Die Diagnose Demenz stellt viele Betroffene und ihre Familien vor große Herausforderungen. Umso wichtiger ist eine frühzeitige Erkennung der Erkrankung, um den Verlauf bestmöglich zu beeinflussen. Ein einfacher und schnell durchführbarer Test, der erste Hinweise auf eine mögliche Demenz liefern kann, ist der Uhrentest. Dieser Artikel erklärt, wie der Uhrentest funktioniert, wie er ausgewertet wird und welche Bedeutung er im Rahmen der Demenzdiagnostik hat.
Der Mini-Mental-Status-Test (MMST) als ergänzende Untersuchung
Der Mini-Mental-Status-Test (MMST), auch bekannt als Mini-Mental-State Examination (MMSE), ist ein Schnelltest zur Erfassung kognitiver Störungen, der oft in Kombination mit dem Uhrentest eingesetzt wird. Der MMST wurde 1975 von Marshal F. Folstein entwickelt und dient als erster Anhaltspunkt bei Verdacht auf Demenz. Er kann auch verwendet werden, um den Krankheitsverlauf zu verfolgen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der MMST keine ärztliche Diagnose ersetzt. Eine umfassende körperliche Untersuchung durch einen Arzt ist unerlässlich, um andere mögliche Ursachen für die kognitiven Beeinträchtigungen auszuschließen. Der MMST besteht aus verschiedenen Aufgaben, die unterschiedliche kognitive Bereiche prüfen, wie z.B. Orientierung, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Sprache. Der Test wird von einem geschulten Experten durchgeführt und dauert in der Regel nicht länger als 30 Minuten. Die maximale Punktzahl beträgt 30, wobei ein Ergebnis zwischen 27 und 30 Punkten auf höchstens leichte Beeinträchtigungen des Denkvermögens hindeutet.
Was ist der Uhrentest?
Der Uhrentest ist ein psychometrisches Testverfahren, das zur Früherkennung einer Demenz eingesetzt werden kann. Er ist einfach durchzuführen und erfordert lediglich ein Blatt Papier und einen Stift. Es gibt verschiedene Varianten des Uhrentests, die sich in ihrer Durchführung und Auswertung unterscheiden. Die am häufigsten verwendete Variante ist der Uhrentest nach Shulman, der 1993 von Kenneth Shulman entwickelt wurde. Daneben gibt es auch den Uhrentest nach Sunderland und den Uhrentest nach Watson.
Durchführung des Uhrentests
Bei der Durchführung des Uhrentests wird der Testperson ein Blatt Papier mit einem vorgezeichneten Kreis gegeben. Sie wird dann gebeten, die Ziffern einer Uhr an der richtigen Stelle in den Kreis einzutragen und anschließend mit den Zeigern eine vorgegebene Uhrzeit darzustellen, meist 11:10 Uhr. Während die Testperson zeichnet, achtet der Untersucher auf verschiedene Aspekte, wie z.B. die Reihenfolge, in der die Ziffern eingetragen werden, Schwierigkeiten beim Zeichnen, Zögern und Korrekturen.
Visuokonstruktive Fähigkeiten
Der Uhrentest prüft vor allem die visuell-räumlichen Fähigkeiten der Testperson. Im Zusammenhang mit dem Uhrentest wird oft der Begriff "Visuokonstruktion" oder "visuokonstruktive Ausführungsleistung" verwendet. Damit ist die Fähigkeit gemeint, komplexe Formen oder Muster zu erkennen und zu reproduzieren. Diese Fähigkeit nimmt bei Demenzerkrankten bereits früh im Krankheitsverlauf ab.
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Varianten des Uhrentests
Es gibt verschiedene Varianten des Uhrentests, die sich in ihrer Durchführung und Auswertung unterscheiden:
- Uhrentest nach Shulman (1993): Bei dieser Variante wird der Testperson ein Blatt Papier mit einem vorgegebenen Kreis gegeben. Sie soll dann die Zahlen "1" bis "12" so in den Kreis eintragen, wie sie auf dem Ziffernblatt einer Uhr angeordnet sind. Anschließend soll sie den Minuten- und Stundenzeiger so einzeichnen, dass sie eine bestimmte Uhrzeit anzeigen (meist 11:10 Uhr).
- Uhrentest nach Sunderland et al. (1989): Bei dieser Variante muss die Testperson auch das Ziffernblatt selbst zeichnen, also den Kreis.
- Uhrentest nach Watson: Bei dieser Variante wird die Auswertung sehr standardisiert durchgeführt. Es wird geprüft, ob in jedem Viertel der Uhr jeweils die drei richtigen, lesbaren Zahlen zu finden sind. Für jedes Viertel, in dem ein Fehler gemacht wurde, werden Fehler-Punkte gezählt.
Der Uhrentest Score nach Shulman
Beim Uhrentest nach Shulman gibt es einen Uhrentest Score, der auf einer Skala von 1 bis 6 basiert:
- 1 Punkt: Die Uhr ist perfekt gezeichnet.
