Depression nach Schlaganfall: Behandlung, Symptome und Bewältigung

Ein Schlaganfall kann nicht nur körperliche, sondern auch erhebliche psychische Folgen haben. Eine der häufigsten Komplikationen ist die Depression, die oft erst Monate nach dem akuten Ereignis auftritt. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Depression nach einem Schlaganfall (Post-Stroke-Depression, PSD), einschliesslich Symptome, Ursachen, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten. Ziel ist es, Betroffenen und Angehörigen ein umfassendes Verständnis dieser Erkrankung zu vermitteln und Wege zur Bewältigung aufzuzeigen.

Einführung

Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das das Leben der Betroffenen grundlegend verändern kann. Neben den offensichtlichen körperlichen Beeinträchtigungen, wie Lähmungen oder Sprachstörungen, leiden viele Patienten auch unter psychischen Problemen. Besonders häufig tritt eine Depression auf, die als Post-Stroke-Depression (PSD) bezeichnet wird. Oftmals stellen sich die Symptome erst Monate nach dem akuten Ereignis ein, was viele Erkrankte und insbesondere Angehörige überrascht.

Symptome der Post-Stroke-Depression

Die Symptome der PSD ähneln denen einer klassischen Depression, können aber durch die Folgen des Schlaganfalls überlagert und schwerer zu erkennen sein. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Anhaltend traurige Grundstimmung: Betroffene quälen negative und traurige Gedanken. Sie sind schwermütig, trübsinnig, niedergeschlagen, verzweifelt, ohne positives Lebensgefühl und empfinden sich innerlich als leer. Auch Gleichgültigkeit und das Erlöschen von Gefühlen können vorkommen. Die Traurigkeit kann sich auch als körperliche Missempfindung äußern, wie Druck in der Herz- oder Magengegend, Druck auf der Brust, Gliederschwere oder allgemeine Erschöpfung. Äußerlich wird die gedrückte Stimmung durch einen traurigen Gesichtsausdruck, Rückzugstendenzen und zunehmende Verstummung deutlich.

  • Antriebshemmung: Weder das Handeln noch das Denken erfolgen in gewohnten Bahnen. Schon das Aufstehen am Morgen fällt schwer. Entschlussfreude und Schwung fehlen. Jede Beschäftigung oder Arbeit fällt schwer oder wird gänzlich unterlassen, was nicht selten zu einem Minderwertigkeitsgefühl und Selbstvorwürfen führt. Die Antriebsarmut drückt sich auch in der allgemeinen Beweglichkeit aus. Die Bewegungen sind verlangsamt, der Gang schleppend, der Gesichtsausdruck leidend bei eingeschränkter Mimik. Die Sprache ist verlangsamt, eintönig und leise. Andere Patienten sind eher unruhig, laufen rastlos umher, jammern vermehrt und äußern händeringend ihre Nöte.

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  • Denkhemmung und Grübeltendenzen: Die Gedanken kreisen ununterbrochen um unrealistische Sorgen und Nöte. Es wird ständig gegrübelt. Alles erscheint in düsterem Licht, das bisherige Leben wird als verfehlt, sinn- und zwecklos empfunden. Gespräche sind einsilbig und unproduktiv, Gedankengänge werden nicht zu Ende gebracht. Konzentrationsstörungen beeinträchtigen das Handeln, alle gewohnten Tätigkeiten werden auch hierdurch erschwert. Diese Einschränkungen können in Zusammenhang mit Gedächtnisstörungen zu dem Eindruck verleiten, dass sich eine Demenz entwickelt oder vorliegt. Das Denken kann auch inhaltlich gestört sein. So können wahnhafte, depressive Ideen wie Schuld-, Verarmungs- oder Krankheitsideen auftreten. Häufig werden auch diffuse Ängste geäußert. Hoffnungslosigkeit beherrscht das Denken. Die ganze Welt erscheint düster, das eigene Leiden aussichtslos und das Weiterleben zwecklos. Es können Selbstmordgedanken bzw. Suizidideen auftreten bis zum Selbstmord als vermeintlich einzigen Ausweg aus Verzweiflung und Qual. Selten kommt es zu einer wahnhaften Verkennung der Umwelt, vor allem zu Misstrauen.

