Die Diagnose Demenz wirft viele Fragen auf, insbesondere die Frage nach der Möglichkeit eines weiterhin selbstständigen Lebens. Dieser Artikel beleuchtet, wie lange Menschen mit Demenz allein leben können, welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen und welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt.
Einführung
Demenz verändert Gedächtnis, Denken und Alltagsfähigkeiten schleichend. Der Verlauf ist individuell, folgt aber bestimmten Mustern. Viele ältere Menschen wünschen sich, so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung zu bleiben. Doch ab wann ist ein selbstständiges Leben mit Demenz nicht mehr möglich?
Stadien der Demenz und ihre Auswirkungen auf die Selbstständigkeit
Der Verlauf einer Demenzerkrankung lässt sich in verschiedene Stadien einteilen, die unterschiedliche Auswirkungen auf die Selbstständigkeit der Betroffenen haben:
- Frühe Phase: Leichte Beeinträchtigungen des Denkens und Erinnerns treten auf, schränken den Alltag aber kaum ein. Menschen mit MCI nehmen Veränderungen manchmal selbst wahr, doch oft fällt sie zuerst Angehörigen auf.
- Mittlere Phase: Zunehmende Vergesslichkeit im Alltag, insbesondere was das Kurzzeitgedächtnis betrifft. Hinzu kommen erste Probleme mit der Orientierung in Raum und Zeit. Viele Menschen mit Demenz merken nun deutlich deutlich, dass etwas nicht stimmt. Aus Scham oder Unsicherheit versuchen sie, ihre Schwierigkeiten zu verstecken. Sie ziehen sich zurück und meiden ungewohnte Situationen.
- Fortgeschrittene Phase: Neben dem Kurzzeitgedächtnis ist nun auch das Langzeitgedächtnis beeinträchtigt. Bekannte Gesichter werden nicht mehr erkannt. Es kommt zu tiefgreifenden Veränderungen im Verhalten und im Wesen. In diesem Stadium ist eine selbstständige Lebensführung nicht mehr möglich.
- Endstadium: Die Erkrankten sind vollständig auf Pflege angewiesen. Es kommt zum Verlust der Sprache, völliger Orientierungslosigkeit und Inkontinenz. Im Endstadium haben Menschen mit Demenz ein zunehmend geschwächtes Immunsystem und werden anfälliger für Infektionen.
Voraussetzungen für ein selbstständiges Leben mit Demenz
Damit Menschen mit Demenz lange selbstbestimmt alleine leben können, sind bestimmte Voraussetzungen erforderlich:
- Offener Umgang mit der Krankheit: Erste Voraussetzung als Demenzkranker ist, zu akzeptieren, dass man Unterstützung braucht. Der Betroffene selbst sollte möglichst offen mit seiner Krankheit umgehen. Gibt jemand freimütig zu, dement zu sein und sich deshalb manchmal nicht zurechtzufinden, stößt dies bei anderen oft auf Verständnis und Hilfsbereitschaft. Generell sollte das Umfeld einem Demenzkranken aber nur an den Stellen zur Seite stehen, wo er Unterstützung braucht.
- Aufmerksames Umfeld: Das Umfeld des Demenzkranken sollte sensibilisiert werden, um dem Betreffenden eine sichere Orientierung zu bieten, damit er weiterhin gut alleine zu Hause leben kann. Menschen mit einer Demenz benötigen vor allem eine sichere, Orientierung bietende Umgebung. Dabei sollten das alltägliche Umfeld, wie das Verkaufspersonal im Supermarkt oder der Bäckerei, der Bankangestellte sowie die Streifenpolizistin oder der Streifenpolizist mit ins Boot geholt werden.
- Funktionierendes soziales Netzwerk: Studien im angloamerikanischen Raum haben gezeigt, dass Menschen mit Demenz alleine annähernd so sicher leben können wie solche, die mit Angehörigen zusammenwohnen, wenn sie in ein tragfähiges soziales Netz eingebunden sind. Jemand muss im Hintergrund die Fäden in der Hand halten.
- Sicherer und demenzgerechter Wohnraum: Das Ziel sollte sein den Wohnraum barrierefrei zu gestalten, dass heißt das Stürze verhindert werden sollen und Gefahrenquellen eliminieret werden. Die Kunst besteht darin, den Betroffenen möglichst viel Selbstständigkeit zu ermöglichen, Kompetenzen zu stärken und gleichzeitig die Defizite aufzufangen und Sicherheit zu gewährleisten.
