Die Kommunikation mit Demenzpatienten stellt eine besondere Herausforderung dar. Mit fortschreitender Demenz verändern sich die sprachlichen Fähigkeiten und die Realitätswahrnehmung der Betroffenen. Die Validation, eine spezielle Gesprächstechnik, bietet einen Ansatz, um trotz dieser Veränderungen eine wertschätzende und verständnisvolle Kommunikation aufrechtzuerhalten.
Grundlagen der Validation
Die Validation wurde in den 1960er Jahren von der Gerontologin Naomi Feil entwickelt. Sie basiert auf der Idee, dass Menschen mit Demenz in ihrer eigenen Realität leben und dass es wichtig ist, diese Realität anzuerkennen und zu respektieren. Validation bedeutet, die Wichtigkeit, die Gültigkeit und den Wert der Äußerungen, Handlungen und Sichtweisen des Menschen mit Demenz festzustellen und zu bestimmen.
Die zwei Hauptformen der Validation
Es gibt zwei Hauptformen der Validation:
- Validation nach Naomi Feil: Diese Form geht davon aus, dass Demenzkranke unbewältigte Lebensaufgaben durchleben und dass ihre Verwirrtheit eine Art Bewältigungsstrategie darstellt.
- Integrative Validation (IVA) nach Nicole Richard: Diese Weiterentwicklung der Validation konzentriert sich auf die Wahrnehmung von Ressourcen, sogenannten Antrieben, sowie auf die Wertschätzung der demenzkranken Person und die Wahrnehmung ihrer Gefühle.
Sprachliche Veränderungen bei Demenz
Demenz beeinflusst nicht nur das Gedächtnis, sondern auch die Fähigkeit zu sprechen und andere zu verstehen. Typische Sprachveränderungen sind:
- Wortfindungsstörungen: Erkrankte suchen nach Wörtern oder ersetzen sie durch andere.
- „Verwaschene“ Sprache: Die Aussprache wird undeutlich oder „verschwommen“.
- Verständnisprobleme: Gesagtes wird nur teilweise oder gar nicht mehr erfasst.
- Satzabbrüche: Gedanken bleiben unvollständig, Gespräche verlieren den Zusammenhang oder führen ins Leere.
- Abnehmende Lese- und Schreibfähigkeiten: Das Erfassen von Texten oder das Schreiben von Wörtern wird schwieriger.
- Wechsel in eine frühere Muttersprache: Manche Menschen sprechen plötzlich in einer Sprache, die sie in der Kindheit gelernt haben.
Die Bedeutung der Validation
Die Validation hilft, Stress und Anspannung zu reduzieren. Sie ermöglicht es, eine neue Perspektive einzunehmen und Demenzkranken mit einer positiven Grundhaltung zu begegnen. Durch die Anerkennung der Realität des Erkrankten wird ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermittelt.
Lesen Sie auch: Fortgeschrittene Demenz: Ein umfassender Überblick
Ziele der Validation
Die Validation verfolgt folgende Ziele:
- Wiederherstellung des Selbstwertgefühles
- Abbau von Stress
- Rechtfertigung des gelebten Lebens
- Lösen der ausgetragenen Konflikte aus der Vergangenheit
- Reduktion des Medikamentenkonsums und von physischen Zwangsmaßnahmen
- Verbesserung der verbalen und nonverbalen Kommunikation
- Verhinderung eines Rückzuges ins Vegetieren
- Verbesserung des Gehvermögens
- Verbesserung des körperlichen Wohlbefindens
Grundhaltungen der Validation
Die Validation basiert auf drei Grundhaltungen:
- Akzeptanz: Nicht widersprechen und die Realität des Erkrankten akzeptieren lernen.
- Empathie: Einfühlendes Verständnis zeigen.
- Kongruenz: Echt und ehrlich in seinen Gefühlen bleiben.
Praktische Anwendung der Validation
Um Validation im Alltag anzuwenden, sind folgende Schritte hilfreich:
- Gefühle des Demenzkranken analysieren: Welche Gefühle bewirken seine Handlungen und Handlungsimpulse?
- Gefühle des Demenzkranken ausformulieren: Die wahrgenommenen Gefühle und Antriebe werden mit kleinen Sätzen formuliert, angenommen, akzeptiert, wertgeschätzt und zugelassen.
- Gefühle als allgemein akzeptiert bestätigen: Dem Demenzkranken zeigen, dass sein Innenleben „in Ordnung“ ist, dass das, was er sagt, tut und fühlt, völlig normal und akzeptiert ist. Hier können Sprichwörter, Volksweisheiten, Redewendungen oder Lieder helfen, die tief im Gedächtnis eingegraben sind.
Tipps für die Kommunikation
- Seien Sie immer freundlich und zugewandt.
