Die Demenz stellt eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit dar. In Deutschland sind aktuell etwa 1,6 Millionen Menschen an Demenz erkrankt, und aufgrund der steigenden Lebenserwartung wird diese Zahl voraussichtlich auf 2,8 Millionen im Jahr 2050 ansteigen. Da es bis heute in Europa keine kausale Therapie für Demenzerkrankungen gibt, kommt der Prävention eine entscheidende Bedeutung zu. Prävention bezeichnet die gezielte Vorbeugung oder Vermeidung von Gesundheitsproblemen. Im Falle der Demenzprävention geht es darum, Risikofaktoren zu identifizieren und zu beeinflussen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an Demenz zu erkranken.
Die Bedeutung der Prävention
Da es bislang - mit Ausnahme seltener Fälle - keine Heilung für Demenzerkrankungen gibt, ist die Vorbeugung von entscheidender Bedeutung. Eine interdisziplinäre und internationale Expertengruppe hat im Auftrag der renommierten Wissenschaftszeitschrift „The Lancet“ untersucht, welche modifizierbaren Risikofaktoren für die Entwicklung einer Demenz eine Rolle spielen. Ihr Ergebnis, das sie 2024 aktualisiert haben, war: Es gibt 14 beeinflussbare Risikofaktoren. Würden alle diese Risikofaktoren ausgeräumt, könnten bis zu 45 Prozent aller Demenzerkrankungen verhindert oder zumindest deutlich hinausgezögert werden.
Risikofaktoren für Demenz
An der Entstehung von Demenzen sind mehrere Faktoren beteiligt. Der wichtigste Risikofaktor ist ein hohes Lebensalter. Aber auch genetische Faktoren und die körperliche Gesundheit, Lebensgewohnheiten und Umwelteinflüsse spielen eine Rolle. Nur in einer kleinen Zahl der Fälle sind genetische Faktoren die vorherrschende Ursache. Es gibt keine Maßnahmen, durch die man ausschließen kann, jemals an irgendeiner Form der Demenz zu erkranken. Ein hohes Lebensalter wünschen wir uns alle und mit unseren Genen müssen wir leben.
Vaskuläre Risikofaktoren
Die wichtigste Ursache von Demenz sind Durchblutungsstörungen des Gehirns. Daher müssen die Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes, Herzrhythmusstörungen, Abweichungen des Fettstoffwechsels, Übergewicht und hohes LDL-Cholesterin behandelt werden. Rauchen sowie übermäßigen Alkoholkonsum sollte man entsprechend vermeiden. Zu den vermeidbaren Ursachen einer Demenz gehören auch Vitamin- und Hormonmangelzustände. Hier sind regelmäßige Kontrollen sinnvoll.
Weitere beeinflussbare Risikofaktoren
Das Risiko für eine Demenz wird auch durch Schwerhörigkeit und den Verlust der Sehkraft erhöht. Dem kann man durch das frühzeitige Tragen von Hörgeräten und Sehhilfen entgegenwirken. Auch Schädel-Hirn-Verletzungen, zum Beispiel bei Unfällen oder bei Gehirnerschütterungen durch Kopfbälle, erhöhen das Demenzrisiko. Deshalb ist es sinnvoll, beim Radfahren, Skaten usw. einen Helm zu tragen und vor allem bei Kindern auf intensives Kopfballtraining zu verzichten.
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Präventionsmaßnahmen im Detail
Herz-Kreislauf-Gesundheit
Die wichtigste Ursache von Demenz sind Durchblutungsstörungen des Gehirns. Daher müssen die Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes, Herzrhythmusstörungen, Abweichungen des Fettstoffwechsels, Übergewicht und hohes LDL-Cholesterin behandelt werden. Rauchen sowie übermäßigen Alkoholkonsum sollte man entsprechend vermeiden.
Ernährung
Eine ausgewogene Ernährung spielt eine entscheidende Rolle bei der Prävention von Demenz. Eine mediterrane oder die sogenannte MIND-Diät - eine Kombination aus mediterraner und DASH-Diät - können das Risiko für Demenz deutlich senken. Dabei kommt es vor allem auf frische, unverarbeitete Lebensmittel an. Was Sie essen, hat Einfluss auf Ihre geistige Fitness - oft mehr, als man denkt. Studien zeigen, dass eine mediterrane Ernährung vor Gedächtnisverlust und Demenz schützen kann. Besonders empfohlen werden viel Gemüse, Obst, Nüsse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und fettreicher Fisch. Ergänzungen wie Vitaminpräparate sollten jedoch nur nach Rücksprache mit Ärzten oder Ernährungsberatern erfolgen.
