Demenz Übungen Physiotherapie: Ein umfassender Leitfaden zur Verbesserung der Lebensqualität

In Deutschland sind mehr als eine Million Menschen über 65 Jahre von Demenz betroffen, und die Zahl steigt aufgrund der alternden Gesellschaft dramatisch an. Demenz ist eine Gruppe von Krankheiten, bei denen sich geistige Leistungen wie Gedächtnis, Orientierung und Sprachverständnis immer weiter verschlechtern. Dies führt häufig zu Veränderungen der Stimmung und des Sozialverhaltens. Darüber hinaus steigt das Sturzrisiko, da die Betroffenen Schwierigkeiten mit Mehrfachhandlungen haben. Die bekannteste und häufigste Form der Demenz ist Alzheimer.

Altersforscher der Universität Heidelberg haben in einer aktuellen Studie nachgewiesen, dass ein spezielles Bewegungstraining den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflusst und den Betroffenen länger ihre Selbstständigkeit erhält. Neben Kraft- und Gleichgewichtstraining hilft ein sogenanntes Dual-Task-Training, das die Aufmerksamkeit schult: Während einer Bewegungsübung löst der Demenzkranke gleichzeitig eine Denkaufgabe.

Die Rolle der Physiotherapie bei Demenz

"Physiotherapie kann nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Beweglichkeit von Demenzkranken fördern", so Ute Repschläger, Vorsitzende des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten - IFK e. V. "Wichtig ist, dass einfache Übungen mit klaren Strukturen angewandt werden und der Schwierigkeitsgrad langsam gesteigert wird."

Als Bewegungsexperten können Physiotherapeuten viel dazu beitragen, Demenzkranke zu aktivieren und ihr Verhalten zu beeinflussen. Vor allem auf Gleichgewichtskontrolle, Orientierung, Wahrnehmung und Antriebslosigkeit wird positiv eingewirkt. Muskelkraft und Beweglichkeit werden z. B. durch gezieltes Gerätetraining gefördert. Beim Balance- und Funktionstraining werden Alltagsbewegungen wie Treppensteigen, um Hindernisse gehen oder vom Stuhl aufstehen geschult. „Durch Trainieren alltäglicher Aktivitäten gewinnen Betroffene viel Sicherheit und Selbstvertrauen“, erklärt Ute Repschläger.

Vorteile der Physiotherapie für Senioren zu Hause

Eine Physiotherapie für Senioren zu Hause bietet zahlreiche Vorteile:

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  • Kein Taxischein oder Krankentransport notwendig
  • Kein Stress durch Stau oder Parkplatzsuche
  • Keine Wartezeit in der Praxis
  • In der gewohnten Umgebung kann der Therapeut sehr viel individueller auf die Anforderungen und Herausforderungen eingehen als in einer Praxis
  • Patienten können sich unmittelbar nach der Behandlung ausruhen
  • Physiotherapie kann zu Hause andere Schwerpunkte setzen

Ablauf eines Physiotherapie-Termins für Senioren zu Hause

Bei der Terminvergabe wird mitgeteilt, welcher Therapeut beziehungsweise welche Therapeutin zu Ihnen kommt. Am Termin selber wird zur vereinbarten Uhrzeit der Therapeut bei Ihnen sein und das mitgebrachte Equipment (Therapie-Liege, Therapie-Utensilien etc.) aufbauen. Nach einem kurzen Gespräch, um die richtigen Maßnahmen zu identifizieren, beginnt der Therapeut auch direkt mit der Therapie.

Übungen für Muskelaufbau und Beweglichkeit

Wenn Muskeln und Knochen durch Inaktivität weiter an Substanz verlieren, steigt die Gefahr zu stürzen um das Dreifache - und damit die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden. Außerdem entscheiden auch Kraftreserven darüber, wie gut es einem trotz akuter oder chronischer Leiden geht. Wer schon schwächlich ist, kommt trotz Besserung oft nicht gut auf die Beine. Daher ist es sinnvoll, frühzeitig mit dem Muskelaufbau zu beginnen.

Muskelaufbau-Übungen für Senioren

Hier sind sieben Übungen für den Muskelaufbau von Senioren. Alles, was Sie benötigen, sind ein Gymnastikband sowie eine 1 kg Hantel oder eine mit Wasser gefüllte Plastikflasche.

