Demenz: Was tun, wenn Akzeptanz schwerfällt?

Die Diagnose Demenz stellt Betroffene und Angehörige vor immense Herausforderungen. Nicht nur der Verlust geistiger Fähigkeiten, sondern auch Veränderungen im Verhalten und Erleben der Erkrankten können die Situation erheblich belasten. Dieser Artikel beleuchtet, wie man mit der Situation umgehen kann, wenn die Akzeptanz der Demenz schwerfällt, und gibt praktische Ratschläge für den Alltag.

Die Realität der Demenz: Mehr als nur Gedächtnisverlust

Eine Demenz geht weit über den Verlust der geistigen Fähigkeiten hinaus. Sie beeinträchtigt die Wahrnehmungen, das Verhalten und Erleben der Betroffenen - das gesamte Sein des Menschen. In der Welt, in der sie leben, besitzen die Dinge und Ereignisse oft eine völlig andere Bedeutung als in der Welt der Gesunden. Niemand weiß wirklich, wie es in einem Menschen mit Demenz aussieht, denn nur im Anfangsstadium der Demenz können sich die Betroffenen selbst mitteilen.

Die Schwierigkeit, sich Dinge zu merken, steht in der Regel am Beginn einer Demenzerkrankung. Den Betroffenen gelingt es nicht mehr, neue Informationen im Langzeitgedächtnis zu speichern - sie vergessen Termine, verlegen Gegenstände oder erinnern sich nicht an die Namen entfernter Bekannter. Von einer Demenz Betroffene bemerken ihre Leistungsverluste meist schneller als alle anderen. Oft geraten sie aufgrund ihrer Gedächtnislücken völlig durcheinander und fühlen sich gedemütigt und beschämt. Mithilfe von Merkzetteln oder durch Zurückhaltung in Gesprächen versuchen sie, ihre Vergesslichkeit zu verbergen.

Herausforderungen im Alltag: Wenn Verhalten sich ändert

Mit fortschreitender Demenz können verschiedene Verhaltensweisen auftreten, die für Angehörige schwer zu verstehen und zu handhaben sind. Dazu gehören:

  • Verlust der Orientierung: Betroffene können sich in vertrauter Umgebung nicht mehr zurechtfinden oder die Tageszeit verkennen.
  • Veränderungen in der Körperpflege: Der Verlust der situativen Orientierung sowie der Orientierung zur eigenen Person können dazu führen, dass die Bedeutung der Körperpflege sowie die Fähigkeit, alltägliche Dinge wie Seife und Kamm zu benutzen, verloren gehen.
  • Sprachschwierigkeiten: Demenzkranke haben Schwierigkeiten, sich auszudrücken oder Gesprächen zu folgen, was die Kommunikation im Alltag erschwert.
  • Unruhe und Angst: Verwirrtheit und der Verlust von Kontrolle können zu Unruhe und Angstzuständen führen.
  • Aggressives Verhalten: Frustration, Hilflosigkeit und Unverständnis können sich in aggressivem Verhalten äußern.
  • Wahnvorstellungen und Halluzinationen: Betroffene können überzeugt sein, bestohlen oder betrogen zu werden, oder Dinge sehen und hören, die nicht real sind.
  • Schreien: Unkontrolliertes Schreien kann ein Symptom fortgeschrittener Demenz sein und verschiedene Ursachen haben, wie Schmerzen, Hunger, Durst, Einsamkeit oder Wut.

Umgang mit schwierigen Verhaltensweisen: Strategien für Angehörige

Es ist wichtig, die betroffene Person so anzunehmen, wie sie ist, und das zu akzeptieren, was sie tatsächlich leisten kann. Menschen, die an Demenz erkrankt sind, können ihr Verhalten oft nicht mehr bewusst kontrollieren. Daher müssen zumindest ihre Pflegekräfte ihr Verhalten fachgerecht deuten und professionell reagieren können. Aber wie geht man mit dementen Menschen um und welche Fehler sollten in der Kommunikation mit Demenzkranken vermieden werden?

