Der Begriff Demenz umfasst eine Gruppe chronischer Hirnerkrankungen, die mit einem fortschreitenden Abbau kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten einhergehen. Patienten leiden insbesondere unter Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und einer damit einhergehenden erhöhten Vergesslichkeit, die sich im weiteren Krankheitsverlauf bis zum Verlust der Sprach- und Rechenfähigkeiten ausweiten kann, was zu Pflegebedürftigkeit führt. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz und fordert allein in Deutschland jährlich über 10.000 Todesopfer.
Demenz: Mehr als nur Vergesslichkeit
Demenz ist ein Syndrom, keine eigenständige Krankheit. Es ist wichtig zu verstehen, dass Demenz keine normale Alterserscheinung ist, obwohl sie bei älteren Menschen häufiger vorkommt. Die Symptome können durch verschiedene Demenzformen verursacht werden, die sich nach ihren Auslösern unterscheiden.
Formen und Ursachen von Demenz
Innerhalb der primären Demenzen lassen sich Formen und Arten von Demenz nach dem Auslöser unterscheiden. Neurodegenerative Demenzen, wie die Alzheimer-Krankheit (die mehr als 60 % aller Demenzerkrankungen ausmacht), werden durch das Absterben von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst. Vaskuläre Demenz entsteht durch Durchblutungsstörungen, die das Hirngewebe schädigen. Sekundäre Demenzen können durch äußere Faktoren wie Medikamente, Alkoholmissbrauch oder schädliche Umwelteinflüsse verursacht werden.
- Alzheimer-Krankheit: Kennzeichnend ist der frühe Verlust des Kurzzeitgedächtnisses. Aus bislang ungeklärten Gründen sterben bei Alzheimer nach und nach Nervenzellen im Gehirn ab, was dann die Symptome der Demenz herbeiführt.
- Frontotemporale Demenz (Morbus Pick): Hier gehen Nervenzellen vor allem im Stirn- und Schläfenbereich zurück, was die Persönlichkeit und das soziale Verhalten verändert.
- Lewy-Körper-Demenz: Typische Symptome sind optische Sinnestäuschungen und motorische Störungen.
- Parkinson-Demenz: Entwickelt sich bei etwa 30 bis 40 Prozent der Parkinson-Patienten.
- Vaskuläre Demenz: Hirngewebe wird durch Durchblutungsstörungen nachhaltig geschädigt, z.B. durch unbehandelten Bluthochdruck oder Schlaganfälle.
In der Realität treten häufig Mischformen von Demenz auf, beispielsweise eine neurodegenerative Form in Kombination mit einer vaskulären Demenz.
Risikofaktoren und Prävention
Obwohl die Medizin die einzelnen Formen von Demenz genau beschreiben, diagnostizieren und bis zu einem gewissen Grad auch behandeln kann, ist bislang ungeklärt, warum manche Menschen erkranken und andere nicht.
Lesen Sie auch: Fortgeschrittene Demenz: Ein umfassender Überblick
Bekannt sind allerdings einige Risikofaktoren, die das persönliche Risiko für eine Demenzerkrankung drastisch erhöhen. Studien zeigen, dass bis zu 45 Prozent aller Erkrankungen durch die gezielte Beeinflussung von 14 Risikofaktoren verhindert oder zumindest hinausgezögert werden könnten. Dazu gehören Bewegung, gesunde Ernährung, soziale Kontakte und geistige Aktivität. Risikofaktoren für Demenz sind dagegen Störungen der Hirndurchblutung (zum Beispiel als Folge von Herzerkrankungen, Schlaganfall, arterieller Hypertonie, Adipositas, Diabetes und hohen Cholesterinwerten), Depressionen und vermehrter Alkoholkonsum sowie ein geringes Bildungsniveau.
Demenz in Deutschland: Aktuelle Zahlen und Prognosen
Allein im vergangenen Jahr (2023) sind in Deutschland zwischen 364.000 und 445.000 Menschen im Alter von 65+ neu an einer Demenz erkrankt. Rund 1,8 Millionen Menschen leben insgesamt mit der Diagnose; die meisten sind Frauen (1,2 Millionen). Die Zahlen werden weiter steigen, weil auch die Lebenserwartung steigt - und Alter ist der häufigste Risikofaktor.