  1. Hanteln abwechselnd hoch: Hinstellen, Beine hüftbreit, Knie leicht gebeugt. Rücken und Bauch anspannen. Hanteln mit den Armen im Wechsel nach oben Richtung Zimmerdecke stemmen. Dies kräftigt die Schulterregion, verbessert die aufrechte Haltung.
  2. Kniebeuge: Stellen Sie ihre Füße etwa schulterbreit und parallel auseinander. Beugen Sie die Knie und schieben das Gesäß nach hinten, während die Arme nach vorne ziehen. Richten Sie den Blick nach vorne und halten Sie den Rücken gerade. Gehen Sie so tief wie es für Sie angenehm ist und richten Sie sich gleichmäßig wieder gerade auf.
  3. Zurücklehnen: Hanteln über Kreuz an die Brust nehmen. Bauch anspannen. Oberkörper mit geradem Rücken ganz langsam und kontrolliert leicht nach hinten neigen, aber nicht zu tief! In einer fließenden Bewegung wieder in die Ausgangslage. Kräftigt die Bauchmuskulatur.
  4. Band seitlich ziehen: Gymnastikband mit angewinkelten Armen vor der Brust auf Spannung halten. Ellenbogen auf Schulterhöhe, Schultern bewusst nach unten ziehen. Bauch anspannen, einen Unterarm kraftvoll und langsam zur Seite ausstrecken, dabei das Band dehnen. Nur der Unterarm bewegt sich. Langsam wieder zurück, Band auf Spannung halten, auch die andere Seite. Kräftigt den Schultergürtel und den Trizeps.
  5. Trippeln: Aufrecht stehen und langsam anfangen, mit den Füßen zu trippeln. Die Übung eine oder zwei Minuten lang durchführen. Danach eine Pause von 30 Sekunden einlegen und die Übung wiederholen. Insgesamt drei Mal. Trainiert die Beinmuskulatur.
  6. Liegestütz an der Wand: Mit beiden Händen an einer Wand abstützen, dann die Arme langsam beugen. Am Umkehrpunkt wieder langsam von der Wand wegdrücken. Aber nur so weit, dass die Arme noch leicht gebeugt sind. Den Rücken gerade halten. Kräftigt Arme, Schultern und den gesamten Rumpf.
  7. Grätschen: An eine Stuhlkante setzen. Gymnastikband um die Beine knoten, unterhalb der Knie. Band leicht auf Spannung halten. Einen Fuß vom Boden lösen, das Bein nach außen führen, langsam wieder zurück. Ebenso die andere Seite. Trainiert die Gesäßmuskulatur und die Außenseite der Oberschenkel.

Übungen für eine bessere Beweglichkeit von Senioren

Je älter man wird, umso mehr lassen Gang- und Standsicherheit nach. Die Gründe: Die Muskelkraft nimmt ab und die eigene Körperwahrnehmung verändert sich. Die Gefahr eines Sturzes mit schweren Folgen steigt. Schon mit fünf kleinen Übungen kann man die Beweglichkeit auch im Alter wieder verbessern:

  1. Seitliches Armheben: Eine Übung zur Kräftigung im aktiven Sitz. Das bedeutet, Sie sitzen auf dem vorderen Drittel der Stuhlfläche, die Knie befinden sich auf Höhe der Sprunggelenke, die Beine sind hüftbreit auseinandergestellt. Nun die Schulter nach unten und die Schulterblätter am Rücken zusammenziehen. Dann die Arme 15 bis 25 Mal seitlich heben und senken.
  2. Armheben nach vorne: Ausgangsposition wie beim seitlichen Armheben. Dann aber bei tiefgezogenen Schultern abwechselnd den rechten und den linken Arm 15 bis 25 Mal nach vorn heben und behutsam wieder absenken.
  3. Beinstrecker: Ebenfalls eine Übung zur Kräftigung im aktiven Sitz. Das rechte und linke Bein werden abwechselnd gestreckt und gebeugt. Je nach Kondition und Kraft 15 bis 25 Mal.
  4. Hüftstrecker: Aktiver Sitz an einer Stuhlkante mit Festhaltemöglichkeit. Beide Beine strecken. 15 bis 25 Mal das Gesäß vom Stuhl abheben und die Hüfte strecken. Achten Sie darauf, dass der Stuhl nicht kippt.
  5. Dehnung der Oberschenkelrückseite: Diese Übung findet im Sitzen auf einem Stuhl statt, der sicher stehen sollte. Setzen Sie sich auf die Stuhlkante und neigen Sie bei geradem Rücken den Oberkörper leicht nach vorn. Das linke Bein strecken und mit dem rechten Arm zur linken Ferse ziehen. Etwa 20 Sekunden halten, dann die Seite wechseln.

