Demenz und Inkontinenz: Ursachen, Umgang und Lösungsansätze

Inkontinenz ist eine häufige und belastende Begleiterscheinung von Demenz, sowohl für die Betroffenen selbst als auch für ihre Angehörigen. Sie kann in Form von Harninkontinenz, Stuhlinkontinenz oder einer Kombination aus beidem (doppelte Inkontinenz) auftreten. Die vorliegende Abhandlung beleuchtet die vielfältigen Ursachen von Inkontinenz bei Demenz, gibt praktische Tipps zum Umgang mit dieser Herausforderung und zeigt Lösungsansätze auf, um die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien zu verbessern.

Ursachen von Inkontinenz bei Demenz

Die Ursachen für Inkontinenz bei Demenz sind vielschichtig und können sowohl direkt mit der Demenzerkrankung als auch mit anderen Faktoren zusammenhängen.

Demenzbedingte Ursachen

  • Zerstörung von Hirnregionen: Die Demenz führt zur Zerstörung von Hirnregionen, die für die Steuerung der Blase und des Darms verantwortlich sind. Dies kann dazu führen, dass die Betroffenen die Kontrolle über ihre Ausscheidungsfunktionen verlieren.
  • Vergessen der Toilettenbenutzung: Im Verlauf der Demenz vergessen die Betroffenen oft, dass sie auf die Toilette müssen, oder sie wissen nicht mehr, wo sich diese befindet.
  • Fehlinterpretation von Körpersignalen: Menschen mit Demenz können die körperlichen Signale, die Harndrang oder Stuhldrang signalisieren, nicht mehr richtig deuten.
  • Kommunikationsschwierigkeiten: Es kann den Betroffenen schwerfallen, sich mitzuteilen und ihre Bedürfnisse zu äußern, was dazu führen kann, dass sie nicht rechtzeitig auf die Toilette gehen können.
  • Eingeschränkte Mobilität: Eine eingeschränkte Mobilität kann es den Betroffenen erschweren, die Toilette rechtzeitig zu erreichen.

Medizinische Ursachen

  • Harnwegsinfekte: Harnwegsinfekte können zu einer Reizung der Blase und damit zu Inkontinenz führen.
  • Prostataprobleme: Bei Männern können Prostataprobleme wie eine Prostatavergrößerung die Blasenfunktion beeinträchtigen und Inkontinenz verursachen.
  • Verstopfung: Eine Verstopfung kann zu einer Stuhlinkontinenz führen, da der Darm überlastet ist und der Stuhl unkontrolliert abgehen kann.

Medikamentenbedingte Ursachen

  • Entwässerungstabletten: Entwässerungstabletten (Diuretika) können die Urinproduktion erhöhen und somit Inkontinenz fördern.
  • Schlaf- und Beruhigungsmittel: Schlaf- und Beruhigungsmittel können die Blasenmuskulatur entspannen und dadurch Inkontinenz begünstigen.
  • Kalziumblocker, Lithium oder Sympathomimetika: Diese Medikamente können die Blasenaktivität stimulieren.
  • Muskelrelaxantien: Können ebenfalls die Blasenfunktion beeinträchtigen.

Umgang mit Inkontinenz bei Demenz: Praktische Tipps für den Alltag

Der Umgang mit Inkontinenz bei Demenz erfordert viel Geduld, Verständnis und eine gute Organisation. Die folgenden Tipps können helfen, den Alltag für Betroffene und Angehörige zu erleichtern:

