Demenz ist ein Syndrom, keine eigenständige Krankheit, und auch keine normale Alterserscheinung, obwohl sie bei älteren Menschen häufiger auftritt. Die Symptome können vielfältig sein und durch unterschiedliche Krankheiten, sogenannte Demenzformen, ausgelöst werden. Innerhalb der primären Demenzen lassen sich Formen und Arten nach dem Auslöser unterscheiden.
Primäre Demenzen
Neurodegenerative Demenz
Diese Form wird durch das Absterben von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst. Alzheimer ist mit über 60 Prozent die häufigste Demenzform.
Frontotemporale Demenz (Morbus Pick)
Auch hier sterben Nervenzellen ab, jedoch vor allem im Stirn- und Schläfenbereich. Dies führt zu Veränderungen der Persönlichkeit und des sozialen Verhaltens, weniger zu Beeinträchtigungen des Erinnerungsvermögens. Sie tritt oft bei jüngeren Menschen zwischen 45 und 60 Jahren auf, in Einzelfällen sogar schon ab dem 20. Lebensjahr.
Lewy-Körper-Demenz
Diese neurodegenerative Erkrankung ist durch sogenannte „Lewy-Körperchen“ gekennzeichnet, die für den Rückgang von Nervenzellen in der Hirnrinde verantwortlich sind. Typische Symptome sind optische Sinnestäuschungen (Halluzinationen) und motorische Störungen. Auch ein rascher Wechsel von Wachheit zu Müdigkeit im Tagesverlauf kommt häufig vor.
Parkinson-Demenz
Bei etwa 30 bis 40 Prozent der Parkinson-Patienten entwickelt sich im Zusammenhang mit der Krankheit auch eine Demenz.
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Vaskuläre Demenz
Im Gegensatz zu den neurodegenerativen Demenzen gehen hier nicht die Nervenzellen selbst zurück, sondern das Hirngewebe wird durch Durchblutungsstörungen geschädigt. Dies führt ebenfalls zum Absterben von Nervenzellen, jedoch mit einer anderen Dynamik. Typische Ursachen sind langjähriger unbehandelter Bluthochdruck (Morbus Binswanger) oder Schlaganfälle (Multi-Infarkt-Demenz). Die Beeinträchtigungen können sehr unterschiedlich sein und sich vor allem in den Bereichen Gedächtnis, Sprache, Denkvermögen, Bewegung und Orientierung äußern. Vaskuläre Demenzen können in jedem Alter auftreten, zum Beispiel durch Schlaganfälle.
Sekundäre Demenzen
Diese werden indirekt durch äußere Einflussfaktoren wie Medikamente, Alkoholmissbrauch (Korsakow-Demenz) oder schädliche Umwelteinflüsse ausgelöst.
Mischformen
In der Praxis treten oft Mischformen von Demenz auf, beispielsweise eine neurodegenerative Form in Kombination mit einer vaskulären Demenz.
Risikofaktoren und Vorbeugung
Obwohl die Medizin die einzelnen Demenzformen genau beschreiben, diagnostizieren und bis zu einem gewissen Grad auch behandeln kann, ist bislang ungeklärt, warum manche Menschen erkranken und andere nicht. Bekannt sind jedoch einige Risikofaktoren, die das persönliche Risiko für eine Demenzerkrankung drastisch erhöhen. Studien zeigen, dass bis zu 45 Prozent aller Erkrankungen durch die gezielte Beeinflussung von 14 Risikofaktoren verhindert oder zumindest hinausgezögert werden könnten. Bewegung, gesunde Ernährung, soziale Kontakte und geistige Aktivität zählen dabei zu den wichtigsten Schutzfaktoren.
Diagnose
Wenn Angehörige den Verdacht haben, dass eine Person an einer Demenzform erkrankt sein könnte, sollte dieser Verdacht abgeklärt werden. Spezielle Demenz-Tests messen die geistige Leistungsfähigkeit und lassen erkennen, ob diese noch im Normalbereich liegt oder Anzeichen für eine Einschränkung vorliegen. Ein Selbsttest wie der MMST (Mini-Mental-Status-Test) kann einen ersten Verdacht prüfen, ersetzt aber keine ärztliche Diagnose. Bei einem Anfangsverdacht sollte der erste Gang zum Hausarzt, zu einer Gedächtnis-Sprechstunde oder einer Memory-Klinik führen. Eine frühe Diagnose erleichtert den Umgang mit der Krankheit und bietet größere Chancen, das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten oder zu verlangsamen.
