Der Schlaganfall ist eine akute Erkrankung, bei der jede Minute zählt. Schnelle und fachkundige Behandlung ist entscheidend, um bleibende Schäden zu minimieren und die Genesungschancen zu erhöhen. Die Deutsche Schlaganfall Gesellschaft (DSG) spielt eine zentrale Rolle bei der Qualitätssicherung in der Schlaganfallversorgung durch die Zertifizierung von Stroke Units. Diese Zertifizierung stellt sicher, dass Patienten in Deutschland eine hochwertige und leitliniengerechte Behandlung erhalten.
Was ist eine Stroke Unit?
Der englische Begriff „stroke" lässt sich mit dem deutschen „Schlag" übersetzen, „unit" bedeutet so viel wie „Einheit". Eine Stroke Unit hat die apparativen und die personellen Voraussetzungen für die notwendigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. In den Stroke Units, Spezialeinheiten für Schlaganfall-Patienten, werden die Betroffenen schnell, umfassend und fachübergreifend behandelt. Eine Stroke Unit ist grundsätzlich dafür ausgerichtet, Patienten mit akuten Schlaganfällen zu behandeln. Das bedeutet unter anderem, dass die entsprechenden bildgebenden Verfahren vorhanden sein müssen und außerdem ein spezialisiertes fachärztliches Team vor Ort ist oder in Bereitschaft abrufbar. Außerdem ist es auf Stoke Units möglich, Medikamente zu verabreichen, die ein Blutgerinnsel im Gehirn lösen können - also eine Thrombolyse vorzunehmen. Auf immer mehr Schlaganfall-Stationen ist es zudem möglich, eine Thrombektomie, also eine mechanische Entfernung des Gerinnsels, durchzuführen. Größere Kliniken verfügen zudem über eine Neurochirurgie, in der Notoperationen - etwa bei schweren Hirnblutungen - durchgeführt werden können. In seltenen Fällen kann es daher zu einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus kommen. Nach einem Schlaganfall ist die frühe Mobilisation und Rehabilitation wichtig für die Rückbildung von Behinderungen. Deshalb müssen Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden vor Ort oder abrufbar sein. Die lebensnotwendigen Funktionen der Betroffenen können rund um die Uhr überwacht werden, ein erfahrenes Team unterschiedlicher Fachärzte, bestehend aus Neurologen, Kardiologen sowie Radiologen und teilweise auch Neuro- und Gefäßchirurgen arbeitet zusammen.
Bedeutung der Zertifizierung durch die DSG
Die Zertifizierung von Stroke Units wurde bereits 2004 initiiert und in der Folgezeit in Zusammenarbeit zwischen der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe und Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft zu einem umfassenden Verfahren entwickelt. Ziel ist es, die Qualität von Schlaganfall-Stationen zu fördern und in einem unabhängigen Zertifizierungsverfahren nachzuweisen und transparent nach außen darzulegen. Durch die Zertifizierung soll der Qualitätsstandard auf deutschen Stroke Units dauerhaft dargestellt, gesichert und kontinuierlich angehoben werden. Mit dem Zertifikat werden Stroke Units ausgezeichnet, die nach definierten Qualitätsrichtlinien arbeiten. Die Bezeichnung "Stroke Unit" oder auch "Schlaganfall-Station" ist in Deutschland gesetzlich nicht geschützt. Eine leitliniengerechte Schlaganfall-Behandlung ist also nicht automatisch garantiert. Die Zertifizierung durch die Deutsche Schlaganfall Gesellschaft (DSG) stellt sicher, dass eine Stroke Unit definierte Qualitätsstandards erfüllt und somit eine optimale Versorgung von Schlaganfallpatienten gewährleistet.