Wie oft am Tag sollten Senioren Physiotherapie-Übungen machen?

Als Faustregel für die Anzahl der Physiotherapie-Übungen gilt: Senioren sollten die Übungen sechs Tage die Woche machen und sich einen Tag freinehmen - der Sonntag bietet sich meistens an. Falls Senioren mehrere Übungen gleichzeitig machen, weil nicht nur die Hüfte, sondern auch Schultern und Rücken schmerzen, dann kann das für einen Tag ziemlich viel werden. Legen Sie hierzu ausreichend Pausen zwischen den Physiotherapie-Übungen ein.

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Gedächtnistraining bei Demenz

Gedächtnistraining für Demenzerkrankte sind kleine Übungen, mit denen die kognitive Leistung erhalten werden soll. Sie fordern die Gehirnleistung und aktivieren das Gehirn aus dem Ruhemodus. Gedächtnistraining bei Demenz hat zum Ziel, die Konzentrationsfähigkeit zu steigern und den Gedächtnisverlust, der mit der Erkrankung einhergeht, zu verlangsamen.

Prinzipien des Gedächtnistrainings

  • Erfolg & Selbstwert: Passen Sie die Schwierigkeit der Übungen an die geistigen Fähigkeiten der demenzerkrankten Person an.
  • Spaß: Finden Sie heraus, welche Übungen und Rätsel der demenzerkrankten Person Spaß machen.
  • Langzeitgedächtnis: Aktivieren Sie das Wissen, das im Langzeitgedächtnis abgelegt ist. Vermeiden Sie aktuelle Bezüge zu Politik und Tagesgeschehen. Aufgrund der Demenzerkrankung kann sich die betroffene Person diese Informationen nicht merken.
  • Kurze Einheiten: Auch wenn Sie die Konzentrationsfähigkeit trainieren, können sich demenzerkrankte Menschen meist nur für kurze Zeit konzentrieren. Schieben Sie, wenn möglich, lieber mehrere kleine Einheiten am Tag ein.
  • Vorhandenes stärken: Wenn Sie die Defizite durch Übungen aufholen möchten, werden Sie schnell auf Frust und Überforderung stoßen.
  • Kommunizieren Sie klar und deutlich. Seien Sie empathisch. Beobachten Sie die Reaktionen und Gefühle Ihres Gegenübers genau.

Beispiele für Gedächtnisübungen

  • Sinne anregen:
    • Sehen: Schärfen Sie gemeinsam das Sehen im Alltag, indem Sie die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Farbe oder ein Muster lenken.
    • Hören: „Geräusche erkennen“ können Sie schnell und einfach mit Alltagsgegenständen umsetzen. Ihr Spielpartner soll dabei erraten, welches Geräusch Sie machen.
    • Fühlen: Den Tastsinn können Sie spielerisch leicht mit der Übung „Gegenstände erfühlen“ aktivieren.
    • Riechen: Geben Sie Ihrem Angehörigen zum Beispiel ein wohlduftendes Stück Seife oder ein frisches Lavendelkissen.
  • Wortfindung trainieren: Menschen mit Demenz sind oftmals auf der Suche nach bestimmten Wörtern.
  • Erinnerungen wachrufen: Auch vertraute Bilder von früher oder Gegenstände des Alltags können Assoziationen wecken. Oder Sie spielen „Lieder erraten“.
  • Konzentration fördern: Puzzles oder Memory-Spiele, beides im größeren Format, fordern und fördern die Konzentrationsleistung.
  • Händegymnastik: Wenn wir Finger und Hände durch Gymnastik bewegen, wirkt sich das positiv auf unsere kognitiven Leistungen aus.