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Umgang mit der Erkrankung
Jede Demenz-Erkrankung bringt individuelle Einschränkungen mit sich und verläuft unterschiedlich schnell. Die Einteilung in Demenz Stadien dient lediglich der Übersicht über Phasen, die irgendwann im Verlauf der Krankheit zu erwarten sind. Es ist unmöglich, vorherzusagen, wann diese Phasen eintreten.
Frühphase
In der Frühphase sind die Auswirkungen noch nicht besonders dramatisch. Die erkrankte Person ist noch weitgehend selbstständig und kann oft noch allein leben. In dieser Phase sollten die Betroffenen noch möglichst viel am sozialen Leben teilnehmen und sich auf keinen Fall zurückziehen. Auch Sport und gezielte Physio- und Ergotherapie spielen eine wichtige Rolle. Komplexe und besonders verantwortungsvolle Aufgaben sollten aber schrittweise und kontrolliert abgegeben werden.
Mittelschwere Demenz
Von einer mittelschweren Demenz ist die Rede, wenn die Symptome bereits deutlich ausgeprägt und kaum mehr zu übersehen sind. Spätestens jetzt bereitet die räumliche und zeitliche Orientierung erhebliche Schwierigkeiten. Wesensveränderungen können stark ausgeprägt sein und die Sprach- und Bewegungsfähigkeit sind spürbar eingeschränkt.
Schwere Demenz
Bei einer schweren Demenz führen die starken Symptome dazu, dass die Person auf intensive Betreuung und Pflege angewiesen ist. Die verschiedenen Symptome können so stark ausgeprägt sein, dass Betroffene weitgehend bettlägerig werden. Psychisch besonders belastend für Angehörige kann eine dauerhafte Wesensveränderung sein oder die Tatsache, dass selbst engste Vertraute kaum mehr erkannt werden.
Pflege und Betreuung
Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz ist eine echte Herausforderung. Zu Beginn der Erkrankung reicht oft ein wenig Unterstützung im Alltag aus, doch im weiteren Verlauf wird der Bedarf an Hilfe immer größer. Viele Menschen sind bereit, sich selbst so lange wie möglich um ihre Angehörigen zu kümmern. Menschen mit Demenz verändern ihr Verhalten und reagieren aufgrund einer veränderten Wahrnehmung anders auf ihre Umwelt. Für Außenstehende ist es oft schwer zu verstehen, was in der demenzerkrankten Person vorgeht.
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Kommunikation und Umgang
Im Umgang mit Demenzerkrankten ist es wichtig, auf einen würdevollen und wertschätzenden Umgang zu achten. Unabhängig von Konfliktsituationen ist es immer eine Möglichkeit, sich auf die Lebenserfahrung der Person zu beziehen und diese wertzuschätzen. Man kann zum Beispiel nach einem Ratschlag fragen und/oder sich auch mal helfen oder trösten lassen.
Demenzdörfer
Inzwischen gibt es auch Demenzdörfer in Deutschland, in denen Menschen mit Demenz in einer dörflichen Gemeinschaft betreut werden, komplett mit Supermarkt, Café und individuell gestalteten Zimmern.
Beschäftigung und Spiele
Beschäftigung und Spiele sind aus zwei Gründen wichtig: Zum einen, weil viele Betroffene eine Unruhe entwickeln und zur Beruhigung unbedingt eine Beschäftigung brauchen. Zum anderen, weil Beschäftigung und Spiele die geistige und körperliche Aktivität anregen und soziale Interaktion erzeugen.
Entlastung für Angehörige
Ganz besonders wichtig ist, dass Angehörige sich selbst mit der Betreuung und Pflege nicht überfordern. Im Laufe einer Demenzerkrankung kann eine Inkontinenz entstehen. Helfen Sie Betroffenen beim Auskleiden, falls sie Schwierigkeiten haben, den Harn lange zu halten. Wählen Sie individuell geeignetes Inkontinenzmaterial aus, das bequem sitzt und ausreichend Schutz bietet.
Umgang mit Schmerzen und Verstopfung
Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz können sich häufig nicht mehr verständlich äußern, dies ist besonders problematisch, wenn sie Schmerzen haben. Durch Bewegungsmangel und Gedächtnisverlust können Toilettengänge ausbleiben. Häufig kommt es hierdurch zu einer schmerzhaften Verstopfung. Wenn Sie eine demenzerkrankte Person pflegen, haben Sie also auch ihre regelmäßige Harn- und Darmentleerung im Blick.