Neue Kriterien und Qualitätsstandards
Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) hat neue Kriterien zur Zertifizierung von Stroke Units vorgelegt. „Die aktuellen Anforderungen erhöhen erneut die Qualitätsstandards und fordern die Betreiber auf, über die Minimalvorgaben hinauszugehen“, sagte Otto Busse, Generalsekretär der DSG. Er betonte, die bislang über 200 Stroke Units in Deutschland seien für die Versorgung von Schlaganfallpatienten unverzichtbar. Im neuen Kriterienkatalog hebt die Fachgesellschaft beispielsweise die Zahl der jährlichen Thrombolysen an, die eine Einrichtung nachweisen muss, um zertifiziert zu werden. Auch für die Personalberechnung hat die DSG die Kriterien präzisiert. Neu an den Zertifizierungskriterien ist die Unterscheidung zwischen relevanten Minimalforderungen und zusätzlichen Empfehlungen. „Wir wollen die Betreiber der Stroke Units ermuntern, die Mindestanforderung zu überschreiten und gezielt und kreativ über diese hinauszugehen“, erklärte Busse. Wer den Empfehlungen folge, organisiere zusätzliche Fortbildung der Mitarbeiter, erarbeite wirksame Standards zur Beschleunigung der Lysetherapie, verbessere die Kommunikation zwischen Rettungsdienst und Stroke Unit oder optimiere das Verlegungsmanagement.
Zertifizierung der Uniklinik Köln als Beispiel
Die Deutsche Schlaganfall Gesellschaft (DSG) hat die Stroke Unit der Uniklinik Köln als überregionale Stroke Unit rezertifiziert. Die infrastrukturellen und personellen Voraussetzungen ermöglichen eine Versorgung der stetig wachsenden Zahl von Schlaganfall-Patientinnen und -Patienten. Diesem hat die DSG Rechnung getragen und nunmehr 17 Betten als überregionale Stroke Unit zertifiziert. Die Stroke Unit der Uniklinik Köln ist das Rückgrat des Neurovaskulären Netzwerk für die Region Köln, in welchem die Uniklinik Köln eng mit den umliegenden Stroke Units der Region zusammenarbeitet und die zusammen circa zwei Millionen Einwohner der Region versorgen. Die Uniklinik ist koordinierendes Zentrum dieses ebenfalls zertifizierten Netzwerkes, auch mit der Anerkennung der Uniklinik Köln als Spitzenzentrum für die Schlaganfallversorgung nach Kriterien des gemeinsamen Bundesausschusses durch die Landesbehörden und versorgt jedes Jahr über 1.500 Schlaganfälle. Diese Erfolge unterstreichen die kontinuierliche Verpflichtung des Teams, die bestmögliche Behandlung für die Bevölkerung Kölns und der Kölner Region sicherzustellen. „Die Rezertifizierung ist eine Bestätigung unserer hohen Standards und unseres Engagements, die Versorgung der Kölner Bevölkerung auf höchstem Niveau zu gewährleisten“, erklärt Klinikdirektor Univ.-Prof. Dr. Gereon R. Fink.
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Voraussetzungen für die Zertifizierung
Die genauen Voraussetzungen für die Zertifizierung durch die DSG sind detailliert und umfassen verschiedene Aspekte der Schlaganfallversorgung. Zu den wichtigsten gehören:
- Personelle Ausstattung: Ein interdisziplinäres Team aus neurologischen Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten und weiteren Fachgebieten wie Neuroradiologie, Neurochirurgie, Gefäßchirurgie oder Kardiologie muss vorhanden sein.
- Infrastrukturelle Ausstattung: Die Stroke Unit muss über die notwendigen apparativen Voraussetzungen für diagnostische und therapeutische Maßnahmen verfügen, einschließlich bildgebender Verfahren und Möglichkeiten zur Thrombolyse und Thrombektomie.
- Qualitätsmanagement: Es müssen wirksame Standards zur Beschleunigung der Lysetherapie, zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Rettungsdienst und Stroke Unit und zur Optimierung des Verlegungsmanagements etabliert sein.
- Fortbildung: Regelmäßige Fortbildungen der Mitarbeiter sind erforderlich, um die Qualität der Versorgung kontinuierlich zu verbessern.
