Die Stimme kann sich im Alter verändern. Aber auch bei Demenz kann sich die Stimme verändern. Der folgende Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Demenz und Veränderungen der Stimme, sowie die Ursachen für diese Veränderungen und gibt Hinweise zum Umgang mit sprachlichen Schwierigkeiten bei Demenzerkrankten.
Warum sich die Stimme im Alter verändert
Oft verrät unsere Stimme mehr über uns, als wir vielleicht annehmen - sogar unser Alter. Junge Stimmen klingen klar und kräftig, während ältere Stimmen oft leiser, rauer oder brüchiger wirken. Mit den Jahren verliert die Stimme an Kraft, die Tonhöhe verändert sich, und der Klang wird matter. Dies ist ein natürlicher Prozess, der jedoch durch gezieltes Training positiv beeinflusst werden kann.
Die Stimme entsteht, wenn Luft aus der Lunge die Stimmlippen im Kehlkopf in Schwingungen versetzt. Diese Stimmlippen bestehen aus Knorpeln, Muskeln, Stimmbändern und Schleimhaut. In jungen Jahren sind sie elastisch, gut befeuchtet und kräftig, was einen großen Tonumfang und klare Töne ermöglicht.
Mit zunehmendem Alter kommt es jedoch zu Veränderungen:
- Der Muskelschwund im Kehlkopf verringert die Spannkraft der Stimmlippen.
- Die Verknöcherung von Knorpeln macht den Kehlkopf weniger flexibel.
- Trockene Schleimhäute mindern die Schwingungsfähigkeit.
Die Folge ist, dass die Stimmlippen nicht mehr vollständig schließen, was zu einer brüchigen oder belegten Stimme führt. Der Tonumfang schrumpft, und die Stimme ermüdet schneller.
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Auch Hormone spielen eine Rolle. Bei Frauen sinkt in den Wechseljahren der Östrogen- und Progesteronspiegel. Diese Hormone halten normalerweise den Stimmapparat geschmeidig. Das vorhandene Testosteron wirkt stärker, macht die Stimmlippen dicker, und die Stimme wird tiefer, im Schnitt um etwa einen Ganztonschritt.
Bei Männern nimmt im Alter die Testosteronproduktion ab. Dadurch baut sich die Stimmbandmuskulatur ab, und die Stimme kann etwas höher klingen. Im sehr hohen Alter verstärkt die zunehmende Verknöcherung der Stimmlippen diesen Effekt, was zu einer dünnen, "fisteligen" Stimme, dem sogenannten Greisendiskant, führen kann.
Mediziner sprechen bei ausgeprägten Veränderungen von Presbyphonie. Häufige Merkmale sind:
- Leiser oder brüchiger Klang
- Zittrige Stimme (Tremor)
- Veränderte Tonhöhe
- Schwankende Lautstärke
Zudem sprechen ältere Menschen im Schnitt langsamer und machen längere Pausen - beides verrät ebenfalls ihr Alter. Studien zeigen, dass wir das Alter eines Menschen allein anhand der Stimme im Schnitt nur um fünf Jahre falsch einschätzen.
Nicht immer ist die Ursache für Stimmveränderungen allein das Alter. Krankheiten wie Reflux, Parkinson, Schilddrüsenstörungen, Lungenleiden oder Tumoren im Halsbereich können die Stimme zusätzlich beeinträchtigen. Eine Heiserkeit, die länger als drei Wochen anhält, sollte daher immer ärztlich abgeklärt werden.
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Stimmveränderungen bei Demenz
Demenzerkrankungen wie Alzheimer beeinträchtigen nicht nur das Gedächtnis, sondern auch die Fähigkeit zu sprechen und andere zu verstehen. Mit der Zeit fällt es Menschen mit Demenz immer schwerer, sich auszudrücken oder Gesprächen zu folgen. Dies kann die Kommunikation im Alltag belasten und für Angehörige herausfordernd sein. Aber auch wenn Sprache verloren geht, bleibt Kommunikation möglich.