Unterstützungsmöglichkeiten für ein selbstständiges Leben mit Demenz
Es gibt vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten, die es Menschen mit Demenz ermöglichen, länger selbstständig zu leben:
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- Ambulante Pflegedienste: Professionelle ambulante Hilfe ermöglicht es alleinlebenden Menschen mit Demenz länger zu Hause zu bleiben und pflegende Angehörige zu entlasten. Um die Pflegesachleistungen zu erhalten, muss die Pflegekraft bei einem Vertragspartner der Pflegekasse angestellt sein.
- Ambulante Betreuungsdienste: Ambulante Betreuungsdienste geben Hilfestellungen bei der Gestaltung des Alltags, im Haushalt sowie bei der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und sozialer Fähigkeiten. In erster Linie sind für die Finanzierung die Entlastungsleistungen in Höhe von 131 Euro monatlich vorgesehen.
- Betreuungsgruppen: Die Wohlfahrtsverbände (wie Caritas und Diakonie), die regionalen Alzheimer Gesellschaften, MGH (Mehrgenerationenhäuser) und andere Organisationen bieten in vielen Städten und Gemeinden Gruppenbetreuungen für Menschen mit Demenz an. Sie kommen regelmäßig zusammen, um gemeinsam schöne Stunden zu verbringen.
- Ehrenamtliche Hilfe: Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sollen und dürfen allerdings nicht zur klassischen Pflege herangezogen werden. In der Betreuung von Menschen mit Demenz kommt es darauf an, im richtigen Maß aktivierend deren Fähigkeiten zu fordern und zu fördern und so auch den sozialen, seelischen und kognitiven Bedürfnissen gerecht zu werden.
- Nachbarschaftshilfe: In fast allen Bundesländern gibt es Regelungen zur sogenannten Nachbarschaftshilfe. Grundsätzlich kann für die ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe eine monatliche Aufwandsentschädigung bis zu 131 € bezahlt werden, sofern ein Pflegegrad vorliegt.
- Hausnotruf: Ein Hausnotruf ist ein kleiner Melder, den der Demenzkranke an einem Band am Arm oder an einer Kette um den Hals trägt und im Notfall drückt.
- Wohnungsanpassung: Das Ziel sollte sein den Wohnraum barrierefrei zu gestalten, dass heißt das Stürze verhindert werden sollen und Gefahrenquellen eliminieret werden. Stolperfallen wie Teppiche, Verlängerungskabel oder Kleinmöbel kommen auf den Prüfstand. Auf ausreichende Bewegungsflächen für den Rollator sollten Sie achten.
Tipps für die Gestaltung des Wohnraums
- Persönliche Dinge am richtigen Platz: Viel Zeit verbringen Demenzkranke mit Suchen. Deshalb sollten ihre persönlichen Dinge wie Kleidung, Haustürschlüssel, Handtasche und Geldbeutel, Bücher, aber auch Zahnbürste und Kamm an ihrem gewohnten Platz zu finden sein.
- Übersichtliche Umgebung: Da schon früh das Orientierungsvermögen eingeschränkt ist, benötigen Menschen mit einer Demenz eine übersichtliche und klar strukturierte Umgebung, um mit Demenz allein zu Hause zu leben.
- Räumliche Orientierung: Fehlende räumliche Orientierung kann ganz einfach mit Piktogrammen aufgefangen werden. Diese gibt es zu kaufen, man kann sie aber auch selbst basteln. Die Schränke in Küche und Schlafzimmer werden mit Bildern versehen, die zeigen, was sich im Inneren verbirgt.
- Zeitliche Orientierung: Zur Orientierung unter den zeitlichen Aspekt können auch spezielle Kalender helfen, die außer dem Datum und der Uhrzeit auch noch die Jahreszeit vermitteln.
- Struktur im Kleiderschrank: Damit das gewünschte Kleidungsstück auch gefunden wird, sollten die Fächer im Schrank groß und nur halbvoll gefüllt sein. In jeden dieser Bereiche gehört nur eine Kleidersorte (Pullover, Socken, Hosen).
- Leichtes Zurechtfinden in der Küche: Wasserkocher, Kaffeemaschine und vor allem der Herd, sollten eine automatische Abschaltautomatik haben. Geschirr wird auf das Nötigste reduziert. Offene Schränke und Regale anbringen. Oberschränke in greifbarer Höhe befestigen.
- Minimalistisches Badezimmer: Je minimalistischer die persönlichen Hygieneartikel im Bad sind, desto besser. Zahnputzzeug, ein Kamm und eine Tagescreme sollten deshalb in Augenhöhe abgelegt sein.
- Sicherheitsvorkehrungen: Armaturen mit vielleicht altmodischem Kreuzgriff sind in diesem Fall besser zu bedienen als moderne Einhebelmischer. Zusätzliche farbliche Markierungen in rot und blau schützen vor Verbrühungen.
