Stuhlinkontinenz: Ursachen, Behandlung und Umgang insbesondere bei Demenz

Die Stuhlinkontinenz, auch Darminkontinenz genannt, bezeichnet den unkontrollierten Abgang von Stuhl, Darmschleim oder Darmgasen. Betroffene können den Zeitpunkt der Entleerung nicht mehr willentlich bestimmen. Schätzungen zufolge leiden in den westlichen Industriestaaten etwa fünf Prozent der Bevölkerung an einer Stuhlinkontinenz. Frauen sind dabei vier- bis fünfmal häufiger betroffen als Männer, und das Risiko steigt mit zunehmendem Alter. Die Erkrankung kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen, weshalb eine frühzeitige Diagnose und Behandlung wichtig sind.

Aufbau des Verdauungstrakts und Kontinenzmechanismus

Um die Ursachen und Folgen einer Stuhlinkontinenz zu verstehen, ist es hilfreich, den Aufbau des letzten Darmabschnitts und den Kontinenzmechanismus zu kennen.

Am Ende des Verdauungstrakts befindet sich der Mastdarm (Rektum), in dem sich der Stuhl vor der Ausscheidung sammelt. Der Mastdarm besteht aus dehnbarem Gewebe, um als Reservoir dienen zu können. Die Kontrolle über die Stuhlausscheidung erfolgt durch den Schließmuskel (Sphinkter), einen ringförmigen Muskel am Ausgang des Darms, der in den Beckenboden eingelassen ist.

Der Schließmuskel besteht aus zwei Anteilen:

  • Innerer Schließmuskel: Dieser Teil besteht aus glatter Muskulatur und ist nicht willentlich beeinflussbar.
  • Äußerer Schließmuskel: Dieser Teil besteht aus quergestreifter Muskulatur und kann willentlich angespannt werden.

Die Funktion des Schließmuskels, des Beckenbodens und des Mastdarms wird über Nerven gesteuert, die sich in der Darmwand befinden. Das Gehirn sendet über diese Nerven elektrische Signale an die Organe und steuert so die Stuhlausscheidung. Die Signale verlaufen über das Rückenmark und die Sakralnerven im unteren Rücken.

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Ein wichtiger Schutzreflex ist der sogenannte Guarding-Reflex, der den Schließmuskel geschlossen hält, um einen unbeabsichtigten Stuhlabgang zu verhindern. Beim Toilettengang gibt das Gehirn das Signal zur Entspannung des Schließmuskels, und der Stuhl kann ausgeschieden werden.

Ursachen der Stuhlinkontinenz

Die Ursachen für Stuhlinkontinenz sind vielfältig. Eine Stuhlinkontinenz kann auftreten, wenn es in einem dieser Systeme zu Störungen kommt. Generell lassen sich folgende Hauptursachen unterscheiden:

  • Muskuläre Stuhlinkontinenz: Hier ist der Schließmuskel nicht mehr intakt oder geschwächt. Eine Schließmuskelschwäche kann altersbedingt sein, da die Muskelmasse im Beckenboden- und Analbereich abnimmt. Auch Schließmuskeldefekte, die beispielsweise durch Operationen, Dammrisse bei Geburten oder Verletzungen entstanden sind, können eine Rolle spielen.
  • Neurogene Stuhlinkontinenz: Bei dieser Form ist die Nervenversorgung des Schließmuskels oder des Mastdarms gestört. Schäden am Gehirn, Rückenmark oder den Nerven selbst können die Signalübertragung zwischen Gehirn und Schließmuskel beeinträchtigen. Betroffene verspüren möglicherweise keinen Stuhldrang oder können den Schließmuskel nicht mehr richtig ansteuern. Ursachen hierfür können beispielsweise Entzündungen, Verletzungen, Bandscheibenvorfälle oder das Cauda-equina-Syndrom sein.
  • Sensorische Stuhlinkontinenz: Hier ist die Wahrnehmung des Stuhldrangs gestört, weil die Sensibilität der Analkanalschleimhaut beeinträchtigt ist. Betroffene spüren den Füllstand des Darms nicht mehr rechtzeitig.
  • Stuhlinkontinenz aufgrund von Grunderkrankungen: Bestimmte Erkrankungen wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (z.B. Colitis ulcerosa), Tumore im Darmbereich oder schwere Verstopfung (Obstipation) können ebenfalls zu Stuhlinkontinenz führen. Bei einer langanhaltenden Verstopfung kann sich harter Stuhl im Dickdarm stauen, während flüssiger Stuhl daran vorbei austritt.
  • Weitere Faktoren: Auch die Stuhlkonsistenz spielt eine Rolle. Dünnflüssiger Stuhl ist schwerer zu halten als fester Stuhl. Bestimmte Medikamente können als Nebenwirkung eine Stuhlinkontinenz auslösen oder verstärken.