Lebenserwartung und Sterbebegleitung
Demenz führt an sich nicht unbedingt zum Tod, dennoch haben Menschen, die an Demenz erkranken, eine verkürzte Lebenserwartung. Das liegt zum einen daran, dass es den Betroffenen im späteren Verlauf der Krankheit immer schwerer fällt, auf ihre eigene Gesundheit zu achten, Frühwarnzeichen für Erkrankungen wahrzunehmen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Die häufigste Todesursache bei Menschen mit Demenz ist die Lungenentzündung (Pneumonie). Um die Trauer und alle damit verbundenen Gefühle besser bewältigen können, helfen Gespräche mit Personen aus dem engsten Familien- und Freundeskreis. Binden Sie frühzeitig einen ambulanten Palliativdienst aus Ihrer Umgebung ein.
Warum erzählen Menschen mit Demenz immer wieder das Gleiche?
Das ständige Wiederholen von Geschichten oder Aussagen bei Demenz hat unterschiedliche Ursachen.
Vergesslichkeit
Eine Studie aus dem Jahr 2010 untersuchte die Erinnerungsfähigkeit älterer Menschen und fand heraus, dass das Altern einen geringen Effekt auf das sogenannte Source Memory hat (Erinnerung daran, wer die Quelle einer Information ist). Beim Destination Memory (Erinnerung daran, wem man etwas erzählt hat) gab es jedoch signifikante Unterschiede. Ältere Menschen vergaßen häufiger, wem sie etwas erzählt hatten, was ein möglicher Grund für das Wiederholen von Geschichten sein kann.
Einsamkeit und Reflexion
Ältere Menschen, die einsam oder nicht mehr sehr aktiv sind, erzählen ihre alten Geschichten vielleicht deshalb immer wieder, weil sie das Gefühl haben, sonst nichts Interessantes erzählen zu können. Je älter wir werden, desto mehr reflektieren wir auf unser Leben. Das wiederholte Erzählen dieser Geschichten ist Teil dieses Reflexionsprozesses.
Stress, Unwohlsein, Angst oder Langeweile
Das Wiederholen von Aussagen und Geschichten kann auch die Folge von Stress, Unwohlsein, Angst oder Langeweile sein.
Abgrenzung von normaler Vergesslichkeit
Besonders am Anfang ist es schwer, eine "normale Vergesslichkeit" von einer Demenz abzugrenzen. Nicht jede Vergesslichkeit ist mit einer beginnenden Demenz gleichzusetzen. Solange keine weiteren Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit hinzukommen, gibt es keinen Grund zur Sorge.
Symptome der Demenz
Im Rahmen von Alzheimer-Demenz ist das Wiederholen von Aussagen keine Seltenheit und die Folge der Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens. Im Gegensatz zur "normalen" Vergesslichkeit weisen Menschen, die tatsächlich an einer Demenz erkrankt sind, einige typische Merkmale auf. Vor allem treten im Verlauf der Erkrankung immer mehrere und zunehmend stärker ausgeprägte Symptome in Erscheinung.
Beispiele für den Unterschied zwischen "normaler" Vergesslichkeit und Alzheimer
- Vergesslichkeit: Jeder vergisst mal etwas und erinnert sich dann wieder. Menschen mit Alzheimer vergessen häufig, erinnern sich nicht mehr und stellen immer wieder die gleichen Fragen, obwohl sie die Antwort schon (mehrfach) erhalten haben.
- Verlegen von Gegenständen: Verlegt jemand einen Gegenstand wie z.B. seinen Schlüssel, ist das gesunde Gehirn in der Lage ihn zu finden, indem es Schritt für Schritt zurückdenkt. Menschen mit Alzheimer erinnern sich nicht an das letzte Mal, als sie ihre Schlüssel in der Hand hielten. Oder sie stricken sich ihre eigene Geschichte, wie sie die Schlüssel verloren haben könnten.
- Probleme bei der Beurteilung von Situationen: Auch ein gesunder Erwachsener kann für einen Moment vergessen, auf ein Kind unter seiner Obhut aufzupassen. Ein Mensch mit Alzheimer vergisst das Kind möglicherweise völlig und verlässt das Haus.
- Probleme beim abstrakten Denken: Jeder vergisst mal eine Telefonnummer, aber er kann sie nachschauen. Ein fortgeschritten Betroffener weiß nicht mehr, was diese Nummern bedeuten und was er mit ihnen machen kann.
- Schwierigkeiten bei Alltagsaktivitäten: Auch Menschen mit Demenz können in frühen Phasen z.B. ein Essen kochen, vergessen dann aber möglicherweise, es zu servieren oder dass sie es überhaupt gekocht haben.