Sprache kann sich bei Menschen mit Demenz auf unterschiedliche Weise verändern. Welche Symptome auftreten, hängt von der betroffenen Hirnregion ab. Typische Sprachveränderungen bei Demenz sind:
- Wortfindungsstörungen: Erkrankte suchen nach Wörtern oder ersetzen sie durch andere.
- „Verwaschene“ Sprache: Die Aussprache wird undeutlich oder „verschwommen“.
- Verständnisprobleme: Gesagtes wird nur teilweise oder gar nicht mehr erfasst.
- Satzabbrüche: Gedanken bleiben unvollständig, Gespräche verlieren den Zusammenhang oder führen ins Leere.
- Abnehmende Lese- und Schreibfähigkeiten: Das Erfassen von Texten oder das Schreiben von Wörtern wird schwieriger.
- Wechsel in eine frühere Muttersprache: Manche Menschen sprechen plötzlich in einer Sprache, die sie in der Kindheit gelernt haben.
Frontotemporale Demenz (FTD) und Sprachveränderungen
Bei der Frontotemporalen Demenz (FTD) sterben Nervenzellen im Frontallappen (Stirnlappen) und Temporallappen (Schläfenlappen) im Gehirn ab. Diese Hirnregionen steuern Gefühle, Sozialverhalten und Sprache. Die FTD kann erblich sein, muss es aber nicht. In rund 40 Prozent der Fälle zeigt sich eine familiäre Häufung.
Die Verhaltensvariante der Frontotemporalen Demenz (bvFTD) zeigt sich durch tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit. Die erkrankte Person wirkt „anders“, obwohl das Gedächtnis oft noch gut funktioniert. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:
- Enthemmung: Unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Ladendiebstahl oder Berührungen von Fremden.
- Apathie: Früher Rückzug aus sozialen und beruflichen Aktivitäten, Verlust von Interesse an Beziehungen oder Hobbys.
- Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust: Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen nahestehender Personen, fehlende Anteilnahme oder Einfühlungsvermögen.
- Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten: Wiederholte Handlungen wie das fünfmalige Klatschen zur Begrüßung, Horten von Gegenständen oder das tägliche Aufsuchen bestimmter Orte.
- Verändertes Essverhalten: Zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol.
- Fehlende Einsicht: Menschen mit bvFTD sehen häufig nicht ein, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist.
Die Primär Progressive Aphasie (PPA) zeigt sich in drei verschiedenen Formen, je nachdem, welche sprachlichen Fähigkeiten am stärksten eingeschränkt sind:
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- Semantischer Typ: Menschen mit dieser Form verlieren nach und nach das Verständnis für Wörter.
- Unflüssiger/agrammatischer Typ: Das Sprechen wird mit der Zeit immer schwieriger.
- Logopenischer Typ: Bei dieser Form fällt es den Betroffenen schwer, die richtigen Worte zu finden.
Umgang mit Sprachschwierigkeiten bei Demenz
Miteinander reden wird bei Demenzerkrankungen zunehmend schwierig. Menschen mit Demenz leben zunehmend in ihrer eigenen Realität. Wenn Erinnerungen verschwimmen, sie ihre Umwelt nicht verstehen oder sich in einer anderen Zeit wähnen, kann Validation helfen, mit erkrankten Menschen in Kontakt zu bleiben.
Validation bedeutet, den Menschen dort abzuholen, wo er sich in seiner Wahrnehmung befindet - nicht mit Fakten, sondern mit Verständnis. Menschen mit Alzheimer nehmen oft nicht mehr jedes Wort genau wahr - aber sie spüren, wie etwas gesagt wird. Ein ruhiger Tonfall, Blickkontakt und eine offene Haltung können Vertrauen und Sicherheit vermitteln.