- Fallzahlen: Die Stroke Unit muss eine bestimmte Anzahl von Schlaganfallpatienten pro Jahr behandeln und eine Mindestanzahl an Thrombolysen durchführen.
Die konkreten Mindest- und Zusatzanforderungen für eine Zertifizierung können dem Erhebungsbogen entnommen werden.
Rolle der Arbeitsgemeinschaft Schlaganfallstationen Baden-Württemberg e.V. (ASBW e.V.)
Die Arbeitsgemeinschaft Schlaganfallstationen Baden-Württemberg e.V. (ASBW e.V.) ist die Herausgeberin von Zertifikaten für spezialisierte Schlaganfalleinheiten. Die ASBW e.V. arbeitet mit der Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) zusammen, um die Akutversorgung des Schlaganfalls sicherzustellen. Das Zertifizierungsverfahren für Lokale Schlaganfallstationen wurde in Anlehnung an die Kriterien der Deutschen Schlaganfallgesellschaft e.V. entwickelt. Die Anforderungen für die Zertifizierung werden durch den Vorstand der ASBW definiert. Das letzte Update der Zertifizierungskriterien Qualitätsmanagementsystem Lokale Schlaganfallstation erfolgte im Jahr 2023. Insgesamt wird beim ASBW-Zertifizierungsverfahren nach Einschätzung der Stakeholder ein hoher Reifegrad erreicht (u.a. Überarbeitung der Kriterien und die Überprüfung der Auditberichte durch den Zertifizierungsausschuss im Sinne des Mehr-Augen-Prinzips).
Ablauf des Zertifizierungsverfahrens
Der Zertifizierungsprozess umfasst mehrere Schritte:
- Antragstellung: Ein ausgefüllter Zertifizierungsantrag für eine lokale Schlaganfalleinheit ist inkl. bei der ASBW e.V. einzureichen.
- Prüfung der Unterlagen: Die eingereichten Unterlagen werden von der Zertifizierungsstelle geprüft.
- Audit: Vor Ort findet ein Audit durch die Zertifizierungsstelle Rheinland (LGA InterCert Zertifizierungsgesellschaft GmbH) und dem medizinischen Fachauditor der ASBW e.V. statt.
- Entscheidung: Die abschließende Entscheidung trifft der unabhängige Ausschuss für Zertifikatserteilung, der durch den Vorstand der ASBW e.V. gebildet wird.
Bei geringfügigen, begründeten Abweichungen von den Zusatzanforderungen kann eine Auflage erteilt werden. Diese ist innerhalb von drei (ggf. sechs) Monaten nachzuweisen. Änderungen bezüglich der Erfüllung von Mindest- oder Zusatzanforderungen sind umgehend mitzuteilen. Das Zertifizierungsprogramm und seine Anforderungen wird in jährlich stattfindenden Sitzungen der Zertifizierungskommission überprüft und bei Bedarf überarbeitet.
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Vorteile der Behandlung in einer zertifizierten Stroke Unit
Die Behandlung in einer zertifizierten Stroke Unit bietet zahlreiche Vorteile für Schlaganfallpatienten:
- Schnelle und kompetente Versorgung: Durch die Spezialisierung und die interdisziplinäre Zusammenarbeit kann eine schnelle und effektive Behandlung gewährleistet werden.
- Leitliniengerechte Therapie: Die Zertifizierung stellt sicher, dass die Behandlung nach den aktuellen Leitlinien der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft erfolgt.
- Verbesserte Überlebenschancen und geringere Behinderungen: Studien haben gezeigt, dass die Behandlung in einer Stroke Unit die Überlebenschancen erhöht und das Risiko bleibender Behinderungen reduziert. Akutem Schlaganfall bei gleichzeitig statistisch verkürztem stationärem Aufenthalt (Langhorne et al. 2020, Langhorne et al. 2013, Sun Y et al. 2013).
- Ganzheitliche Betreuung: Neben der medizinischen Behandlung wird auch die Rehabilitation und die psychologische Betreuung der Patienten berücksichtigt.
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