Demenz-Tests für Menschen mit geistiger Behinderung

Demenz ist eine Erkrankung, die nicht nur ältere Menschen ohne geistige Behinderung betrifft. Auch Menschen mit geistiger Behinderung können an Demenz erkranken, und zwar häufiger und in einem jüngeren Alter als der Durchschnitt der Bevölkerung. Dies stellt besondere Herausforderungen an die Diagnostik, da standardisierte Testverfahren oft nicht einsetzbar sind und die verbale Kommunikation eingeschränkt sein kann. Es ist wichtig, eine Demenz von anderen Ursachen abzugrenzen und geeignete Screeninginstrumente einzusetzen, um eine frühzeitige Diagnose und Therapie zu ermöglichen.

Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung: Eine besondere Herausforderung

Bei Menschen mit geistiger Behinderung treten Demenzerkrankungen häufiger und früher auf als in der Gesamtbevölkerung. Studien zeigen, dass sie dreimal häufiger eine Demenz entwickeln und Menschen mit Down-Syndrom beispielsweise im Schnitt 20-30 Jahre früher erkranken. Nach dem 60. Lebensjahr zeigen etwa 60-75 % demenzielle Symptome.

Professor Dr. Vjera Holthoff-Detto von der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Krankenhaus Hedwigshöhe in Berlin betont, dass die Diagnostik in diesem Bereich manchmal eine Herausforderung darstellt. Es sei wichtig, eine Demenz von somatischen Ursachen abzugrenzen, die man bei geistig Behinderten leicht übersehen kann. Treten kognitive Symptome vor dem 40. Lebensjahr auf, sollte man bei Patienten mit Down-Syndrom an Hypothyreose, Hörverlust, Mangelerscheinungen (z.B. Vitamin B12), Zöliakie oder Schlafapnoe denken. Auch Nebenwirkungen einer medikamentösen Therapie, allen voran bei Antipsychotika oder Benzodiazepinen, müssen in Betracht gezogen werden.

Ursachen und Risikofaktoren

Die wesentlichen pathologischen Prozesse bei Demenz bestehen in einer Umwandlung von normalen Zellproteinen in schädigende Endprodukte wie das Beta-Amyloid-Protein und die Neurofibrillenbündel.

Aufgrund einer pathologischen Spaltung des Amyloid-Vorläuferproteins (APP), die durch einen Mangel des Neurotransmitters Acetylcholin verursacht wird, kommt es zu einer Aggregation des Beta-A4-Proteins, wobei die Amyloid-Ablagerungen hauptsächlich im Gehirn erfolgen. Das Gen für das APP ist auf dem Chromosom 21 lokalisiert. Da dieses Chromosom bei Trisomie 21 in dreifacher Ausführung vorliegt, kommt es zu einer vier- bis fünffachen Menge an APP. Rund 50% der Patienten mit Morbus Down entwickeln bis zum 60. Lebensjahr eine Alzheimer-Demenz.

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Diagnostische Verfahren

Die Diagnose einer Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung erfordert eine sorgfältige Abwägung verschiedener Faktoren. Zu den besten Informationsquellen gehören die Betreuer oder Angehörigen, die den Patienten oft über Jahrzehnte kennen und kognitive Veränderungen meist zuerst bemerken. Darüber hinaus existieren mittlerweile einige Screeninginstrumente, die speziell für geistig Behinderte mit Verdacht auf demenzielle Erkrankungen konzipiert wurden.

Anamnese und Fremdbeobachtung

Aufgrund der oft eingeschränkten kommunikativen Fähigkeiten von Menschen mit geistiger Behinderung kommt der Fremdanamnese eine besondere Bedeutung zu. Betreuer und Angehörige können wertvolle Informationen über Veränderungen im Verhalten, der Stimmung und den kognitiven Fähigkeiten liefern. Hierbei kommen verstärkt Fremdbeobachtungsskalen zum Einsatz.

Standardisierte Testverfahren

Standardisierte Testverfahren wie die Global Deterioration Scale (GDS), der Mini-Mental-Status-Test (MMST) und die Alzheimer’s Disease Assessment Scale (ADAS) sind bei Menschen mit geistiger Behinderung nur bedingt einsetzbar, da ihre prämorbiden Fähigkeiten häufig unterhalb der in diesen Tests abgeprüften Leistungen liegen. Dennoch können sie in modifizierter Form oder in Kombination mit anderen Instrumenten wertvolle Informationen liefern.