Schweregrade der Stuhlinkontinenz

Die Stuhlinkontinenz wird in verschiedene Schweregrade eingeteilt, um das Ausmaß der Beschwerden zu beschreiben:

  • Grad 1: Unkontrollierter Abgang von Luft (Darmgasen), leichte Verschmutzung der Unterwäsche (Stuhlschmieren).
  • Grad 2: Unkontrollierter Abgang von dünnflüssigem Stuhl, gelegentlicher unkontrollierter Stuhlabgang.
  • Grad 3: Unkontrollierter Abgang von geformtem Stuhl.

Zusätzlich kann ein Punktesystem verwendet werden, um den Schweregrad genauer zu bestimmen. Betroffene können zwischen 1 und 20 Punkte erreichen.

Diagnose der Stuhlinkontinenz

Bei Verdacht auf Stuhlinkontinenz ist ein Arztbesuch ratsam. Der Arzt wird zunächst ein ausführliches Gespräch (Anamnese) führen, um die Beschwerden, Häufigkeit und Dauer der Stuhlinkontinenz sowie die Stuhlbeschaffenheit zu erfragen. Ein Stuhlgang-Protokoll kann helfen, die eigenen Toilettengewohnheiten besser kennenzulernen und Unregelmäßigkeiten zu erkennen.

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Anschließend erfolgt eine körperliche Untersuchung, bei der der Arzt den Enddarm vom After aus abtastet (rektale Palpation). Weitere Untersuchungen können durchgeführt werden, um die Ursache der Stuhlinkontinenz zu bestimmen:

  • Endoskopie (Rektoskopie, Koloskopie): Eine Spiegelung des Mastdarms und Dickdarms ermöglicht es dem Arzt, Auffälligkeiten wie Entzündungen, Aussackungen oder andere Veränderungen der Darmwand zu erkennen.
  • Ultraschalluntersuchung (Sonographie): Mit Ultraschall können Schädigungen des Schließmuskels oder Veränderungen des Enddarms festgestellt werden.
  • Manometrie: Bei dieser Untersuchung wird der Druck des Schließmuskels gemessen, indem ein Messfühler in den Enddarm eingeführt und langsam herausgezogen wird.
  • Defäkographie: Der Enddarm wird mit einem Kontrastmittel gefüllt, und der Arzt verfolgt auf einem Röntgenbild, wie das Kontrastmittel den Darm verlässt.
  • Neurologische Untersuchungen: Bei Verdacht auf eine neurogene Ursache können neurologische Untersuchungen wie die Beckenbodenelektromyographie (BB-EMG) oder die Messung der Leitgeschwindigkeit des Nervus pudendus durchgeführt werden, um die Funktion der Nerven zu überprüfen.
  • Sensibilitätstests: Mithilfe von Sensibilitätstests kann die Empfindlichkeit des Mastdarms und der Hautregion um den After beurteilt werden.

Behandlung der Stuhlinkontinenz

Die Behandlung der Stuhlinkontinenz richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. In vielen Fällen können konservative Therapien bereits eine Besserung der Beschwerden bewirken.

  • Stuhlgangsregulierung: Ziel ist es, eine möglichst weiche, aber nicht zu flüssige Stuhlkonsistenz zu erreichen. Dies kann durch eine ballaststoffreiche Ernährung, ausreichende Flüssigkeitsaufnahme und regelmäßige Bewegung unterstützt werden. Blähende Lebensmittel sollten vermieden werden. Bei Bedarf können auch Medikamente zur Stuhlregulierung eingesetzt werden. Bei Verstopfung können osmotische Laxanzien wie Macrogol oder Lactulose helfen. Bei Durchfall können Flohsamenschalen eingesetzt werden, um überschüssiges Wasser im Darm zu binden.
  • Beckenbodentraining: Gezielte Übungen zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur können die Funktion des Schließmuskels verbessern. Ein Physiotherapeut kann bei der Anleitung der Übungen helfen.
  • Biofeedback: Diese Methode hilft Patienten, die ihren Beckenboden und die Schließmuskelspannung nicht bewusst wahrnehmen können. Ein kleiner Ballon im Analkanal wird gezielt zusammengedrückt, und ein Signal zeigt den Kneifdruck an.
  • Elektrostimulation: Durch Reizstrom wird der Schließmuskel passiv angespannt und gestärkt.
  • Anale Irrigation: Bei dieser Methode wird der Darm regelmäßig mit Wasser gespült, um ihn von Stuhl zu entleeren. Dies kann den unkontrollierten Stuhlabgang reduzieren.
  • Medikamentöse Therapie: Je nach Ursache können Medikamente zur Behandlung von Grunderkrankungen oder zur Stuhlregulierung eingesetzt werden. Bei neurogen bedingter Verstopfung kann Bisacodyl kurzzeitig eingenommen werden.