- Geschichten und Geschehnisse: Während viele Menschen Abschnitte von Geschichten oder unwichtige Fakten eines Geschehnisses vergessen, erinnern sich Menschen mit einer Alzheimer Demenz weder an die Geschichten noch an die Geschehnisse selbst.
- Kurzzeitgedächtnis: In der Regel vergisst das Gehirn eher Ereignisse, die vor langer Zeit passierten, als Ereignisse, die vor kurzem stattfanden. Dagegen vergessen Menschen mit Alzheimer meistens, was einige Minuten zuvor geschah.
- Gedächtnishilfen: Normal vergessliche Menschen nutzen Gedächtnisstützen und Merkzettel besser als Menschen mit Alzheimer.
- Orientierung: Normal Vergessliche verlieren nie die Fähigkeit, sich selbst zu orientieren. Auch in einer fremden Umgebung finden sie Anhaltspunkte, um sich zurecht zu finden. Menschen mit Alzheimer verlieren die Fähigkeit zu suchen und Hinweise zu verwenden, die sie bei der Orientierung unterstützen. Auch die zeitliche Orientierung geht zunehmend verloren.
- Wiederholungen: Es kann vorkommen, dass "normal" vergessliche Menschen entfernten Freunden noch einmal die gleiche Geschichte erzählen. Menschen mit Alzheimer Demenz erzählen die gleiche Geschichte unter Umständen mehrmals innerhalb einer Stunde derselben Person.
- Mangel von Antrieb und Initiative: Betroffene verlieren oft ihre Energie, werden inaktiv und nehmen nur noch widerwillig an gesellschaftlichen oder anderen Aktivitäten teil.
Verhaltensweisen und Handlungsmuster
Viele Menschen mit Demenz stellen immer wieder dieselbe Frage oder wiederholen die gleichen Sätze oder Handlungen. Das kann für die Betreuenden ausgesprochen anstrengend und belastend sein und den Eindruck nähren, dass der Mensch einen mit Absicht ärgern will. Das ist jedoch normalerweise nicht der Fall. Vielmehr hat er wahrscheinlich einfach vergessen, dass er die Frage schon einmal gestellt hat. Oftmals ist wiederholtes Fragen auch ein Zeichen von Angst oder Unsicherheit.
Weitere Verhaltensweisen
- Bewegungsdrang und Unruhe: Im mittleren Stadium der Demenz zeigen viele betroffene Menschen einen ausgeprägten Bewegungsdrang, gepaart mit starker Unruhe.
- Wandern in der Nacht: Schlafstörungen und die zunehmende Unfähigkeit, Tag und Nacht zu unterscheiden, führen häufig dazu, dass sich „Gehen“ und „Wandern“ auch auf die Nacht ausdehnen.
- Falsche Beschuldigungen: Die eingeschränkte Fähigkeit der Betroffenen, Situationen und Wahrnehmungen richtig zu deuten, führt häufig zu Erklärungsversuchen, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. So beschuldigen sie beispielsweise ihre Angehörigen, Geld gestohlen zu haben, oder halten Verwandte für verkleidete Fremde.
- Verstecken von Gegenständen: Oft verstecken Menschen mit Demenz wichtige Gegenstände wie Schlüssel, Geld, aber auch Lebensmittel aus einem vermeintlichen Sicherheitsbedürfnis heraus.
- Leben in der Vergangenheit: Mit dem Fortschreiten der Demenz wird die Lebenswelt der Betroffenen weitgehend von den noch vorhandenen Erinnerungen geprägt. Sie leben mit den Vorstellungsbildern einer bestimmten Lebensphase und verhalten sich dementsprechend.
- Aggressives Verhalten: Menschen mit Demenz verhalten sich manchmal verbal oder körperlich aggressiv. Auslöser für Wutausbrüche und aggressives Verhalten sind weniger krankheitsbedingte Veränderungen im Gehirn als vielmehr die erschwerten Lebensbedingungen und die daraus resultierende Angst der Betroffenen.
Umgang mit schwierigen Situationen
Um Aggressionen vorzubeugen, ist es wichtig, die Anlässe für dieses Verhalten herauszufinden und, wenn möglich, zu beseitigen. Gelingt dies nicht, kann Ablenkung eine sinnvolle Strategie sein. Versuchen Sie, gelassen zu bleiben und die betroffene Person zu beruhigen. Achten Sie auch auf Ihre Sicherheit, falls der Mensch mit Demenz zu aggressivem Verhalten neigt und dabei gefährliche Gegenstände benutzt.