Anpassung des Wohnraums

  • Toilettenweg erleichtern: Sorgen Sie für einen gut beleuchteten undHindernis freien Weg zur Toilette. Lassen Sie die Badezimmertür offen stehen oder bringen Sie gut sichtbare Schilder an der Tür an, um die Orientierung zu erleichtern. Bei nächtlichen Orientierungsproblemen können Bewegungsmelder helfen, den Weg zur Toilette auszuleuchten.
  • Toilettensitz erhöhen: Eine erhöhte Toilette oder eine Toilettensitzerhöhung kann das Hinsetzen und Aufstehen erleichtern und die Sicherheit erhöhen.
  • Farbliche Gestaltung: Verwenden Sie einen farbigen Toilettensitz, um ihn von einem weißen Badezimmer besser abzuheben.
  • Haltegriffe installieren: Haltegriffe an der Toilette können zusätzlichen Halt und Sicherheit bieten.
  • Stolperfallen beseitigen: Entfernen Sie Stolperfallen wie Teppiche oder unebene Bodenbeläge. Sorgen Sie für ausreichend Bewegungsfreiheit, gegebenenfalls auch mit einem Rollator.
  • Treppenlifte: Bei Bedarf kann ein Treppenlift helfen, sicher zwischen den Etagen zu wechseln.

Kleidung anpassen

  • Einfach zu öffnende Kleidung: Wählen Sie Kleidung, die sich leicht öffnen und schließen lässt, z.B. Schlupfhosen, Jogginghosen oder Kleidung mit Klett- oder Reißverschlüssen. Vermeiden Sie Knöpfe und Gürtel.
  • Hosenträger: Hosenträger können eine gute Alternative zu Gürteln sein.
  • Erinnerungshilfe: Erinnern Sie den Betroffenen charmant daran, die Kleidung vor dem Toilettengang herunterzuziehen.
  • Spezielle Pflegewäsche: Für verschiedene Krankheitsformen gibt es spezielle Pflegewäsche.

Toilettenroutine etablieren

  • Regelmäßige Toilettenzeiten: Versuchen Sie, regelmäßige Toilettenzeiten zu etablieren, z.B. morgens nach dem Aufstehen, vor dem Essen und vor dem Schlafengehen. Begleiten Sie den Betroffenen zur Toilette oder erinnern Sie ihn daran, selbstständig zu gehen.
  • Urinflasche/Steckbecken: Stellen Sie für den ersten Toilettengang am Morgen eine Urinflasche (für Männer) oder ein Steckbecken (für Frauen) bereit.
  • Toilettenstuhl: Ein Toilettenstuhl kann eine schnelle Lösung sein, wenn die Toilette nicht rechtzeitig erreicht werden kann.
  • WC-Schlüssel und Toiletten-App: Für unterwegs kann ein WC-Schlüssel für behindertengerechte Toiletten und eine Toiletten-App hilfreich sein.

Flüssigkeitszufuhr und Ernährung optimieren

  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Achten Sie darauf, dass der Betroffene ausreichend trinkt (mindestens 1,5-2 Liter pro Tag), um Austrocknung und Verstopfung vorzubeugen.
  • Harntreibende Getränke vermeiden: Reduzieren Sie den Konsum von harntreibenden Getränken wie Kaffee und bestimmten Teesorten.
  • Ballaststoffreiche Ernährung: Bieten Sie eine ballaststoffreiche Ernährung mit viel Obst und Gemüse an, um Verstopfung vorzubeugen.

Medikamente überprüfen

  • Arzt konsultieren: Sprechen Sie mit dem behandelnden Arzt über die Medikamente des Betroffenen und fragen Sie nach, ob diese Inkontinenz als Nebenwirkung verursachen oder verstärken können. Gegebenenfalls kann die Medikation angepasst werden.

Hilfsmittel nutzen

  • Inkontinenzprodukte: Verwenden Sie Inkontinenzeinlagen, Pants oder Windeln, um den Betroffenen vor dem Auslaufen von Urin oder Stuhl zu schützen. Lassen Sie sich vom Pflegedienst oder in der Apotheke beraten, welche Produkte am besten geeignet sind.
  • Matratzenschutz: Verwenden Sie einen Matratzenschutz, um die Matratze vor Verunreinigungen zu schützen.
  • Nachtstuhl: Ein Nachtstuhl kann die nächtlichen Toilettengänge erleichtern.

