Vaskuläre Demenz: Verlauf, Stadien und Behandlungsmöglichkeiten

Demenz, der allmähliche Verlust der kognitiven Fähigkeiten, ist eine große Herausforderung für Betroffene, ihre Familien und die Gesellschaft. Vaskuläre Demenz, die zweithäufigste Form der Demenz nach der Alzheimer-Krankheit, wird durch Durchblutungsstörungen im Gehirn verursacht, die zu Schäden an den Blutgefäßen und damit zu kognitiven Beeinträchtigungen führen können. Dieser Artikel beleuchtet den Verlauf, die Stadien und die Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankung.

Was ist vaskuläre Demenz?

Die vaskuläre Demenz ist ein Oberbegriff für Demenzformen, die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn ausgelöst werden. "Vaskulär" bedeutet "gefäßbedingt" oder "die Blutgefäße betreffend". Eine gestörte Blut- und Sauerstoffversorgung des Hirngewebes führt zum Absterben von Nervenzellen. Ursächlich dafür sind meist Ablagerungen in den Blutgefäßen (Arteriosklerose).

Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz, die sich schleichend entwickelt, kann die vaskuläre Demenz plötzlich beginnen und einen stufenhaften Verlauf zeigen. Die Symptome hängen stark davon ab, welche Hirnregion betroffen ist und wie stark die Durchblutungsstörungen sind. Es können Sprach-, Seh- oder Bewegungszentren betroffen sein, aber auch das Lang- oder Kurzzeitgedächtnis.

Kirstin Puchner, die ihren Ehemann mit vaskulärer Demenz pflegt, berichtet, dass die Diagnose erst nach einem langen und nicht unbeschwerlichen Weg gestellt wurde. Anfänglich bemerkte sie, dass ihr Mann unpassende Worte benutzte und Wortfindungsstörungen hatte. Nach verschiedenen Untersuchungen und einer MRT des Kopfes wurden schließlich Veränderungen im Gehirn festgestellt, die durch Durchblutungsstörungen ausgelöst wurden.

Ursachen und Risikofaktoren

Eine vaskuläre Demenz entsteht durch eine gestörte Blutversorgung des Gehirns. Das Gehirn benötigt sauerstoffreiches Blut, um gesund zu bleiben. Versorgungsengpässe führen zu Schäden an den Hirnzellen, die im schlimmsten Fall absterben.

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Häufige Ursachen und Risikofaktoren sind:

  • Schlaganfälle: Sie können eine Hirnarterie verschließen und eine vaskuläre Demenz verursachen. Auch "stille Schlaganfälle" ohne spürbare Symptome erhöhen das Risiko.
  • Arteriosklerose: Wandverdickungen in kleinen Blutgefäßen im Gehirn, die die tiefen Hirnstrukturen versorgen, können zu kleinen Hirninfarkten und Schädigungen von Nervenfasern führen. Bluthochdruck ist ein wichtiger Risikofaktor.
  • Bluthochdruck: Chronischer, unbehandelter Bluthochdruck kann die Entstehung einer vaskulären Demenz begünstigen.
  • Ungünstige Blutwerte: Hohe LDL-Cholesterinwerte, niedrige HDL-Cholesterinwerte und Diabetes können ebenfalls eine Rolle spielen.
  • Weitere Risikofaktoren: Übergewicht, Bewegungsmangel, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Diabetes, schwere Kopfverletzungen, Infektionen, Depression, chronischer Stress sowie Hör- oder Sehminderungen.

Symptome der vaskulären Demenz

Die Symptome der vaskulären Demenz können je nach betroffener Hirnregion variieren. Typische Anzeichen sind:

  • Gedächtnisstörungen: Sie können auftreten, stehen aber zu Beginn nicht immer im Vordergrund.
  • Aufmerksamkeitsstörungen: Plötzliche Konzentrationsprobleme sind ein typisches Anzeichen im Frühstadium.
  • Verlangsamtes Denken: Betroffene haben Schwierigkeiten, Informationen schnell zu verarbeiten.
  • Persönlichkeitsveränderungen: Stimmungsschwankungen oder auffällige Veränderungen des Sozialverhaltens können auftreten.
  • Sprachprobleme: Wortfindungsstörungen und Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen, sind möglich.
  • Orientierungslosigkeit: Schwierigkeiten, sich in vertrauter Umgebung zurechtzufinden.
  • Neurologische Ausfälle: Gangstörungen, Taubheitsgefühle, Lähmungserscheinungen oder Kontrollverluste der Blase können auftreten.
  • Inkontinenz: Betroffene Hirnareale können die Kontrolle über Blase und Darm beeinträchtigen.