Wenn konservative Therapien nicht ausreichend helfen, können operative Verfahren in Betracht gezogen werden:

  • Sakrale Nervenstimulation: Ein Schrittmacher wird ins Gesäß implantiert und gibt elektrische Impulse an die Sakralnerven ab, die Beckenboden, Darm und Blase steuern.
  • (Natürliche) Schließmuskel-Rekonstruktion: Ein defekter Schließmuskel wird mit körpereigenem Gewebe rekonstruiert.
  • (Künstliche) Schließmuskel-Rekonstruktion: In seltenen Fällen kann ein künstlicher Schließmuskel implantiert werden.

Hilfsmittel bei Stuhlinkontinenz

Zusätzlich zu den genannten Therapien können Hilfsmittel den Alltag mit Stuhlinkontinenz erleichtern und mehr Sicherheit geben:

  • Aufsaugendes Inkontinenzmaterial: Spezielle Einlagen, Slips oder Hosen können Stuhl auffangen und Gerüche binden.
  • Bettschutzeinlagen: Diese schützen die Matratze vor Verunreinigungen.
  • Analtampons oder Stuhlauffangbeutel: Diese können bei bestimmten Formen der Stuhlinkontinenz hilfreich sein.

Stuhlinkontinenz bei Demenz

Besonders herausfordernd ist der Umgang mit Stuhlinkontinenz bei Menschen mit Demenz. Die Demenz führt zu einer Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit, wodurch Betroffene Körpersignale nicht mehr richtig interpretieren und die Kontrolle über Blase und Darm verlieren können. Sie vergessen möglicherweise, dass sie bei Stuhldrang die Toilette aufsuchen müssen, oder finden den Weg dorthin nicht rechtzeitig.

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Ursachen für Inkontinenz bei Demenz

  • Zerstörung von Hirnregionen: Die Demenz kann Hirnregionen zerstören, die für die Steuerung von Blase und Darm zuständig sind.
  • Gedächtnisverlust: Betroffene vergessen, dass sie auf die Toilette müssen oder wo sich die Toilette befindet.
  • Orientierungsprobleme: Auch in vertrauter Umgebung können sich Menschen mit Demenz nicht mehr zurechtfinden und die Toilette nicht finden.
  • Kommunikationsschwierigkeiten: Im fortgeschrittenen Stadium können sich Betroffene möglicherweise nicht mehr richtig artikulieren und ihren Stuhldrang mitteilen.
  • Angst vor der Toilette: Die Toilette selbst kann Ängste auslösen, beispielsweise weil das Hinsetzen unsicher erscheint.
  • Falsche Kleidung: Schwierig zu öffnende Kleidung kann dazu führen, dass Betroffene es nicht mehr rechtzeitig auf die Toilette schaffen.
  • Medikamente: Manche Medikamente können als Nebenwirkung eine Inkontinenz auslösen.

Tipps zum Umgang mit Inkontinenz bei Demenz

  • Verständnisvoller Umgang: Vermeiden Sie Konflikte und fördern Sie die Akzeptanz für Hilfsmittel.
  • Erleichtern Sie den Weg zur Toilette:
    • Lassen Sie die Toilettentür offen stehen oder bringen Sie ein verständliches Symbol an der Tür an.
    • Sorgen Sie für eine gute Beleuchtung, besonders nachts.
    • Beseitigen Sie Stolperfallen wie Teppichkanten.
  • Erleichtern Sie die Toilettenbenutzung:
    • Erhöhen Sie die Toilette mit einer Toilettensitzerhöhung.
    • Verwenden Sie einen farbigen Toilettensitz, um ihn besser erkennbar zu machen.
    • Bringen Sie Haltegriffe an.
  • Wählen Sie die richtige Kleidung:
    • Verwenden Sie Kleidung mit einfachen Verschlüssen wie Klettverschluss oder Gummiband.
    • Erinnern Sie den Betroffenen charmant daran, die Kleidung vor dem Toilettengang herunterzuziehen.
  • Achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr:
    • Vermeiden Sie harntreibende Getränke wie Kaffee oder bestimmte Tees.
  • Trainieren Sie Toilettenzeiten:
    • Begleiten Sie den Betroffenen zu bestimmten Zeiten zur Toilette, beispielsweise morgens nach dem Aufstehen, vor dem Essen und vor dem Schlafengehen.
  • Verwenden Sie Inkontinenzprodukte:
    • Wählen Sie Produkte, die normaler Unterwäsche ähneln, wie z.B. TENA Pants.
    • Erklären Sie dem Betroffenen geduldig, warum es wichtig ist, das Produkt zu tragen.
  • Sorgen Sie für eine gute Körperpflege:
    • Unterstützen Sie den Betroffenen bei der Körperpflege oder übernehmen Sie diese vollständig.
    • Achten Sie auf eine gute Mundhygiene, um Entzündungen und Infektionen vorzubeugen.
  • Beziehen Sie Angehörige und Freunde ein:
    • Bitten Sie um Unterstützung, um sich Auszeiten vom Pflegealltag zu nehmen.
    • Nutzen Sie Informationsangebote und Beratungsstellen.

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