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Kommunikation verbessern

  • Aktives Ansprechen: Demenzkranke sollten bei jeglicher Kommunikation aktiv angesprochen werden. Halten Sie die Kommunikation mit den Pflegebedürftigen auf diese Weise immer wieder aufrecht, auch wenn es banale Alltagsthemen sein sollten.
  • Einfache Sprache: Sprechen Sie in möglichst einfachen und kurzen Sätzen. Vermeiden Sie jedoch eine verniedlichende Sprache.
  • Empathie zeigen: Versuchen Sie, die Gefühlswelt der anderen Person zu verstehen - auch wenn es im Zeitdruck des Arbeitsalltags manchmal schwierig ist.
  • Validation: Beziehen Sie sich am besten auf Personen, Dinge und Geräusche in der Umgebung. Sprechen Sie langsam und deutlich und wiederholen Sie wichtige Informationen bei Bedarf auch mehrmals. Verwenden Sie dabei immer den gleichen Wortlaut, damit das Gesagte besser verstanden wird und sich möglichst einprägt.
  • Blickkontakt und Körpersprache: Achten Sie darauf, dass Sie zwischendurch Pausen einlegen, um Ihrem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, zu antworten. Verwenden Sie eine klare Körpersprache und eine prägnante Mimik und Gestik, um das Gesagte zu unterstützen und das Verständnis zu erleichtern.

Verhalten verstehen und akzeptieren

  • Biografiearbeit: Pflegekräfte sollten offen sein gegenüber der individuellen Vergangenheit aller Pflegebedürftigen.
  • Akzeptanz der Desorientierung: Akzeptieren Sie ihre desorientierte Art und versuchen Sie grundsätzlich nicht, bestimmte Verhaltensweisen zu ändern. Führen Sie auch keine Streitgespräche und Diskussionen.
  • Gefühle verbalisieren: Versuchen Sie lieber die Gefühle des Betroffenen zu verstehen und wertschätzend zu verbalisieren. Korrigierend einzugreifen ist nur sinnvoll, wenn die betroffene Person mit ihrem Verhalten sich oder andere gefährdet.
  • Sicherheit vermitteln: Menschen mit Demenz brauchen Gefühle von Geborgenheit und Sicherheit. Bedrohlich erlebte Momente oder Trennungssituationen sind meist der Grund, weshalb sie sich unsicher fühlen. Schaffen Sie also eine möglichst starke Beziehung, die auf gegenseitigem Vertrauen sowie Verlässlichkeit beruht und erzwingen Sie nichts gegen den Willen des demenzerkrankten Menschen.
  • Ablenkung: Um aus schwierigen Situationen herauszukommen, sollten Sie den Betroffenen ablenken. Das kann eine beruhigende Melodie, ein Fotoalbum oder eine angenehme Tätigkeit sein.

Umgang mit spezifischen Verhaltensweisen

  • Vergesslichkeit und Verwirrtheit: Nehmen Sie Blickkontakt zur dementen Person auf, wiederholen Sie deren Kernaussagen und spiegeln Sie das Verhalten körperlich wider. Vermeiden Sie allerdings Körperkontakt, während Sie sehr höflich und wertschätzend mit der Person umgehen.
  • Aggressionen: Fragen Sie die Demenzkranken nach Erinnerungen. Bereits bekannte Lösungsstrategien können so wieder ins Bewusstsein gebracht werden. Sprechen Sie mit klarer, tiefer und liebevoller Stimme.
  • Existenzbedrohung: Vermitteln Sie den Betroffenen ein Gefühl der Sicherheit.
  • Wahnvorstellungen und Halluzinationen: Versuchen Sie herauszufinden, was die Situationen hervorruft. Manchmal hilft es schon, störende Geräusche wie Fernseher oder Radio auszuschalten, Spiegel abzuhängen oder die Beleuchtung zu ändern.
  • Schreien: Akzeptieren Sie es, wenn der Demenzerkrankte keinen Körperkontakt wünscht. Versuchen Sie, die Ursache des Schreiens zu erkennen und darauf einzugehen.

Hilfreiche Strategien für den Alltag

Struktur und Routine

  • Feste Tagesstruktur: Menschen mit Demenz brauchen eine klare Tagesstruktur mit festen Tagesabläufen, Ritualen und einfachen Regeln. Das schafft Orientierung und Sicherheit.
  • Aktivitäten zur selben Zeit: Aktivitäten oder Aufgaben sollten jede Woche am selben Tag zur selben Zeit stattfinden.
  • Ruhe und Entspannung: Vermeiden Sie Hektik und Lärm. Sorgen Sie für eine angenehme und spannungsfreie Atmosphäre, die Halt und Sicherheit gibt.