Der Mini-Mental-Status-Test (MMST) ist ein Schnelltest für die Erfassung kognitiver Störungen bei älteren Menschen. Er hat eine hohe Aussagekraft über die Diagnose Demenz und wird häufig als Erst-Test angewandt, um den Krankheitsverlauf zu verfolgen. Der MMST besteht aus einem Gespräch zwischen dem Experten und der betroffenen Person, in dem Fragen beantwortet oder Aufgaben erledigt werden müssen. Für jede richtig gelöste Aufgabe oder Frage gibt es einen Punkt, also maximal 30 Punkte. Die Auswertung des MMST liefert ein Bild von der kognitiven Leistungsfähigkeit des Probanden.

Spezielle Screeninginstrumente

Für Menschen mit geistiger Behinderung wurden spezielle Screeninginstrumente entwickelt, die auf ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten zugeschnitten sind. Ein Beispiel hierfür ist der Dementia Screening Questionnaire for Individuals with Intellectual Disabilities (DSQIID).

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Differenzialdiagnostik

Bei der Diagnose einer Demenz ist es wichtig, andere Ursachen für die kognitiven Beeinträchtigungen auszuschließen. Treten kognitive Symptome vor dem 40. Lebensjahr auf, sollte man bei Patienten mit Down-Syndrom an Hypothyreose, Hörverlust, Mangelerscheinungen (z.B. Vitamin B12), Zöliakie oder Schlafapnoe denken. Auch Nebenwirkungen einer medikamentösen Therapie müssen in Betracht gezogen werden.

Bildgebende Verfahren und Laboruntersuchungen

Bildgebende Verfahren wie die Computertomografie (CT) und die Magnetresonanztomografie (MRT) geben Einblicke in das Gehirn und können Demenzauslöser wie Durchblutungsstörungen und Schlaganfälle erkennen. Eine Blutabnahme erfolgt, um behandelbare Ursachen einer Demenz zu erkennen, zum Beispiel einen Vitaminmangel. Über eine Analyse des Nervenwassers lässt sich die Konzentration von beta-Amyloid und Tau-Protein ermitteln, die bei der Entstehung von Demenz eine zentrale Rolle spielen.

Therapie und Unterstützung

Ziel aller therapeutischen Bemühungen bei Menschen mit geistiger Behinderung ist es, Fehlentwicklungen und Psychiatrisierungen zu vermeiden, die Lebensqualität zu verbessern sowie eine weitestgehende Resozialisation zu erreichen. Dazu dienen neben pädagogischen, psychoedukativen und psychotherapeutischen Ansätzen auch psychopharmakologische Interventionen.

Medikamentöse Therapie

Unter dem Aspekt der Lebensqualität, der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und der möglichst frühen Intervention bei psychiatrisch relevanten Symptomen eines demenziellen Prozesses kommt somit auch einer adäquaten Therapie mit Antidementiva ein hoher Stellenwert zu. Dabei stehen cholinerge Substitutionsstrategien mit Acetylcholinesterase(AChE-)-Hemmern im Vordergrund.

In mehreren Studien zeigte Rivastigmin signifikante Effekte auf depressive, ängstliche und halluzinatorische Symptome. In nahezu allen internationalen Demenz-Leitlinien wird Rivastigmin als Mittel der ersten Wahl empfohlen.

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Nicht-medikamentöse Therapie

Neben der medikamentösen Therapie spielen nicht-medikamentöse Ansätze eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung. Hierzu gehören beispielsweise:

  • Ergotherapie
  • Physiotherapie
  • Logopädie
  • Musiktherapie
  • Kunsttherapie
  • Validationstherapie
  • Milieutherapie

Unterstützung für Angehörige und Betreuer

Die Betreuung von Menschen mit Demenz und geistiger Behinderung stellt eine große Herausforderung für Angehörige und Betreuer dar. Es ist wichtig, dass sie Unterstützung und Entlastung erhalten, um ihre eigene Gesundheit und Lebensqualität zu erhalten. Hierzu können beispielsweise Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und ambulante Pflegedienste in Anspruch genommen werden.

Die AOK bietet beispielsweise eine Pflegeberatung an, die Angehörigen hilft, einen individuellen Versorgungsplan zu erstellen, bei der Organisation unterstützt und Kontakt zu anderen Beteiligten wie etwa dem Pflegedienst aufnimmt. Die AOK hat auch ein Online-Selbsthilfeprogramm für pflegende Angehörige entwickelt, um sie dabei zu unterstützen, den psychisch belastenden Pflegealltag besser zu bewältigen.

Rechtliche Aspekte

Bei Demenz kann ein Grad der Behinderung (GdB) vom Versorgungsamt oder vom Amt für soziale Angelegenheiten festgestellt werden. Ab einem GdB von 50 kann ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt werden, der verschiedene Nachteilsausgleiche ermöglicht. Bei einer schweren Demenz gilt in der Regel ein GdB von 100. Dann wird bei Demenz ohne nähere Prüfung eine sog. "Hilflosigkeit" angenommen und das Merkzeichen "H" kann in den Schwerbehindertenausweis eingetragen werden.

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