Kirstin Puchner berichtet, dass sich die Erstanzeichen bei ihrem Mann mit der Zeit verstärkt haben. Er kann Gesprächen mit tieferem Inhalt nicht mehr weit folgen, beteiligt sich nicht mehr an Gesprächen in größeren Gruppen und zieht sich zurück.

Stadien der vaskulären Demenz

Der Verlauf der vaskulären Demenz ist individuell und kann schleichend, plötzlich oder schrittweise erfolgen. Im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz verläuft die vaskuläre Demenz oft stufenweise und zeigt neurologische Ausfälle. Es können längere stabile Phasen auftreten.

Ein häufig genutztes Modell zur Einteilung der Demenz-Stadien ist die Reisberg-Skala (Global Deterioration Scale, GDS):

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  • Stadium 1: Keine erkennbaren kognitiven Einbußen.
  • Stadium 2: Geringfügige Minderung der Gehirnleistung. Betroffene vergessen Namen oder verlegen Gegenstände. Eine Diagnose ist in diesem frühen Stadium schwierig.
  • Stadium 3: Kognitive Einschränkungen nehmen allmählich zu. Wortfindungsstörungen, Schwierigkeiten beim Beschreiben von Gegenständen, Vergessen von Namen und Terminen. Allgemeine Leistungsfähigkeit ist vermindert, Neigung zu depressiven Verstimmungen.
  • Stadium 4: Die Demenz wird für Angehörige augenfälliger. Das Kurzzeitgedächtnis ist betroffen, wichtige Ereignisse aus der Vergangenheit geraten in Vergessenheit. Rückzug aus dem sozialen Leben, erhöhtes Risiko für Depressionen.
  • Stadium 5: Mittlere bis mäßige Demenz. Denk- und Gedächtnislücken erschweren den Alltag, Hilfestellung durch Dritte ist erforderlich. Betroffene wissen oft nicht mehr, welcher Wochentag ist oder wo sie sich befinden. Verwandte und Freunde werden nicht immer erkannt.
  • Stadium 6: Schwere bzw. fortgeschrittene Demenz. Das Denk- und Wahrnehmungsvermögen ist stark vermindert, die Persönlichkeit verändert sich drastisch. Hilfe bei alltäglichen Handlungen ist unverzichtbar. Selbst engste Verwandte werden nicht mehr erkannt, Misstrauen, Wahnvorstellungen und starke Stimmungsschwankungen treten auf. Oftmals verlieren Betroffene die Kontrolle über Blase und Darm.
  • Stadium 7: Endstadium der Demenz. Erkrankte können sich nicht mehr oder kaum noch verständlich machen und verlieren die Kontrolle über ihren Körper. Schluckbeschwerden, verkümmerte Reflexe, Unfähigkeit, den Kopf hochzuhalten. Nahrungsverweigerung kann zum Verhungern führen. Rund-um-die-Uhr-Betreuung ist unverzichtbar.

Neben der Reisberg-Skala kann auch die ADL-Skala ("Activities of Daily Living") zur Einstufung einer Demenzerkrankung verwendet werden. Sie misst die Alltagskompetenz von Patient:innen anhand von Kategorien wie Essen, Baden, Körperpflege, An- und Auskleiden, Stuhlkontrolle, Urinkontrolle, Toilettenbenutzung, Bett-/Stuhltransfer, Mobilität und Treppensteigen. Der Barthel-Index ist ein weit verbreitetes ADL-System.

Diagnose der vaskulären Demenz

Eine Demenzerkrankung kann nur durch eine Ärztin oder einen Arzt diagnostiziert werden. Die Diagnostik umfasst:

  • Ärztliches Gespräch: Erhebung der persönlichen Krankengeschichte, insbesondere früherer oder aktueller Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen der Hirngefäße, Bluthochdruck und Diabetes.
  • Körperliche Untersuchung: Feststellung, ob Durchblutungsstörungen vorliegen.
  • Neurologische Untersuchung: Überprüfung von Koordination, Motorik, Tastsinn und Gleichgewichtssinn.
  • Bildgebende Verfahren: CT (Computertomographie) oder MRT (Magnetresonanztomographie) zur Feststellung von Veränderungen im Gehirn.
  • Medizinische Demenztests: Beurteilung der geistigen Leistungsfähigkeit, wie Gedächtnis und Konzentrationsfähigkeit.

Spezialisierte Gedächtnisambulanzen in Krankenhäusern können die Ursache für Gedächtnis- oder Sprachprobleme abklären.