Beschäftigung und Aktivierung

  • Kleine Aufgaben: Geben Sie lösbare Aufgaben und beschäftigen Sie den Betroffenen. Nutzen Sie bei der Ansprache solcher Menschen bewusst Sätze wie „Wir brauchen Ihre Mitarbeit“ und geben Sie positive Rückmeldung wie „Gute Arbeit!“.
  • Alltagsnahe Aktivitäten: Alltägliche Aufgaben wie Gedächtnistraining mit Kreuzworträtseln, Bilderrätseln, großen Puzzles und Konzentrationsspiele können eine schöne Beschäftigung für Demenzerkrankte sein. Aber auch einfache alltägliche Verrichtungen sind oft eine Herausforderung und erfordern volle Konzentration.
  • Bewegung: Regelmäßige Bewegung ist sehr wichtig. Sie fördert die Verdauung, den Kreislauf, den Appetit und den Schlaf. Durch einen aktiven Alltag bleiben Menschen mit Demenz körperlich und geistig fit, können ihre Gefühle ausdrücken und besser mit ihrer Umwelt kommunizieren.
  • Sinnesarbeit: Beruhigende oder vertraute Düfte sowie anregende Beleuchtung können positive Reaktionen und Erinnerungen hervorrufen. Die Verwendung verschiedener Stoffe und Materialien ermöglicht eine Entdeckungsreise, die im Bett stattfinden kann und somit Aktivität ohne körperliche Bewegung fördert.
  • Musik: Es wird empfohlen, Musik in die Pflege und Therapie von Demenzerkrankten einzubeziehen, da sie oft eine Reise in die Vergangenheit darstellt und vertraute Lieder Erinnerungen aktivieren.

Unterstützung beim Essen und Trinken

  • Zeigen, wie es geht: Setzen Sie sich neben die Person und zeigen Sie ihr, wie man Messer und Gabel benutzt.
  • Zum Trinken anregen: Auch bei Demenz wird das Trinken oft vergessen. Erinnern Sie regelmäßig daran.

Rechtliche und finanzielle Aspekte

Bei einer Demenz stellen sich viele rechtliche und finanzielle Fragen, die für die Zukunft geregelt werden müssen. Das beginnt bei der Ausübung des Berufs, geht über Alltägliches wie das Autofahren, die Vorsorgevollmacht bis hin zur Geschäftsfähigkeit. Ist der Demenzerkrankte irgendwann nicht mehr in der Lage, Entscheidungen für sich selbst zu treffen, müssen Sie als Angehörige dies oft in seinem Namen tun. Wenn keine Vorsorgevollmacht vorliegt, wenden sich Betroffene und Angehörige an das örtliche Betreuungsgericht, um den gesetzlichen Betreuer zu bestimmen.

Pflege zu Hause oder im Heim?

Die Entscheidung bei einer Demenzdiagnose, ob die Pflege zu Hause oder in einem Pflegeheim erfolgen soll, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Pflege zuhause bei Demenz bietet den Vorteil, dass die betroffene Person in ihrer vertrauten Umgebung bleiben kann und von der Unterstützung und Nähe ihrer Angehörigen profitiert. Zuhause ist häufig eine individuellere Betreuung und flexiblere Alltagsgestaltung, angepasst an die individuelle Tagesform, möglich. Entfernen Sie potenzielle Gefahrenquellen wie scharfe Gegenstände oder rutschige Böden. Sorgen Sie für eine gute Beleuchtung und installieren Sie bei Bedarf Sicherheitsvorkehrungen wie Handläufe oder rutschfeste Unterlagen. Auch ein Hausnotrufsystem ist eine gute Ergänzung. In solchen Fällen kann der Umzug in eine Einrichtung wie ein Pflegeheim eine gute Lösung sein. Auch, wenn die Entscheidung für einen Umzug in ein Pflegeheim oft schwerfällt, kann sie für beide Seiten doch viele Vorteile mit sich bringen. Welches Pflegeheim das richtige ist, hängt von vielen Faktoren ab. Ist die Entscheidung für einen Umzug ins Pflegeheim oder eine andere Einrichtung gefallen, muss dieser gut vorbereitet werden.

Unterstützung für Angehörige

Die Betreuung eines Familienmitglieds mit Demenz ist außerordentlich schwer und kann viele Jahre dauern. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass ein einzelner Mensch die für die Betreuung erforderliche seelische und körperliche Kraft jederzeit und unbegrenzt aufbringen kann. Den selbst auferlegten Leistungsdruck abzubauen, steht daher an erster Stelle. Niemand kann einen anderen Menschen täglich 24 Stunden betreuen, versorgen und beobachten, ohne sich dabei selbst vollkommen zu überfordern. Das Missachten der eigenen Belastungsgrenze schadet aber nicht nur der betreuenden, sondern auch der betreuten Person. So verursachen Ungeduld oder Reizbarkeit als Folgen der Überlastung häufig Konflikte im Betreuungsalltag.

