Demenz Parameter Liquor cerebrospinalis: Ein umfassender Überblick

Die Diagnose von Demenzerkrankungen, insbesondere der Alzheimer-Krankheit, stellt eine wachsende Herausforderung für Gesundheitssysteme dar. Die Zahl der Menschen mit Demenz wird in Deutschland bis 2050 auf fast 3,2 Millionen ansteigen. Eine frühzeitige und präzise Diagnose ist entscheidend, um Patienten und ihren Familien eine adäquate Vorbereitung und Versorgung zu ermöglichen. Die Analyse des Liquor cerebrospinalis (CSF), auch bekannt als Hirnwasser, spielt hierbei eine zentrale Rolle.

Bedeutung der Liquordiagnostik bei neurologischen Erkrankungen

Die Untersuchung des Liquors ist für die Diagnosestellung einer Vielzahl von neurologischen Erkrankungen von Bedeutung. Sie kann bei Verdacht auf Meningitis, Multiple Sklerose, Blutungen oder Meningeosis carcinomatosa die Therapieentscheidung bestimmen. Die Liquoranalytik ist eine essenzielle Maßnahme bei neurologischen Erkrankungen und diagnostisch wegweisend bei Infektionen oder autoimmunen Entzündungen des zentralen Nervensystems (ZNS), bei neoplastischer Infiltration der Hirnhäute, zum Nachweis von Abräumreaktionen nach Blutungen in den Subarachnoidalraum oder in die Hirnventrikel sowie zur Früh- und Differenzialdiagnostik neurodegenerativer Erkrankungen.

Stufenprogramm der Liquoranalytik

Die Liquoranalytik besteht aus einem dreiteiligen Stufenprogramm, das in der klinischen Routine unabdingbar ist. Angesichts der Zusammensetzung des zellarmen Liquors und der Besonderheiten der Liquorphysiologie sind mehrere die Präanalytik und Analytik sowie die Interpretation der Befunde betreffende Grundregeln zu beachten.

Präanalytik

Der Liquor muss wegen einer rasch einsetzenden Zytolyse zeitnah (maximal binnen 2 Stunden nach der Lumbalpunktion) untersucht werden, um die Zellzahl zu ermitteln und die zytologischen Präparate anzufertigen. Liquor muss stets gemeinsam mit einer zeitnah zur Lumbalpunktion entnommenen Serumprobe untersucht werden, da die Proteinkonzentrationen im Liquor neben der Liquorflussgeschwindigkeit hauptsächlich von deren Blutkonzentrationen abhängen und deshalb das Serum zwingend als Bezugsgröße für die Liquorproteinanalytik herangezogen werden muss. Nach Plasmapherese oder Therapie mit hoch dosierten Immunglobulinen (IVIG) sollte eine Liquoranalyse frühestens nach 48 Stunden erfolgen, da sich das Fließgleichwicht der Proteine zwischen Blut- und Liquorkompartiment verzögert adaptiert. Ansonsten werden unplausible Proteinbefunde erhoben.

Analytik

Die Analytik umfasst verschiedene Aspekte:

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  • Zellprofil: Automaten zur Zellzählung und -differenzierung sollten wegen unzuverlässiger Befunde vermieden werden. Die Differenzialzytologie sollte uneingeschränkt bei jeder Punktion unabhängig von der Gesamtzellzahl durchgeführt werden. Eine Zellvermehrung ≥ 5/µl kommt vor bei ZNS-Entzündungen, aber auch bei Tumorinfiltration der Meningen sowie als Reizreaktion nach Traumen, intrazerebralen und subarachnoidalen Blutungen, intrathekaler Applikation von Medikamenten (z. B. Zytostatika) oder nach wiederholter Lumbalpunktion und Anlage einer externen Ventrikeldrainage. Das normale Zellbild besteht aus mononukleären Zellen mit deutlichem Überwiegen von Lymphozyten gegenüber Monozyten.
  • Laktat und Glukose: Die Bestimmung des Liquorlaktats ist - da auch ohne Kenntnis des korrespondierenden Serumwertes diagnostisch relevant - gegenüber der Bestimmung der Liquorglukose, die stets in Bezug zur Serumglukose beurteilt werden muss (normal: Liquor-/Serumquotient > 0,5), vorteilhaft. Zu einem Anstieg des Liquorlaktats kommt es insbesondere bei Infektionen durch Bakterien und Mycobakterium tuberculosis sowie auch bei Meningeosis carcinomatosa.
  • Proteinprofil: Liquor und Serum (verdünnt) müssen für die Proteinanalytik im selben Test und im vergleichbaren Konzentrationsbereich gemessen werden, um methodischen Impräzisionen vorzubeugen. Für die Beurteilung der Blut-Liquor-Schrankenfunktion (BLS) und einer möglichen intrathekalen Produktion von Immunglobulinen müssen für Albumin (Referenzprotein für die BLS) und Immunglobuline die Liquor-/Serumkonzentrationsquotienten berechnet werden. Die Quotientenbildung für Albumin (QAlb) und Immunglobuline (QIgG, QIgA, QIgM) normiert die von den jeweiligen Serumkonzentrationen abhängige Diffusion dieser Proteine in den Liquor und macht die gemessenen Liquorkonzentrationen unabhängig von den individuell variablen Serumkonzentrationen.
  • Integrierter Gesamtbefund: Die zusammenfassende Darstellung der erhobenen Einzelparameter in einem integrierten Gesamtbefund ist unerlässlich, um krankheitstypische Befundmuster sowie deren Plausibilität auf Anhieb zu erfassen. Der integrierte Gesamtbefund umfasst obligat Angaben zu der zellulären Beschaffenheit des Liquors (Zellzahl und Zytologie), den Liquor-/Serumquotienten von Albumin und den Immunglobulinen. QAlb reflektiert die individuelle BLS, da Albumin rein extrazerebral (in der Leber) produziert wird und somit die Albuminkonzentration im Liquor ausschließlich aus dem Blut stammt. Mit Bezug auf QAlb erlaubt die vergleichende Analyse der Liquor-/Serumquotienten für die Immunglobulinklassen eine quantitative Aussage darüber, ob sich mehr IgG, IgA oder IgM im Kompartiment Liquor befindet, als dies theoretisch durch reine Diffusion zu erwarten wäre. Ist dies der Fall, liegt eine intrathekale Ig-Produktion vor, die einen entzündlichen Prozess im ZNS nachweist und je nach Befundmuster dessen nähere Eingrenzung ermöglicht. Der integrierte Gesamtbefund umfasst auch die Relation der Immunglobulin-Quotienten zum Albumin-Quotienten anhand von Quotendiagrammen, die von Reiber und Felgenhauer etabliert wurden und einer empirisch und theoretisch fundierten Hyperbelfunktion folgen. Die Quotientendiagramme für IgG, IgA, IgM werden, sortiert nach der Radiusgröße der Proteine (IgG < IgA < IgM), grafisch untereinander wiedergegeben, was neben der Erkennung krankheitstypischer Muster dem Labor auch die Überprüfung der Befundplausibilität gestattet. Oligoklonale IgG-Banden (OKB) treten unspezifisch bei subakuten und chronischen Entzündungen des ZNS als Korrelat einer oligoklonalen B-Zell-Aktivierung auf. Der qualitative Nachweis liquorspezifischer OKB mittels isoelektrischer Fokussierung weist gegenüber den auf der Grundlage quantitativer Messungen ermittelten Quotientendiagrammen mit höherer Empfindlichkeit das Vorliegen einer intrathekalen IgG-Synthese nach. Ein OKB-Muster liegt vor, wenn in parallelen Liquor-/Serumproben ≥ 2 Banden im Liquor, aber nicht im Serum (Typ-2-Muster) oder ≥ 2 liquorspezifische Banden zusätzlich zu identischen Banden in Liquor und Serum (Typ-3-Muster) zur Darstellung kommen. Fakultativ und je nach klinischer Fragestellung können im integrierten Gesamtbefund Angaben zum Liquorlaktat, zur Glukosekonzentration in Liquor und Serum oder Spezialparameter wie erregerspezifische Antikörperindizes (AI) und Demenzmarker ergänzt werden.