Bewegung
Regelmäßige Bewegung gehört zu den wirksamsten Maßnahmen, um Demenz vorzubeugen. Sie stärkt das Herz-Kreislauf-System, verbessert die Durchblutung des Gehirns und unterstützt die Bildung neuer Nervenzellen. Schon 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche können das Risiko einer Demenzerkrankung deutlich reduzieren.
Geistige Aktivität und soziale Teilhabe
Auch im Alter noch offen sein gegenüber neuen Dingen, also reisen, tanzen. Dass das etwas bringt, dafür gibt es mittlerweile gute Daten. Das Gehirn braucht Anregung: Gespräche, Begegnungen und gemeinsame Aktivitäten halten es wach und leistungsfähig.Dabei zählt nicht nur die Anzahl der Kontakte, sondern auch das Gefühl, verbunden zu sein. Deshalb gilt auch Einsamkeit als Risikofaktor: Wer sich dauerhaft allein fühlt, obwohl Menschen da sind, kann ebenso belastet sein. Beide Zustände - Isolation und Einsamkeit - schwächen auf Dauer die geistige Gesundheit.Die gute Nachricht: Einsamkeit lässt sich überwinden - durch Mut, Neugier und Begegnung.
Schlafqualität
Ein zweiter Punkt sei guter Schlaf. Eine chronische Schlafstörung erhöhe das Demenz-Risiko, so Jessen. Im Schlaf liefen im Gehirn Reinigungsprozesse ab. Daher können bei Schlafstörungen Maßnahmen für eine bessere Nachtruhe dazu beitragen, das Demenzrisiko zu senken.
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Vermeidung von Kopfverletzungen
Zu Kopfverletzungen erklärt Jessen, dass es nicht nur um schwere Verletzungen wie bei einem Autounfall gehe, sondern auch um häufige und leichte Verletzungen, wie sie bei manchen Sportarten vorkämen. Deshalb ist es sinnvoll, beim Radfahren, Skaten usw. einen Helm zu tragen und vor allem bei Kindern auf intensives Kopfballtraining zu verzichten.
Behandlung von Hör- und Sehbeeinträchtigungen
Das Risiko für eine Demenz wird auch durch Schwerhörigkeit und den Verlust der Sehkraft erhöht. Dem kann man durch das frühzeitige Tragen von Hörgeräten und Sehhilfen entgegenwirken.
Hormontherapie bei Frauen
Bei Frauen deuten Studien darauf hin, dass eine frühzeitige Hormonersatztherapie in den Wechseljahren das Alzheimer-Risiko senken kann. Ob und wann eine Hormonbehandlung sinnvoll ist, sollte aber immer ärztlich geprüft werden.
Vermeidung von Luftverschmutzung
Was wir einatmen, kann auch unser Gehirn erreichen. Feine Partikel aus Abgasen, Industrie, Holz- und Kohleöfen können Entzündungen auslösen, die Gefäße schädigen und langfristig die geistige Gesundheit beeinträchtigen. Vor allem Feinstaub steht im Verdacht, das Demenzrisiko zu erhöhen.
Proaktives Delirmanagement
Auch ein Delir kann das Demenzrisiko um das bis zu 12-Fache erhöhen. Da Krankenhäuser Hochrisikoorte für die Entwicklung eines Delirs sind und Multimedikation, Demenz sowie fortgeschrittenes Alter die Vulnerabilität für ein Delir erhöhen, empfahl Prof. Dr. med. Christine von Arnim, Klinik für Geriatrie, Universitätsmedizin Göttingen, ein proaktives Delirmanagement.
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Vorhofflimmern und Antikoagulation
Ein wesentlicher Mechanismus, über den das Vorhofflimmern die Demenz fördert, ist das Entstehen von Thromboembolien. Hier greifen orale Antikoagulanzien an. Durch eine mindestens einmalige Gabe einer oralen Antikoagulation im Vergleich zu keiner oralen Antikoagulation ließ sich das Risiko für die Entwicklung einer Demenz in der Intention-to-Treat-Analyse um 29 % senken. In der On-Treatment-Analyse nahm das Risiko um 48 % ab. Laut Dichgans konnten weitere Studien untermauern, dass orale Antikoagulanzien bei Vorhofflimmern das Demenzrisiko reduzieren und dieser Effekt unabhängig vom Schlaganfall war.