  • Interessenverlust: Betroffene verlieren das Interesse an ihren früheren Hobbys und Aktivitäten.

  • Energiemangel: Ein Gefühl von Erschöpfung und Antriebslosigkeit.

  • Schlafstörungen: Probleme beim Ein- oder Durchschlafen.

  • Gewichtsveränderungen: Zunahme oder Abnahme des Gewichts.

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  • Konzentrationsprobleme: Schwierigkeiten, sich zu fokussieren und alltägliche Aufgaben zu erledigen.

  • Schuld- und Wertlosigkeitsgefühle: Gefühle der Wertlosigkeit oder Schuld im Zusammenhang mit dem Schlaganfall.

  • Körperliche Beschwerden: Häufige Kopfschmerzen oder Magenprobleme.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle diese Symptome gleichzeitig auftreten müssen und dass die Ausprägung der Symptome individuell unterschiedlich sein kann.

Ursachen der Post-Stroke-Depression

Die Ursachen der PSD sind vielfältig und komplex. Es wird angenommen, dass sowohl biologische als auch psychosoziale Faktoren eine Rolle spielen.

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Neurobiologische Faktoren:

  • Hirnschädigung: Der Schlaganfall kann direkt Gehirnbereiche schädigen, die für die Emotionsregulation zuständig sind. Insbesondere Schädigungen der frontalen und limbischen Hirnregionen können die Entstehung einer Depression begünstigen.
  • Neurotransmitter-Ungleichgewicht: Durch den Schlaganfall kann es zu einer Störung des Gleichgewichts von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin kommen, die eine wichtige Rolle bei der Stimmungsregulation spielen.
  • Funktionsstörung des Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Systems (HPA-Achse): Studien haben gezeigt, dass eine Funktionsstörung der HPA-Achse, die für die Stressregulation zuständig ist, mit dem Auftreten einer PSD in Verbindung stehen kann.
  • Verminderte Neurogenese: Tierexperimentelle Daten legen nahe, dass die adulte Neurogenese, also die Neubildung von Nervenzellen im Gehirn, eine Rolle bei der Prävention und der Rekonvaleszenz einer Depression spielt. Eine Hemmung der Neurogenese könnte sich nachteilig auf die Erholung nach einem Schlaganfall und sekundär auf die Akzentuierung depressiver Störung auswirken.
  • Mangel an Wachstumsfaktor BDNF (Brain-derived neurotrophic factor): Ein Mangel an BDNF, einem Wachstumsfaktor, der für das Überleben und die Funktion von Nervenzellen wichtig ist, wird ebenfalls mit der Entstehung einer PSD in Verbindung gebracht.
  • Vaskuläre Depression: Chronische mikrovaskuläre Veränderungen im Gehirn, die häufig bei älteren Menschen auftreten, könnten ebenfalls das Risiko einer Depression erhöhen.

Psychosoziale Faktoren:

  • Verlust von Fähigkeiten und Unabhängigkeit: Die durch den Schlaganfall verursachten körperlichen und geistigen Einschränkungen können zu einem Gefühl des Verlustes von Fähigkeiten und Unabhängigkeit führen, was eine Depression begünstigen kann.
  • Veränderungen im sozialen Umfeld: Der Schlaganfall kann zu Veränderungen in Familie, Partnerschaft und Freundschaften führen, was zu sozialer Isolation und Depression beitragen kann.
  • Bewältigungsprobleme: Schwierigkeiten bei der Bewältigung der neuen Lebenssituation und der Verarbeitung des traumatischen Ereignisses können ebenfalls eine Depression auslösen.
  • Frühere Depressionen: Menschen, die bereits vor dem Schlaganfall an einer Depression erkrankt waren, haben ein höheres Risiko, eine PSD zu entwickeln.

