Die Diagnose Demenz stellt Betroffene und ihre Familien vor große Herausforderungen. Mehr als 1,7 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Demenz, und jährlich kommen etwa 40.000 neue Fälle hinzu. Experten prognostizieren für das Jahr 2030 rund 2,15 Millionen Demenzkranke. Dieser Artikel bietet Ihnen wichtige Tipps und Informationen, um die Pflege eines Demenzkranken zu Hause zu erleichtern und den Alltag besser zu bewältigen.
Was ist Demenz?
Der Begriff "Demenz" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "weg vom Geist". Die Krankheit führt zu einer fortschreitenden Beeinträchtigung der Hirnleistung, wobei kognitive Fähigkeiten wie Denken, Erkennen, Orientieren und Sprache eingeschränkt werden. Auch Veränderungen im emotionalen und zwischenmenschlichen Verhalten sind häufig.
Alzheimer ist die häufigste Form der Demenzerkrankung, die sich schleichend über etwa zehn Jahre bis zum Tod des Patienten entwickelt. Es gibt primäre und sekundäre Demenzformen. Sekundäre Demenz kann durch andere Erkrankungen, Stoffwechselstörungen, Alkohol oder Medikamente ausgelöst werden und ist oft umkehrbar, wenn die Grunderkrankung behandelt wird. Die primäre Demenz, die 90 Prozent aller Fälle ausmacht, ist jedoch nicht heilbar.
Auswirkungen der Erkrankung verstehen
Für gesunde Menschen ist es oft schwer, sich in die Lage von Demenzkranken zu versetzen. Im fortgeschrittenen Stadium können sie sich nicht mehr mitteilen, daher sind Intuition und Empathie entscheidend. Es ist wichtig, die Auswirkungen der Erkrankung zu verstehen, um angemessen reagieren zu können.
Verlust kognitiver Fähigkeiten
Wortfindungsstörungen, Gedächtnisverlust, Orientierungsprobleme und Sprachstörungen sind typische Folgen der Demenz. Betroffene versuchen oft, ihre Gedächtnislücken zu verbergen, besonders in den frühen Stadien der Krankheit.
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Umgang mit Gedächtnisverlust:
- Notizzettel: Können helfen, den Alltag zu bewältigen.
- Nicht korrigieren: Vermeiden Sie es, den Erkrankten zu korrigieren, da dies beschämend sein kann.
- Akzeptanz: Akzeptieren Sie die Einschränkungen und vermeiden Sie unnötiges Training oder Abfragen.
- Einfache Sprache: Verwenden Sie kurze, klare Sätze und wiederholen Sie wichtige Aussagen.
- Klare Fragen: Stellen Sie Fragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können.
- Feste Tagesstruktur: Schaffen Sie eine Routine, die Sicherheit gibt.
Schwierigkeiten bei Entscheidungen und logischem Denken
Demenzkranke haben oft Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen und logische Schlüsse zu ziehen. Ihr Handeln ist für Gesunde oft schwer nachvollziehbar.
Umgang mit Verhaltensänderungen:
- Nicht diskutieren: Vermeiden Sie Diskussionen und logische Erklärungen.
- Beruhigen: Beseitigen Sie Auslöser für Unruhe oder Aufregung oder wirken Sie beruhigend ein.
- Akzeptanz: Akzeptieren Sie, dass der Patient sein Handeln nicht erklären kann.
- Gemeinsame Erinnerungen: Teilen Sie gemeinsame Erinnerungen, um die Sinne anzuregen.
Emotionale Veränderungen
Auch wenn kognitive Fähigkeiten fehlen, bleibt die Gefühlswelt erhalten. Demenzkranke können Erlebnisse jedoch nicht mehr verarbeiten oder daraus lernen. Negative Gefühle können Hilflosigkeit auslösen.
Umgang mit emotionalen Schwankungen:
- Negative Gefühle vermeiden: Versuchen Sie, Auslöser für negative Gefühle zu vermeiden.
- Bestärkung und Lob: Bestärken Sie den Betroffenen in seinen Handlungen und loben Sie ihn.
- Akzeptanz: Akzeptieren Sie Gefühlsschwankungen als Teil der Krankheit.
- Sinnesanregung: Regen Sie die Sinne an, z.B. durch das Betrachten von Fotos.