Kommunikation und Verhalten

  • Verständnisvolle Haltung: Zeigen Sie Verständnis und Geduld im Umgang mit Inkontinenz. Vermeiden Sie Vorwürfe oder Schimpfen, da sich der Betroffene ohnehin schämt.
  • Offene Kommunikation: Sprechen Sie offen über das Thema Inkontinenz, um Schamgefühle abzubauen und gemeinsam Lösungen zu finden.
  • Diskretion wahren: Achten Sie darauf, die Privatsphäre des Betroffenen zu wahren und ihn nicht vor anderen bloßzustellen.
  • Selbstwertgefühl stärken: Unterstützen Sie den Betroffenen dabei, sein Selbstwertgefühl zu erhalten, indem Sie ihm Aufgaben übertragen, die er noch selbstständig erledigen kann.

Mund- und Zahnhygiene nicht vergessen

Auch bei Menschen mit Demenz ist die Mundhygiene sehr wichtig für Gesundheit und Wohlbefinden. Unterstützen Sie die Betroffenen bei der Mundpflege und sorgen Sie für regelmäßige Kontrollen beim Zahnarzt.

Medizinische Behandlung von Inkontinenz bei Demenz

Neben den genannten Maßnahmen ist es wichtig, die Ursachen der Inkontinenz medizinisch abzuklären und gegebenenfalls zu behandeln. Ein Arztbesuch ist ratsam, um mögliche Grunderkrankungen wie Harnwegsinfekte, Prostataprobleme oder Verstopfung auszuschließen oder zu behandeln.

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Diagnostik

Zur diagnostischen Klärung der Ursachen einer Harninkontinenz bei Demenz-Patienten ist eine erweiterte Basisdiagnostik empfehlenswert. Diese umfasst in der Regel:

  • Urologische Anamnese und Untersuchung
  • Analyse der weiteren Erkrankungen und der aktuellen Medikation
  • Bestimmung des Demenzgrades
  • Funktionelle Einschätzung des Patienten (geriatrisches Assessment)

Therapie

Die Therapie der Inkontinenz richtet sich nach der Ursache. Bei einer überaktiven Blase (Dranginkontinenz) können beispielsweise Medikamente eingesetzt werden, die die Blasenmuskulatur entspannen. Auch ein Miktions- oder Toilettentraining kann hilfreich sein.

  • Nichtmedikamentöse Therapie: Miktionstraining (vor allem bei beginnender Demenz), Toilettentraining (regelmäßiges Aufsuchen der Toilette zu bestimmten Uhrzeiten oder in bestimmten Abständen zu den Mahlzeiten).
  • Medikamentöse Therapie: Quaternäre Amine wie Trospiumchlorid (bevorzugt, da sie keine zentralnervösen Nebenwirkungen haben und das cholinerge Defizit bei Morbus Alzheimer nicht verschlechtern).

Unterstützung für Angehörige

Die Pflege von Menschen mit Demenz und Inkontinenz ist eine große Herausforderung für Angehörige. Es ist wichtig, sich Unterstützung zu suchen, um die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden nicht zu vernachlässigen.

Mögliche Unterstützungsangebote:

  • Pflegedienste: Ein Pflegedienst kann bei der Körperpflege und der Versorgung mit Inkontinenzprodukten helfen.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe kann sehr hilfreich sein.
  • Beratungsstellen: Beratungsstellen bieten Informationen und Unterstützung zu allen Fragen rund um Demenz und Pflege.
  • Entlastungsangebote: Entlastungsangebote wie Tagespflege oder Kurzzeitpflege können Angehörigen eine Auszeit von der Pflege ermöglichen.
  • Sanubi Pflegebox: Monatlich ausgewählte Pflegehilfsmittel im Wert von bis zu 42 € - vollständig übernommen von der Pflegekasse gemäß § 40 SGB XI.

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