Spezialanalytik

Die Spezialanalytik umfasst:

  • Demenzmarker: Gegenwärtig sind die Biomarker Amlyoid-β1-42 (Aβ1-42), Amlyoid-β1-40 (Aβ1-40), Gesamt-Tau und Phospho-Tau-181 (pTau) sowie 14-3-3-Protein und der PrPSc-Aggregationsassay klinisch validiert und etabliert und können vor allem zur Positivdiagnostik verwendet werden. Andere primäre Demenzen, wie zum Beispiel die PPA (primär progrediente Aphasien) oder DLB (Demenz mit Lewy-Körperchen, „dementia with Lewy bodies“) bieten jedoch eine signifikante Überlappung einiger Biomarker, insbesondere Amyloid-β1-42 (Aβ1-42) und Gesamt-Tau, sodass eine rein neurochemische Differenzierung der unterschiedlichen Demenzätiologien basierend auf diesen Liquorbiomarkern allein gegenwärtig unzureichend ist.
  • Erregerdiagnostik bei Infektionen des ZNS: Erregerspezifische Antikörperindizes (AI) ermöglichen den diagnostisch bedeutsamen Nachweis einer intrathekalen Synthese von IgG-Antikörpern mit Spezifität für diverse Erregerantigene. Die Berechnung gelingt durch Quotientenbildung der Liquor-/Serumkonzentrationen des spezifischen IgG (QIgGspez) und deren Bezug auf die Liquor-/Serumkonzentrationen des Gesamt-IgG (QIgGgesamt). Werte ≥ 1,5 zeigen an, dass der Anteil des spezifischen IgG am Gesamt-IgG im Kompartiment Liquor größer ist als der Anteil des spezifischen IgG am Gesamt-IgG im Serum und belegen eine intrathekale Synthese des spezifischen IgG. AI gelten bei einigen Infektionen als Goldstandard für den Erregernachweis (z. B. Neuroborreliose, Neuro-Lues) und sind als MRZ-Reaktion (intrathekale Synthese von mindestens 2 erregerspezifischen IgG-Antworten gegen Masern-, Röteln-, Varizella-Zoster-Virus) hochspezifisch für die multiple Sklerose (MS) und weisen die für diese Erkrankung typische polyklonale und unter anderem polyvirale B-Zell-Aktivierung nach. Der direkte Erregernachweis erfolgt mikroskopisch (z. B. Gram-Färbung zum Nachweis von Bakterien oder Tuschefärbung zum Nachweis von Kryptokokken), anhand Antigen-Schnelltests, kultureller Erregeranzucht (zeitaufwendig und Ergebnis erst mit Latenz) und durch Detektion pathogenspezifischer Genomabschnitte mittels Nukleinsäure-Amplifikationstechniken (am häufigsten Polymerase-Kettenreaktion, PCR).

Demenzmarker im Liquor: Fokus auf Alzheimer-Krankheit

Spezifische Biomarker im Liquor ermöglichen es, die Diagnose Alzheimerdemenz deutlich sicherer zu stellen als auf Basis klinischer Symptome. Durch den Nachweis von Amyloid β42 und den TAU-Proteinen t-tau sowie p-tau181 im Liquor cerebrospinalis lassen sich bereits in der Prodromalphase der Alzheimerdemenz (AD) Anzeichen für hirnorganische Abbauprozesse erkennen.