Behandlung der vaskulären Demenz

Eine vaskuläre Demenz ist nicht heilbar. Ziel der Therapie ist es, weiteren Schäden vorzubeugen und eine Verschlimmerung der Beschwerden aufzuhalten oder zu verlangsamen. Die Behandlung umfasst:

  • Medikamentöse Behandlung:
    • Blutverdünnende Medikamente zur Behandlung von Durchblutungsstörungen und Vorbeugung weiterer Schlaganfälle.
    • Medikamente zur Behandlung von Bluthochdruck, erhöhtem Cholesterinspiegel und erhöhtem Blutzucker.
  • Nichtmedikamentöse Behandlung:
    • Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie zur Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und Lebensqualität.
    • Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik.
    • Kognitive Stimulation und autobiographische Arbeit.
    • Körperliche Betätigung und Kunsttherapie.

Kirstin Puchner und ihr Mann haben ihren Alltag so strukturiert, dass er sich sicher und geborgen fühlt. Regelmäßige Bewegung, eine Ernährungsumstellung und Ergotherapie gehören zu ihren Maßnahmen. Sie bezieht ihren Mann in die Vorbereitungen beim Kochen ein und sorgt für eine feste Tagesstruktur mit gewohnten Abläufen.

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Vorbeugung

Einer vaskulären Demenz kann vorgebeugt werden, indem man einem Schlaganfall vorbeugt. Wichtig sind:

  • Regelmäßige Bewegung: Sie kann (weiteren) Schlaganfällen vorbeugen.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene, mediterrane Ernährung wird empfohlen.
  • Verzicht auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum.
  • Behandlung von Risikofaktoren: Bluthochdruck, Diabetes und erhöhte Cholesterinwerte sollten konsequent behandelt werden.

Leben mit vaskulärer Demenz

Für Menschen mit vaskulärer Demenz und ihre Angehörigen ist die Diagnose oft ein Schock. Es ist wichtig, die Krankheit zu akzeptieren und sich Unterstützung zu suchen.

  • Unterstützung für Betroffene: Manchen gelingt es, die Krankheit zu akzeptieren und trotz der Einschränkungen ein aktives und zufriedenes Leben zu führen. Andere ziehen sich zurück, sind traurig oder depressiv. Es ist wichtig, mit den Einschränkungen und Ängsten umzugehen und die Krankheit anzunehmen. Dabei spielt die Unterstützung anderer Menschen, vor allem der Familie, eine wichtige Rolle.
  • Unterstützung für Angehörige: Angehörige sind durch die Pflege und Betreuung oft stark belastet und benötigen selbst Unterstützung. Es ist wichtig, in die Behandlungspläne einbezogen zu werden und Angebote zu erhalten, die zur persönlichen Situation passen. Dazu gehören Schulungen, Beratung zu finanzieller Unterstützung und praktische Hilfen. Der Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen in Selbsthilfegruppen kann wertvoll sein.
  • Aktivitäten: Aktivitäten wie Singen, Wandern, Kochen oder Malen helfen, aktiv zu bleiben und nicht immer an die Krankheit zu denken.
  • Pflegeheim: Wenn eine Demenz-Erkrankung weit fortgeschritten ist und eine umfassende Betreuung nötig macht, kann der Umzug in eine Einrichtung, in der Pflege, Betreuung und medizinische Versorgung durch Fachkräfte möglich sind, für alle Beteiligten die bessere Lösung sein.

Kirstin Puchner rät Betroffenen und Angehörigen, erste Anzeichen ernst zu nehmen und bei Bedarf hartnäckig zu bleiben, um eine Diagnose zu erhalten. Sie betont, wie wichtig es ist, sich gut zu informieren, zu handeln und Betroffenen trotz Erkrankung weiterhin zu zeigen, dass sie noch genauso viel Wert sind wie vorher. Gespräche über die Erkrankung, Ängste und Sorgen können helfen, eine Basis von Vertrauen und Verständnis zu schaffen. Pflegende Angehörige sollten auch auf sich achten und einen Ausgleich schaffen.

Innovationen und Forschung

Große Fortschritte in Diagnostik und Therapie der Demenzerkrankung Alzheimer sind in nächster Zukunft zu erwarten. Sie werden die bisherige Behandlung der Krankheit auf den Kopf stellen. Seit diesem Jahr stehen zwei Antikörper zur ursächlichen Behandlung der frühen Alzheimer-Demenz zur Verfügung, die aktiv Amyloid-Plaques abbauen. Im Jahr 2025 wird voraussichtlich ein Medikament in Europa eine Zulassung erhalten, das an den Ursachen der Alzheimer-Krankheit ansetzt. Derartige Therapien können jedoch nur wirken, wenn sie frühzeitig eingesetzt werden. Eine frühe Diagnose ist daher entscheidend.

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