Wichtig ist, die erkrankte Person als gleichwertige Gesprächspartnerin oder gleichwertigen Gesprächspartner wahrzunehmen. Dazu gehört, sie beim Sprechen anzuschauen, nicht zu unterbrechen und ihre Sätze nicht zu beenden. Menschen mit Alzheimer haben zunehmend Schwierigkeiten, längeren Sätzen zu folgen. Kurze, klare Aussagen mit nur einer Information sind leichter verständlich. Auch Fragen sollten möglichst unkompliziert sein. Ja-/Nein-Fragen oder Auswahlmöglichkeiten sind oft besser als offene Fragen.
Wenn Sie mit einem erkrankten Menschen sprechen, beziehen Sie sich am besten auf Personen, Dinge und Geräusche in der Umgebung. Sprechen Sie langsam und deutlich und wiederholen Sie wichtige Informationen bei Bedarf auch mehrmals. Verwenden Sie dabei immer den gleichen Wortlaut, damit das Gesagte besser verstanden wird und sich möglichst einprägt. Achten Sie darauf, dass Sie zwischendurch Pausen einlegen, um Ihrem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, zu antworten.
Verwenden Sie eine klare Körpersprache und eine prägnante Mimik und Gestik, um das Gesagte zu unterstützen und das Verständnis zu erleichtern. Wichtig ist auch der Blickkontakt. Auch wenn die Sprache verloren geht, ist es wichtig, in Verbindung zu bleiben. Schauen Sie sich gemeinsam alte Fotos an, hören Sie die Lieblingsmusik der erkrankten Person oder sitzen Sie bei gutem Wetter einfach zusammen draußen. Selbst zum Ende der Erkrankung, wenn Menschen kaum noch reagieren, nehmen sie auf emotionaler Ebene dennoch wahr, dass jemand da ist, sie umarmt, berührt, mit ihnen spricht.
Weitere Kommunikationskonzepte
Neben der Validation gibt es weitere Konzepte, die die Kommunikation mit Demenzerkrankten erleichtern können:
- Personzentrierte Pflege nach Tom Kitwood: Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt und nicht die Krankheit. Kern ist die Förderung des Personseins.
- Basale Stimulation: Sie setzt auf nonverbale Kommunikation und stimuliert die Sinne (visuell, akustisch, gustatorisch, taktil).
Dysarthrie und Aphasie
Neben den bereits genannten Veränderungen kann es bei Demenz auch zu Dysarthrie (Sprechstörung) und Aphasie (Sprachstörung) kommen.
Dysarthrie ist eine Störung der Artikulation, bei der die Bildung von Lauten beeinträchtigt ist, weil der Betroffene die Zunge, den Kehlkopf oder die Lippen nicht mehr koordiniert bewegen kann. Die Ursache kann ein Hirninfarkt in jenen Abschnitten der Hirnrinde sein, die für die Artikulation zuständig sind.
Aphasie ist eine erworbene Sprachstörung, die die Folge einer Schädigung des Sprachzentrums im Gehirn ist. In den meisten Fällen ist ein Schlaganfall die Ursache. Die Sprach- und Verständnisprobleme der Betroffenen erschweren die Kommunikation mit anderen Menschen. Häufig ist auch die Lese- und Schreibfähigkeit eingeschränkt.
Diagnose und Therapie von Sprachstörungen
Plötzlich auftretende Sprachstörungen sind immer ein Alarmsignal und erfordern sofortige ärztliche Hilfe. Sprachstörungen können Symptom einer schwerwiegenden Erkrankung sein und sollten daher von einem Arzt untersucht werden.
Die Diagnose von Sprachstörungen erfolgt durch Neurologen und Logopäden. Mithilfe spezieller Tests kann die Sprache analysiert und die Sprachstörung beurteilt werden.
Die Therapie von Sprachstörungen zielt darauf ab, die Kommunikationsfähigkeit des Betroffenen zu verbessern. Für Kinder ist es wichtig, dass die logopädische Unterstützung möglichst früh während des Spracherwerbs erfolgt.