Physiotherapeutische Maßnahmen bei Demenz

Auch wenn bereits eine Demenz vorliegt, kann die Physiotherapie dazu beitragen, die Lebensqualität des Patienten zu steigern. Wichtig ist beispielsweise Gangtraining: Selbstständig gehen zu können, erhält dem Betroffenen ein Stück Selbstständigkeit. Auch Gymnastik kann dem Patienten dabei helfen, beweglich zu bleiben und seinen Alltag selbst gestalten zu können. Auch das Körpergefühl und die Koordinationsfähigkeit wird durch die Bewegungsübungen verbessert. So wird das Sturzrisiko gemindert.

Wie wirkt Bewegung?

  • Mehr Durchblutung & Sauerstoff: Nach 5-15 Minuten maßvoller Aktivität arbeitet das Gehirn effizienter - viele wirken spürbar klarer (mehr Blickkontakt, besseres Reagieren).
  • Aufrichtung & Atemtiefe: Aufrechte Haltungen und Atemübungen verbessern die Belüftung, reduzieren „Einsacken“ und erhöhen Wachheit.
  • Reizordnung & Routine: Rhythmus (z. B. Musik), wiederkehrende Reihenfolgen und einfache Regeln („Grün = Gehen, Rot = Stopp“) strukturieren die Situation - das senkt Stress.
  • Motorik stärkt Alltagsabläufe: Kräftigere Beine und ein stabiler Rumpf bedeuten sicheres Aufstehen, Wenden und Gehen - das erhält Selbstständigkeit und reduziert Stürze.

Typische Bausteine einer physiotherapeutischen Behandlung

  • Sanftes Ausdauertraining: z. B. Gehen im sicheren Umfeld, Sitz-Ergometer, Schrittübungen.
  • Kraft & Gleichgewicht: Standfestigkeit, Bein- und Rumpfkraft (z. B. Aufstehen-Setzen, Mini-Kniebeuge am Stuhl, Gewichtsverlagerungen).
  • Koordination & Reaktion: einfache Parcours, Drehen/Wenden, sicheres Übersteigen kleiner Hindernisse.
  • Alltagsnah üben: vom sicheren Aufstehen aus dem Bett bis zum Treppensteigen - immer so, wie es zuhause tatsächlich gebraucht wird.
  • Sturzprävention: Risiko checken, gezielte Übungen und praktische Tipps (Schuhwerk, Stolperfallen, Beleuchtung).

Prävention von Demenz durch Bewegung

Bei Demenz kommt es zu einer schrittweisen Verschlechterung der geistigen Leistungsfähigkeit, die zu massiven Einschränkungen in der Lebensqualität und zum vollständigen Verlust der Selbstständigkeit der Betroffenen führen kann. Die medikamentöse Behandlung der Demenz hat in den letzten Jahren nur bedingte Fortschritte vorweisen können. Stattdessen sind alternative Therapiemaßnahmen in den Fokus gerückt. Internationale Studien belegen, dass sich Mithilfe von Physiotherapie die Symptome erkrankter Patienten lindern lassen.

Physiotherapeutischen Maßnahmen, wie Muskelaufbauübungen oder Ausdauertraining, werden bereits ab einem Umfang von 16 Wochen signifikante Effekte auf die Lebensqualität von Alzheimer-Patienten nachgewiesen. Sowohl die Bewältigung alltäglicher Aufgaben als auch der Sprachfluss verbessern sich, Symptome wie Angst, Depression oder Schlaflosigkeit lassen nach.

Auch als Präventionsmaßnahme gegen Demenz ist die körperliche und geistige Aktivität mit am besten belegt. Durch Bewegung wiederum wird nachweislich nicht nur der Körper, sondern auch das Gehirn auf Trab gehalten. Körperliche Aktivität versorgt das Gehirn mit Nährstoffen, fördert die Produktion von Nervenzellen und Verknüpfungen im Kopf und wirkt noch dazu anderen Demenz-Risiken, wie Diabetes oder Bluthochdruck, entgegen.

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