- 2 Punkte: Leichte Fehler (unregelmäßige Abstände, etc.).
- 3 Punkte: Räumliche Darstellung korrekt, Uhr fehlerhaft (nur ein Zeiger, Text statt Ziffern).
- 4 Punkte: Mittelgradige Desorganisation (Eintragen der Uhrzeit unmöglich bei z.B. mehr als zwölf Ziffern).
- 5 Punkte: Schwergradige Desorganisation (wie bei 4).
- 6 Punkte: Keine Darstellung einer Uhr.
Auswertung des Uhrentests
Die Auswertung des Uhrentests ist abhängig von der verwendeten Variante. Im Allgemeinen wird darauf geachtet, ob alle Ziffern vorhanden sind, ob sie an der richtigen Stelle stehen, ob die Abstände zwischen den Zahlen annähernd gleich sind und ob die Zeiger die korrekte Uhrzeit anzeigen. Auch die Lesbarkeit der Ziffern spielt eine Rolle. Je fortgeschrittener eine Demenz ist, desto schwieriger gestaltet sich der Uhrentest für die Betroffenen. Die gezeichnete Uhr wird immer unkenntlicher, die Ziffern und Zeiger werden falsch eingezeichnet oder fehlen sogar. Bei schwerer Demenz machen viele Patienten gar keine Versuche mehr, eine Uhr zu zeichnen. Manche schreiben stattdessen Wörter oder ihren Namen auf das Papier.
Minutenzeiger-Phänomen
Ein besonderes Augenmerk gilt dem sogenannten Minutenzeiger-Phänomen. Dabei werden das Ziffernblatt mit seinen Zahlen und der Stundenzeiger korrekt dargestellt, der Minutenzeiger wird aber fehlerhaft platziert. Dieses Phänomen kann auf eine beginnende Demenz hinweisen.
Auswertungsskalen
Es gibt verschiedene Auswertungsskalen für den Uhrentest, wie z.B. die Skala von Kenneth Shulman (1 bis 6 Punkte) und die Skala nach Sunderland (1 bis 10 Punkte). Die Unterscheidungen gehen sehr ins Detail und sollten nur von einer Person mit Erfahrung in der Durchführung solcher Tests gemacht werden.
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Bedeutung des Uhrentests in der Demenzdiagnostik
Der Uhrentest ist ein nützliches Instrument zur Früherkennung einer Demenz, da er auf einfache Weise verschiedene kognitive Fähigkeiten wie räumliche Wahrnehmung, Gedächtnis und Problemlösung prüft. Er liefert im Vergleich mit dem Mini-Mental-Status (MMST) meist ähnliche Ergebnisse. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der Uhrentest allein keine Diagnose einer Demenz ermöglicht. Er sollte immer in Kombination mit anderen Tests und Untersuchungen durchgeführt werden, um ein umfassendes Bild der kognitiven Leistungsfähigkeit des Patienten zu erhalten und andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen. Zu diesen zusätzlichen Untersuchungen gehören beispielsweise der DemTect, bildgebende Verfahren wie MRT oder CT und Laboruntersuchungen. Auch andere Erkrankungen wie Depressionen können ähnliche Symptome wie eine Demenz hervorrufen und müssen daher ausgeschlossen werden.
Wo kann der Uhrentest durchgeführt werden?
Der Uhrentest kann von verschiedenen Fachleuten durchgeführt werden, wie z.B. Hausärzten, Psychologen oder speziell geschultem Pflegepersonal. Auch Angehörige können den Test durchführen, um einen ersten Eindruck von der kognitiven Leistungsfähigkeit eines Familienmitglieds zu erhalten. Es ist jedoch wichtig, die Ergebnisse des Tests immer von einem Arzt oder Psychologen überprüfen zu lassen, um eine zuverlässige Diagnose zu erhalten. Vorlagen und Arbeitsanweisungen für den Demenz-Uhrentest sind auf verschiedenen Internetseiten verfügbar. Der Uhrentest von Shulman ist in der Durchführung und Auswertung sehr einfach und kann daher auch zuhause praktiziert werden.
Der Uhrentest in der Pflege
Der Uhrentest wird oft in die Hände von Pflege- und/oder Betreuungskräften gelegt. Auch Angehörige wenden ihn an, um ein Familienmitglied zu „testen“. Das ist alles nicht ganz falsch, darf aber immer nur als ein erster Hinweis auf eine mögliche kognitive Einschränkung gelten und nicht als verlässliche Diagnose einer Demenz. Eine Diagnose kann nur ein Arzt stellen, der dafür ausgebildet ist und Erfahrung hat. Im Pflegealltag kann der Uhrentest auch dazu dienen, den Verlauf einer Demenzerkrankung zu beobachten. Durch regelmäßige Wiederholung des Tests können Veränderungen in der kognitiven Leistungsfähigkeit des Patienten festgestellt werden.
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