- Angst machende Elemente entfernen: Hierzu gehören zum Beispiel dunkle Flächen, die als tiefes Loch wahrgenommen werden. So kann eine schwarze Fußmatte das Überqueren der Türschwelle unmöglich machen.
- Smart Home Geräte nutzen: Vom Herdwächter bis zum Wassermelder, mittlerweile existieren viele nützliche Smart Home Geräte, welche dafür Sorgen, dass man mit Demenz gut alleine zu Hause leben kann.
Finanzierung der Unterstützung
Menschen mit Demenz, die zu Hause von ihren Angehörigen versorgt werden und mindestens in dem Pflegegrad 2 eingestuft sind, haben Anspruch auf Pflegegeld. Das Pflegegeld wird von der Pflegeversicherung auf das Konto der pflegebedürftigen Person oder das Konto einer Bevollmächtigten beziehungsweise eines Bevollmächtigten überwiesen. Über das Pflegegeld kann frei verfügt werden, es kann also auch als Anerkennung an die Pflegeperson weitergegeben werden.
Die Kosten für ambulante Pflegedienste übernehmen bis zu einem festgelegten Betrag (Pflegesachleistungen), welcher vom Pflegegrad abhängig ist, die Pflegeversicherungen. Wenn der Betrag der Pflegeversicherung nicht ausreicht, um die Leistungen des Pflegedienstes zu bezahlen, muss der Restbetrag aus eigenen Mitteln finanziert werden oder es kann beim zuständigen Sozialamt ein Antrag auf „Hilfe zur Pflege“ (SGB XII) gestellt werden.
Um die Kosten für ehrenamtliche Hilfe abzudecken, können zunächst die Entlastungsleistungen in Höhe von monatlich 131 Euro verwendet werden. Reicht das Budget für den Betreuungsbedarf nicht aus, so kann bei der Pflegekasse die Erstattung der stundenweise erfolgenden Verhinderungspflege beantragt werden.
Grenzen des selbstständigen Lebens mit Demenz
Das Alleinleben eines Demenzkranken hat auch Grenzen. Etwa dann, wenn die Krankheit schon weit fortgeschritten ist und er für sich oder andere zur Gefahr wird. Weigert sich der Betroffene, in ein Heim umzuziehen, kann ihm vom Amtsgericht ein Betreuer an die Seite gestellt werden, der alles weitere veranlasst.
Die letzte Lebensphase und Sterbebegleitung
In den letzten Wochen, Tagen und Stunden können belastende Beschwerden für den Menschen mit fortgeschrittener Demenz auftreten. Diese können meist gemildert oder vorbeugend verhindert werden. Schmerzen, Luftnot oder Angst treten bei ihnen ungefähr genauso häufig auf wie bei Menschen mit anderen Erkrankungen. Es ist schwieriger diese Beschwerden bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz zu erkennen, da diese sich meist nicht mehr mit Worten mitteilen können.
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In der letzten Lebensphase kommt es bei Menschen mit Demenz meist zu einer starken Verschlechterung des Zustandes und zunehmenden Einschränkungen. Oft haben die Betroffene häufige Infekte, die sie weiter schwächen. Sie sind zunehmend abhängig von der Unterstützung anderer. Die Schwierigkeiten beim Schlucken können zunehmen und die Betroffenen verschlucken sich eventuell häufiger als gewohnt. Das Interesse an Essen und Trinken nimmt häufig ab. Aufgrund der geringeren Nahrungsaufnahme kann es im Verlauf zu einem starken Gewichtsverlust oder einer Mangelernährung kommen.
Steht der Tod unmittelbar in den nächsten Tagen oder Stunden bevor, können die nachfolgend aufgeführten, typischen Anzeichen auftreten: Das Bewusstsein kann sich noch einmal verändern, die Sterbenden sind oft weniger erweckbar oder reagieren weniger auf ihr Umfeld als zuvor. Der Herzschlag kann sich erhöhen und der Blutdruck absinken. Die Betroffenen können eine blasse oder wächserne Hautfarbe entwickeln. Besonders auffällig ist eine veränderte Atmung. Die Betroffenen atmen eventuell langsamer, flacher oder auch unregelmäßiger. Es kann zu einer Rasselatmung kommen.
Trauerphase
Der Tod einer oder eines Nahestehenden ist mit tiefen Emotionen verbunden. Jeder Mensch trauert auf seine eigene Weise und erlebt eine unterschiedlich intensive oder lange Phase der Trauer. Hinterbliebene müssen nicht allein mit ihrer Trauer bleiben, vielen hilft es sich mit anderen darüber auszutauschen. Auch Personen außerhalb des Familien- und Freundeskreises können Unterstützung bieten. Hospizdienste bieten Unterstützung in dieser Lebensphase an.
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