Core Biomarker der Alzheimer-Krankheit

In der aktuellen Literatur werden das Aβ42-Peptid, das Tau- sowie das pTau-Protein als sogenannte „core biomarkers“ bezeichnet, die im Rahmen der Alzheimer-Erkrankung charakteristische Veränderungen aufweisen. Während das Aβ42-Peptid aufgrund extrazellulärer Ablagerungen in Form von Amyloidplaques eine verminderte Konzentration im Liquor aufweist, sind die Konzentrationen der intrazellulären Proteine Tau und pTau typischerweise erhöht. In diesem Zusammenhang ist die Tau-Protein-Konzentration mit der unspezifischen Degeneration kortikaler Neuronen und die pTau-Protein-Erhöhung mit der spezifischeren Bildung intrazellulärer neurofibrillärer „tangles“ assoziiert. Die pTau-Protein-Konzentrationserhöhung ist daher relativ spezifisch für das Vorliegen einer Alzheimer-Erkrankung und differenziert gut zwischen Gesunden und Erkrankten (Sensitivität 74 %, Spezifität 92 %). Die isolierte Tau-Erhöhung ist Ausdruck eines degenerativen Prozesses und bildet somit eher morphologische Veränderungen als eine krankheitsspezifische Neuropathologie ab. Auch eine Aβ42-Erniedrigung im Liquor differenziert Gesunde und Erkrankte mit relativ hoher Sicherheit (Sensitivität 86 %, Spezifität 89 %). Insbesondere das gleichzeitige Vorliegen veränderter Amyloid- und Tau-Marker im Liquor ist mit hoher Sensitivität (89 %) und Spezifität (90 %) bei der Differenzierung von Gesunden und Erkrankten assoziiert. Durch die Bestimmung der „pTau/Aβ42 ratio“ kann die Spezifität dieser Differenzierung weiter erhöht werden (Sensitivität 86 %, Spezifität 90 %). Als weiteres Verhältnis hat sich die Bestimmung der „Aβ42/40 ratio“ etabliert, welche wesentliche Aspekte des Entstehungsmechanismus der mutmaßlich krankheitsauslösenden Amyloidplaques berücksichtigt. Somit spiegelt ein in Relation zur Aβ40-Konzentration erniedrigter Aβ42-Gehalt im Liquor noch genauer die pathologische Plaquebildung wider. Der prototypische Liquorbefund im Rahmen einer Alzheimer-Erkrankung sind eine erniedrigte Aβ42-Peptid-Konzentration bzw. eine erniedrigte „Aβ42/40 ratio“ sowie erhöhte Tau- und pTau-Konzentrationen.

Interpretation von Liquorbefunden

In der klinischen Praxis liegen häufig Mischbefunde vor, die selbst für erfahrene Kliniker eine Herausforderung in der kontextualisierten Befundinterpretation sind. Ein wesentlicher Grund für die Häufigkeit von Mischbefunden ist die Tatsache, dass die Symptome einer Alzheimer-Erkrankung nicht vollständig spezifisch sind und somit stets auch andere neurodegenerative oder vaskuläre Pathologien diagnostisch in Betracht kommen. Gemäß leitlinienbasierten Empfehlungen bedarf es stets einer kombinierten Bestimmung der „Aβ42/40 ratio“ sowie der Tau-Proteine. Die isolierte Bestimmung des Aβ42-Peptids unterliegt einer hohen biologischen Varianz und ist teilweise anfällig für präanalytische Fehler, vorrangig durch selektive Anhaftungen an die Oberfläche bestimmter Probenröhrchen. Obwohl eine Tau-Protein-Erhöhung als unspezifischer Neurodestruktionsmarker gewertet wird, kommt sie bei neurodegenerativen Erkrankungen interessanterweise nahezu ausschließlich bei der Alzheimer-Erkrankung vor, sodass das Gesamt-Tau eine hohe Spezifität, aber eine geringe Sensitivität aufweist. Hohe Tau- und pTau-Konzentrationen sind im Vergleich zur „Aβ ratio“ außerdem mutmaßlich bessere Marker der Krankheitsaktivität und weisen deutliche Assoziationen mit einer schnelleren Krankheitsprogression auf.