Regionale Unterschiede
„Liegt die Prävalenz bei den 65- bis 69-Jährigen noch bei 1,85 Prozent, steigt sie auf über 36 Prozent bei den über 90-Jährigen“, heißt es im jüngst aktualisierten Infoblatt „Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen“ der Deutschen Alzheimer Gesellschaft - ein mächtiger Sprung. Betrachtet man allerdings den Anteil an Demenz erkrankter Menschen an der Gesamtbevölkerung in den einzelnen Bundesländern, ergibt sich ein anderes Bild. Am höchsten ist der Anteil von Menschen mit Demenz in Sachsen und Sachsen-Anhalt (2,6 Prozent), gefolgt von Sachsen und Thüringen (je 2,5 Prozent). Am niedrigsten ist er in Berlin (1,7 Prozent) und Hamburg (1,8 Prozent). Je höher der Altersdurchschnitt in den Ländern ist, desto häufiger treten Demenzerkrankungen auf.
Zukünftige Entwicklung
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet im Jahr 2050 mit weltweit 139 Millionen Menschen, die unter einer Demenz leiden; in Deutschland könnten es dann zwischen 2,3 und 2,7 Millionen Menschen sein. Das gilt unter der Voraussetzung, dass es in den kommenden Jahren nicht gelingt, in Prävention und Therapie von Erkrankungen wie Alzheimer deutliche Fortschritte zu erzielen.
Auch das Statistische Bundesamt (Destatis) hat wenig gute Nachrichten: Mit 10.100 Toten im Jahr 2023 wurde ein neuer Höchstwert registriert - das ist auf die vergangenen 20 Jahre hinweg betrachtet, eine Verdopplung. Die Zahl der Todesfälle aufgrund von Alzheimer hat sich binnen 20 Jahren fast verdoppelt. Im Jahr 2023 starben in Deutschland rund 10.100 Menschen an der unheilbaren Demenzerkrankung, im Jahr 2003 waren es noch rund 5100 Menschen.
Lesen Sie auch: Wechselwirkungen zwischen Schmerzmitteln und Demenz
Wirtschaftliche Auswirkungen
Die Kosten für Demenz sind enorm. Berechnungen des DZNE beziffern die Kosten für Demenz in Deutschland für das Jahr 2020 mit rund 83 Milliarden Euro - das entspricht mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach Prognosen könnten diese Kosten im Jahr 2040 auf rund 141 Milliarden Euro, im Jahr 2060 auf rund 195 Milliarden Euro anwachsen. Global betrugen die weltweiten Kosten für Demenz im Jahr 2019 rund 1,3 Billionen (Tausend Milliarden) US-Dollar.
Lebenserwartung bei Demenz
Prognosen über die Lebenserwartung demenzkranker Personen zu stellen, ist schwierig. Ein entscheidender Faktor ist, in welchem Alter die Demenz ausbricht, welche Demenzform vorliegt und wie schnell der Patient die einzelnen Stadien durchläuft. Eine Demenzerkrankung an sich ist nicht tödlich, vielmehr wird die Lebenserwartung durch begleitende Krankheiten eingeschränkt. So begünstigt eine Demenz beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Infektionskrankheiten.
Einfluss des Alters bei Diagnose
Im Fall der Alzheimer-Demenz lassen sich konkretere Aussagen treffen. Nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft gilt allgemein, dass die noch verbleibende Lebenserwartung umso geringer ist, je später im Leben die Erkrankung auftritt, je schwerer die Symptome sind und je mehr körperliche Begleiterkrankungen bestehen.
- Vor dem 65. Lebensjahr: Lebenserwartung von acht bis zehn Jahren.
- Zwischen 65 und 75 Jahren: Lebenserwartung von weniger als fünf Jahren.