Entlastungsmöglichkeiten

  • Pflegekurse: Es gibt spezielle Schulungen und Kurse, in denen pflegende Angehörige jede Menge Wissen zu Pflegethemen und Demenz vermittelt bekommen. Solche Pflegekurse werden von der Pflegekasse bezahlt, die auch die erste Anlaufstelle für Angehörige ist.
  • Gesetzliche Pflegekassen und Beratungsstellen: Erste Anlaufstelle sind die gesetzlichen Pflegekassen beziehungsweise privaten Pflegeversicherungen und Beratungsstellen.
  • Feste Freiräume: Für die Hauptbetreuungsperson ist es wichtig, private Bekanntschaften und Hobbys weiterzupflegen. Sie sollte sich von Anfang an feste Freiräume schaffen, die allein ihr gehören, und sich jeden Tag etwas gönnen, worauf sie sich freuen kann, wie etwa ungestört Musik hören, einen Spaziergang machen, eine Zeitschrift lesen oder im Garten arbeiten.
  • Entspannungstechniken: Autogenes Training (Form der Selbsthypnose) oder andere entspannende Techniken können helfen, den Alltag besser zu bewältigen.

Checkliste für ein gutes Pflegeheim

Einen guten Heimplatz zu finden ist keine einfache Aufgabe - vor allem wenn es schnell gehen muss. Es gibt zu wenig gute Heime für Menschen mit Demenz, das ist die traurige Realität. Aber es gibt natürlich Qualitätskriterien für die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz - und auch Einrichtungen, die sie erfüllen.

  • Konzept: Heime, die sich mit dem Thema Demenz auseinandergesetzt haben und eine gute Versorgung von Betroffenen bieten, formulieren das in ihrem Konzept. Das Konzept sollte Angehörigen zur Verfügung gestellt werden. Aussagen dazu findet man meistens bereits auf der Internetseite des Pflegeheims.
  • Pflegekonzepte: Es gibt eine Reihe von Pflegekonzepten, die sich bei der Versorgung von Menschen mit Demenz bewährt haben. Dazu gehören Integrative Validation, Milieutherapie, Kinästhetik und Basale Stimulation. Wenn Einrichtungen angeben, nach diesen Konzepten zu arbeiten, ist das ein Anzeichen für gute Qualität.
  • Struktur: Menschen mit Demenz sind besonders in kleineren Wohngruppen mit bis zu zwölf Bewohnerinnen und Bewohnern gut aufgehoben.
  • Bezugspflegesystem: Ein weiteres Qualitätskriterium ist ein sogenanntes Bezugspflegesystem. Das bedeutet, dass für Ihre Mutter eine einzelne Pflegekraft (Bezugspflegekraft) in besonderem Maße zuständig ist. Sie hat die Belange Ihrer Mutter und deren Wohlbefinden im Blick.
  • Fallbesprechungen: Regelmäßige Fallbesprechungen sind ebenfalls ein Merkmal guter Pflege.
  • Gerontopsychiatrische Zusatzausbildung: Die Qualität wird außerdem besser sein, wenn einige der Pflegekräfte eine gerontopsychiatrische Zusatzausbildung haben. Sie sind dann für die Versorgung von demenzkranken Menschen besonders geschult.
  • Geeignete Aktivitäten: Achten Sie darauf, ob die Angebote für Ihre Mutter tatsächlich geeignet sind. Gut ist es, wenn ein Pflegeheim regelmäßige Musiktherapie und Ergotherapie anbietet.
  • Individuelle Bedürfnisse: Für Menschen mit Demenz ist es besonders wichtig, dass ihre persönlichen Vorlieben und Bedürfnisse beachtet werden und ihre biografischen Erfahrungen im Alltag Platz haben.
  • Umgang mit Unruhe: Eine gute Einrichtung wird sich bemühen, diese Verhaltensweisen zu akzeptieren und den Einsatz von beruhigenden Medikamenten oder Fixierungen zu vermeiden.
  • Sterbebegleitung: Ein Heim sollte deshalb ein Konzept für die Sterbebegleitung seiner Bewohner haben und die letzte Lebensphase bewusst gestalten. Auch hier sind Mitarbeitende mit einer Zusatzausbildung wichtig - in diesem Fall mit einer Ausbildung in palliativer Pflege.

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