Elecsys® Alzheimer Liquor Tests

Die Elecsys® Alzheimer Liquor Tests können durch Nachweis der Amyloid-Pathologie die Diagnosegenauigkeit und Sicherheit für Ärzte erhöhen. Die Amyloid-Positronen-Emissions-Tomographie (Amyloid-PET) kann eine Amyloid-Pathologie nachweisen, hat aber mehrere Einschränkungen in der klinischen Routine: Das Verfahren ist kostenintensiv, erfordert spezielle Bildgebungseinrichtungen mit geschultem Personal und setzt die Patienten einer Strahlenbelastung aus. Die Elecsys® Alzheimer Liquor Biomarker zeigen eine hohe Übereinstimmung mit der Amyloid-PET auf und bieten eine alternative Methode zum Nachweis der Amyloid-Pathologie. Die Quotienten der Elecsys® Alzheimer Biomarker, pTau/AB42 und tTau/AB42, zeigen eine Übereinstimmung von etwa 90 % mit Amyloid-PET. Ein Testergebnis über den jeweiligen Quotienten-Cutoff korreliert mit einem visuellen PET-Befund.

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Nutzen der frühen Diagnose

Die Elecsys® Alzheimer Liquor Tests ermöglichen eine frühe Diagnose und Intervention bei Patienten mit leichter kognitiver Störung bei denen ein erhöhtes Risiko einer Progression zur Alzheimer-Krankheit besteht. Das frühe Erkennen einer Progression zur Alzheimer-Krankheit ist für die Planung der Behandlung und Versorgung der Patienten von zentraler Bedeutung. Liquor-Biomarker können Personen, die ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung der Alzheimer-Krankheit haben, frühzeitig erkennen. Die Elecsys® Alzheimer Liquor Tests können die Einstufung eines niedrigeren bzw. höheren Risikos eines kognitiven Abbaus von erwachsenen Personen mit leichter kognitiver Störung (LKS) unterstützen. Ein positives Ergebnis des Elecsys® Quotienten pTau/AB42 korreliert mit einem beschleunigtem kognitiven Verfall.

Standardisierung und Qualitätssicherung

Die Elecsys® Alzheimer Liquor Tests verfügen über klinisch validierte Cut-off-Werte, die ihre Integration in das Labor erleichtern und den Vergleich zwischen Laboren ermöglichen. Die hohe Reproduzierbarkeit von Elecsys® erleichtert die Festlegung von stabilen Cut-off-Werten, die weltweit Gültigkeit haben. Ein validiertes präanalytisches Protokoll für die Elecsys®-Alzheimer Liquor Tests garantiert eine niedrige Variabilität und sehr gute Vergleichbarkeit der Biomarker zwischen Laboren und Kliniken. Die Elecsys® Alzheimer Liquor Tests liefern richtige und präzise Ergebnisse, die eine geringe Zwischenpräzision aufweisen. Die Genauigkeit und Verlässlichkeit des Elecsys® Alzheimer Liquor Portfolios wird weiterhin durch interne Daten gestützt und durch das Alzheimer’s Association Quality Control-Programm (AAQC) bestätigt.

Indikationen und Kontraindikationen für die Liquordiagnostik

Eine Arbeitsgruppe der Alzheimer‘s Association hat die Indikationen für die Liquoruntersuchung definiert. In folgenden Situationen halten die Autoren die Liquoruntersuchung für angemessen:

  • Der Patient, dessen Angehörige oder ein Arzt nehmen einen Rückgang der kognitiven Fähigkeiten wahr, der Betroffene zeigt aber in objektiven Gedächtnistests keine signifikanten Einbußen und weitere Indikatoren sprechen für ein erhöhtes Alzheimerrisiko (z.B. Sympotmbeginn > 60 Jahre, ApoE4-Genotyp).
  • Es liegen leichte kognitive Einschränkungen vor, die anhalten, fortschreiten und nicht anders zu erklären sind.
  • Der Patient weist Symptome auf, die zu Alzheimer passen, aber auch Anzeichen z.B. einer Lewy-Körper-Demenz sein können.
  • Leichte kognitive Einschränkungen oder Demenz treten vor dem 65. Lebensjahr auf.
  • Die klinischen Kernkriterien der Alzheimerdemenz sind erfüllt und der Betroffene befindet sich zu Symptombeginn im typischen Alter (≥ 65).
  • Unerklärte Verhaltensänderungen wie Wahnvorstellungen, Depression, Delir dominieren als Symptome und eine Alzheimerdiagnose ist anzunehmen.