Hypertonietherapie
Ergebnisse einer Studie mit knapp 10 000 Hypertoniepatienten ohne Schlaganfall oder Diabetes mellitus zeigten, dass eine strenge Einstellung des systolischen Blutdrucks < 120 mmHg im Vergleich zu einer Einstellung < 140 mmHg das Risiko für milde kognitive Dysfunktion beziehungsweise milde kognitive Dysfunktion oder Demenz jeweils signifikant senken konnte.
Aktuelle Forschung und Studien
Die FINGER-Studie
Epidemiologisch betrachtet ließen sich durch das Vermeiden der Risikofaktoren wohl tatsächlich viele Fälle von Alzheimer und anderen Demenzformen verhindern. Darauf deutet die sogenannte Finger-Studie aus Finnland hin, bei der eine Gruppe alter Menschen zwei Jahre lang Ernährungs- und Gesundheitsberatung sowie körperliches und geistiges Training bekam.
Die Agewell-Studie
Zehn Jahre nach der Finger-Studie will die Agewell-Studie die Ergebnisse in Deutschland prüfen. 1.152 ältere Menschen mit erhöhtem Demenzrisiko wurden dafür in Leipzig, Greifswald, München und Kiel rekrutiert.
Berechnungen zum Präventionspotenzial
DZNE-Forscherin Dr. Iris Blotenberg und ihr Forschungsteam haben das Präventionspotenzial berechnet. "Unsere Berechnungen ergeben ein Präventionspotenzial von 38 Prozent“, schrieben sie im "Deutschen Ärzteblatt International“. Gelänge es, die beeinflussbaren Risikofaktoren um 15 Prozent zu reduzieren, so die Modellrechnung, könnten von den erwarteten zwei Millionen Krankheitsfällen im Jahr 2033 theoretisch etwa 138.000 verzögert oder vermieden werden. Bei 30 Prozent wären es sogar 265.000 Fälle.
Initiativen und Angebote zur Demenzprävention
In Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG), vormals BzgA, hat die Deutsche Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) ein Angebot entwickelt, um Multiplikatorinnen und Multiplikatoren bei der Aufklärung über Risikofaktoren von Demenz und deren Vermeidung zu unterstützen. Im Rahmen des Projekts wurden Vortragsfolien und ein Manual für eine 90-minütige Informationsveranstaltung zur Demenz-Prävention entwickelt. Die Materialien können von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die über fundiertes Wissen zu Demenz verfügen, kostenlos angefordert werden, z. B. Mitarbeitendevon Pflegestützpunkten,von Alzheimer-Gesellschaften,von Lokalen Allianzen für Demenz,von Gesundheitskiosken,von Seniorenzentren undvon Apotheken. Der Vortrag „Geistig fit bleiben - mit 10 Maßnahmen Demenz vorbeugen“ dauert etwa 90 Minuten. Das Angebot und die Materialien sind ebenso wie die Demenz-Faltblätter der Reihe „komptakt.“ im Rahmen der Nationalen Demenzstrategie der Bundesregierung als Teil der Maßnahme 1.7.1. „Gesundheitliche Aufklärung zur Reduktion von Risiken der Demenzerkrankungen“ entstanden.
Fazit
Die Prävention von Demenz ist ein komplexes, aber lohnendes Unterfangen. Obwohl eine vollständige Verhinderung der Krankheit nicht garantiert werden kann, zeigen Studien und Forschungsergebnisse, dass die Beeinflussung modifizierbarer Risikofaktoren das Erkrankungsrisiko deutlich senken und den Verlauf der Krankheit hinauszögern kann. Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, regelmäßiger Bewegung, geistiger Aktivität und sozialer Teilhabe spielt dabei eine zentrale Rolle. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit den Risikofaktoren auseinanderzusetzen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die eigene Hirngesundheit zu fördern. Politische Bemühungen und gesellschaftliche Initiativen sind ebenfalls entscheidend, um das Wissen über Demenzprävention zu verbreiten und eine "Brain Health Agenda" zu etablieren.
Durch die Umsetzung individueller und gesellschaftlicher Maßnahmen können wir gemeinsam dazu beitragen, die Zahl der Demenzerkrankungen zu reduzieren und die Lebensqualität älterer Menschen zu verbessern.
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