Wiederholungen und Unruhe
Typische Verhaltensweisen sind das ständige Wiederholen von Fragen oder Handlungen, nächtliches Wandern oder nervöse Unruhe.
Umgang mit wiederholten Verhaltensweisen:
- Geduld bewahren: Versuchen Sie, geduldig zu bleiben.
- Auszeiten nehmen: Nehmen Sie sich eine kurze Auszeit, wenn Sie überfordert sind.
- Ablenkung: Lenken Sie den Erkrankten ab und beginnen Sie eine neue Aktivität.
- Akzeptanz: Akzeptieren Sie unruhiges Hin- und Herlaufen als Teil der Krankheit.
- Sicherheitsmaßnahmen: Sorgen Sie nachts für verschlossene Türen und installieren Sie einen Bewegungsmelder.
- Aggressives Verhalten: Bleiben Sie gelassen und versuchen Sie, den Betroffenen zu beruhigen. Achten Sie dabei auf Ihre eigene Sicherheit und suchen Sie im Zweifelsfall Unterstützung.
Tipps für die Gestaltung des Wohnraums
Eine demenzgerechte Wohnraumgestaltung kann die Orientierung erleichtern und die Sicherheit erhöhen.
- Übersichtliche Einrichtung: Vermeiden Sie zu viele Sinneseindrücke und sorgen Sie für eine einfache, übersichtliche Einrichtung.
- Klare Kennzeichnung: Kennzeichnen Sie Türen, besonders die zum Badezimmer, mit deutlichen Schildern.
- Gute Beleuchtung: Verwenden Sie kaltweißes Licht und LED-Nachtlichter mit Bewegungsmeldern.
- Vermeidung von Spiegelungen: Vermeiden Sie spiegelndes Licht auf glatten Oberflächen.
- Zeitliche Orientierung: Nutzen Sie Kalender mit großen Zahlen und Symbolen für die Jahreszeiten.
- Behutsame Farbwahl: Setzen Sie Farbakzente gezielt ein und vermeiden Sie dunkle Töne und großflächige Muster.
- Kontraste: Nutzen Sie Kontraste, um Details hervorzuheben.
- Sturzprophylaxe: Entfernen Sie Stolperfallen und sorgen Sie für eine gute Beleuchtung.
- Sicherheit: Installieren Sie Schlösser mit Not- und Gefahrenfunktion und sichern Sie elektronische Geräte.
Aktive Gestaltung des Alltags
Eine aktive Gestaltung des Alltags vermittelt Normalität und kann das Fortschreiten der Erkrankung hinauszögern.
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- Feste Routine: Der Tag sollte einer festen Routine folgen.
- Selbstständigkeit fördern: Lassen Sie den Erkrankten so viel wie möglich selbst erledigen.
- Vertraute Tätigkeiten: Beziehen Sie den Erkrankten in Haus- und Gartenarbeit ein.
- Aktivitäten: Planen Sie Spaziergänge, Ausflüge, leichte sportliche Aktivitäten und Hobbys ein.
- Gemeinsame Erinnerungen: Musizieren oder singen Sie gemeinsam bekannte Lieder und schauen Sie Fotos oder Alben an.
- Körperpflege: Unterstützen Sie bei der Körperpflege und Mundhygiene ohne Zeitdruck.
- Kleidung: Verwenden Sie Kleidung mit Reiß- oder Klettverschlüssen.
- Toilette: Erleichtern Sie den Gang zur Toilette durch Haltegriffe und Toilettensitzerhöhungen.
- Diskretion: Unterstützen Sie diskret und wahren Sie die Privatsphäre.
- Hilfsmittel: Nutzen Sie Hilfsmittel wie Inkontinenzprodukte.
Unterstützung für pflegende Angehörige
Die Pflege eines Demenzkranken ist eine große Belastung. Es ist wichtig, auch an sich selbst zu denken und sich Unterstützung zu suchen.
Eigene Entlastung
- Auszeiten: Nehmen Sie sich regelmäßig Auszeiten und übertragen Sie die Pflege an andere Personen.
- Grenzen akzeptieren: Akzeptieren Sie Ihre Grenzen und geben Sie Aufgaben ab.
- Gesunde Ernährung: Achten Sie auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung.
- Entspannungstechniken: Nutzen Sie Entspannungstechniken wie autogenes Training.
- Austausch: Tauschen Sie sich mit anderen Pflegenden, Familie oder Freunden aus oder suchen Sie gezielt Beratung.