Diagnose der Post-Stroke-Depression

Die Diagnose der PSD kann aufgrund der Überlappung mit anderen Schlaganfall-bedingten Symptomen erschwert sein. Es ist wichtig, dass Ärzte ein systematisches Screening auf das Vorliegen einer PSD durchführen.

Diagnostische Verfahren:

  • Strukturierte psychiatrische Exploration: Ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten, in dem die Symptome, die Krankheitsgeschichte und die psychosoziale Situation erfasst werden.
  • Psychometrische Beurteilungsskalen: Fragebögen und Tests, die zur Erfassung des Schweregrads der Depression eingesetzt werden können. Beispiele hierfür sind die Center of Epidemiological Studies-Depression Scale (CES-D), die Hamilton Depression Rating Scale (HDRS) und der Patient Health Questionnaire (PHQ-9).
  • Klinischer Eindruck: Die Beurteilung des Patienten durch den Arzt, basierend auf seinen Beobachtungen und Erfahrungen.

Es ist wichtig, andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen, wie z.B. Medikamentennebenwirkungen, Schilddrüsenerkrankungen oder andere neurologische Erkrankungen.

Behandlung der Post-Stroke-Depression

Die Behandlung der PSD umfasst in der Regel eine Kombination aus medikamentöser Therapie, Psychotherapie und psychosozialer Unterstützung.

Medikamentöse Therapie:

  • Antidepressiva: Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) sind die am häufigsten eingesetzten Antidepressiva bei PSD. Sie haben in der Regel ein günstiges Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil und sind gut verträglich. Trizyklische Antidepressiva können ebenfalls eingesetzt werden, haben aber oft stärkere Nebenwirkungen.
  • Andere Medikamente: In einigen Fällen können auch andere Medikamente eingesetzt werden, wie z.B. Stimmungsstabilisierer oder Antipsychotika.

Es ist wichtig, die medikamentöse Therapie sorgfältig auf etwaige pharmakologische Interaktionen zu prüfen, da Patienten mit akutem Schlaganfall häufig an vaskulären und metabolischen Begleiterkrankungen leiden und zumeist bereits mit multiplen Arzneistoffen behandelt werden.

Psychotherapie:

  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): KVT ist eineForm der Psychotherapie, die darauf abzielt, negative Gedankenmuster und Verhaltensweisen zu verändern. Sie kann helfen, die Symptome der Depression zu lindern und die Bewältigungsstrategien zu verbessern.
  • Interpersonelle Therapie (IPT): IPT ist eine weitereForm der Psychotherapie, die sich auf die Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen konzentriert. Sie kann helfen, soziale Isolation zu reduzieren und das soziale Netzwerk zu stärken.
  • Neuropsychologische Therapie: Bei Patienten mit neuropsychologischen Folgen des Schlaganfalls kann eine neuropsychologische Therapie helfen, die kognitiven Funktionen zu verbessern und die emotionalen Auswirkungen der Hirnschädigung zu bewältigen.

Psychosoziale Unterstützung:

  • Unterstützung durch Familie und Freunde: Die Unterstützung durch Familie und Freunde ist ein wichtiger Faktor für die Bewältigung der PSD. Sie können emotionale Unterstützung bieten, bei alltäglichen Aufgaben helfen und die soziale Isolation reduzieren.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen kann helfen, sich nicht alleine zu fühlen und von den Erfahrungen anderer zu profitieren.
  • Beratungsstellen: Beratungsstellen können Informationen und Unterstützung zu verschiedenen Themen im Zusammenhang mit dem Schlaganfall und der Depression bieten.
  • Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, bestimmte Körperfunktionen wiederzuerlangen und die Selbstständigkeit im Alltag zu verbessern.
  • Bewegungs- und Krafttraining: Bewegung und Sport können dazu beitragen, depressive Beschwerden zu lindern und die körperliche Fitness zu verbessern.

Bedeutung der Früherkennung und Behandlung

Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der PSD ist von entscheidender Bedeutung, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und die Rehabilitation zu fördern. Eine unbehandelte Depression kann die Genesung verzögern, die soziale Isolation verstärken und das Risiko für weitere Komplikationen erhöhen.

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