- Verwenden Sie kurze Sätze.
- Sprechen Sie langsam und deutlich und verwenden Sie viel Mimik.
- Hören Sie aufmerksam zu und achten Sie auch die Körpersprache.
- Stellen Sie keine "W-Fragen" (Warum, weshalb, wann, wo).
- Fragen Sie immer nur eine Sache auf einmal.
- Zeigen Sie Anerkennung für das, was gelungen ist, weisen Sie nicht auf Fehler hin.
- Geben Sie genügend Zeit zum Antworten.
Beispiele für validierende Kommunikation
- Situation: Eine Bewohnerin sagt: "Ich muss nach Hause, mein Mann wartet auf mich."
- Nicht hilfreich: "Aber dein Mann ist doch schon lange verstorben."
- Besser: "Du denkst an deinen Mann. Was hat er immer gesagt, wenn du nach Hause gekommen bist?"
- Situation: Ein Bewohner ist unruhig und stopft seine Handtasche mit Unterwäsche und Essensresten voll.
- Validierende Reaktion: „Sie sind ein ordentlicher Mensch." oder "Sie haben alles genau im Blick."
Die Stadien der Desorientierung nach Feil
Naomi Feil definiert vier Stadien der Desorientierung von älteren Menschen:
- Mangelhafte/unglückliche Orientierung: Die Betroffenen sind örtlich und zeitlich orientiert, versuchen aber, ihre Defizite zu überspielen.
- Zeitverwirrtheit: Die dementen Menschen ziehen sich zurück und leben in ihren eigenen Erinnerungen.
- Sich wiederholende Bewegungen: Das Denk- und Sprachvermögen geht verloren, die Menschen drücken sich über körperliche Zeichen aus.
- Vegetieren: Die Menschen mit Demenz benehmen sich wie „lebende Tote“, sind apathisch und nehmen nicht mehr am Leben teil.
Integrative Validation nach Nicole Richard (IVA)
Nicole Richard geht davon aus, dass Demenzkranke die Welt nur noch „zerhackt“ wahrnehmen und nur noch über „Puzzlestücke“ ihrer Vergangenheit verfügen. Sie sieht die Aufgabe der Validation nicht darin, Demenzkranke bei der Bewältigung unerledigter Lebensaufgaben zu helfen, sondern ihnen ihr aktuelles Schicksal zu erleichtern.
Lesen Sie auch: Wechselwirkungen zwischen Schmerzmitteln und Demenz
Ressourcenorientierung in der IVA
Die IVA ist eine ressourcenorientierte Methodik, die sich auf die Gefühle und Antriebe des Menschen konzentriert. Antriebe sind das „Kraftpotenzial der Menschen mit Demenz“ und beeinflussen den Lebenslauf eines Menschen. Gefühle werden als „einziger Kompass“ der Orientierung in einer Demenz gesehen.
Praktische Anwendung der IVA
In der IVA wird der Mensch als Ganzes wahrgenommen und es findet eine Orientierung an den vorhandenen Ressourcen des dementen Patienten statt. Es wird auf Interpretationen sowie besondere Fragetechniken verzichtet.
Schulungen und Fortbildungen
Es gibt Schulungen und Workshops, die Pflegekräften und Betreuungspersonen helfen, die Prinzipien und Techniken der Validation zu erlernen und anzuwenden. Diese Fortbildungen können dazu beitragen, die Kompetenz im Umgang mit Demenzkranken zu erhöhen und die Qualität der Pflege zu verbessern.
Validation im Pflegealltag integrieren
Validation kann in den Pflegealltag durch regelmäßige Schulungen, die Förderung einfühlsamer Kommunikation und den Aufbau einer unterstützenden Umgebung integriert werden. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten, einschließlich Pflegekräfte, Angehörige und andere Mitarbeiter, in die Anwendung der Validation einbezogen werden.
Grenzen der Validation
Validation kann für die meisten Demenzkranken hilfreich sein, aber es ist wichtig zu beachten, dass jede Person einzigartig ist und unterschiedliche Bedürfnisse hat. In manchen Fällen kann es notwendig sein, andere Kommunikationsstrategien oder Therapieansätze zu verwenden.
Lesen Sie auch: Ursachen und Behandlung von Zittern bei Demenz
Validation als Haltung
Validation ist mehr als eine Methode; sie ist eine Haltung, die auf Akzeptanz, Wertschätzung, Empathie und einem tiefen Verständnis für die Einschränkungen des Patienten basiert. Sie beinhaltet einfühlsames Zuhören, das Akzeptieren der Realität des Patienten, das Spiegeln seiner Gefühle und das Vermeiden von Konfrontationen.
tags: #demenz #validation #folge #1