Unterstützungsmöglichkeiten
- Pflegedienste: Ambulante Pflegedienste können bei der Versorgung zu Hause unterstützen. Achten Sie auf Erfahrung im Umgang mit Demenzpatienten und eine feste Bezugsperson.
- Pflegestufe beantragen: Kümmern Sie sich rechtzeitig um die Beantragung einer Pflegestufe.
- Betreuungsgruppen: Wohlfahrtsverbände und Alzheimer Gesellschaften bieten Betreuungsgruppen für Menschen mit Demenz an.
- Ehrenamtliche Hilfe: Ehrenamtliche Helfer können bei der Betreuung unterstützen und soziale Kontakte ermöglichen.
- Tagespflege: Tagespflegeeinrichtungen bieten tagsüber Betreuung und Entlastung für Angehörige.
- Kurzzeitpflege: Kurzzeitpflegeeinrichtungen übernehmen die komplette Versorgung für einen begrenzten Zeitraum.
- Selbsthilfegruppen: Angehörigen- bzw. Selbsthilfegruppen bieten die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen.
Umgang mit schwierigen Situationen
Pflegende Angehörige haben häufig mit schwierigen Verhaltensweisen ihrer Liebsten zu kämpfen, wie Weglauftendenz, Aggressionen und Depressionen. Es ist wichtig zu verstehen, dass dieses Verhalten nicht absichtlich ist.
Tipps für den Umgang
- Regelmäßige Abläufe: Ein strukturierter Alltag und feste Gewohnheiten sind wichtig.
- Aufgaben geben: Bewahren Sie die Selbstständigkeit des Patienten und lassen Sie ihn so viele Dinge wie möglich selbst erledigen.
- Klare Anweisungen: Verwenden Sie kurze, klare Sätze.
- Geduld: Nehmen Sie sich Zeit für die Aufgaben.
- Kontrolle: Installieren Sie Herdüberwachungen, Weglaufmelder und Wasserstandsmelder.
- Professionelle Hilfe: Holen Sie sich Hilfe durch professionelle Betreuungskräfte und Pflegefachpersonal.
Kommunikation und Interaktion
Die Kommunikation mit Menschen mit Demenz erfordert Geduld und Einfühlungsvermögen.
- Langsam und deutlich sprechen: Verwenden Sie einfache Sätze und vermeiden Sie komplizierte Begriffe.
- Vertraute Abläufe: Halten Sie sich an vertraute Abläufe wie Aufstehen, Frühstücken, Anziehen oder Duschen.
- Angenehme Aktivitäten: Bauen Sie täglich Aktivitäten ein, die guttun, wie Spaziergänge oder Hobbys.
- Angst vermeiden: Bereiten Sie Aktivitäten, die Angst auslösen könnten, behutsam und in kleinen Schritten vor.
- Tagesstruktur: Schaffen Sie eine klare Tagesstruktur mit Tageslicht, frischer Luft und festen Abläufen am Tag, Ruhe und gedimmtem Licht am Abend.
- Essverhalten: Achten Sie auf feste Essenszeiten und eine ruhige Umgebung.
- Sinnesüberlastung vermeiden: Vermeiden Sie laute Geräusche, helles Licht oder intensive Düfte.
- Anziehen erleichtern: Halten Sie das Angebot an Kleidung klein und leicht kombinierbar.
Wann ist ein Umzug ins Pflegeheim notwendig?
Ob und wann ein Umzug in ein Pflegeheim notwendig ist, hängt von der Entwicklung der Erkrankung ab. Wenn eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung erforderlich wird, die von Angehörigen nicht mehr geleistet werden kann, ist ein Umzug in ein Heim möglicherweise die beste Lösung. Wichtig ist, dass pflegende Angehörige in diesem Fall kein schlechtes Gewissen haben, sondern sich auf angenehme Aktivitäten mit dem Erkrankten konzentrieren.
Finanzielle Unterstützung
Die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung richten sich nach dem Pflegegrad und der Art der Pflege. Pflegebedürftige erhalten Pflegegeld, wenn sie von Angehörigen gepflegt werden, oder Pflegesachleistungen, wenn ein Pflegedienst die Leistungen übernimmt. Eine Kombination beider Leistungen ist ebenfalls möglich. Zusätzlich können wohnumfeldverbessernde Maßnahmen in Anspruch genommen werden.
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