- Nach dem 85. Lebensjahr: Lebenserwartung von weniger als drei Jahren.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Zahlen Durchschnittswerte sind und die Lebenserwartung im Einzelfall stark abweichen kann.
Todesursachen
Demenz führt an sich nicht unbedingt zum Tod. Dennoch haben Menschen, die an Demenz erkranken, eine verkürzte Lebenserwartung. Das liegt zum einen daran, dass es den Betroffenen im späteren Verlauf der Krankheit immer schwerer fällt, auf ihre eigene Gesundheit zu achten, Frühwarnzeichen für Erkrankungen wahrzunehmen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Die häufigste Todesursache bei Menschen mit Demenz ist die Lungenentzündung (Pneumonie). Das hat zwei Gründe: Zum einen schwächt eine fortgeschrittene Demenz das Immunsystem. Man ist dann anfälliger für Infektionskrankheiten. Zum anderen bereitet der Vorgang des Kauens und Schluckens in diesem Stadium große Probleme (Schluckstörungen).
Lesen Sie auch: Ursachen und Behandlung von Zittern bei Demenz
Diagnose und Behandlung
Eine frühe Diagnose von Demenz erleichtert den Umgang mit der Krankheit und bietet größere Chancen, das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten oder zu verlangsamen. Am Anfang geht es darum, festzustellen, ob demenzielle Symptome vorliegen und wie stark diese ausgeprägt sind. Wichtige Bestandteile in dieser Phase der Diagnostik sind das Patientengespräch (Anamnese), die körperliche Untersuchung und nach Bedarf die Durchführung von Demenz-Tests. Sind deutliche demenzielle Symptome vorhanden, muss der Arzt noch die Ursache der Symptome eindeutig klären. Mit den Ergebnissen kann der Arzt außerdem bestimmen, um welche Demenzform es sich handelt und in welchem Stadium sich der Betroffene befindet.
Behandlungsmöglichkeiten
Demenzerkrankungen wie Alzheimer sind bisher nicht heilbar. Ärzt:innen stehen verschiedene Medikamentenklassen zur Verfügung, um die Symptome der Erkrankung zu behandeln. Die Behandlung zielt darauf ab, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Je nach Demenzform, Stadium und individuellem Gesundheitszustand kommen unterschiedliche Medikamente und nicht-medikamentöse Therapien in Frage.
Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz ist eine echte Herausforderung. Zu Beginn der Erkrankung reicht oft ein wenig Unterstützung im Alltag aus, doch im weiteren Verlauf wird der Bedarf an Hilfe immer größer. Von Tipps zum Umgang bis zur Entlastung für Angehörige.
Umgang mit Demenz im Alltag
Menschen mit Demenz verändern ihr Verhalten und reagieren, aufgrund einer veränderten Wahrnehmung, anders auf ihre Umwelt. Für Außenstehende ist es oft schwer, zu verstehen, was in der demenzerkrankten Person vorgeht. Zu einem guten Umgang mit der Demenz gehört auch die demenzgerechte Raumgestaltung.
Herausforderungen und Perspektiven
Die steigende Zahl von Demenzerkrankungen stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Es bedarf verstärkter Anstrengungen in den Bereichen Prävention, Forschung, Versorgung und Unterstützung von Betroffenen und ihren Angehörigen.
Forschung und Innovation
In die Erforschung von Alzheimer-Präparaten ist nach Jahren der Stagnation in der letzten Zeit einiges an Bewegung gekommen. In den USA wurde 2023 ein Antikörper zugelassen, dem die Fähigkeit zugesprochen wird, kausal gegen die Erkrankung zu wirken - eine Zulassung in Europa hat die zuständige Behörde EMA bisher abgelehnt. Ob Europa auf diesem Weg bleibt? In den USA wurde im vergangenen Juli nun der nächste Antikörper zugelassen - Europa prüft noch.
Nationale Demenzstrategie
Die von der Bundesregierung verabschiedete Nationale Demenzstrategie hat das Ziel, die Situation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu verbessern.
#
tags: #demenz #lebenserwartung #statistik