Sie ein Recht auf Einsicht in die Krankenunterlagen.
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