In folgenden Situationen wird vom Biomarkernachweis abgeraten:

  • Der Patient hat weder subjektive Gedächtniseinbußen noch ein erhöhtes Alzheimerrisiko. In objektiven Tests schneidet er altersgemäß ab.
  • Nur die Familienanamnese ist positiv, objektivierbare Gedächtniseinbußen liegen nicht vor.
  • Es gibt zwar subjektive Gedächtniseinbußen, doch der Arzt findet keine Indikatoren für eine erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit.
  • Der Patient leidet unter einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung.
  • Es wurde bereits ein Alzheimer diagnostiziert und durch die Untersuchung soll lediglich das Krankheitsstadium bzw. dessen Schwere festgestellt werden.
  • Der Patient ist Carrier von ApoE4, hat aber keine kognitiven Einschränkungen.
  • Die Familienanamnese ist für die ApoE4-Mutation positiv mit oder ohne zusätzliche Alzheimersymptome.
  • Eine autosomal dominante Alzheimerdemenz wird vermutet.
  • Die Liquoruntersuchung soll als Ersatz für die genetische Typisierung herhalten, obwohl der Mutationsnachweis der sicherere Indikator einer frühen Alzheimerdemenz ist.

Nur ausgewiesene Demenzexperten sollten die Tests vornehmen, fordern die Experten.

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Abgrenzung zu anderen Demenzformen

Die Liquoranalytik dient auch der Differenzierung verschiedener Demenzformen. So zeigen Amyloid-β1-42 (Aβ1-42) und Gesamt-Tau eine signifikante Überlappung bei anderen primären Demenzen, wie z. B. PPA (primär progrediente Aphasien) oder DLB (Demenz mit Lewy-Körperchen).

Rolle von Beta-Amyloid und Tau-Protein

Beta-Amyloid und Tau-Protein spielen eine zentrale Rolle in der Pathogenese der AD. Dabei kommt es zu extrazellulären Beta-Amyloid-Ablagerungen (Plaques) und intrazellulären Tau-Proteinanreicherungen (Neurofibrillenbündel). Bei der AD zerstört abnormes überphosphoryliertes Tau-Protein durch Aggregation die intrazellulären Strukturen der Mikrotubuli. Die Initiierung dieses Prozesses erfolgt über veränderte Beta-Amyloid-Peptide Pyroglutamat-Abeta-Peptid bzw. (pyroGlu Aβ).Beta-Amyloide (Aβ) sind Peptide aus 36-43 Aminosäuren. Sie entstehen durch die enzymatische Spaltung des Amyloid-Precursor-Proteins (APP), dessen Funktion unbekannt ist. Auch hier scheint eine Schlüsselrolle dem Pyroglutamat-Abeta-Peptid zuzukommen. Typischerweise werden bei AD erhöhte hTau-Proteinkonzentrationen gefunden. Es ist wesentlich spezifischer für eine AD als das Gesamt-Tau-Protein und soll vor allem bei der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung nicht erhöht sein. Bei der AD finden sich in der Regel deutlich erniedrigte Aβ(1-42)-Konzentrationen.

Weitere Anwendungsbereiche der Liquordiagnostik

Neben der Alzheimer-Diagnostik spielt die Liquordiagnostik auch bei anderen neurologischen Erkrankungen eine wichtige Rolle.

Multiple Sklerose (MS)

Bei der Multiplen Sklerose ist die Liquoranalyse ein essenzieller diagnostischer Baustein. Eine intrathekale IgG-Synthese kann als kardinaler Befund gemäß den aktuellen Diagnosekriterien zum diagnostisch geforderten Nachweis der zeitlichen Dissemination des Entzündungsprozesses herangezogen werden, sofern in der kranialen Magnetresonanztomografie (MRT) die Kriterien für die ebenfalls nachzuweisende örtliche Dissemination (≥ 1 krankheitstypische T2-Läsionen in mindestens 2 MS-typischen Regionen) erfüllt sind, jedoch keine aktiven (Kontrastmittel anreichernden) Läsionen als Korrelat einer zeitlich versetzten und damit chronischen Evolution der Entzündung vorhanden sind. Typisches Befundmuster: Es liegt eine leichte Zellzahlerhöhung (maximal bis 50/µl) mit wenigen transformierten Lymphozyten und Plasmazellen vor. Eine intrathekale IgG-Synthese, die im Krankheitsverlauf persistiert, wird entweder rechnerisch im Quotientendiagramm oder mit deutlich höherer Empfindlichkeit durch liquorspezifische OKB (Typ-2- oder Typ-3-Muster) nachgewiesen. Es besteht eine 2- oder 3-fach positive MRZ-Reaktion (Parameter mit höchster Spezifität für MS, weniger sensitiv [ca. 63 % der Fälle] als OKB [> 90 %]). Insbesondere bei fehlender oder nur transienter intrathekaler IgG-Synthese (Quotientendiagramm oder OKB) und/oder Zellzahl > 100/µl im akuten Schub muss Zweifel an der MS-Diagnose aufkommen und eine Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD) oder Enzephalomyelitis mit Seropositivität für MOG-(Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-)IgG erwogen werden.

Autoimmunenzephalitis

Die Liquoranalytik ist diagnostisch wichtig und kann bei rasch einsetzenden und nicht fieberhaften enzephalopathischen oder demenziellen Syndromen frühzeitig den Verdacht auf eine Autoimmunenzephalitis lenken. Typisches Befundmuster: Häufig, aber nicht in allen Fällen, liegt eine leicht bis mäßig ausgeprägte lymphozytäre Zellzahlerhöhung vor (bis ca. 100/µl), gegebenenfalls eine gering- bis mäßiggradige BLS-Funktionsstörung, oft eine intrathekale IgG-Synthese, am häufigsten in Form einer liquorspezifischen OKB. Autoimmunenzephalitiden sind wichtige und behandelbare Differenzialdiagnosen von erregerbedingten Erkrankungen des ZNS, Psychosen und Demenzen. Im jüngeren Lebensalter und bei weiblichem Geschlecht muss insbesondere die NMDA-Rezeptor-Enzephalitis gegenüber der Erstmanifestation einer Psychose abgegrenzt werden, im höheren Erwachsenenalter und bei männlichem Geschlecht kann eine LGI1-Enzephalitis als rasch fortscheitende präsenile Demenz verkannt werden.

Bakterielle und virale Infektionen

Die Liquoranalyse ist ein essenzieller diagnostischer Baustein und unumgänglich zur Differenzierung einer bakteriellen versus nichtbakteriellen Meningitis und zur Identifikation des auslösenden Erregers mittels direkter oder indirekter Nachweisverfahren.

Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK)

Die Standardparameter (Zellzahl, Eiweißschrankenfunktion, Glucose, Lactat, Immunglobulinquotienten, oligoklonale Banden) der Cerebrospinalflüssigkeit (CSF) sind bei CJK-Patienten in der Regel normal. Der Nachweis neuronaler Proteine im Liquor cerebrospinalis unterstützt die klinische Verdachtsdiagnose der CJK. Hier kann auch der Nachweis einer erhöhten Aggregationsneigung des Prionproteins durchführen zu lassen. (Real-Time Quaking-Induced Conversion, RT-QuIC) hilfreich sein.

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